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Erneute Fristverlängerung  – Keine Wiedereinsetzung bei fehlender Zustimmung

Fristversäumnis und Wiedereinsetzung: Ein BGH-Beschluss beleuchtet die Tücken des güterrechtlichen Verfahrens

In einem aktuellen Fall hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am 2. August 2023 eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden zurückgewiesen. Der Fall dreht sich um ein güterrechtliches Verfahren, das aus einem Scheidungsverbund herausgelöst wurde. Die Antragsgegnerin hatte gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt und versäumte die Frist zur Begründung dieser Beschwerde. Das Hauptproblem liegt in der Frage, ob die Antragsgegnerin aufgrund einer Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten kann oder nicht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: XII ZB 96/23 >>>

Fristverlängerung und Zustimmung des Antragstellers

Erneute Fristverlängerung  - Keine Wiedereinsetzung bei fehlender Zustimmung
Fristversäumnis und Wiedereinsetzung: Ein BGH-Beschluss unterstreicht die Bedeutung der genauen Einhaltung von Fristen in güterrechtlichen Verfahren. Keine leichte Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis. (Symbolfoto: Studio Romantic /Shutterstock.com)

Die Antragsgegnerin hatte ursprünglich eine Fristverlängerung für die Begründung ihrer Beschwerde beantragt. Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass eine Verlängerung der Begründungsfrist ohne Zustimmung des Antragstellers nur bis zu einem bestimmten Datum möglich sei. Der Antragsteller verweigerte jedoch seine Zustimmung zur Fristverlängerung. Dies führte dazu, dass die Antragsgegnerin die Frist zur Begründung der Beschwerde nicht einhielt.

Versäumte Frist und Wiedereinsetzungsantrag

Nachdem die Antragsgegnerin die Frist versäumt hatte, beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie argumentierte, dass die Kanzleiangestellte die Frist im elektronischen Kalender falsch eingetragen habe. Das Oberlandesgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und argumentierte, dass die Antragsgegnerin die Frist nicht schuldlos versäumt habe.

Rechtsbeschwerde und höchstrichterliche Rechtsprechung

Die Antragsgegnerin legte gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Rechtsbeschwerde ein. Der BGH stellte jedoch fest, dass die Rechtsbeschwerde nicht zulässig sei. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verletze die Antragsgegnerin weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör noch in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz.

Schlüsselerkenntnisse und Implikationen

Der BGH-Beschluss macht deutlich, wie wichtig die genaue Einhaltung von Fristen in güterrechtlichen Verfahren ist. Eine Fristverlängerung ist nur unter bestimmten Bedingungen und mit Zustimmung des Antragstellers möglich. Zudem zeigt der Fall, dass ein Wiedereinsetzungsantrag bei einer Fristversäumnis nicht leichtfertig gewährt wird. Die Antragsgegnerin hätte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen, dass eine Fristverlängerung ohne Zustimmung des Antragstellers nur bis zu einem bestimmten Datum möglich ist.

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Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: XII ZB 96/23 – Beschluss vom 02.08.2023

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. August 2023 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Familiensenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Februar 2023 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen.

Wert: bis 1.000 EUR

Gründe:

I.

Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs und die Verwerfung der Beschwerde in einem auf Erteilung wechselseitiger Auskünfte gerichteten, aus dem Scheidungsverbund abgetrennten güterrechtlichen Verfahren der Beteiligten.

Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin durch einen am 3. Januar 2022 zugestellten Beschluss zur Erteilung einer Auskunft über ihr Anfangs-, ihr Trennungs- und ihr Endvermögen sowie zur Vorlage entsprechender Belege verpflichtet. Die Auskunftsanträge der Antragsgegnerin hat es zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin innerhalb der Beschwerdefrist Beschwerde eingelegt. Am 3. März 2022 hat sie beantragt, die Frist zur Begründung der Beschwerde um sechs Wochen bis einschließlich 14. April 2022 zu verlängern. Mit am 14. April 2022 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie ihre Beschwerde begründet. Nach Eingang der zunächst wegen eines Befangenheitsantrags der Antragsgegnerin beim Amtsgericht verbliebenen Verfahrensakten hat das Oberlandesgericht die Antragsgegnerin mit am 25. Mai 2022 zugestellter Verfügung darauf hingewiesen, dass die Frist zur Begründung der Beschwerde am 3. März 2022 abgelaufen sei. Weiter hat es ausgeführt, die rechtzeitig beantragte Verlängerung der Begründungsfrist sei ohne „Zustimmung“ des Antragstellers über den 4. April 2022 hinaus nicht möglich. Der Antragsteller hat die Einwilligung verweigert.

