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Vertragsschluss mit GmbH – muss vertretungsumfang des Geschäftsführers geprüft werden?

Geschäftsführer und Vertragsabschluss: Wie weit reicht die Vertretungsmacht in einer GmbH?

Der Fall, der vor dem Kammergericht (KG) Berlin verhandelt wurde, dreht sich um die Frage, ob ein Geschäftsführer einer GmbH ohne Zustimmung der Gesellschafter einen Grundstückskaufvertrag abschließen darf und inwieweit die Vertretungsmacht des Geschäftsführers geprüft werden muss. Im Kern geht es um die rechtliche Auseinandersetzung zwischen zwei Immobilienunternehmen, der Klägerin „K. Grundbesitz GmbH“ und der Beklagten „B. Verwaltungs GmbH“, über die Gültigkeit eines Grundstückskaufvertrags und die damit verbundenen Auflassungsvormerkungen im Grundbuch.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 U 115/21   >>>

Vertretungsmacht des Geschäftsführers: Ein strittiger Punkt

Vertragsschluss mit GmbH – muss vertretungsumfang des Geschäftsführers geprüft werden?
Vertrag mit GmbH bleibt trotz Zweifel an der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers gültig: Kein Missbrauch der Vertretungsmacht oder Kollusion festgestellt. Vertragsabschluss war rechtmäßig. (Symbolfoto: CrizzyStudio /Shutterstock.com)

Die Klägerin argumentierte, dass der Geschäftsführer D. nicht die erforderliche Vertretungsmacht gehabt habe, um den Vertrag abzuschließen. Sie behauptete, dass die Beklagte von der Abberufung des Geschäftsführers gewusst habe oder zumindest hätte wissen müssen. Darüber hinaus wurde behauptet, dass der Geschäftsführer D. und die Beklagte kollusiv zusammengewirkt hätten, um der Klägerin zu schaden. Die Klägerin forderte daher die Zustimmung der Beklagten zur Löschung der Auflassungsvormerkungen im Grundbuch.

Die Rolle der Gesellschafter: Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter

Die Klägerin wurde von zwei Gesellschaftern vertreten: einer Mehrheitsgesellschafterin und einer Minderheitsgesellschafterin. Die Mehrheitsgesellschafterin hatte bereits versucht, den Geschäftsführer D. abzuberufen und war gegen den Verkauf des Grundstücks. Die Minderheitsgesellschafterin hingegen stimmte gegen die Abberufung und machte Einberufungsmängel geltend. Dies fügt eine zusätzliche Ebene der Komplexität hinzu, da die Vertretungsmacht des Geschäftsführers durch die unterschiedlichen Interessen der Gesellschafter beeinflusst werden könnte.

Die Entscheidung des Gerichts: Berufung und Anschlussberufung

Das Kammergericht Berlin wies die Berufung der Klägerin zurück und erklärte die Anschlussberufung der Beklagten für unzulässig. Die Klägerin wurde zudem dazu verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde nicht zugelassen.

Implikationen und Rechtsfolgen: Was bedeutet das Urteil?

Das Urteil hat weitreichende Implikationen für die Praxis der Geschäftsführung in GmbHs und die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern. Es stellt klar, dass die Vertretungsmacht des Geschäftsführers in komplexen Vertragsangelegenheiten nicht ohne Weiteres in Frage gestellt werden kann, insbesondere wenn keine eindeutigen Beweise für eine fehlende Zustimmung der Gesellschafter oder für eine kollusive Zusammenarbeit mit der Gegenseite vorliegen.

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Das vorliegende Urteil

KG – Az.: 2 U 115/21 – Urteil vom 08.09.2022

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 03.09.2021, Az. 22 O 197/19, wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil und das Urteil des Landgerichts Berlin vom 03.09.2021, Az. 22 O 197/19, sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien sind Unternehmen der Immobilienwirtschaft und streiten um eingetragene Auflassungsvormerkungen aus einem am 16.6.2018 beurkundeten Grundstückskaufvertrag.

Der Unternehmensgegenstand der als „K. Grundbesitz GmbH“ firmierenden Klägerin lautet dabei:

„Die Projektentwicklung im Bauhaupt- und Nebengewerk, Grundstücksvermittlung, Bauplanung- und Bauüberwachung, Wohnungs- & Geschäftshausbau, Bauleistungen für Industrie- und Industrieanlagen, Beratungsleistungen im Bauhaupt- und Nebengewerk und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte sowie der Erwerb, die Entwicklung, Vermietung, Verwaltung und der Verkauf von Grundstücken und der Betrieb gleichartiger oder ähnlicher Unternehmen, die Beteiligung an solchen, insbesondere als Gesellschafter und Komplementärgesellschaft, deren Vertretung und Geschäftsführung.“

Gesellschafter der Klägerin waren die C. GmbH (fortan: Mehrheitsgesellschafterin) und die B. Bau GmbH & Co. KG, später B. GmbH & Co. KG (fortan: Minderheitsgesellschafterin).

Die Klägerin erwarb das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaute Grundstück am K. in 2015 und teilte es im Juli 2015 in sieben Gewerbeeinheiten und 23 Eigentumswohnungen, was in 2016 grundbuchlich vollzogen wurde (Anlagen B8, BK3). In einer als „Letter of guarantee“ überschriebenen Urkunde vom 23.10.2017 (Anlage K3) erklärte der Geschäftsführer D. gegenüber der Mehrheitsgesellschafterin, dass er keine Veräußerung, Belastung, vertragliche Bindung oder Vermögensschmälerung ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Klägerin vornehmen werde. Anfang 2018 betrieb die Mehrheitsgesellschafterin die Abberufung des D. als Geschäftsführer der Klägerin und verhandelte zugleich mit diesem über die Veräußerung des Grundstücks am K., des einzigen Vermögensgegenstandes der Klägerin, und der Grundstücke anderer Objektgesellschaften mit ähnlichen Beteiligungsverhältnissen. In einem Vereinbarungsentwurf war für das Objekt der Klägerin ein Preis von EUR 16,0 Mio. vorgesehen, wobei davon mindestens EUR 9 Mio. an die Mehrheitsgesellschafterin fließen sollten (Anlage K5). Unter dem 15.5.2018 übersandte der Zeuge D. der Mehrheitsgesellschafterin einen Vertragsentwurf über einen Verkauf der Geschäftsanteile der Klägerin für EUR 16,2 Mio. (Anlage K6). Auf der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 14.6.2018 stimmte die Mehrheitsgesellschafterin für die Abberufung des Geschäftsführers D. und die Einziehung der Anteile der Minderheitsgesellschafterin an der Klägerin aus wichtigem Grund, die Minderheitsgesellschafterin stimmte dagegen und machte Einberufungsmängel geltend.

Derweil war am 12.6.2018 die Beklagte als B. Verwaltungs GmbH mit dem Zweck „Erwerb, Veräußerung sowie Halten und Verwalten von Grundstücken im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, insbesondere des Objekts in der B.-Straße in P.“ gegründet und sollte am 22.6.2018 im Handelsregister eingetragen werden. Ihre Gesellschafter waren Ka. und A., ersterer wurde Geschäftsführer der Beklagten. Am 16.6.2018 – einem Samstag – beurkundeten der Zeuge D. für die Klägerin und der Zeuge Ka. für die Beklagte den Verkauf der Gewerbeeinheiten und Eigentumswohnungen der Klägerin zu einem Preis von EUR 12,2 Mio., wobei die Parteien den jeweiligen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten Teilkaufpreise zuordneten (Anlage K4, Ziffer IV § 2). Die Klägerin bewilligte Auflassungsvormerkungen für die Beklagte. In § 12 heißt es unter „Salvatorische Klausel“:

„Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird hierdurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich vielmehr, eine der jeweiligen unwirksamen Bestimmung wirtschaftlich möglichst nahekommende Regelung zu vereinbaren. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Vertrag Lücken enthält.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K4 Bezug genommen. Zugunsten der Beklagten wurden sodann Auflassungsvormerkungen eingetragen. Bereits wenige Tage später baten der Geschäftsführer D. der Klägerin (Anlage K20) und der Geschäftsführer T. der Komplementärin der Minderheitsgesellschafterin (Anlage BK1) den Notar, den Kaufvertrag nicht zu vollziehen. Im Dezember 2018 wurde B. zum Notgeschäftsführer der Klägerin bestellt. Auch er bat den Notar darum, den Vertrag nicht durchzuführen, und widerrief etwaige Vollmachten zur Vertragsdurchführung (Anlage B3). In der Folge erhob die Beklagte Klage gegen die Klägerin auf Feststellung, dass der Kaufvertrag wirksam sei (Geschäftszeichen 96 O 59/19 des Landgerichts Berlin), zahlte jedoch den ihr aufgegebenen Gerichtskostenvorschuss nicht ein und nahm die Klage später zurück.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkungen in Anspruch, denn der Kaufvertrag sei unwirksam, so dass das Grundbuch unrichtig und die Beklagte ungerechtfertigt bereichert sei. Hierzu hat sie u.a. geltend gemacht, der D. sei wirksam als Geschäftsführer abberufen gewesen, was die Beklagte gewusst habe. Jedenfalls habe die Beklagte gewusst, dass weder ein Beschluss der Gesellschafterversammlung noch eine zustimmende Erklärung der Mehrheitsgesellschafterin vorlag. Es hätte sich der Beklagten aufdrängen müssen, dass die Mehrheitsgesellschafterin gegen das Geschäft eingestellt sei. D. habe mit der Beklagten zum Nachteil der Klägerin kollusiv zusammengewirkt. Er sei von vornherein an alle Interessenten mit der Forderung herangetreten, mindestens eine Rückvergütung von EUR 1 Mio. an sich gezahlt zu erhalten. Solche Verträge seien noch am Tisch des Notars schriftlich geschlossen worden (Vorlageanordnung), obwohl die Provisionsberechtigten keine Leistungen erbracht hätten. Die Beklagte sei an dem Erwerb der Grundstücke nicht ernsthaft interessiert gewesen, sondern habe nur eine Buchposition erwerben wollen, um sich diese von der Klägerin teuer abkaufen zu lassen. Jedenfalls sei der Vertrag sittenwidrig, weil die Gesellschafter die Geschäftsanteile an der Beklagten im Dezember 2018 unstreitig für einen Preis von lediglich EUR 3,35 Mio. verkauft hätten (Anlage K19). Die Immobilie sei mindestens EUR 17 Mio. wert gewesen, wovon die Beklagte selbst ausgegangen sei. Jedenfalls sei der Kaufvertrag wegen sittenwidriger Beeinträchtigung von Vorkaufsrechten unwirksam.

Die Beklagte hat u.a. geltend gemacht, sie habe von einer Abberufung nichts gewusst und sich auf den Umstand verlassen dürfen, dass D. im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen gewesen sei. Ein Gesellschafterbeschluss sei nicht erforderlich gewesen, weil Unternehmensgegenstand der Klägerin auch die Veräußerung von Grundstücken sei. Jedenfalls habe sie sich darauf verlassen dürfen, dass der beurkundende Notar M. und der beratende Notar H. nach eingehender Beratung zu dem Schluss gelangt seien, dass die Beurkundung ohne Vorliegen eines Gesellschafterbeschlusses vollzogen werden könne. Dass die Mehrheitsgesellschafterin das Grundstücksgeschäft nicht billige, habe sie nicht gewusst. Mit der A. GmbH sei ein ortsüblicher Maklervertrag geschlossen worden. Es treffe auch nicht zu, dass die Beklagte kein wahres Interesse an dem Grundstück gehabt habe. Sie habe insbesondere den Kaufgegenstand besichtigt und die Teilnahme eines Finanzierungsvermittlers an der Beurkundung veranlasst. Dieser habe auch die Kaufpreisaufteilung verantwortet. Der Kaufpreis sei angemessen. Die durch Architekt Ba. besonders gestaltete Fassade des Gebäudes sei undicht und für EUR 3,5 Mio. zu erneuern (Sachverständigengutachten). Das Vorbringen zur Vereitelung der Vorkaufsrechte sei unzureichend, denn die Klägerin gebe nicht an, welche Wohnungen zur Zeit der Teilung vermietet gewesen seien. Bei den vermieteten Wohnungen hätten zudem besonders hohe Mietvereinbarungen zum Preis von durchschnittlich 23 EUR/m² bestanden. Eine Nichtigkeit könne allenfalls betreffend einzelne Wohnungen eintreten. Allerdings könne sich die Beklagte dann auf die Einrede aus § 817 Satz 2 BGB berufen.

