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Verkehrssicherungspflicht – Umfang bei im Garten spielender Kinder

Verkehrssicherungspflicht bei Gartenaktivitäten: Fallstudie über Schutzaufgaben und Kindersicherheit

In dieser Zusammenfassung geht es um eine Rechtssache, die das Oberlandesgericht Brandenburg unter dem Aktenzeichen 4 U 182/19 am 08. Juli 2020 verhandelt hat. Der Fall dreht sich um die Auslegung und Umsetzung der Verkehrssicherungspflicht, insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Kindern, die im Garten spielen. Das Hauptproblem liegt in der Definition des Sicherheitsgrades, der von Anlagenbetreibern erreicht werden muss, um andere vor Schäden zu bewahren, und wie diese Verpflichtung in Bezug auf Kinder gehandhabt werden sollte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 182/19 >>>

Bedeutung der Verkehrssicherungspflicht

Die Verkehrssicherungspflicht beinhaltet Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger Anlagenbetreiber für notwendig hält, um andere vor Schäden zu schützen. Dabei muss beachtet werden, dassnicht jeder abstrakten Gefahr vorgebeugt werden kann. Eine vollständige Sicherheit, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Die notwendige Sorgfalt ist erfüllt, wenn der Sicherheitsgrad erreicht ist, den die Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Es reicht aus, die Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein umsichtiger und vorsichtiger Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend hält und die den Umständen nach zumutbar sind.

Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf Kinder

Besondere Beachtung verdient die Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf Kinder. Der Verkehrssicherungspflichtige darf nicht davon ausgehen, dass Kinder sich wie Erwachsene verhalten. Vielmehr muss er je nach Grad der erkennbaren Gefahr seine Maßnahmen zur Gefahrenabwehr intensivieren. Kinder müssen auch lernen, mit Gefahren umzugehen. Daher sind z.B. „Abenteuerspielplätze“ oder andere Freizeitanlagen nicht grundsätzlich verboten. Es ist eine Unterscheidung zwischen einer von den Kindern zu kontrollierenden Gefährdung und einer überfordernden „echten“ Gefahrenlage zu treffen.

Konkreter Sachverhalt und Beweisprobleme

Im konkreten Fall stellte sich die Frage, ob eine Tür in einem Spielhaus im Garten geklemmt hat und das Kind daher aus einem Fenster gefallen ist. Die Beweisführung gestaltete sich allerdings schwierig, da das Spielhaus inzwischen abgebaut und woanders wieder aufgebaut wurde, sodass es sich zwangsläufig in einem anderen Zustand befand. Ein Sachverständigengutachten oder ein Augenschein des Gerichts waren daher nicht mehr möglich. Die Beweisführung konnte auch nicht durch das Kind selbst oder die Vernehmung seiner Eltern erfolgen.

In diesem Fall wird die Komplexität der Verkehrssicherungspflicht deutlich, insbesondere wenn es um die Sicherheit von Kindern geht. Trotz bestehender Maßnahmen können Unfälle passieren, und die Beweisführung kann komplex sein.


Das vorliegende Urteil

 

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 4 U 182/19 – Urteil vom 08.07.2020

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 24.09.2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Verkehrssicherungspflicht - Umfang bei im Garten spielender Kinder
Sicherheit im Kinderparadies: Wie Verkehrssicherungspflicht und Kinderschutz im Garten zusammenspielen. (Symbolfoto: New Africa/Shutterstock.com)

Der am…2012 geborene Kläger nimmt den Beklagten, in erster Linie als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau, auf Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden in Anspruch mit der Begründung, diese habe am… .04.2017 ihre Aufsichts- bzw. ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt und so einen Unfall verursacht, bei dem der sich am Arm verletzt habe.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 24.09.2019, auf dessen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei schon nach dem Vortrag des Klägers nicht begründet. Die Ehefrau des Beklagten habe keine Aufsichtspflicht verletzt, indem sie den Kläger und ihre nahezu gleich alte Enkelin, also zwei normal entwickelte Kinder von etwa 5 Jahren, im eingefriedeten Garten für eine halbe Stunde unbeobachtet habe spielen lassen. Das als Spielzeug für Kinder dieses Alters entwickelte und gewerblich hergestellte Spielhaus habe die Aufsichtspflicht nicht erhöht. Denn der Kläger habe nicht vorgetragen, dass es bereits zuvor Schadensfälle oder auch nur Probleme mit dem Spielhaus gegeben habe, die die Ehefrau des Beklagten zu besonderer Vorsicht hätten anhalten müssen. Ob dessen Tür am… .04.2017 geklemmt habe, sei unerheblich, weil der Kläger nicht vorgetragen habe, dass dies der Ehefrau des Beklagten an diesem Tag bereits bekannt gewesen sei. Sein Vortrag könne ohne weiteres dahin verstanden werden, dass ihr dieser Umstand erst durch den Unfall bekannt geworden sei. Unerheblich sei auch, ob sie ihr Hörgerät abgestellt hatte, da dies jedenfalls nicht erkennbar unfallursächlich geworden sei. Aus diesen Gründen habe sie auch keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der geltend gemachte Verdienstausfall seiner Mutter sei nicht ausreichend dargetan und unter Beweis gestellt.