Am 8. Juni 2022 hat die Antragsgegnerin beantragt, ihr wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die zuverlässige und erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte der Kanzlei habe den Ablauf der Begründungsfrist, nachdem ein erster, auf Verlängerung bis zum 4. April 2022 gerichteter Fristverlängerungsantrag abgefasst worden sei, weisungsgemäß zunächst auf dieses Datum in den elektronischen Kalender eingetragen. Da allerdings dann eine weitergehende Fristverlängerung bis 14. April 2022 für nötig befunden und beantragt worden sei, habe die Kanzleiangestellte, womit die Verfahrensbevollmächtigte nicht gerechnet habe, die Frist im Fristenkalender auf den 14. April 2022 umgetragen und einen neuen Fristenzettel erstellt. Die Verfahrensbevollmächtigte habe auf eine zeitnahe Entscheidung des Oberlandesgerichts über das Fristverlängerungsgesuch vertraut und erst durch den gerichtlichen Hinweis bemerkt, dass die Beschwerdebegründung nicht zu dem von ihr vorgegebenen Fristende am 4. April 2022 eingereicht worden sei. Das Gericht habe den Gegner zur Erteilung der Einwilligung, von der sie ausgegangen sei, auffordern müssen.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 112 Nr. 2, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung verletzt die Antragsgegnerin weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG).

1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde sei unzulässig, weil die Beschwerdebegründungsfrist durch die am 14. April 2022 eingegangene Beschwerdebegründung nicht gewahrt sei. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, weil der hierauf gerichtete Antrag bereits nicht rechtzeitig gestellt und damit unzulässig sei und auch die materiellen Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Wiedereinsetzungsfrist habe spätestens am 14. April 2022, als die Akten der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zur Beschwerdebegründung vorlagen, zu laufen begonnen und sei daher bei Einreichung des Wiedereinsetzungsantrags am 8. Juni 2022 abgelaufen gewesen. Denn die Verfahrensbevollmächtigte habe bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen, dass eine Fristverlängerung ohne Zustimmung des Antragstellers längstens bis Montag, den 4. April 2022, möglich gewesen wäre. Auf eine antragsmäße Fristverlängerung und ein Hinwirken des Gerichts auf eine Zustimmung des Gegners habe sie sich nicht verlassen dürfen.

Zudem habe die Antragsgegnerin die Begründungsfrist auch nicht schuldlos versäumt. Denn ihre Verfahrensbevollmächtigte habe mangels Zustimmung des Antragstellers nicht auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung vertrauen dürfen und vor Ablauf des Datums, bis zu dem eine Fristverlängerung ohne Zustimmung des Gegners möglich gewesen wäre, beim Gericht wegen der weitergehenden Fristverlängerung nachfragen müssen. Überdies sei auch eine ausreichende Kanzleiorganisation hinsichtlich des Fristenwesens nicht dargetan.

2. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen höchstrichterlicher Rechtsprechung.

a) Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass die Antragsgegnerin die Beschwerde weder binnen der am 3. März 2022 abgelaufenen (§ 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG) noch innerhalb der gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis 4. April 2022 ohne Einwilligung des Gegners verlängerbaren Frist begründet hat. Hiergegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt. Die zutreffende Auffassung des Oberlandesgerichts, der Wiedereinsetzungsantrag sei nicht innerhalb der gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 5 FamFG maßgeblichen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt worden, greift die Rechtsbeschwerde nicht an. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, war aber auch eine Wiedereinsetzung in den Lauf der Beschwerdebegründungsfrist von Amts wegen nicht veranlasst.

aa) Nach §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Verfahrensbeteiligter ohne sein Verschulden verhindert war, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 85 Abs. 2 ZPO). Der Verfahrensbeteiligte muss die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft machen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auch von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Verfahrenshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass die Gründe für die unverschuldete Fristversäumung offenkundig sind oder nach erforderlichem gerichtlichem Hinweis offenkundig geworden wären (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 – XII ZB 375/11 – FamRZ 2012, 1205 Rn. 30 mwN; BGH Beschluss vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17 – NJW 2018, 1022 Rn. 19 mwN) und daher keiner Glaubhaftmachung bedürfen.