Wegen der landgerichtlichen Feststellungen im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Mit dieser hat das Landgericht die Klage nach Einvernahme der Zeugen D., Ka., A., T., M., Sa. und Sh. abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass der Kaufvertrag nicht unwirksam sei. Eine Kenntnis der Beklagten von der Abberufung des D. sei nicht bewiesen. Die Angaben der Zeugen D. und Sh. seien unglaubhaft und die der weiteren Zeugen unergiebig gewesen. Ein Gesellschafterbeschluss sei nicht erforderlich gewesen, weil § 179a AktG auf die GmbH nicht analog anwendbar sei und ein Grundlagengeschäft nicht vorgelegen habe. Zur Annahme eines Missbrauchs der Vertretungsmacht sei der – nicht geführte – Nachweis erforderlich, dass die Beklagte gewusst habe, dass die Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin gegen die Veräußerung des Objekts eingestellt gewesen sei. Der Vertrag sei auch nicht sittenwidrig. Ein krasses Missverhältnis zwischen Preis und Wert sei nicht dargetan. Allein der Umstand, dass die Beklagte gewisse Provisionsverpflichtungen eingegangen sei, führe auch nicht zur Annahme eines kollusiven Zusammenwirkens. Es sei schon nicht ersichtlich, dass der Klägerin durch das Geschäft tatsächlich ein Schaden entstanden sei. Eine Beweisaufnahme zum Grundstückswert sei entbehrlich, denn die Klägerin habe nicht im Ansatz dargelegt, aufgrund welcher konkreten Tatsachen sie zu dem behaupteten tatsächlichen Verkehrswert des Objekts gekommen sei. Der Kaufvertrag sei auch nicht sittenwidrig, weil die Regelungen zur Höhe der Einzelkaufpreise etwa darauf ausgerichtet gewesen seien, die zugunsten der Mieter im Objekt bestehenden Vorkaufsrechte auszuhebeln. Es fehle an nachvollziehbarem Vortrag dazu, wann das Wohnungseigentum gebildet und zu welchen konkreten Zeiten der Mietvertrag mit dem jeweiligen Mieter der betreffenden Einheit geschlossen worden sei. Die Klägerin erbringe nicht einmal eine nachvollziehbare Aufstellung, welchem Mieter welcher Einheit überhaupt ein Vorkaufsrecht zugestanden habe.

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Gegen diese ihr zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 6.9.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der am 10.9.2021 eingelegten und – nach Fristverlängerung um einen Monat – am 8.11.2021 und ergänzend am 2.12.2021 begründeten Berufung. Mit dieser verfolgt sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter und führt zur Begründung u.a. aus, die Beklagte habe bei richtiger Beweiswürdigung von der Abberufung des klägerischen Geschäftsführers gewusst. Die Kenntnis vom Abberufungsbeschluss verpflichte jedenfalls zur Nachforschung. Jedenfalls sei ein Gesellschafterbeschluss erforderlich gewesen. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liege schon dann vor, wenn eine Maßnahme ergriffen werde, bei der mit Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen sei. Sie habe auch nicht nachweisen müssen, dass die Beklagte von der Missbilligung seitens der Mehrheitsgesellschafterin wusste. Gleichwohl sei ihr – bei richtiger Beweiswürdigung – dieser Nachweis gelungen. Dass die Mehrheitsgesellschafterin nicht einverstanden gewesen sei, ergebe sich bereits daraus, dass sie aus dem Beurkundungsverfahren bewusst herausgehalten worden sei und der Kauf ersichtlich unterhalb der Kaufpreiserwartung der Klägerin ebenso wie deutlich unterhalb der Wertvorstellung der Beklagten abgeschlossen worden sei. Ebenso wenig könne die Mehrheitsgesellschafterin am Abschluss eines wegen der Beeinträchtigung der Vorkaufsrechte sittenwidrigen Vertrages interessiert gewesen sein. Es habe sich der Beklagten zumindest aufdrängen müssen, dass der Zeuge D. seine Vertretungsmacht missbrauche. Jedenfalls habe die Beklagte kollusiv mit dem Zeugen D. zusammengewirkt. Dies ergebe sich aus ihrer – der Beklagten – positiven Kenntnis vom entgegenstehenden Willen der Mehrheitsgesellschafterin, der Veräußerung deutlich unterhalb des Verkehrswertes, der Vereinbarung einer Provision ohne Gegenleistung sowie der Vereitelung von Vorkaufsrechten. Im August 2018 habe der damalige Geschäftsführer der Beklagten zur Lösung des Problems eine Sonderzahlung von EUR 1 Mio. an die Mehrheitsgesellschafterin angeboten, von der die Minderheitsgesellschafterin keine Kenntnis erlangen dürfe (Zeugnis Sl., Sp., Ka., A.). In der zweiten Oktoberwoche 2019 habe F. gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angegeben, er stehe wirtschaftlich hinter der Beklagten und biete an, den Kaufvertrag gegen Zahlung von EUR 3 Mio. aufzuheben, wobei er sicherstellen könne, dass die versprochenen Provisionszahlungen nicht geleistet würden. Aus der Darstellung der Preise sei ersichtlich, dass die mit einem Vorkaufsrecht ausgestatteten Wohnungseigentumseinheiten um den Faktor 4,5 teurer verkauft worden seien als Wohnungseigentumseinheiten ohne Vorkaufsrecht. Nichtig sei der Vertrag zudem wegen der Schmiergeldvereinbarung. Schließlich sei der Vertrag formnichtig, weil sein Zustandekommen von dem Abschluss der Provisionsvereinbarungen abgehangen hätte, was aber nicht beurkundet worden sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des am 03.09.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, Geschäftszeichen 22 O 197/19, zu verurteilen, der Löschung der zugunsten der Berufungsbeklagten im Grundbuch des Amtsgerichts C., Blatt (…) bis (…) eingetragenen Auflassungsvormerkungen betreffend das Grundstück der Gemarkung W., Flur (…), Flurstück (…), verbunden mit dem Sondereigentum an den folgenden Einheiten laut Aufteilungsplan zuzustimmen und die Löschung zu bewilligen:

  • • Nicht zu Wohnzwecken dienende Räume Nr. 1 (Blatt …)
  • • Nicht zu Wohnzwecken dienende Räume Nr. 2 (Blatt …)
  • • Nicht zu Wohnzwecken dienende Räume Nr. 3 (Blatt …)
  • • Nicht zu Wohnzwecken dienende Räume Nr. 4 (Blatt …)
  • • Nicht zu Wohnzwecken dienende Räume Nr. 5 (Blatt …)
  • • Nicht zu Wohnzwecken dienende Räume Nr. 6 (Blatt …)
  • • Nicht zu Wohnzwecken dienende Räume Nr. 7 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 8 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 9 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 10 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 11 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 12 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 13 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 14 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 15 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 16 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 17 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 18 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 19 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 20 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 21 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 22 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 23 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 24 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 25 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 26 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 27 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 28 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 29 (Blatt …)
  • • Der Wohnung Nr. 30 (Blatt …)

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht u.a. geltend, sie habe nicht von der Abberufung gewusst und die Klägerin habe Gegenteiliges nicht zu beweisen vermocht. Eine weitergehende Beweisaufnahme sei nicht erforderlich, zumal die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigte zahlreiche Fragen gestellt habe. Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin sei nicht erforderlich gewesen, zumal das fragliche Grundstück bei der Klägerin als Umlaufvermögen geführt worden sei, die Satzung den Verkauf der Immobilie vorsehe und die Umwandlung in Wohnungseigentum ohne die Absicht eines Verkaufes sinnlos gewesen wäre. Zudem habe die Klägerin selbst in der Klageschrift vorgetragen, dass sie eine Objektgesellschaft sei. Es sei zu bestreiten, dass die Mehrheitsgesellschafterin nicht den Willen gehabt habe, das Grundstück zu verkaufen. Jedenfalls könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte von einem fehlenden Willen Kenntnis gehabt hätte. Hinsichtlich der Vorkaufsrechte habe das Landgericht im Termin am 15.6.2021 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vortrag nicht ausreichend und zur Beurteilung die Vorlage der Wohnungsgrundbücher und der Mietverträge erforderlich sei. Das nunmehr erstmals mit der Berufungsbegründung schlüssig unterbreitete Vorbringen sei daher verspätet. Jedenfalls seien die Wertangaben unzutreffend. Der vereinbarte Kaufpreis von durchschnittlich 3.446 EUR je m² Nutzfläche sei angemessen gewesen. Neben den bereits angeführten baulichen Schwierigkeiten sei die Immobilie verwahrlost (Sachverständigengutachten, Augenschein). Das Vorbringen zu angeblichen Schmiergeldzahlungen sei nicht bewiesen. Tatsächlich seien die Provisionen nicht gezahlt worden und es habe allein ein ortsüblicher Maklervertrag mit der A. GmbH bestanden. Ganz offenbar habe diese den entscheidenden Hinweis an T. gegeben, was den Vertragsschluss ermöglicht habe. Das Vorbringen zur Formnichtigkeit sei verspätet. Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Abschluss von Provisionsvereinbarungen Bedingung für den Abschluss des Kaufvertrages gewesen sei. Selbst nach der Beurkundung des Kaufvertrages sei noch über Grund und Höhe der Provisionszahlungen verhandelt worden.

Mit der Terminsverfügung hat der Senatsvorsitzende nach Vorberatung wie folgt hingewiesen:

„Der Senat hält an seiner bisherigen Auffassung fest, die für alle Schwestergesellschaften der Klägerin in gleichförmiger Weise anberaumte Beschlussfassung vom 14.6.2018 sei wegen Einladungsmängeln ohne Anfechtung nichtig und daher ohne Auswirkungen auf die Organstellung des Geschäftsführers D. gewesen. Dies hat er betreffend eine andere GmbH aus der Unternehmensgruppe der hiesigen Mehrheitsgesellschafterin ausführlich begründet (vgl. Hinweisbeschluss vom 14.10.2021 – 2 U 8/19).

Nach der Vorberatung dürfte vorliegend einiges dafür sprechen, dass die am 16.6.2018 beurkundete Veräußerung des gesamten Immobilienvermögens der Klägerin (Anlage K4) auch ohne dahin gehende Satzungsbestimmung eines Gesellschafterbeschlusses bedurfte, zumal die Mehrheitsgesellschafterin den Geschäftsführer D. mit dem „Letter of guarantee“ vom 23.10.2017 (Anlage K3) hierauf verpflichtet hatte.

Es könnte jedoch gegen einen der Beklagten auch erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht sprechen, dass der beurkundende Notar M. und der wohl beratend tätige Notar H. übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangten, dass die Beurkundung ungeachtet des Fehlens des Gesellschafterbeschlusses möglich sei, so dass die Beurkundung stattfinden könne, auch ohne eine spätere Zustimmung der Mehrheitsgesellschafterin vorzusehen.“

Die Beklagte erhebt hierauf Zwischenfeststellungswiderklage sowie hilfsweise negative Feststellungswiderklage zur Feststellung der Wirksamkeit des Vertrages vom 16.6.2018. Dies sei in der Berufungsinstanz sachdienlich im Sinne von § 533 ZPO. Die Zwischenfeststellungswiderklage sei zulässig, weil die Wirksamkeit des Vertrages als Vorfrage nicht in Rechtskraft erwachsen und das zu erwartende Urteil insoweit nicht erschöpfend sei. Dies ergebe sich aus der Nichterteilung der Löschungsbewilligungen und dem Umstand, dass die Beklagte auch sonst ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Wirksamkeit des Vertrages habe.

Die Beklagte beantragt, festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 16.06.2018 vor dem Notar Wolfgang M. zu dessen UR-Nr.: 427/2018 abgeschlossene Wohnungs- und Teileigentumskaufvertrag mit Auflassung wirksam sei.