Gegen dieses ihm am 01.10.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.10.2019 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 02.01.2020 am 30.12.2019 begründet. Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht habe die Verletzung der Aufsichts- und Verkehrssicherungspflicht durch die Ehefrau des Beklagten zu Unrecht verneint. Sie habe ihn ausdrücklich zum Spielen auf ihrem Grundstück eingeladen und seiner Mutter erklärt, sie werde aufpassen. Tatsächlich habe sie sich durchgehend im Haus aufgehalten und zudem ihr Hörgerät abgestellt. Am Folgetag habe sie unter Zeugen eingeräumt, sie habe schon zuvor von der klemmenden Tür gewusst; diesbezüglich habe das Landgericht seinen Vortrag falsch interpretiert. Dieser Umstand habe die Aufsichtspflicht verstärkt, zumal der Kläger an diesem Tag zum ersten Mal auf dem Grundstück des Beklagten gespielt habe. Zugleich hätten damit der Beklagte und seine Ehefrau ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Fehlstellung seines rechten Armes begründe das Feststellungsinteresse des Klägers. Er habe unfallbedingt nicht in die Kita gehen können und habe von seiner Mutter betreuet werden müssen, der dadurch der geltend gemacht Verdienstausfall entstanden sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.09.2019 zum Aktenzeichen 4 O 186/19 abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld von 5.000 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.03.2019;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche, den Betrag gemäß Klageantrag Ziff. 1 übersteigende Schäden, die aus dem Vorfall vom… .04.2017 auf dem Grundstück des Beklagten künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträge oder andere Dritte übergehen oder übergegangen sind;

3. den Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 1.519,02 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit; und

4. den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 1.132,29 € freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung des angefochtenen Urteils.

Der Senat hat die Mutter des Klägers persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin K…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2020 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

Dem Kläger steht wegen des Vorfalls am… .04.2017 gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu.

1. Die vom Kläger behauptete Zusage der verstorbenen Ehefrau des Beklagten gegenüber der Mutter des Klägers, sie werde das Spielen des Klägers und ihrer Enkelin in ihrem Garten beaufsichtigen, hat kein vertragliches oder vertragsähnliches Schuldverhältnis begründet, für dessen Verletzung der Beklagte als Erbe gemäß § 1967 BGB haften würde. Unabhängig davon, dass Ansprüche aus einem solchen Schuldverhältnis, auch wenn es ggf. Schutzpflichten zugunsten des Klägers begründet hätte, nicht diesem sondern seiner Mutter zustünden, reicht der Vortrag des Klägers jedenfalls für die Annahme eines auch für ein sog. Gefälligkeitsschuldverhältnis erforderlichen Rechtsbindungswillens der Ehefrau des Beklagten nicht aus. Gefälligkeiten des täglichen Lebens halten sich regelmäßig außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs; das gleiche gilt für Gefälligkeiten, die im gesellschaftlichen Verkehr wurzeln. Die Gestattung eines Kinderbesuches lässt für sich einen Schluss auf den Willen zu einer vertragsrechtlichen Bindung nicht zu. Die Beaufsichtigung eines fremden Kindes ist vielmehr regelmäßig nur eine im Alltag übliche Gefälligkeit (BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – III ZR 346/14 –, BGHZ 206, 254 = NJW 2015, 2880; Urteil vom 2. Juli 1968 – VI ZR 135/67 –, NJW 1968, 1874, Rdnr. 17 f bei juris; OLG Schleswig, Urteil vom 18. Juli 1979 – 9 U 1/79, VersR 1980, 242; Bachmann ebd. Rdnr. 173; Sutschet ebd. Rdnr. 19; Wellenhofer, in: Beck-Online Groß-Kommentar mit Stand 1. November 2019, § 832 BGB Rdnr. 30). Dies gilt umso mehr, wenn sie durch einen Nachbarn oder Familienangehörigen übernommen wird; die verstorbene Ehefrau des Beklagten war nicht nur die Nachbarin, sondern darüber hinaus die Großtante des Klägers. Der Umstand, dass nach den Bekundungen der Mutter des Klägers im Termin am 05.06.2020 zwischen der Mutter des Klägers und der verstorbenen Ehefrau des Beklagten kein besonders gutes oder enges Verhältnis bestand, ändert daran nichts.

2. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, haftet der Beklagte gegenüber dem Kläger auch nicht gemäß §§ 832 Abs. 1 S. 1 und S. 2, 1967 BGB. Danach ist, wer kraft Gesetzes oder vertraglicher Übernahme zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Erfasst sich danach nicht diejenigen Schäden, die der zu Beaufsichtigende selbst erleidet (BGH, Urteil vom 17.10.1995 – VI ZR 358/94; Wellenhofer in Beck-Online Groß-Kommentar mit Stand 01.11. 2019, § 832 Rn. 36).

3. Eine Haftung des Beklagten ist auch nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1967 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch seine verstorbene Ehefrau begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 251/17, NJW 2018, 2956 Rdnr. 17 f).

Dabei ist allerdings zu beachten, dass gegenüber Kindern gesteigerte Sicherungserwartungen und damit auch deutlich strengere Verkehrssicherungspflichten gelten. Bei ihnen ist in besonderem Maße auf diejenigen Gefahren Bedacht zu nehmen, die ihnen aufgrund ihrer Unerfahrenheit, ihres Leichtsinnes und Spieltriebes drohen. Dies liegt darin begründet, dass sie in ihrem natürlichen Spieltrieb erheblich neugieriger sind als idealtypische Erwachsene und sich daher aus Übermut und Leichtsinn in Situationen begeben, deren Gefährlichkeit ihnen gar nicht bewusst ist. Und selbst wenn ihnen dämmern sollte, dass sie es mit einem gefährlichen Gegenstand zu tun haben, überwiegt häufig der Reiz des Unbekannten und es fehlt ihnen regelmäßig die Lebenserfahrung, der Gefahr adäquat zu begegnen und den Eintritt eines Schadens zu verhindern. Anders gewendet, darf der Verkehrssicherungspflichtige nicht auf ein „erwachsenengleich“ vernünftiges Agieren von Kindern vertrauen, sondern muss entsprechend dem Grad der ihm erkennbaren Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in Gefahr begeben, seine Maßnahmen zur Gefahrenabwehr intensivieren – sei es etwa weil die Gefahrenquelle selbst oder auch nur ihre Umgebung besonders anziehend sind, sei es weil Kinder besonders leicht oder in großer Zahl in den Gefahrenbereich gelangen können. Andererseits ist es wichtig, Kindern in bewusstem Gegensatz zu Konsum, reiner Spaßorientierung und Fremdbestimmung Angebote der Freizeitgestaltung zu unterbreiten, die wesentliche persönlichkeitsprägende Fähigkeiten wie Selbständigkeit, Eigenverantwortung und Risikobewusstsein fördern. Kinder müssen daher auch den Umgang mit Gefahren lernen, weshalb sich etwa sogenannte „Abenteuerspielplätze“ oder andere Sport- und Freizeitanlagen nicht einfach verbieten lassen. Vielmehr ist im Einzelfall zu unterscheiden zwischen einer zielgerichteten, von den Kindern bestimmungsgemäß noch zu kontrollierenden Gefährdung und einer darüber hinausgehenden „echten“ Gefahrenlage, die sie überfordert und zu unbesonnenem Verhalten Anlass gibt (BGH, Urteil vom 20. September 1994 –VI ZR 162/93, NJW 1994, 3348; OLG München, Urteil vom 29. Juli 2019 – 21 U 2981/18, BeckRS 2019, 16171; Förster, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 52. Edition mit Stand 1. November 2019, § 823 BGB Rdnr. 336 f).