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bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar hat die Antragsgegnerin die versäumte Rechtshandlung – die Einreichung einer Beschwerdebegründung – am 14. April 2022 und damit jedenfalls innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nachgeholt. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung sind indes nicht offenkundig.

(1) Die Sorgfaltspflicht verlangt in Fristsachen von einem Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann die Berechnung und Notierung von Fristen zwar einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. Der Rechtsanwalt hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2022 – XII ZB 113/21 – NJW-RR 2023, 136 Rn. 11 mwN).

Die Einhaltung einer Rechtsmittelbegründungsfrist ist nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2023 – XII ZB 533/22 mwN, und vom 19. Oktober 2022 – XII ZB 113/21 – NJW-RR 2023, 136 Rn. 13 ff. mwN). Für den Fall eines Fristverlängerungsantrags bestehen zudem weitere Anforderungen an das Fristenwesen. In diesen Fällen muss als zusätzliche Fristensicherung auch das hypothetische Ende der beantragten Fristverlängerung bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im Fristenbuch eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und rechtzeitig – spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung – überprüft werden, damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt werden kann (vgl. etwa BGH Beschluss vom 22. Juni 2021 – VIII ZB 56/20 – NJW 2022, 400 Rn. 34 mwN).

(2) Dass diese Anforderungen erfüllt waren, war nicht offenkundig, sondern hätte der konkreten Darlegung und Glaubhaftmachung durch die Antragsgegnerin bedurft. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gilt insbesondere hier nicht deshalb etwas Abweichendes, weil das Oberlandesgericht nicht vor Ablauf der ohne Einwilligung des Gegners verlängerbaren Begründungsfrist über den Fristverlängerungsantrag entschieden oder die Antragsgegnerin zumindest rechtzeitig vor dem Ende dieser hypothetischen Frist darauf hingewiesen hatte, dass eine Fristverlängerung über den 4. April 2022 hinaus mangels Einwilligung des Antragstellers ausgeschlossen war. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist einem Beteiligten allerdings auch bei ihm zuzurechnendem Verschulden an der Fristversäumung zu gewähren, wenn sich das Verschulden wegen einer hierfür ursächlichen Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht nicht ausgewirkt hat (vgl. BGH Beschluss vom 14. Oktober 2008 – VI ZB 37/08 – FamRZ 2009, 321 Rn. 8). Dies ist hier indes nicht der Fall.

(a) Zunächst erweist es sich nicht als verfahrensfehlerhaft, dass das Oberlandesgericht über den Fristverlängerungsantrag der Antragsgegnerin nicht vor Ablauf der ohne Einwilligung des Gegners verlängerbaren Frist entschieden hat (vgl. BGH Beschluss vom 7. Februar 2023 – VIII ZB 55/21 – NJW 2023, 1812 Rn. 40 mwN). Soweit für den Fall einer gänzlich unterbliebenen, also auch nicht nachträglich ergangenen Entscheidung über einen Fristverlängerungsantrag anderes gelten sollte (BGH Beschluss vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17 – NJW 2018, 1022 Rn. 16), käme es hierauf nicht an, weil die verschuldete Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist auf dem Unterbleiben einer Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag nach dem gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO einwilligungsfrei bewilligungsfähigen Zeitraum jedenfalls nicht beruht.

(b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Oberlandesgericht auch nicht aufgrund seiner aus dem Gebot eines fairen Verfahrens folgenden (BVerfGE 93, 99 = FamRZ 1995, 1559; BGH Beschluss vom 14. Oktober 2008 – VI ZB 37/08 – FamRZ 2009, 321 Rn. 9) gerichtlichen Fürsorgepflicht gehalten, die Antragsgegnerin vor Ablauf des nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO ohne Einwilligung des Gegners bewilligungsfähigen Zeitraums auf die mangels Einwilligung fehlende Möglichkeit einer weitergehenden Fristverlängerung hinzuweisen. Denn das Rechtsmittelgericht darf grundsätzlich davon ausgehen, dass dem Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung von mehr als einem Monat bekannt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2021 – XII ZB 172/20 – FamRZ 2021, 1988 Rn. 14 mwN; BGH Beschluss vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17 – NJW 2018, 1022 Rn. 16; vgl. auch BVerfGE 93, 99 = FamRZ 1995, 1559) und er daher eines entsprechenden Hinweises nicht bedarf.