Die Klägerin beantragt, das Feststellungsbegehren zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und schriftsätzlich begründet worden, §§ 511 ff ZPO. Dabei sind auch die Ausführungen im Schriftsatz vom 2.12.2021 zu berücksichtigen, weil die verlängerte Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) bei dessen Eingang noch nicht abgelaufen war und in der Einreichung einer Berufungsbegründung noch vor Fristende kein Verzicht auf die weitere Begründungsfrist liegt.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch in der Sache nicht begründet, denn weder beruht die Entscheidung zulasten der Klägerin auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung als die getroffene. Vielmehr hat das Landgericht die Klage nach umfassender Beweisaufnahme zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten die begehrte Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung weder unter dem Gesichtspunkt der Grundbuchberichtigung (dazu 1.) noch demjenigen der ungerechtfertigten Bereicherung (dazu 2.) verlangen.

1. Die Klägerin kann sich für das Klagebegehren nicht mit Erfolg auf § 894 BGB stützen. Allerdings ergibt sich aus der Akzessorietät der Vormerkung nach § 883 BGB, dass nach § 894 BGB deren Löschung vom Vormerkungsgläubiger verlangt werden kann, wenn die Vormerkung zu Unrecht im Grundbuch eingetragen ist, weil der zu sichernde Anspruch nicht besteht (vgl. nur NK-BGB/Krause, 5. Auflage 2022, § 894 Rn. 19). Der zu sichernde Auflassungsanspruch der Beklagten ergibt sich indes vorliegend aus den in der Notarurkunde vom 16.6.2018 getroffenen Vereinbarungen (Anlage K4). Diese sind weder unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Vertretungsmacht des Zeugen D. (dazu a.), des Missbrauchs der Vertretungsmacht (dazu b.), der Kollusion (dazu c.), der Formnichtigkeit (dazu d.), der sittenwidrigen Preisgestaltung (dazu e.) oder sog. Schmiergeldzahlungen (dazu f.) unwirksam, so dass das Grundbuch nicht unrichtig ist.

a) Die Vereinbarung ist nicht wegen Mangels der Vertretungsmacht schwebend oder endgültig unwirksam zustande gekommen (§ 177 Abs. 1 BGB). Denn der Zeuge D. war wirksam bestellter und im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer der Klägerin und konnte diese organschaftlich vertreten (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Die Klägerin müsste daher darlegen und beweisen, dass der Zeuge D. bereits vor dem Vertragsschluss wirksam abberufen worden ist, was die Beklagte zulässigerweise mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) bestritten hat. Dies ist ihr nicht gelungen. Vielmehr war die in der Gesellschafterversammlung am 14.6.2018 erfolgte Beschlussfassung über die Abberufung des D. ohne Rechtswirkung (dazu aa.), jedenfalls kann sich die Beklagte auf den Rechtsschein des Handelsregisters berufen (dazu bb.).

aa) Die Beschlussfassung über die Abberufung des D. als Geschäftsführer der Klägerin am 14.6.2018 war ohne Anfechtung nichtig und daher ohne Auswirkungen auf die Organstellung des Geschäftsführers D.

Die dieser Bewertung im Einzelnen zugrundeliegenden Tatsachen sind dem Senat aus der Bearbeitung der Sache 2 U 8/19 dienstlich bekannt. Diese Streitigkeit betrifft zwar eine andere Gesellschaft aus der Unternehmensgruppe der Mehrheitsgesellschafterin und eine andere Minderheitsgesellschafterin. Die Gesellschafterversammlungen vom 15.5.2018 und 14.6.2018 sind gleichwohl für die verschiedenen Gesellschaften der Unternehmensgruppe der Mehrheitsgesellschafterin parallel und gleichlautend einberufen, durchgeführt und protokolliert worden, was sich u.a. aus dem Vergleich der die Klägerin betreffenden Anfechtungsklage (Landgericht Berlin 105 O 71/18 = Anlage K16) mit den Klageschriften in den übrigen von dem Senat behandelten Anfechtungsverfahren (u.a. 2 U 94/18, 2 U 8/19, 2 U 59/19, 2 U 85/19) ergibt und was der Klägerin, der Mehrheitsgesellschafterin und der Minderheitsgesellschafterin bekannt ist. In Bewertung der Geschehnisse leiden die Beschlussfassungen vom 14.6.2018 für sämtliche Gesellschaften an einem Einberufungsmangel, der ohne Anfechtung zur Nichtigkeit führt. In der Sache 2 U 8/19 hat der Senat mit Beschluss vom 14.10.2021 – also nach Erlass der angefochtenen Entscheidung – einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt. Dieser lautet u.a. wie folgt, wobei die Verfahrensrollen an die Stellung im hiesigen Rechtsstreit angepasst worden sind:

„Zu Recht hat das Landgericht (…) die in der Gesellschafterversammlung vom 14.06.2018 der [Klägerin] getroffenen Beschlüsse (…) für nichtig erklärt (…). Denn der Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH ist in entsprechender Anwendung des § 241 Nr. 1 AktG nichtig, wenn sie von einem Gesellschafter einberufen worden ist, der dazu nicht nach § 50 Abs. 1 und Abs. 3 GmbHG befugt war (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1983 – II ZR 14/82, BGHZ 87, 1; MHLS/Römermann, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 50 Rn. 159; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 50 Rn. 20). Die Gesellschafterversammlung vom 14.06.2018 ist hier von der [Mehrheitsgesellschafterin] einberufen worden. Diese war hierzu weder nach der Satzung (dazu 1.) noch unter dem Gesichtspunkt der Selbsthilfe (dazu 2.) berechtigt; auch eine sog. Vollversammlung liegt nicht vor (dazu 3.).

1. Die Gesellschafterversammlung vom 14.06.2018, auf welcher die fraglichen Beschlussfassungen erfolgten, ist nicht in Gemäßheit des § 6 Nr. 2 Satzung einberufen worden. Hiernach wird die Versammlung durch die Geschäftsführer einberufen. Die [Mehrheitsgesellschafterin] kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Satzungsänderung im kollusiven Zusammenwirken des Geschäftsführers D. und der [Minderheitsgesellschafterin] zustandegekommen sei und sie – die [Mehrheitsgesellschafterin] – sich daher im Rechtsstreit auf die ursprüngliche Fassung der Satzung berufen könne. Denn auch diese trifft keine Regelung zur Einberufung der Versammlung (vgl. § 5 Nr. 1 Satzung 2014), so dass nach § 49 Abs. 1 GmbHG die Versammlung der Gesellschafter durch die Geschäftsführer berufen wird.

2. Die [Mehrheitsgesellschafterin] kann sich auch nicht darauf berufen, dass nach § 50 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GmbHG Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, unter Mitteilung des Sachverhältnisses die Einberufung der Gesellschafterversammlung selbst bewirken können (Selbsthilferecht).

Das Einberufungsrecht setzt voraus, dass dem vorher geäußerten Verlangen des jeweiligen Gesellschafters auf Einberufung nicht entsprochen worden ist. Es liegt jedoch kein Verlangen der [Mehrheitsgesellschafterin] vor, wonach der Geschäftsführer D. der [Klägerin] – nachdem auf der Gesellschafterversammlung vom 15.05.2018 keine förmlichen Beschlüsse festgestellt wurden – nunmehr eine weitere Versammlung anberaume.

Ebenso wenig kann sich die [Mehrheitsgesellschafterin] darauf stützen, dass ein solches Einberufungsrecht nach § 50 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GmbHG für die Versammlung vom 15.05.2018 vorgelegen hätte und dies auch zur Einberufung einer weiteren Versammlung berechtige. Dabei kommt es auf die von der Berufungsbegründung hervorgehobene Frage nicht entscheidend an, ob ein die Nebenintervenienten etwa zur Einberufung der Versammlung am 15.05.2018 berechtigendes Selbsthilferecht durch die nicht beschlussfähige Gesellschafterversammlung bereits verbraucht war. Denn tatsächlich geht das Landgericht zu Recht davon aus, dass die [Mehrheitsgesellschafterin] bereits zur Einberufung der auf den 15.05.2018 datierten Gesellschafterversammlung nicht nach § 50 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GmbHG ermächtigt war. Denn es besteht kein Selbsthilferecht, solange die Einberufung vom Geschäftsführer noch zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1983 – II ZR 14/82, BGHZ 87, 1) und es ist eine Selbsthilfe unzulässig, wenn der Geschäftsführer das Einberufungsverlangen mit unwesentlichen Modifizierungen umsetzt (vgl. MüKo-GmbHG/Liebscher, 3. Aufl. 2019, § 50 Rn. 52).

Nach diesem Maßstab war am 26.04.2018 kein Selbsthilferecht der [Mehrheitsgesellschafterin] gegeben. Denn tatsächlich hatte der Geschäftsführer der [Klägerin] für die Objektgesellschaften bereits zu einer Gesellschafterversammlung am 28.05.2018 eingeladen und in seiner Einladung den wesentlichen Tagesordnungspunkt angekündigt, dass über seine Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung zu entscheiden sei (Anlage NI1). Soweit die Einberufung nach Verstreichen der hierfür gesetzten Frist erfolgte, berechtigt zwar auch die nur zögerliche Einberufung durch den Geschäftsführer zur Selbstvornahme (vgl. MüKo-GmbHG/Liebscher, 3. Aufl. 2019, § 50 Rn. 52), allerdings wird dabei regelmäßig eine Frist von einem Monat als angemessen erachtet, in Eilfällen auch etwas weniger (vgl. OLG München, Beschluss vom 21. Februar 2000 – 7 W 2013/98, OLGR 2000, 165 = GmbHR 2000, 486; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juli 2012 – 6 U 220/11, BeckRS 2012, 22394; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 50 Rn. 16). Vorliegend hatte zudem der Geschäftsführer die Einberufung bereits ausgesprochen, noch bevor die [Mehrheitsgesellschafterin] von der Selbstvornahme Gebrauch machte.

Diese Einladung durch den Geschäftsführer war auch nicht ihrerseits von der Art, dass tatsächlich von einer Nichterfüllung der Pflicht aus § 50 Abs. 1 und 2 GmbHG oder von einem wertungshalber vergleichbaren Tatbestand ausgegangen werden müsste. Es ist schon nicht klar, ob tatsächlich die [Minderheitsgesellschafterin] nicht zur Versammlung geladen worden wäre. Jedenfalls trägt die Berufung selbst vor, dass die [Minderheitsgesellschafterin] bestätigt hatte, die Einladung trotz der zahlreichen Mängel als ordnungsgemäß zu akzeptieren (Berufungsbegründung, Seite …). Ebenso wenig ist eine Nichterfüllung darin zu sehen, dass die Einberufung nicht unterschrieben war. Auch hierauf bezieht sich die Erklärung der [Minderheitsgesellschafterin], eine Beanstandung seitens der [Mehrheitsgesellschafterin] war aufgrund ihres eigenen Anliegens nicht zu erwarten und der Geschäftsführer hätte sich auf sein eigenes Versäumnis nicht berufen können. Ebenso wenig liegt eine Nichteinberufung vor, weil der Tatbestand der Neubestellung eines Geschäftsführers in der ersten Fassung der Einladung nicht enthalten war, denn der Geschäftsführer hat – auf dieses Versäumnis aufmerksam gemacht – die Tagesordnung sogleich ergänzt. Insoweit vermag ihm nicht zu Nachteil zu gereichen, dass diese Ergänzung per elektronischer Post erfolgte, was der Form nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Satzung nicht genügte, weil es sich nur um eine Klarstellung handelte und eine formale Richtigstellung erforderlichenfalls bis zur Versammlung ohne weiteres möglich gewesen wäre.