Auch unter Berücksichtigung dieser besonderen Maßstäbe bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gegenüber Kindern, erforderte – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – weder das Spielenlassen des fünfjährigen Klägers und ihrer etwa gleichaltrigen Enkelin ihrem umfriedeten Garten als solches von der Ehefrau des Beklagten besondere Verkehrssicherungsmaßnahmen, noch der Umstand, dass sich in dem Garten ein Spielhaus befand, zumal dieses nach den im Berufungsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts gerade für Kinder im Alter des Klägers konzipiert war. Die Ehefrau des Beklagten durfte danach von einer Gefährdung ausgehen, die von den Kindern noch zu kontrollieren war, so dass eine besondere Aufsicht nicht geboten war. Es ist ihr deshalb grundsätzlich nicht vorzuwerfen, dass sie das Spiel der Kinder nicht ständig beaufsichtigte, sondern sich in die Küche ihres Hauses begab, von wo sie die Kinder nicht sehen konnte. Ebenso kann ihr nicht zur Last gelegt werden, dass sie nach der Behauptung des Klägers ihr Hörgerät nicht eingeschaltet hatte. Letzteres hat sich ohnehin nicht schadensstiftend ausgewirkt; dass er vor dem Unfall um Hilfe gerufen habe, hat der Kläger nicht vorgetragen. Daraus, dass die Mutter des Klägers im Rahmen ihrer Anhörung im Senatstermin am 05.06.2020 (erstmals) angegeben hat, der Kläger habe nach dem Unfall geschildert, dass die Enkelin der Ehefrau des Beklagten, diesem, nachdem sie die Tür des Spielhauses zugeschlagen gehabt habe, zugerufen habe, er müsse jetzt für immer in dem Haus bleiben, ergibt sich nichts anderes. Selbst wenn die Ehefrau des Beklagten diesen Ruf ihrer Enkelin bei eingeschaltetem Hörgerät hätte hören können, hätte sie allein daraus nicht den Schluss ziehen müssen, dass sich der Kläger in einer ihr Einschreiten erfordernden gefährlichen Lage befand.

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Tür des Spielhauses tatsächlich – wie der Kläger behauptet – geklemmt und die Ehefrau des Beklagten dies gewusst hätte, bevor sie die Kinder am… .04.2017 unbeaufsichtigt auf ihrem Grundstück spielen ließ. Dies lässt sich jedoch auch auf der Grundlage der im Berufungsverfahren erfolgten Vernehmung der Zeugin K… nicht mit der für eine Überzeugungsbildung des Gerichts erforderlichen Sicherheit feststellen.

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Insbesondere lässt sich nicht (mehr) feststellen, ob die Tür zwischen den beiden Zimmern des Spielhauses am… .04.2017 tatsächlich geklemmt hat. Feststellungen dazu auf der Grundlage der Beweisantritte des Klägers durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder richterlichen Augenschein sind bereits deshalb nicht mehr möglich, weil das Spielhaus unstreitig zwischenzeitlich abgebaut und auf dem Grundstück der Eltern der Enkelin der Ehefrau des Beklagten wieder aufgebaut worden ist; es befindet sich deshalb zwangsläufig in einem anderen Zustand als am… .04.2017. Der Abbau und die Entfernung des Spielhauses von dem Grundstück des Beklagten ist auch nicht etwa – dies macht auch der Kläger nicht geltend – erfolgt, um damit eine Beweisführung des Klägers zu vereiteln, sondern nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten allein deshalb, weil die Enkelin seiner verstorbenen Ehefrau sich nach deren Versterben am….2018, d.h. mehr als 1 ½ Jahre nach dem Unfall des Klägers, nicht mehr so häufig auf dem Grundstück aufgehalten hat.

Der Kläger hat auch – mit Ausnahme seiner eigenen Anhörung (dazu unten) – auch keine Zeugen benannt, die aus eigener Anschauung zu dem Zustand des Spielhauses am… .04.2017, insbesondere der Schwergängigkeit der Tür Aussagen treffen könnten. Die Mutter des Klägers hat vielmehr im Termin am 06.05.2020 auf Nachfrage bekundet, dass insbesondere nach dem Unfall vom… .04.2017 weder die Eltern des Klägers, noch jemand anderer das Spielhaus darauf überprüft habe, ob die Tür des Spielhauses – wie vom Kläger angegeben – wirklich geklemmt habe.