Aus dem Grundsatz, wonach ein Verfahrensbeteiligter darauf vertrauen darf, dass seine Schriftsätze alsbald nach ihrem Eingang bei Gericht zur Kenntnis genommen werden, offensichtliche äußere formale Mängel dabei nicht unentdeckt bleiben und er auf derartige behebbare Versäumnisse oder Fehler hingewiesen wird (vgl. BGH Beschluss vom 14. Oktober 2008 – VI ZB 37/08 – FamRZ 2009, 321 Rn. 10), ergibt sich nichts Anderes. Bei der Einwilligung des Gegners zu einer über die Monatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO hinausgehenden Fristverlängerung handelt es sich schon nicht lediglich um eine bloße Formalie, bei deren Fehlen von einem offenkundigen Versehen des antragstellenden Verfahrensbeteiligten auszugehen ist.

(c) Grundsätzlich ist es Sache der Verfahrensbeteiligten, für die Wahrung der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen Sorge zu tragen, eine etwa erforderliche Einwilligung des Gegners zu einer Fristverlängerung beizubringen und Unklarheiten über das Fristende oder sonstige Voraussetzungen der Fristwahrung rechtzeitig auszuräumen. Dabei muss ein Rechtsmittelführer damit rechnen, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist versagt (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2018 – XII ZB 565/16 – FamRZ 2018, 841 Rn. 19 mwN; BGH Beschluss vom 26. Januar 2017 – IX ZB 34/16 – NJW-RR 2017, 564 Rn. 10 mwN). Darf der Beteiligte auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung vertrauen, weil deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, bedarf es zwar keiner Nachfrage beim Gericht, ob die beantragte Fristverlängerung bewilligt wurde oder bewilligt werden wird (BGH Beschluss vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22 – FamRZ 2023, 718 Rn. 10 ff. mwN). So liegt es regelmäßig im Falle eines Fristverlängerungsantrags um nicht mehr als einen Monat oder bei Einwilligung des Gegners in eine weitergehende Fristverlängerung sowie Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO (BGH Beschlüsse vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22 – FamRZ 2023, 718 Rn. 10 ff. mwN; vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17 – NJW 2018, 1022 Rn. 25 und vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16 – NJW 2017, 2041 Rn. 11 f. mwN).

Anderes gilt jedoch, wenn der Beteiligte mit der beantragten Fristverlängerung nicht rechnen kann, etwa weil diese die nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO einwilligungsfreie Dauer übersteigt und eine Einwilligung des Antragsgegners zu einer weitergehenden Fristverlängerung – wie vorliegend – weder erteilt noch vom Verfahrensbevollmächtigten des Gegners angekündigt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2021 – XII ZB 172/20 – FamRZ 2021, 1988 Rn. 10 f.; BGH Beschlüsse vom 7. Februar 2023 – VIII ZB 55/21 – NJW 2023, 1812 Rn. 29 und vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17 – NJW 2018, 1022 Rn. 14 f.). In einem solchen Fall ist es Sache des Beteiligten, sich rechtzeitig nach dem Schicksal des von ihm gestellten Antrags auf Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist zu erkundigen, um die Begründung fristwahrend einreichen zu können (vgl. BGH Beschlüsse vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22 – FamRZ 2023, 718 Rn. 12 mwN und vom 26. Januar 2017 – IX ZB 34/16 – NJW-RR 2017, 564 Rn. 12 mwN). Hiervon entbindet auch die gerichtliche Fürsorgepflicht nicht, sofern – wie hier – nicht erkennbar wird, dass der Verfahrensbevollmächtigte aufgrund eines Versehens auf die Bewilligung der beantragten Frist vertraut und er daher eines Hinweises bedarf.

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