Es ist auch nicht zu sehen, dass durch die Bestimmung des Termins der Versammlung tatsächlich die Rechte aus § 50 Abs. 1 und 2 GmbHG konterkariert worden wären. Zwar besteht ein generelles Verbot, den Antrag gem. § 50 GmbHG zu hintertreiben oder zu sabotieren (vgl. MüKo-GmbHG /Liebscher, 3. Aufl. 2019, § 50 Rn. 29), eine solche Bewertung erscheint vorliegend aber nicht gerechtfertigt. Vielmehr hatte die [Mehrheitsgesellschafterin] selbst es für ausreichend erachtet, dass der Geschäftsführer die fragliche Gesellschafterversammlung spätestens für den 11.05.2018 ansetze, was zum Zeitpunkt der Aufforderung noch annähernd einen Monat in der Zukunft lag. Die von der [Mehrheitsgesellschafterin] dann selbst initiierte Gesellschafterversammlung fand lediglich 14 Tage vor der Gesellschafterversammlung statt, welche auf Einladung des Geschäftsführers der [Klägerin] hätte stattfinden sollen. Es ist nicht erkennbar, dass hierin ein Konterkarieren oder eine Sabotage des Anliegens der [Mehrheitsgesellschafterin] zu sehen wäre. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem nunmehr ergänzten Vorbringen zum Verkauf des Objektgrundstücks der [Klägerin] an Dritte. Es ist angesichts der zuvor aufgetretenen Schwierigkeiten mit der finanzierenden Bank (drohende Zwangsvollstreckung) noch nicht einmal ersichtlich, dass dieses Geschäft überhaupt zum Nachteil der [Klägerin] oder etwa gegen den Gesellschaftszweck gewesen wäre. Allein der Umstand, dass der Geschäftsführer D. der [Klägerin] es der [Mehrheitsgesellschafterin] im Oktober 2017 zugesagt haben mag, keine Veräußerung, Belastung, vertragliche Bindung oder Vermögensschmälerung bei den Objektgesellschaften ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlungen vorzunehmen, vermag bei dieser Sachlage die Annahme einer Konterkarierung durch die Terminierung auf Ende Mai 2018 nicht zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr, als der Verkauf des Objektgrundstücks erst am 20.07.2018 beurkundet worden ist.

Die Annahme eines Hintertreibens ist auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands gerechtfertigt, dass die von dem Geschäftsführer einberufene Gesellschafterversammlung später abgesagt worden ist. Hieraus lässt sich gerade nicht ohne Weiteres ableiten, dass die Versammlung etwa nur zum Schein anberaumt worden wäre. Die Betrachtung der [Mehrheitsgesellschafterin] übersieht, dass zum Zeitpunkt der Absage am 24.05.2018 bereits die nicht beschlussfähige Gesellschafterversammlung vom 15.05.2018 stattgefunden hatte und die [Mehrheitsgesellschafterin] eine weitere Gesellschafterversammlung für den 14.06.2018 einberufen hatte.

Ohne Erfolg macht die Berufung schließlich geltend, dass die [Minderheitsgesellschafterin] sich nicht auf das Fehlen des Einberufungsrechts der Nebenintervenienten berufen könne, weil sie ihrerseits der Absage der auf den 28.05.2018 terminierten Gesellschafterversammlung durch den Geschäftsführer der [Klägerin] nicht entgegengetreten sei. Zum einen wird dabei übersehen, dass Gesellschafter gegenüber GmbH-Geschäftsführern nicht weisungsbefugt sind, zum anderen handelt es sich bei der fehlenden Einberufungsbefugnis um einen Nichtigkeitsgrund, der nicht zur Disposition eines einzelnen Gesellschafters steht.

3. Die Berufung kann sich auch nicht darauf stützen, dass die nach alledem nicht ordnungsgemäß berufene Versammlung vom 14.06.2018 Beschlüsse deshalb habe fassen können, weil sämtliche Gesellschafter anwesend gewesen wäre (Vollversammlung, § 51 Abs. 3 GmbHG). Zwar mag die [Minderheitsgesellschafterin] an der entsprechenden Versammlung teilgenommen haben. Zu den Voraussetzungen der Voll- oder Universalversammlung gehört aber nicht nur, dass alle Gesellschafter anwesend sind, sondern dass sie auch mit der Abhaltung der Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung einverstanden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2009 – II ZR 98/08, MDR 2009, 515; Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 51 Rn. 9). Erforderlich ist, dass kein Gesellschafter fehlende Einberufungsvoraussetzungen rügt, also vorbehaltlos abgestimmt wird bzw. das (auch konkludent mögliche) Einvernehmen aller Anwesenden mit der Abhaltung der Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung besteht (vgl. Wicke aaO., mwN.). Vorliegend ergibt sich aber aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 14.06.2018 (Anlage NI6), dass die [Minderheitsgesellschafterin] bereits vor Eintritt in die Tagesordnung rügte, dass die Gesellschafterversammlung keine ordnungsgemäße wiederholte Gesellschafterversammlung darstelle und dass sie – die [Minderheitsgesellschafterin] – der Feststellung der form- und fristgerechten Einladung widerspreche. Soweit die [Minderheitsgesellschafterin] in der Folge an den Abstimmungen teilgenommen hat, hat sie dies jeweils unter Hinweis darauf getan, dass nach ihrer Auffassung kein wirksamer Beschluss zustande gekommen sei.“

Der Senat sieht sich auch nicht im Hinblick auf die nunmehrigen Ausführungen zur Einberufung der damaligen Versammlungen zu einer Änderung seiner rechtlichen Einschätzung veranlasst. Das entsprechende Vorbringen war im Wesentlichen bereits Gegenstand des Verfahrens 2 U 8/19 und lag daher der Abfassung des seinerzeitigen Hinweisbeschlusses bereits zugrunde, auf den die Mehrheitsgesellschafterin die von ihr geführte Berufung sodann zurückgenommen hat.

Der Einberufungsmangel stand der Wirksamkeit der Abberufung ungeachtet des Umstandes entgegen, dass die später seitens der Minderheitsgesellschafterin erhobene Beschlussanfechtungsklage (Anlage K16, Landgericht Berlin 105 O 71/18) schließlich durch Versäumnisurteil vom 22.4.2020 abgewiesen und der hiergegen gerichtete Einspruch durch zweites Versäumnisurteil vom 8.7.2020 verworfen worden ist (Anlage K15). Die Klägerin könnte der Beklagten die Rechtskraftwirkung des Versäumnisurteils nicht entgegenhalten, denn die Abweisung der Beschlussanfechtungsklage bindet nur die Parteien (vgl. Noack/Servatius/Haas/Noack, 23. Auflage 2022, GmbHG Anh. § 47 Rn. 176), zu denen zumindest die Beklagte nicht zählt. Auf Nichtigkeitsgründe kann sie sich ungeachtet der Klageabweisung berufen (vgl. Noack aaO.). Die Einberufung einer Gesellschafterversammlung durch einen Nichtberechtigten ist aber ein Nichtigkeitsgrund (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1983 – II ZR 14/82 -, BGHZ 87, 1; MüKo-GmbHG/Liebscher, 3. Aufl. 2019, § 50 Rn. 63), so dass der Beschluss auch ohne Anfechtung unverbindlich war.

bb) Jedenfalls ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Beklagte auf den Rechtsschein der bei Beurkundung fortbestehenden Eintragung des Zeugen D. im Handelsregister berufen kann.

Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war (§ 15 Abs. 1 HGB). Das Landgericht geht auch zu Recht davon aus, dass sich eine Kenntnis der Beklagten von der wirksamen Abberufung des D. nicht hat feststellen lassen. Der Eintragungspflichtige hat die positive Kenntnis des Dritten von der einzutragenden Tatsache darzulegen und zu beweisen (vgl. Hopt/Merkt, 41. Aufl. 2022, HGB § 15 Rn. 7; Oetker/Preuß, 7. Aufl. 2021, HGB § 15 Rn. 25; MüKo-HGB/Krebs, 5. Aufl. 2021, § 15 Rn. 52; Henssler/Strohn/Wamser, 5. Aufl. 2021, HGB § 15 Rn. 16), wobei Kennenmüssen (einfache und grobe Fahrlässigkeit, § 276 Abs. 2 BGB) nicht genügt, weil der Dritte entgegen der Auffassung der Berufung nicht zu Nachforschungen verpflichtet ist (vgl. RG, Urteil vom 06. Februar 1909 – I 130/08 -, RGZ 70, 272, 272 f.; OLG Oldenburg, Urteil vom 4. Februar 2010 – 8 U 121/09 -; Hopt/Merkt, 41. Aufl. 2022, HGB § 15 Rn. 7; EBJS/Gehrlein, 4. Aufl. 2020, HGB § 15 Rn. 11).

Ist der Rechtsverkehr aber nicht zu Nachforschungen verpflichtet, ist die schlichte Kenntnis von der Fassung eines Abberufungsbeschlusses unschädlich, wenn die Wirksamkeit der Abberufung umstritten ist und ihre Eintragung im Handelsregister noch nicht erfolgt ist (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 4. Februar 2010 – 8 U 121/09 -; Hopt/Merkt, 41. Aufl. 2022, HGB § 15 Rn. 7; BeckOK-HGB/Müther, 36. Ed. 15.4.2022, § 15 Rn. 13). Allein in diesem Sinne hat sich jedoch der von der Klägerin benannte Zeuge D. vorliegend geäußert (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 5 = Bd. II Blatt 5 d.A.). Er will der Gegenseite den bestehenden Streit um seine Abberufung mitgeteilt haben. Ebenso hat sich der Zeuge Sh. eingelassen. Danach soll der Zeuge D. gegenüber den Zeugen Ka. und A. gesagt haben, dass er abberufen sei, die Abberufung aber unwirksam sei, weil sich die Gesellschafter nicht einig gewesen seien und dass er noch im Handelsregister stehe (Protokoll vom 15.6.2021, Seite 25 = Bd. II Blatt 115 d.A.).

Unabhängig hiervon ist das Landgericht aber auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine positive Kenntnis der Beklagten von der schlichten Existenz des Abberufungsbeschlusses im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht bewiesen ist:

– Die Einlassung des Zeugen D. (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 5 = Bd. II Blatt 5 d.A.) war kaum belastbar, weil nicht nachvollziehbar erscheint, warum der Zeuge die Gegenseite überhaupt von seiner Abberufung hätte in Kenntnis setzen sollen. Nahm der Zeuge schon in Kauf, gegen den „Letter of guarantee“ vom 23.10.2017 zu verstoßen (Anlage K3), wäre sein ihm offenbar wichtiges Beurkundungsbestreben durch die angebliche Unterrichtung der Beklagten gefährdet worden, weil die Beklagte von dem Ankauf hätte Abstand nehmen und ein weiteres Verkaufsgeschehen aus Zeitgründen nicht mehr hätte initiiert werden können. Sollten dagegen die seinerzeit hinter der Beklagten stehenden Personen mit dem Zeugen gemeinsame Sache gemacht haben, wäre noch weniger ersichtlich, warum die Abberufung beim Notartermin hätte erörtert werden sollen. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge seine Abberufung für unwirksam und sich für einen „vollbevollmächtigten Geschäftsführer“ gehalten haben will. Auch der Zeuge T. will jedenfalls die Beschlussfassung vom 14.6.2018 so verstanden haben, als sei es zu einer Abberufung gar nicht gekommen (Protokoll vom 15.6.2021, Seite 2 = Bd. II Blatt 92 d.A.).

– Die an diesem Punkt daher bereits schwache Aussage litt zusätzlich unter dem vom Landgericht zu Recht hervorgehobenen Widerspruch, an welchem Ort die fragliche – unwahrscheinliche und eigenzweckwidrige – Äußerung gefallen sein soll. Die Versuche der Berufungsbegründung, den Widerspruch herunterzuspielen, verfangen nicht. Der Zeuge D. hat klar bekundet, dass die Äußerung „vor dem Notartermin“ gefallen sei. Die Vorbesprechung draußen soll eine halbe bis eine Stunde gedauert haben, eher eine Stunde (Protokoll, Seite 9 = Bd. II Blatt 9 d.A.). Nur hier decken sich die Aussagen, denn der Zeuge Sh. gibt an, dass die weiteren Beteiligten etwa eine Stunde draußen auf ihn hätten warten müssen. Die fragliche Äußerung sei aber im Beurkundungszimmer gefallen (Protokoll vom 15.6.2021, Seite 25 = Bd. II Blatt 115 d.A.). Angesichts dieser Gesamtumstände liegt es tatsächlich nicht fern, dass es beiden Zeugen mehr auf die Rechtserheblichkeit des von ihnen bekundeten Geschehens ankam als darauf, ob es sich auch tatsächlich zugetragen hatte. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, der Zeuge Sh. sei unbeteiligter Dritter und habe keinen Anlass zu falschen Angaben gehabt. Denn der Zeuge hat selbst bekundet, mit dem Zeugen D. im Vorfeld erörtert zu haben, dass es schwierig sein könnte, das Objekt als Ganzes zu verkaufen, und dass deswegen wohl keine Beurkundung am Wochenende stattfinden werde (Protokoll, Seite 26-27 = Bd. II Blatt 116-117 d.A.). Auch sonst vermittelte seine Aussage eher den Eindruck der eingehenden Befassung mit der Materie. Auf die weiter bestehenden, erheblichen Widersprüche der Aussage des Zeugen D. zu seiner eidesstattlichen Versicherung vom 4.1.2021 (Anlage K17) kommt es daher nicht einmal an.

