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Erblasser – Vernichtung eines Testaments

Oberlandesgericht München

Az: 31 Wx 33/11

Beschluss vom 11.04.2011


In Sachen wegen Nachlassbeschwerde erlässt das Oberlandesgericht München -31. Zivilsenat- am 11.04.2011 folgenden Beschluss

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 6. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 62.500 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Erblasserin ist im Mai 2010 im Alter von 95 Jahren verstorben. Ihr Ehemann ist 1945 vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind ihre Töchter; die Beteiligten zu 3 und 4 sind die leiblichen Kinder der Beteiligten zu 1.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus dem Hausgrundstück der Erblasserin im Wert von rund 250.000 €.

Es liegen zwei handschriftlich verfasste letztwillige Verfügungen vor. Das Testament vom 31.5.2009 lautet:

„Meine Töchter …..sollen meine Erbinnen zu gleichen Teilen werden. Meine Enkel…… sollen Nacherben zu gleichen Teilen nach meinen Töchtern…… werden.“

Mit Testament vom 23.6.2009 wird bestimmt:

„Für den Fall meines Ablebens verfüge ich über mein Vermögen wie folgt. Meine beiden Töchter… erhalten mein Haus zu gleichen Teilen. Barvermögen fällt an meine Tochter…. als Ausgleich für die seinerzeitige Übereignung des angrenzenden Grundstücks.“

Beide Testamente wurden jeweils im verschlossenen Umschlag nach dem Tod der Erblasserin von ihrem Neffen beim Nachlassgericht vorgelegt, dem sie zu Lebzeiten der Erblasserin zur Aufbewahrung übergeben bzw. übersandt worden waren.

Die Beteiligte zu 2 hat die Erteilung eines Erbscheins aufgrund des Testaments vom 23.6.2009 beantragt, der sie und die Beteiligte zu 1 als Miterben zu gleichen Teilen ausweist. Die Beteiligte zu 1 und der Beteiligte zu 3 sind dem entgegen getreten mit der Begründung, nach dem im Winter 2009 und erneut im Frühjahr 2010 geäußerten Willen der Erblasserin habe das Juni-Testament durch den Neffen vernichtet werden sollen, was jedoch nicht geschehen sei. Das könne nicht zu Lasten des Willens der Erblasserin gehen, die zur Errichtung eines Widerrufstestaments körperlich nicht mehr in der Lage gewesen sei.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 6.12.2010 den von der Beteiligten zu 2 beantragten Erbschein bewilligt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der vom Nachlassgericht bewilligte Erbschein entspricht der Erbrechtslage.

1. Maßgeblich für die Erbfolge ist das Testament vom 23.6.2009. In diesem Testament hat die Erblasserin umfassend und abschließend über ihr gesamtes Vermögen verfügt, wie sich schon aus dem Eingangssatz ergibt. Das vorhergehende Testament vom 31.5.2009 ist deshalb insgesamt aufgehoben (§ 2258 Abs. 1 BGB).

2. Ein wirksamer Widerruf des Testaments vom 23.6.2009, der zur (erneuten) Wirksamkeit des früheren Testaments führen könnte (§ 2258 Abs. 2 BGB) liegt nicht vor.

a) Ein Widerruf kann durch Testament erfolgen (§ 2254 BGB) oder dadurch, dass der Erblasser in der Absicht, das Testament aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt (§ 2255 Satz 1 BGB). Hier kommt nur ein Widerruf nach § 2255 BGB in Betracht. Dieser setzt objektiv eine körperliche Veränderung der Testamentsurkunde und subjektiv die Absicht seiner Aufhebung voraus. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt kein wirksamer Widerruf vor. § 2255 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt ferner voraus, dass der Erblasser selbst die Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde vornimmt, also persönlich handelt. Dabei kann es auch als persönliches Handeln angesehen werden, wenn er sich eines Dritten als unselbstständigem Werkzeug bedient, der in seinem Auftrag und mit seinem Willen die Urkunde vernichtet; dem Dritten darf dabei kein Entschluss- und Handlungsspielraum verbleiben (vgl. BayObLG FamRZ 92, 1350/1351; OLG Hamm NJW-RR 2002, 222/223 [OLG Hamm 11.09.2001 – 15 W 224/01]; Soergel/Mayer BGB 13. Aufl. § 2255 Rn. 11; Palandt/Weidlich BGB 70. Aufl. § 2255 Rn. 4; noch strenger Staudinger/Baumann BGB [2003] § 2255 Rn. 16: Ausführung muss in Gegenwart des Erblassers erfolgen). Wird der dem Dritten erteilte Auftrag zur Vernichtung – gleich aus welchem Grund – nicht zu Lebzeiten des Erblassers ausgeführt, liegt kein wirksamer Widerruf vor (MünchKommBGB/Hagena 5. Aufl. § 2255 Rn. 13).

b) Hier ist die Testamentsurkunde weder vernichtet noch verändert worden; das zu Lebzeiten der Erblasserin bei ihrem Neffen verwahrte Testament wurde nach ihrem Tod unversehrt im verschlossenen Umschlag beim Nachlassgericht eingereicht. Damit ist das Testament vom 23.6.2009 nicht widerrufen und weiterhin wirksam. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Erblasserin – wie von der Beteiligten zu 1 und dem Beteiligten zu 3 dargestellt – das Juni-Testament von ihrem Neffen vernichten lassen wollte und dem Beteiligten zu 3 den Auftrag erteilt hat, dem Neffen eine entsprechende Anweisung zu übermitteln.

c) Darüber hinaus erfüllt der von den Beteiligten zu 1 und 3 dargestellte Sachverhalt – unabhängig von der unterbliebenen Ausführung des behaupteten Vernichtungsauftrags – nicht die Voraussetzungen, unter denen von einem Handeln des Dritten als bloßes Werkzeug des Erblassers ausgegangen werden kann. Es erscheint schon fraglich, ob der Dritte, der die Vernichtung vornehmen soll, als unselbstständiges Werkzeug des Erblassers betrachtet werden kann, wenn ihm die Handlungsanweisung nicht vom Erblasser persönlich, sondern durch eine andere Person übermittelt wird. Darüber hinaus ließ der vom Beteiligten zu 3 nach seiner Darstellung an den Neffen weitergegebene Auftrag, „das andere Testament“ zu vernichten, im Unklaren, welches Testament gemeint sei, und wurde vom Beteiligten zu 3 auf Nachfrage aufgrund eines Missverständnisses dahin präzisiert, dass die Erblasserin damit das „detaillierte Testament von vor ein paar Jahren“ meine. Von einer Weisung des Erblassers an einen als bloßes Werkzeug eingesetzten Dritten ohne jeden Entschluss- und Handlungsspielraum kann bei einem solchen Ablauf keine Rede sein.

d) Aus den von der Bevollmächtigten des Beteiligten zu 3 angeführten Entscheidungen (BayObLG Rpfl. 1980, 60; BayObLG FamRZ 1986, 1043) lässt sich für den vorliegenden Fall nichts herleiten, denn diese befassen sich mit den Anforderungen an den Nachweis der Errichtung eines nicht mehr vorhandenen Testaments, nicht aber mit den Anforderungen an den Widerruf eines Testaments.

III. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin am Erfolg ihres Rechtsmittels. Dieses ist auf den Eintritt der Vor- und Nacherbfolge entsprechend dem Testament vom 31.5.2009 gerichtet. In solchen Fällen wird als Geschäftswert regelmäßig ein Bruchteil des Reinnachlasswertes angesetzt, den der Senat hier mit 25 % bemisst.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

 

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