Darauf, dass die Tür im Spielhaus am… .04.2017 tatsächlich schwergängig war, lässt sich auch nicht deshalb schließen, weil die Zeugin K… die Behauptung des Klägers bestätigt hat, wonach die verstorbene Ehefrau des Beklagten nach dem Unfall des Klägers – nach der Erinnerung der Zeugin wohl bereits am Abend des Unfalltages – geäußert haben soll, die Tür sei ja sehr schwergängig gewesen, was sie dem Beklagten schon lange gesagt habe. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin oder ihre Glaubwürdigkeit. Bedenken bestehen jedoch gegen den Wahrheitsgehalt dessen, was die verstorbene Ehefrau des Beklagten der Zeugin als Ursache für den Unfall des Klägers mitgeteilt hat. Denn auch die Zeugin mutmaßte, dass die verstorbene Ehefrau des Beklagten bei dieser Äußerung die Absicht gehabt haben könne, die Schuld an dem Unfall auf den Beklagten zu schieben. Auf der Grundlage des von der Zeugin geschilderten Charakters der verstorbenen Ehefrau des Beklagten lässt sich jedenfalls nicht ausschließen, dass diese sich – mag dies rechtlich auch unbegründet gewesen sein – in Bezug auf den Unfall des Klägers schuldig fühlte und allein deshalb angab, sie habe gewusst, dass die Tür schwergängig gewesen sei, weil sie als erste, die nach dem Unfall zu dem Kläger Kontakt hatte, wusste, dass dieser als Unfallursache geschildert hatte, er habe versucht aus dem Fenster zu klettern, weil er die Tür nicht aufbekommen habe, und die Ehefrau des Beklagten darin gleichzeitig die Möglichkeit sah, die Verantwortung für diese Ursache letztlich ihrem Ehemann anzulasten.

Eine Klärung der zwischen den Parteien streitigen Tatsache, ob die Tür des Spielhauses wirklich so schwergängig war, dass sie von dem damals fünfjährigen Kläger nicht allein geöffnet werden konnte, kann auch weder durch die Anhörung des Klägers persönlich, noch durch die Vernehmung seiner Eltern, für die gemäß § 455 Abs. 1 ZPO nur eine Parteivernehmung in Betracht käme, erfolgen.

Unabhängig von den beklagtenseits geäußerten generellen Bedenken gegen den Beweiswert der Aussage eines fünfjährigen Kindes nach mehreren Jahren zu einem für dieses traumatischen Ereignis, kann als wahr unterstellt werden, dass der Kläger die Ursache dafür, dass er am… .04.2017 aus dem Fenster des Spielhauses nicht nur der Ehefrau des Beklagten und seinen Eltern gegenüber dahin geschildert, sondern auch so wahrgenommen hat, dass er die Tür zwischen den beiden Zimmern des Spielhauses nicht hat öffnen können, in Panik geraten ist und deshalb versucht hat, aus dem Fenster des Spielhauses zu klettern. Auch daraus lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit der Schluss ziehen, dass die Tür des Spielhauses so schwergängig war, dass sie sich – wie der Kläger behauptet – nur mit der Kraft eines Erwachsenen öffnen ließ, nicht jedoch mit derjenigen eines fünfjährigen Kindes. Immerhin ist es ebenso gut möglich und durchaus nicht kindesuntypisch, dass der fünfjährige Kläger, nachdem seine Spielgefährtin die Tür zugeschlagen hatte und ihn durch Rufe, er müsse jetzt immer dort oben bleiben, hänselte, in Panik geriet und deshalb den – technisch völlig einwandfreien und auch von einem Fünfjährigen zu bewältigenden – Öffnungsmechanismus fehlerhaft z.B. in die falsche Richtung zu betätigen versuchte.

Eine Parteivernehmung der Eltern des Klägers gemäß § 455 Abs. 1 ZPO über die weitere, erstinstanzlich konkludent und im Berufungsverfahren sogar ausdrücklich bestrittene Behauptung, der Beklagte habe selbst nach dem… .04.2017 bei mehreren Gelegenheiten geäußert, dass die Tür des Spielhauses stark verzogen sei und sich schwer öffnen lasse, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte einer Parteivernehmung gemäß § 447 ZPO nicht zugestimmt hat und es für eine Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO an der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Vortrages des Klägers (sog. Anbeweis) fehlt. Allein auf die entsprechende Angabe der Mutter des Klägers im Rahmen ihrer Anhörung am 05.06.2020 lässt sich die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit dieser Behauptung schon deshalb nicht stützen, weil auch im Rahmen dieser Anhörung spürbar war, dass die Mutter des Klägers ihre Bekundungen ersichtlich gezielt darauf ausrichtete, das Gericht zugunsten des Klägers zu beeinflussen.