– Ohne Erfolg rügt die Berufung, das Landgericht habe nicht begründet, warum es dem Zeugen Ka. nicht glaube. Auf dessen Aussage kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an. Allerdings weist die Berufungserwiderung zurecht darauf hin, dass beide Zeugen in ganz erheblichem Umfang am Ausgang des Prozesses interessiert sein dürften, was jeweils bei der Würdigung zu berücksichtigen war.

b) Die Beklagte kann aus der Auflassung in der fraglichen Notarkunde auch nicht etwa deswegen keine vertraglichen Rechte herleiten, weil sie es wusste oder es sich ihr aufdrängen musste, dass der Geschäftsführer D. die Grenzen missachtete, die seiner Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis gezogen waren (sog. Missbrauch der Vertretungsmacht).

Wer einen Vertrag mit einer GmbH abschließen will, braucht sich nämlich grundsätzlich nicht darum zu kümmern, ob der Geschäftsführer die sich aus dem Innenverhältnis ergebenden Schranken seiner Befugnis einhält. Nachforschungen hierüber sollen dem redlichen Rechtsverkehr erspart bleiben. Darin liegt gerade der Sinn der gesetzlichen Regelung in § 37 Abs. 2 GmbHG, nach der die Vertretungsmacht der Geschäftsführer Dritten gegenüber unbeschränkbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 05.12.1983 – II ZR 56/82, MDR 1984, 646). Lediglich einen sog. Missbrauch der Vertretungsmacht muss sich der Geschäftspartner entgegenhalten lassen, wenn er entweder positiv weiß oder es sich ihm zumindest aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer die Grenzen missachtet, die seiner Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis gezogen sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 1988 – II ZR 211/87 -; BGH, Urteil vom 05.12.1983 – II ZR 56/82, MDR 1984, 646; Grüneberg/Ellenberger, 81. Aufl. 2022, § 164 Rn. 14).

Danach besteht einerseits keine allgemeine Überprüfungs- und Nachforschungspflicht für den Vertragsgegner (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2005 – XI ZR 135/04 -), aber er darf sich rechtlichen Bedenken, die sich ihm gegen die Wirksamkeit der Vollmacht ergeben, auch nicht verschließen (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2006 – XI ZR 29/05 -, BGHZ 167, 223, Rn. 29, mwN.). An einen versierten Fachmann sind insoweit strengere Sorgfaltsanforderungen zu stellen, als an einen juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittsbürger (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 – III ZR 146/83 -), wobei die Anforderungen aber auch nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 – III ZR 132/83 -).

Nach dem aufgezeigten Maßstab ist das Vertreterhandeln vorliegend weder unter dem Gesichtspunkt unwirksam, dass es an dem Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter der Klägerin fehlte (dazu aa.), noch deswegen, weil die Mehrheitsgesellschafterin mit dem Abschluss des Geschäftes in der Sache nicht einverstanden gewesen wäre (dazu bb.). Nichts anderes folgt aus einer anzustellenden Gesamtbetrachtung (dazu cc.).

aa) Im Ausgangspunkt bedurfte allerdings die am 16.6.2018 beurkundete Veräußerung des gesamten Immobilienvermögens der Klägerin (Anlage K4) entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten im Hinblick auf die Bedeutsamkeit des Geschäfts auch ohne dahingehende Satzungsbestimmung eines Gesellschafterbeschlusses, wie der BGH nach Vornahme der Beurkundung klarstellend entschieden hat (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18 -, BGHZ 220, 354, Rn. 36). Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass die Veräußerung des einzigen wesentlichen Vermögensgegenstandes der Klägerin allein wegen einer grundsätzlich geplanten Weiterveräußerung kein besonders bedeutsames Geschäft dargestellt hätte. Denn ein Geschäft wird noch nicht dadurch unbedeutend im Sinne der fraglichen Rechtsprechung, dass es notwendiger Bestandteil eines Immobilienprojektes ist, und sei die Gesellschaft auch nur zur Abwicklung dieses Projektes gegründet oder bereitgestellt worden. Allein im Hinblick hierauf ist der Verkauf in der Beschreibung des Unternehmenszwecks aufgenommen, während in der Sache außer Streit ist, dass die Klägerin einen Immobilienhandel – also den An- und Verkauf verschiedener Grundstücke – gerade nicht betrieben hat und auch nicht betreiben sollte, worauf in der Tat auch die nicht ohne einen gewissen Aufwand zu ändernde Firmierung hindeutet. Auf das Fehlen einer entsprechenden Satzungsbestimmung kann hier schon deswegen nicht abgestellt werden, weil die Mehrheitsgesellschafterin den Zeugen D. mit dem „Letter of guarantee“ (Anlage K3) ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Verwertung des Immobilienbestandes der Klägerin aus ihrer Sicht ein Grundlagengeschäft darstellte.

Die die gesetzliche Regel aus § 37 Abs. 2 GmbHG begrenzenden Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht greifen allerdings erst ein, wenn der Geschäftspartner weiß, dass der Geschäftsführer den im Innenverhältnis erforderlichen Beschluss nicht herbeigeführt hat, ohne dass es darauf ankommt, ob das jeweilige Geschäft für die Gesellschaft nachteilig war (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2006 – II ZR 337/05 -; BGH, Urteil vom 14. März 1988 – II ZR 211/87 -; MüKo-GmbHG/Stephan/ Tieves, 3. Aufl. 2019, § 37 Rn. 174; Hervorhebung nur hier). Eine Unwirksamkeit wegen Rechtsmissbrauchs folgt daher entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin noch nicht aus der – hier schon wegen der Erörterungen des Zeugen M. mit dem Zeugen D. und dem Rechtsanwalt und Notar H. anzunehmenden – Kenntnis des Vertragsgegners von dem schlichten Fehlen eines Beschlusses, sondern erst aus dessen Kenntnis von dem Verstoß des Geschäftsführers gegen den Zustimmungsvorbehalt oder dem Sichaufdrängen eines solchen Verstoßes gegen den Zustimmungsvorbehalt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18 -, BGHZ 220, 354, Rn. 39 und LS3; BGH, Beschluss vom 10. April 2006 – II ZR 337/05 -).

Danach muss der Nachweis geführt werden, dass dem Vertragsgegner die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses für den fraglichen Vertragsschluss entweder bewusst war oder sich diese zumindest hätte aufdrängen müssen. Einen solchen Nachweis hat die für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastete Klägerin jedoch auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Beanstandungen der Berufung nicht zu führen vermocht.

(1) Von einer positiven Kenntnis der Beklagten, dass der Zeuge D. nicht ohne Gesellschafterbeschluss verkaufen könne, kann nicht sicher ausgegangen werden (§ 286 ZPO). Die Beklagte mag zwar gewusst haben, dass die Klägerin ihren gesamten Immobilienbestand veräußerte, was nach der später erfolgten Klärung durch den BGH auch bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung einen Zustimmungsvorbehalt begründet. Zum Zeitpunkt der Beurkundung war diese Rechtsfrage jedoch ungeklärt und hoch streitig, ob etwa die nach Wortlaut und Standort nur für die Aktiengesellschaft geltende Vorschrift des § 179a AktG auf die Gesellschaften mit beschränkter Haftung entsprechend oder analog anzuwenden sei (vgl. Nachweise bei BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18 -, BGHZ 220, 354, Rn. 12). Dass der Beklagten der „Letter of guarantee“ (Anlage K3) bekannt gewesen wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagte gleichwohl aus dem Umstand der Veräußerung des Gesamtbestandes selbst die Schlussfolgerung gezogen hätte, dass der Zeuge D. nicht ohne Gesellschafterbeschluss verkaufen könne. Der Zeuge Ka. hat sich sinngemäß dahingehend eingelassen, er hätte die Wohnungen nicht gekauft, wenn der Zeuge D. sie nicht hätte veräußern dürfen (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 18 = Bd. II Blatt 18 d.A.). Der Zeuge A. hat ausgesagt, sie hätten das Objekt nicht gekauft, wenn sie gewusst hätten, dass die Gesellschafter auf der Verkäuferseite untereinander Probleme miteinander hatten (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 24 = Bd. II Blatt 24 d.A.). Die Zeugen mögen ein erhebliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben. Dies kann jedoch allenfalls zur fehlenden Belastbarkeit ihrer getätigten Bekundungen führen, nicht jedoch dazu, dass das Landgericht stattdessen von dem Beweis des Gegenteils hätte überzeugt sein müssen.

Die Zeugen Ka. und A. mögen sich schließlich als regelmäßige Käufer von Immobilienobjekten dargestellt haben (Protokoll vom 12.5.2021, Seiten 20, 24 = Bd. II Blatt 20, 24 d.A.). Aber auch daraus lässt sich nicht hinreichend zweifelsfrei (§ 286 ZPO) schließen, dass sie von der ungeklärten Rechtsfrage gewusst hätten und danach davon ausgegangen wären, dass der Zeuge D. von Rechts wegen nicht ohne Gesellschafterbeschluss verkaufen könne. Denn der Kauf von Immobilienobjekten kann nicht ausschließlich als Asset Deal und nicht ausschließlich von Gesellschaften mit beschränkter Haftung erfolgen. Uneinigkeiten zwischen den Gesellschaftern von Immobilienobjektgesellschaften sind zudem nicht die Regel, sondern die Ausnahme, was der Senat aus seiner eigenen Tätigkeit im Gesellschaftsrecht beurteilen kann. Schließlich ist für die Berücksichtigung rechtlicher Voraussetzungen der beauftragte Notar zuständig.

Soweit die Klägerin weniger als zwei Wochen vor dem Termin zur Berufungsverhandlung den bereits vernommenen Zeugen D. nunmehr dafür benennt, es sei „beiden Seiten klar [gewesen], dass […] eine Veräußerung von 100 % zwingend die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Berufungsklägerin voraussetzte“ (Schriftsatz vom 19.8.2022, Seite 2 = Bd. IV Blatt 53 d.A), ist der Zeuge auf dieser Grundlage nicht erneut zu vernehmen. Hier werden nur Schlussfolgerungen und keine Tatsachen in das Wissen des Zeugen gestellt.

(2) Ebenso wenig kann angenommen werden, der Beklagten hätte sich nach dem Gesamtbild der Geschehnisse die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass der Zeuge D. tatsächlich nicht ohne Gesellschafterbeschluss verkaufen könne. Die Annahme eines Aufdrängens setzt die Feststellung einer massive Verdachtsmomente voraussetzenden objektiven Evidenz des Missbrauchs voraus (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2017 – IX ZR 238/15 -; BGH, Urteil vom 25. Oktober 1994 – XI ZR 239/93 -, BGHZ 127, 239, 241; BGH, Urteil vom 1. Februar 2012 – VIII ZR 307/10 -; zur Kasuistik der Oberlandesgerichte vgl. MüKo-GmbHG/ Stephan/Tieves, 3. Aufl. 2019, § 37 Rn. 176 mwN.). Eine solche kann nicht festgestellt werden.

Insbesondere musste sich das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses der Beklagten nicht angesichts der Bedenken des Zeugen M. aufdrängen. Die Darstellung der Beklagten zur Schwere der entsprechenden Bedenken des Zeugen ist übertrieben. Der Zeuge M. selbst hat ausgesagt, die Frage des Gesellschafterbeschlusses sei von Seiten des D. angesprochen worden, nachdem dies wohl Rechtsanwalt und Notar H. diesem gegenüber zur Sprache gebracht hatte (Protokoll vom 15.6.2021, Seite 13 = Bd. II Bl. 103 d.A.). Er – der Zeuge – habe dann die Satzung eingesehen, wobei die Klägerin „nach den dort verwendeten Formulierungen (…) eine klassische Immobiliengesellschaft, also eine Immobilienhandelsgesellschaft“ sei, so dass die Problematik der analogen Anwendung von § 179a AktG nicht relevant gewesen sei (Protokoll vom 15.6.2021, Seite 14 = Bd. II Bl. 104 d.A.).

Die Beklagte musste die Erörterung dieser Frage durch den Zeugen auch nicht deswegen alarmierend finden, weil dieser zunächst den nachvollziehbaren Vorschlag machte, die Mehrheitsgesellschafterin zu erreichen und eine Zustimmung abzufragen. Aus dem Umstand, dass sich der Zeuge zur Sicherung der Belastbarkeit der vorgenommenen Beurkundung um eine Kontaktaufnahme zur Mehrheitsgesellschafterin bemühte, musste nicht der Schluss gezogen werden, dass eine solche Kontaktaufnahme unverzichtbar wäre. Vielmehr entspricht es dem Bild notarieller Beurkundungstätigkeit, die von den Urkundsbeteiligten gewollte Regelung auf einen so belastbaren Grund wie möglich zu stellen.

Schließlich kann nicht außer Betracht bleiben, dass im Ergebnis sowohl der Zeuge M. als auch der beratend tätige Rechtsanwalt und Notar H. übereinstimmend zu der Einschätzung kamen, dass das Fehlen des Gesellschafterbeschlusses unschädlich sei. Insbesondere machte der Notar M. – was denkbar gewesen wäre – den Vollzug des Vertrages nicht von einer nachträglichen Zustimmung der Mehrheitsgesellschafterin abhängig und gab damit auch ohne Beschluss „grünes Licht“ für das Geschäft. Diese Rechtsauffassung entbehrte auch nicht etwa erkennbar jedweder Grundlage. Vielmehr hatte die Klägerin in der Tat u.a. „Projektentwicklung“ sowie „Verkauf von Grundstücken“ als ihren Unternehmensgegenstand eintragen lassen. Damit war ein Verkauf jedenfalls vorgesehen, wenn auch nicht unbedingt regelmäßiger Immobilienhandel. Dass dem Zeugen erhebliche Beurteilungsgrundlagen fehlten und dass der BGH die Rechtslage später gegenteilig klären würde, musste die Beklagte zu dieser Zeit nicht wissen.

Gegen die Berücksichtigung dieser Äußerungen des Zeugen M. und des Rechtsanwalts und Notars H. wendet sich die Klägerin ohne Erfolg:

– Die Bedenken der Klägerin, bei einer Berücksichtigung der geäußerten Rechtsauffassung eines Notars sei es unmöglich, gegen ein in einer Notarurkunde abgeschlossenes Rechtsgeschäft mit dem Einwand des Missbrauchs der Vertretungsmacht vorzugehen, teilt der Senat nicht. Vorliegend geht es um eine im Beurkundungstermin ausdrücklich diskutierte Zweifelsfrage, zu welcher Abhilfebemühungen unternommen worden waren, und zu der letztlich eine übereinstimmende Auffassung vertreten worden ist, die später vom BGH so nicht geteilt wurde. Dies ist eine Besonderheit des Einzelfalls und damit eine tatsächliche Ausnahme, die in Beurkundungsverhandlungen keineswegs die Regel darstellen sollte.

– Die Klägerin kann auch nicht mit ihrer Auffassung Gehör finden, es sei unter Ausblendung der Umstände des konkreten Einzelfalls auf eine abstrakte Betrachtung zurückzugreifen, so dass die Äußerungen des Zeugen M. außer Betracht zu bleiben hätten. Denn die Begrenzung des Verkehrsschutzes durch die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht rechtfertigt sich allein aus der fehlenden Schutzbedürftigkeit des bösgläubigen Geschäftspartners (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18 -, BGHZ 220, 354, Rn. 40). Folgerichtig kommt es für die Frage des Aufdrängens auf die Sorgfaltsanforderungen an, die an den konkreten Vertragsgegner zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2006 – XI ZR 29/05 -, BGHZ 167, 223, Rn. 29). Für eine rein hypothetische Betrachtung spricht auch nicht, dass einem verständigen Vertragspartner klar sein müsse, dass der Geschäftsführer die GmbH nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter unternehmenslos stellen könne (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18 -, BGHZ 220, 354, Rn. 41). Mit dieser Typizität rechtfertigt der BGH seine Entscheidung, die gesellschaftsinterne Kontrolle der Geschäftsführung bei Gesamtvermögensgeschäften durch die Beteiligung der Gesellschafter auch ohne entsprechende Anwendung des § 179a AktG zu verwirklichen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18 -, BGHZ 220, 354-, Rn. 36 ff.). Um die Tatfrage des Aufdrängens geht es an dieser Stelle der Entscheidung ersichtlich nicht.

– Auf die angeblichen Äußerungen des Zeugen T. gegenüber dem Geschäftsführer D., die Beklagtenseite sei über die Befassung eines bekannten Anwalts mit entsprechender Seniorität, der bei aufkommenden Bedenken des beurkundenden Notars wegen der fehlenden Zustimmung der Gesellschafter bestätigen werde, dass keinerlei rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages bestünden, „im vollen Umfang […] informiert“ gewesen (Schriftsatz vom 19.8.2022, Seite 3 = Bd. IV Blatt 54 d.A), kann es bei alledem nicht ankommen. Der Senat kann eine solche Bekundung des Zeugen unterstellen, würde sich daraus nach den Gesamtumständen aber nicht hinreichend sicher (§ 286 ZPO) davon überzeugen können, dass die damit allenfalls zu beweisende Äußerung des Geschäftsführers T. der Minderheitsgesellschafterin über angebliche Kenntnisse der Beklagten den Tatsachen entspräche.

bb) Ein Missbrauch der Vertretungsmacht kann auch nicht deswegen angenommen werden, weil die Beklagte gewusst hätte oder es sich ihr hätte aufdrängen müssen, dass die Mehrheitsgesellschafterin mit dem Abschluss des Geschäftes in der Sache nicht einverstanden gewesen wäre. Es ist schon zweifelhaft, ob ein konkreter entgegenstehender Wille der Mehrheitsgesellschafterin zum Zeitpunkt der Beurkundung bestand (dazu (1).), jedenfalls könnte nicht von einer Kenntnis (dazu (2).) oder einem Aufdrängenmüssen ausgegangen werden (dazu (3).).

(1) Die Sache ist hinsichtlich der Willensbildung der Mehrheitsgesellschafterin nicht so eindeutig, wie die Berufung meint. Zwar mag das Tuch zwischen dem Zeugen D. und der Mehrheitsgesellschafterin zerschnitten gewesen sein. Der Zeuge D. hatte – wie dem Senat aus den vorhergehenden Streitigkeiten bekannt ist – die Mehrheitsgesellschafterin im Zusammenwirken mit der Minderheitsgesellschafterin durch eine Satzungsänderung im September 2017 faktisch der Kontrolle über die Klägerin beraubt, worauf die Mehrheitsgesellschafterin den Zeugen mit dem „Letter of guarantee“ auf die Wahrung ihrer Interessen zu verpflichten versucht hatte (Anlage K3), wogegen der Zeuge D. mit der Beurkundung am 16.6.2018 verstieß. Weiter hatte die Mehrheitsgesellschafterin am 15.5.2018 und 14.6.2018 unter Nutzung des Selbsthilferechts die Abberufung des Zeugen als Geschäftsführer herbeizuführen versucht. Ungeachtet dieses Szenarios stand betreffend die hiesige Immobilie ein besonderer Handlungsdruck im Raum, nachdem ein erheblicher Leerstand herrschte und die dort grundpfandrechtlich gesicherte D.-Bank erklärt hatte, sie werde ihren Kredit zur Rückzahlung fällig stellen, falls nicht bis zum 15.6.2018 ein Verkauf beurkundet worden sei (vgl. Anlage K6). Danach hätte die Mehrheitsgesellschafterin aus kaufmännischer Warte und im Sinne der Vermeidung einer Zwangsversteigerung ungeachtet aller persönlichen Streitigkeiten Anlass gehabt, ihre im Frühjahr 2018 angeblich pauschal geäußerte Ablehnung der Veräußerung zumindest betreffend das hiesige Grundstück zu überdenken. Eine konkrete Willensäußerung der Mehrheitsgesellschafterin nach Empfang des Schreibens vom 24.5.2018 ist nicht ersichtlich. Der von der Klägerin benannte Zeuge D. hat lediglich angegeben, er habe vor dem Notartermin nicht gefragt, ob die Mehrheitsgesellschafterin mit dem Kaufpreis einverstanden sei und er habe zu ihr bis Juli/Anfang August 2018 keinen Kontakt gehabt (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 13 = Bd. II Blatt 13 d.A.).

(2) Selbst einen nachgewiesen entgegenstehenden Willen ihrer Mehrheitsgesellschafterin könnte die Klägerin der Beklagten aber nach den tatsächlichen Gegebenheiten der vorliegenden Fallgestaltung nicht entgegenhalten. Denn um die Durchbrechung des Verkehrsschutzes aus § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG zu Lasten des Geschäftsgegners zu rechtfertigen, muss diesem ein missbräuchliches Verhalten als ein individueller Rechtsmissbrauch vorzuhalten sein (vgl. MüKo-BGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, § 164 Rn. 226).

Insoweit kann zwar nicht auf ein wirksames Geschäft vertrauen, wer mit dem Geschäftsführer einer GmbH zusammenwirkt, um ein Geschäft, das mit Rücksicht auf seine Größenordnung und Bedeutung der Gesellschafterversammlung unterbreitet werden müsste, dort aber keine mehrheitliche Zustimmung finden würde, hinter dem Rücken eines Gesellschafters durchzuführen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 56/82 -). Hierauf kann sich die Klägerin aber schon deswegen nicht stützen, weil die Beklagte angesichts der im vorherigen Abschnitt erörterten Umstände jedenfalls nicht annehmen musste, dass es vorliegend eines Gesellschafterbeschlusses über den Verkauf bedurfte. Wenn aber die Gesellschafter aus Sicht der Beklagten schon nicht über den Verkauf beschließen werden müssen, konnte es auf die eventuellen Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschafterversammlung nicht ankommen. Diese Einschätzung hatte auch der Zeuge D. in seiner Einlassung so dargestellt (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 5 = Bd. II Blatt 5 d.A.). Im Übrigen hätte die Beklagte aus §§ 6 Abs. 6, 7 Abs. 2 Satzung 2017 entnehmen können, dass die Mehrheitsgesellschafterin die Klägerin über den Verkauf des Grundstücks nicht ohne die Mitwirkung der Minderheitsgesellschafterin hätte beschließen können.

Unabhängig hiervon hat sich das Landgericht im Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen (LU13 ff.) nicht davon überzeugen können, dass die Beklagte von einem entgegenstehenden Willen der Mehrheitsgesellschafterin gewusst hätte. Das Landgericht hat eingehend Beweis erhoben, konnte aber aus dem Beweisergebnis keine den für § 286 ZPO in tatsächlich zweifelhaften Fällen genügenden, für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit gewinnen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, was auch unter Berücksichtigung der von der Berufung hervorgehobenen Punkte nicht zu beanstanden ist.

Die Beweisaufnahme war unergiebig. Tatsächlich hatte sich schon der von der Klägerin benannte Zeuge D. nur dahingehend geäußert, er habe seinerzeit nicht bei der Mehrheitsgesellschafterin nachgefragt und habe im Beurkundungstermin von keiner der Gesellschafterinnen ein schriftliches Einverständnis vorlegen können. Er habe aber beim Notar erklärt, dass es wahrscheinlich so sein würde, dass er die Mehrheitsgesellschafterin noch von dem Geschäft überzeugen könne, auch wenn dies schwierig sein würde (Protokoll vom 12.5.2021, Seiten 3-5 = Bd. II Blatt 3-5 der Akten). Auch auf Nachfrage hat sich dies nicht wesentlich erhärten lassen (Protokoll, Seite 13 = Bd. II Blatt 13 d.A.). Damit hat der Zeuge schon nicht bekundet, dass die Mehrheitsgesellschafterin sich überhaupt zu dem fraglichen Verkauf positioniert hätte. Nach den von ihm bekundeten Äußerungen im Notartermin musste die Gegenseite den Eindruck haben, dass die Mehrheitsgesellschafterin über den Verkauf nicht informiert sei und sich daher noch keinen Willen hätte bilden können. Dass der Zeuge die von ihm zur Illustration seiner Äußerungen im Notartermin mitgeteilten Tatsachen – etwa, dass die Mehrheitsgesellschafterin generell gegen alle Verkäufe eingestellt gewesen sei – so bereits im Notartermin oder sonst den Beklagten gegenüber geäußert hätte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Im Übrigen hatte der Zeuge zugleich darauf hingewiesen, dass die Mehrheitsgesellschafterin noch im Januar 2018 am Verkauf eines anderen Objektes mitgewirkt hatte (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 15 = Bd. II Blatt 15 der Akten).