Lässt sich danach aber schon nicht feststellen, ob die Tür des Spielhauses am… .04.2017 überhaupt schwergängig war, kommt es auf die weiteren Fragen der Kenntnis der verstorbenen Ehefrau des Beklagten und der Kausalität für den Unfall des Klägers nicht mehr an.

4. Ebenso wenig kann dem Beklagten zur Last gelegt werden, er hafte dem Kläger aus § 823 Abs. 1 BGB aufgrund einer eigenen Verkehrssicherungspflichtverletzung. Insoweit fehlt es bereits daran, dass der Beklagte selbst überhaupt den Verkehr zu dem Spielhaus auf seinem Grundstück eröffnet hat. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass dem Beklagten überhaupt bekannt war, dass – außer seiner Enkelin – andere Kinder zu seinem Garten und insbesondere dem darin befindlichen Spielhaus Zugang hatten oder er damit hätte rechnen müssen, dass seine Ehefrau ihnen entsprechenden Zugang gewährt. Soweit er selbst betroffen ist, trägt der Kläger vielmehr sogar selbst vor, er sei am… .04.2017 erstmals auf dem Nachbargrundstück gewesen. Darüber hinaus würde auch eine Haftung des Beklagten voraussetzen, dass die Schwergängigkeit der Tür des Spielhauses festgestellt werden könnte, was aus den zu 3. ausgeführten Gründen gerade nicht (mehr) möglich ist.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 13.000 € festgesetzt.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Versicherungsrecht Dieser Bereich des Rechts ist von zentraler Bedeutung für den Fall, da er die rechtlichen Aspekte abdeckt, die sich auf Versicherungspolicen und -ansprüche beziehen. Es kann sowohl das Schadenrecht als auch das Aufsichtspflichtrecht involvieren, und ist daher für die Beurteilung des vorliegenden Falles entscheidend. Dieses Rechtsgebiet ist relevant, da es die Regulierung von Schadensersatzansprüchen durch Versicherungen betrifft, insbesondere in Bezug auf die Haftung für Personenschäden.
  2. Verkehrssicherungspflicht (allgemeines Deliktsrecht, § 823 BGB) Der vorliegende Fall beschäftigt sich mit der Verkehrssicherungspflicht und deren Umfang. Nach § 823 BGB ist jede Person, die das Eigentum, das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Im Kontext dieses Falles bezieht sich die Verkehrssicherungspflicht auf die Pflicht, notwendige und zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern, insbesondere wenn Kinder betroffen sind.
  3. Aufsichtspflicht (§ 832 BGB) Im vorliegenden Fall war die Aufsichtspflicht ein zentraler Punkt der Diskussion. Nach § 832 BGB ist die Person, die kraft Gesetzes zur Beaufsichtigung einer Person verpflichtet ist, die wegen ihres jungen Alters oder ihrer gesundheitlichen Verfassung der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. In diesem Fall betrifft dies die Frage, ob die Aufsichtspflicht über Kinder, die im Garten spielen, verletzt wurde.
  4. Sachmängelhaftung Auch wenn es in diesem Text nicht direkt erwähnt wird, könnte die Sachmängelhaftung aufgrund des Zustands des Spielhauses und dessen Rolle bei dem Unfall relevant sein. Diese Rechtsnorm befasst sich mit der Haftung des Verkäufers für Mängel an der verkauften Sache. Wenn das Spielhaus fehlerhaft war und dies zu dem Unfall führte, könnten möglicherweise Ansprüche aufgrund von Sachmängelhaftung geltend gemacht werden.
  5. Beweisrecht (§ 455 ZPO) Im vorliegenden Fall wurden auch Fragen des Beweisrechts aufgeworfen, insbesondere im Hinblick auf die Beweisführung und die Glaubwürdigkeit des Kindes als Zeuge. § 455 ZPO regelt die Vernehmung von Parteien in einem Zivilprozess und ist hier relevant, da das Kind nicht als regulärer Zeuge, sondern nur im Rahmen einer Parteivernehmung aussagen könnte. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Möglichkeiten der Beweisführung in diesem speziellen Fall.

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