Angesichts dieses Beweisergebnisses kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, dass die Zweifel des Landgerichts an der Wahrhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen D. berechtigt erscheinen. Denn der Zeuge Sh. hat seinerseits angegeben, es sei gar nicht gesagt worden, dass die Mehrheitsgesellschafterin gegen das Geschäft eingestellt sei (Protokoll vom 15.6.2021, Seite 26-27 = Bd. II Blatt 116-117 d.A.). Dies entspricht der Einlassung des Notars M. (Protokoll vom 15.6.2021, Seite 13 = Bd. II Blatt 103 d.A.). Auch in der Sache erscheint es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass der Zeuge D. vor dem Hintergrund der Zweifel des beurkundenden Notars an der Möglichkeit einer Beurkundung ohne Gesellschafterbeschluss das Risiko hätte eingehen sollen, im Beurkundungstermin zu äußern, dass es schwierig werden würde, eine Zustimmung der Mehrheitsgesellschafterin zu erlangen. Eine solche gegen die eigenen Interessen gerichtete Äußerung im Notartermin, welche diesen ebenso zum Scheitern hätte bringen können wie die anschließend für eine weitere Objektgesellschaft angesetzte Beurkundung, wäre mit dem Vorgehen im Übrigen kaum zu vereinbaren.

Der Zeuge D. ist auch nicht zu der nunmehr erstmals in sein Wissen gestellten Behauptung zu vernehmen, der Beklagten sei durch ihn mitgeteilt worden, „dass die Zustimmung der Gesellschafter […] mangels Zustimmung der [Mehrheitsgesellschafterin] auch nicht eingeholt werden könne“ (Schriftsatz vom 19.8.2022, Seite 2 = Bd. IV Blatt 53 d.A). Hiernach soll der Zeuge der Beklagten mitgeteilt haben, dass keine Zustimmung der Mehrheitsgesellschafterin vorlag, was diese ohnehin wusste. Eine Willensbildung betreffend das hier maßgebliche Geschäft und eine Mitteilung derselben an die Beklagte ergibt sich daraus gerade nicht.

Danach kommt es nicht darauf an, dass nach Auffassung der Berufung der Zeuge Ka. die Unwahrheit gesagt haben soll, als er bekundete, es sei nicht darüber gesprochen worden, dass ein Gesellschafter gegen das Geschäft sei (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 16 = Bd. II Blatt 16 d.A.). Selbst wenn dessen Bekundung nicht belastbar wäre, stünde damit nicht fest, dass das Gegenteil des Bekundeten wahr sei und doch über die Willensrichtung der Mehrheitsgesellschafterin gesprochen worden wäre. Der Zeuge ist auch nicht nochmals dazu zu befragen, ob er sich nicht doch namens der Beklagten dazu bereit erklärt habe, auf die Mehrheitsgesellschafterin einzuwirken (Berufungsbegründung, Seite 13 = Bd. III Blatt 120 d.A.), denn er hat diese Frage ausweislich des aufgenommenen Protokolls bereits beantwortet (Seite 21 = Bd. II Blatt 21 d.A.).

Steht danach nicht fest, dass der Beklagten ein etwa entgegenstehender Wille der Mehrheitsgesellschafterin offenbart worden wäre, sind daneben keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, aus denen sonst mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit auf die Kenntnis des Geschäftsführers der Beklagten als innere Tatsache (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2003 – VIII ZR 218/01 -) geschlossen werden könnte. Allein in diese Richtung deutete die Bekundung des Zeugen Sh., die Vertreter der Beklagten hätten auf den Hinweis auf den fehlenden Zustimmungsbeschluss neutral reagiert, so als ob sie es vorher gewusst hätten (Protokoll vom 15.6.2021, Seite 27 = Bd. II Blatt 117 d.A.). Der Zeuge gibt hier aber nur seine subjektive Einschätzung wieder, auf die keine belastbare Überzeugung gestützt werden kann. Zudem musste die (Vor-) Kenntnis von dem Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses nicht bedeuten, dass die Beklagte auch gewusst hätte, dass die Mehrheitsgesellschafterin gegen den Vertragsschluss eingestellt gewesen wäre.

(3) Ebenso wenig kann angenommen werden, der Beklagten hätte sich ein entgegenstehender Wille zumindest aufdrängen müssen. Denn schädlich ist – wie dargetan – nur die sich zumindest aufdrängende Kenntnis der Pflichtwidrigkeit im Sinne einer massive Verdachtsmomente voraussetzenden objektiven Evidenz des Missbrauchs. Die von der Berufungsbegründung hierfür angeführten Indizien (u.a. Gestaltung des Beurkundungsgeschehens, angebliches Heraushalten der Mehrheitsgesellschafterin, Verhältnis des vereinbarten Kaufpreises zur Kaufpreiserwartung der Klägerin wie zur Wertvorstellung der Beklagten, Gestaltung der Vorkaufsrechte) lassen jedoch nicht den belastbaren Schluss darauf zu, dass es sich der Beklagten hätte aufdrängen müssen, dass die Mehrheitsgesellschafterin gegen das Geschäft eingestellt sei, zumal der eingetragene Geschäftsführer D. auch Gesellschafter der Mehrheitsgesellschafterin war.

cc) Ein sich geradezu aufdrängender Missbrauch der Vertretungsmacht ergibt sich auch nicht aus der Gesamtbetrachtung der Anbahnung der Beurkundung und deren Durchführung.

So musste deren Durchführung an einem Sonnabend die Beklagte nicht zu dem Schluss veranlassen, der Zeuge D. missbrauche seine Vertretungsmacht. Vielmehr dürften Zeitdruck und kurzfristige Beurkundungstermine gerade bei begehrten Objekten eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Hinzu trat zumindest beim vorliegenden Objekt der durch die finanzierende Bank im Sinne eines zeitnahen Verkaufs ausgeübte Druck. Auch dass mehrere Objekte zugleich verkauft werden, muss nicht auf einen Vollmachtsmissbrauch hindeuten. Von einer Kenntnis der Beklagten von der Abberufung sowie vom „Letter of guarantee“ kann nicht ausgegangen werden. Dass die Minderheitsgesellschafterin im Beurkundungstermin vertreten war, die Mehrheitsgesellschafterin dagegen nicht, deutete ebenfalls nicht auf einen Missbrauch hin, zumal eine Begründung für die Verhinderung im Beurkundungstermin diskutiert wurde (Aufenthalt in den USA).

Auch angesichts der Entwicklung der aufgerufenen Kaufpreise musste sich für die Beklagte kein Missbrauch der Vertretungsmacht aufdrängen. Die angeführten Angebote betrafen zumeist Share Deals und waren daher nicht vergleichbar, zudem war die Beklagte daran nicht beteiligt. Der Zeuge Ka. hat seinerseits bekundet, dass die Klägerin zunächst EUR 15,2 Mio., vielleicht sogar EUR 16,0 Mio. als Kaufpreis erzielen wollte; das Haus sei aber sanierungsbedürftig gewesen (Protokoll vom 12.5.2021, Seite 21 = Bd. II Blatt 21 d.A.). Angesichts dessen musste eine solche Kaufpreisreduzierung für die Beklagte in kürzerer Zeit nicht ohne Weiteres auf einen Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Zeugen D. hindeuten, selbst wenn die für die Abdichtung der in der Tat eigentümlich gestalteten Fassade angeführten Sanierungskosten von EUR 3,5 Mio. tatsächlich aus der Luft gegriffen gewesen sein sollten, wie die Berufung ohne weitere Unterlegung behauptet (Berufungsbegründung, Seite 63 = Bd. III Bl. 170 d.A.).

Schließlich kann in die Gesamtabwägung nicht zum Nachteil der Beklagten eingestellt werden, dass diese von der Abberufung des D. gewusst hätte. Wie bereits oben zu lit. 1.b) aa) ausgeführt, hat die Klägerin weder eine solche Kenntnis der Beklagten zu beweisen vermocht noch Tatsachen, aufgrund derer sich ihr eine solche Abberufung hätte aufdrängen müssen.

c) Die Einigung der Parteien ist nach alledem nicht wegen eines sittenwidrigen Zusammenwirkens der Beklagten mit dem die Klägerin vertretenden Zeugen D. (sog. Kollusion) nach § 138 BGB nichtig.

Denn dieser gegenüber dem Missbrauch der Vertretungsmacht engere Tatbestand setzte voraus, dass der Vertreter im Zusammenwirken mit dem Vertragsgegner ein Geschäft zum Nachteil des Vertretenen abschließt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 – II ZR 371/12 -; BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 – VIII ZR 218/99 -). Die gleiche Folge muss gelten, wenn der Vertreter zum ungerechtfertigten Vorteil naher Angehöriger handelt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 – VI ZR 233/87 -). Danach wird eine GmbH nicht verpflichtet, wenn der Geschäftsführer und der andere Vertragsteil „hinter dem Rücken“ der GmbH und zu deren Schaden zusammenwirken (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2003 – VIII ZR 218/01, MDR 2004, 497 mwN.; Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 35 Rn. 13 mwN.; Oppenländer/Trölitzsch, GmbH-GF-HdB, 3. Auflage 2020, § 17 Rn. 23). Die Sittenwidrigkeit setzt die Kenntnis des Geschäftsgegners voraus, dass sich der Geschäftsführer treuwidrig gegenüber der Gesellschaft verhält (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 – VI ZR 233/87 -), was – wie alle tatbestandlichen Voraussetzungen des Kollusionstatbestandes – die GmbH darlegen und beweisen muss (vgl. OLG München, Urteil vom 26.04.1995 – 7 U 3167/91, OLGR 1995, 244 = GmbHR 1996, 207; BeckOK-GmbHG/Wisskirchen/Kuhn/Hesser, 01.08.2021, § 37 Rn. 56). Das Landgericht geht aber zutreffend davon aus, dass dies der Klägerin nicht gelungen ist (LU15 ff.)

Soweit die Klägerin auch in diesem Zusammenhang geltend macht, der entgegenstehende Wille der Mehrheitsgesellschafterin sei übergangen worden, kann auf die Ausführungen im vorhergehenden Abschnitt verwiesen werden.

Ein gemeinsames Handeln „hinter dem Rücken“ der GmbH und zu deren Schaden ergibt sich auch noch nicht aus dem Umstand, dass der vereinbarte Kaufpreis möglicherweise nicht dem Verkehrswert der Immobilie entsprach. Der von der Berufung vermissten sachverständigen Ermittlung des tatsächlichen Verkehrswertes des Grundstücks zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bedurfte es nicht. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte bewusst und in der Kenntnis, dass der Zeuge D. sich dabei treuwidrig gegenüber der Klägerin verhalte, einen zu niedrigen Kaufpreis vereinbart hätte. Provisionszahlungen in erheblicher Höhe sind bei Grundstücksgeschäften dieser Art und Größenordnung üblich, auch wenn eine Gegenleistung hierfür nicht immer klar erkennbar ist, wie dem Senat aus seiner Tätigkeit bekannt ist. Die Zahlung von Provisionen an Dritte durch die Beklagte stellte auch nicht ohne Weiteres einen treuwidrig verursachten Schaden der Klägerin dar. Die hypothetische Erwägung, die Beklagte hätte die auf die Provisionen versprochenen Beträge ansonsten an die Klägerin gezahlt, begründen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit jedenfalls nicht, zumal die Klägerin mit der Beklagten nicht zuvor einen höheren Kaufpreis vereinbart hatte. Die Darstellung der Klägerin, wonach die Beklagte selbst von einem Grundstückswert von EUR 17 Mio. ausgegangen sei, sind für den Senat nicht mehr nachvollziehbar. Auf die spätere Veräußerung der Geschäftsanteile an der Beklagten kann es nicht ankommen, zumal diese ohnehin mit den Risiken des vorliegenden Rechtsstreits belastet waren.

Soweit die Klägerin darüber hinaus im Detail anführt, in welcher Hinsicht das Geschäft für sie sonst noch rechtlich oder wirtschaftlich nachteilig gewesen sei, überdehnt sie damit den Begriff des hinter dem Rücken der GmbH zugefügten Nachteils. Um die Durchbrechung des Verkehrsschutzes zu Lasten des Geschäftsgegners zu rechtfertigen, muss dem Geschäftsgegner ein missbräuchliches Verhalten als individueller Rechtsmissbrauch vorzuhalten sein. Unterhalb dieser Schwelle hatte die Beklagte die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Klägerin nicht zu wahren, zumal nicht im vollkaufmännischen Rechtsverkehr.

Zu der angeblich nach Entstehen der Streitigkeit seitens der Beklagten angebotenen Nachzahlung von EUR 1 Mio. bedarf es keiner weiteren Ausführungen, weil sich die Frage der Sittenwidrigkeit nach den bei Vertragsschluss herrschenden Gegebenheiten richtet (vgl. nur die Nachweise bei Grüneberg/Ellenberger, 81. Aufl. 2022, § 138 Rn. 9).

d) Die nach alledem zustande gekommene Einigung der Parteien ist nicht wegen Nichtbeurkundung der Provisionsabrede formnichtig (§§ 125, 139, 311b BGB).

Allerdings ist die Nichtbeachtung von Formerfordernissen eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung (vgl. MüKo-BGB/Einsele, 9. Aufl. 2021, § 125 Rn. 43), so dass sich die Beklagte nicht damit verteidigen kann, dass die Klägerin die entsprechende Beanstandung erstmals mit der Berufungsbegründung erhoben hat. Die Beanstandung greift jedoch nicht durch, weil das vorliegende Grundstücksgeschäft notariell beurkundet worden ist. Aus dem Umstand, dass die angeblichen Vereinbarungen über Provisionen nicht beurkundet worden sein sollen, folgt nichts anderes. Denn es kann nicht angenommen werden, dass diese Provisionsvereinbarungen und der Grundstücksvertrag eine rechtliche Einheit gebildet hätten, so dass nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB auch die Provisionsvereinbarungen hätten beurkundet werden müssen. Selbst wenn sich der Senat unter Zuhilfenahme der angebotenen Beweismittel von der Existenz der Provisionsvereinbarungen überzeugen könnte, würde dies einen Formmangel des Grundstücksgeschäfts nur dann begründen können, wenn auch die Regelungen über die Provisionen Inhalt des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäfts hätten werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2021 – V ZR 139/19 -, BGHZ 228, 338, Rn. 8, mwN.). Dazu hätten sich alle vier Parteien (Klägerin, Beklagte, A. GmbH, J.) in diesem Sinne einig sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1953 – V ZR 173/52 -, zu einer Drei-Personen-Konstruktion), was nicht vorgetragen ist.

Demgegenüber begründete das äußere Erscheinungsbild – mehrere Verträge werden äußerlich getrennt und in verschiedenen Urkunden abgeschlossen – zunächst die Vermutung, dass sie nach dem Parteiwillen auch unabhängig voneinander gewollt sind und dies durch die Trennung zum Ausdruck gebracht werden sollte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2021 – V ZR 139/19 -, BGHZ 228, 338, Rn. 10; BGH, Urteil vom 7. Dezember 1989 – VII ZR 343/88 -; RG, Urteil vom 07. Dezember 1921 – V 141/21 -, RGZ 103, 295, 297; krit. Müller NJW 2021, 2477, 2478 Rn. 3 bei Verträgen mit unterschiedlichen Parteien). Diese Vermutung hätte die Klägerin vorliegend nicht entkräftet, welche die Auffassung vertritt, das Grundstücksgeschäft habe aus ihrer Sicht allein der Rechtfertigung von Provisionsverpflichtungen dienen sollen.

Zwar kann insoweit der Wille einer Vertragspartei ausreichen, wenn die andere Partei diesen anerkennt oder zumindest hinnimmt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1989 – VII ZR 343/88 -). Vorliegend wäre jedoch kein Anhaltspunkt dafür zu sehen, dass das beurkundete Grundstücksgeschäft mit den fraglichen Provisionsvereinbarungen hätte stehen und fallen sollen (§ 139 BGB). Hiergegen spricht schon die Gestaltung der Abläufe, weil die Provisionsvereinbarungen zeitlich nach dem beurkundeten Grundstückskaufvertrag verhandelt und abgeschlossen worden wären, von dem zu diesem Zeitpunkt keine Lösung mehr möglich war. In dem Grundstücksvertrag wird zudem weder auf die Bedeutung der Provisionsvereinbarungen hingewiesen, noch wird der Fortbestand des Grundstücksvertrages rechtlich an das Schicksal des anderen Vertrags geknüpft. Selbst letzteres reichte zudem nicht ohne Weiteres zur Annahme eines einheitlichen Geschäfts aus (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2021 – V ZR 139/19 -, BGHZ 228, 338, LS 1a).

e) Der Grundstückskaufvertrag ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Preisgestaltung ganz oder teilweise unwirksam (§ 138 BGB). Dies gilt weder hinsichtlich des Gesamtpreises (dazu aa.) noch wegen der Preisbildung bei den Gewerbeeinheiten und unvermieteten Wohnungen (dazu bb.) oder den vermieteten Eigentumswohnungen (dazu cc.).

aa) Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht angenommen, dass sich eine Sittenwidrigkeit der Preisgestaltung nicht im Hinblick auf eine unangemessene Bildung des Gesamtkaufpreises insgesamt feststellen lässt (LU14). Denn ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubt, liegt bei Grundstückskaufverträgen grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90 % vor (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2014 – V ZR 249/12 -), das hier auch nach der eigenen Darstellung der Klägerin nicht erkennbar ist. Unabhängig hiervon begründet die Vollkaufmann-Eigenschaft des Benachteiligten (hier nach § 6 Abs. 1 HGB iVm. § 13 Abs. 3 GmbHG) in aller Regel die widerlegliche Vermutung, dass der Begünstigte nicht in verwerflicher Weise eine persönliche oder geschäftliche Unterlegenheit des Benachteiligten ausgenutzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2003 – XI ZR 226/02 -). Der von der Berufung vermissten sachverständigen Wertermittlung bedarf es daher nicht.

bb) Ebenso wenig kann eine etwaige Teilnichtigkeit des Grundstückskaufvertrages über die Gewerbeeinheiten (Kaufgegenstände 1. bis 7. nach Ziffer I. der Notarurkunde = Anlage K4) und die mutmaßlich unvermieteten Wohnungen (Kaufgegenstände 8. bis 10., 14. bis 18., 21., 23., 28. bis 30. nach Ziffer I. der Notarurkunde) wegen einer sittenwidrig zu niedrigen Bepreisung angenommen werden (§ 138 BGB). Selbst wenn die Darstellung des Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung so schlüssig wäre und die Klägerin tatsächlich sämtliche zur Einholung eines Grundstückswertgutachtens erforderliche Anknüpfungstatsachen unterbreitet hätte, ergäbe sich das Fehlen einer verwerflichen Gesinnung der Beklagten aus dem eigenen Sachvortrag der Klägerin. Sie trägt nämlich vor, die niedrigen Teilkaufpreise der Gewerbeflächen und der unvermieteten Wohnungen resultierten aus dem insgesamt niedrigen Kaufpreis und dem Bemühen, bei den vermieteten Wohnungen einen höheren Preis ansetzen zu können, um die Ausübung des Mietervorkaufsrechts (§ 577 BGB) zu hintertreiben (vgl. etwa Berufungsbegründung, Seite 48 = Bd. III Blatt 155 d.A.). Damit ergibt sich aber schon aus der eigenen Darstellung der Klägerin, dass es der Beklagten gar nicht um eine Übervorteilung der Klägerin hinsichtlich der Bepreisung der unvermieteten Wohnungen und der Gewerbeflächen ging.

cc) Schließlich ist der Kaufvertrag weder insgesamt noch hinsichtlich der mutmaßlich vermieteten Wohnungen (Kaufgegenstände 11. bis 13., 19., 20., 22., 24. bis 27. nach Ziffer I. der Notarurkunde) unwirksam.

Die Teilkaufpreise weisen nach Darstellung der Klägerin noch kein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf, das ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubte. Die von der Klägerin angeführten Werte (Schriftsatz vom 14.6.2021, Seite 3 = Bd. II Blatt 88 d.A.) liegen vielmehr lediglich im Grenzbereich.

Allerdings kann der Aspekt des bewussten Zusammenwirkens zur Umgehung fremder Rechte, hier der Vorkaufsrechte etwaiger Mieter (§ 577 BGB), zusätzlich für eine verwerfliche Gesinnung sprechen. Dies betrifft solche das Vorkaufsrecht vereitelnde Verträge, die durch ihren Gesamtcharakter oder die Art und Weise ihres Zustandekommens das Gepräge der Sittenwidrigkeit erhalten, sei es, dass sie auf verwerflichen Beweggründen oder der Anwendung unlauterer Mittel beruhen oder ausschließlich zu dem Zweck abgeschlossen werden, dem Vorkaufsberechtigten Schaden zuzufügen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2005 – VIII ZR 271/04 -; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1963 – V ZR 41/62 -). So liegt es, wenn einzelne Vertragsbestimmungen lediglich zu dem Zweck vereinbart werden, einem Vorkaufsberechtigten die Rechtsausübung zu erschweren oder unmöglich zu machen (vgl. MüKo-BGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, § 138 Rn. 186, m. umfangr. Nw.). Dahin geht der Vortrag der Klägerin. Selbst wenn dem jedoch vorliegend zu folgen wäre, läge das unlautere Element der Vertragsgestaltung in der Zuordnung eines überhöhten Einzelpreises zu bestimmten Eigentumswohnungen. Eine solche Gestaltung begründet aber lediglich die Sittenwidrigkeit der entsprechenden Teilabrede über den Kaufpreis der betreffenden Wohnungen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2005 – VIII ZR 271/04 -).

Von einer Gesamtnichtigkeit – welche den ja zugunsten der betroffenen Mieter eintretenden Vorkaufsfall nicht eintreten ließe – könnte dagegen nicht ausgegangen werden, denn § 139 BGB ist abdingbar und greift nicht ein, wenn die Parteien eine andere Vereinbarung getroffen haben (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1994 – KZR 2/93 -; Jauernig/Mansel, 18. Aufl. 2021, BGB § 139 Rn. 13, mwN.). Der hier in IV. § 12 der Notarurkunde (Anlage K4, Seite 19) enthaltenen salvatorischen Klausel ist nun zu entnehmen, dass die Parteien bei Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt sehen wollten und entstehende Lücken durch die Vereinbarung einer wirtschaftlich möglichst nahekommenden Regelung schließen wollten. Damit ist geregelt, dass die Vertragspartei, welche den ganzen Vertrag verwerfen will, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass dies dem Parteiwillen entspreche (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2005 – VIII ZR 271/04 -; BGH, Urteil vom 24. September 2002 – KZR 10/01 -).

Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, dass mit den Einzelpreisvereinbarungen für die Kaufgegenstände 11. bis 13., 19., 20., 22., 24. bis 27. nach Ziffer I. der Notarurkunde (Anlage K4) der Kaufvertrag insgesamt hätte stehen und fallen sollen. Dagegen, dass die Parteien den Kaufvertrag über die Eigentumswohnungen ohne wirksame Zuordnung dieser Kaufpreisanteile nicht geschlossen hätten, spricht insbesondere, dass von der Unwirksamkeit der Zuordnungen nur ein Drittel der Kaufgegenstände betroffen ist und nach der vorgesehenen salvatorischen Klausel trotz des Wegfalls der Einzelpreisvereinbarung für die betroffenen Wohnungen der Gesamtpreis unverändert bleibt. Ebenso spricht dagegen, dass die Preisallokation nach der Einlassung der Beklagten der Herbeiführung der Finanzierung hatte dienen sollen.

f) Eine Unwirksamkeit ergibt sich in mehrfacher Hinsicht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Vereinbarung von Schmiergeldzahlungen.

Es liegt schon tatbestandlich keine Schmiergeldzahlung im Sinne der von der Klägerin herangezogenen Rechtsprechung vor. Der Vorwurf einer Schmiergeldzahlung besteht im Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils an Angestellte, Bevollmächtigte, Beauftragte oder sonstige Vertreter des Auftraggebers, deren Gegenstand und Ziel die zukünftige unlautere Bevorzugung eines anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 – I ZR 150/15 mwN.; BeckOGK-BGB/Jakl, 1.4.2022, § 138 Rn. 532 mwN.). Ein „Schmiergeld“ in diesem Sinne hätte allenfalls die Beklagte an die Provisionsempfänger geleistet, worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat, und was die Berufungsbegründung nicht zu entkräften vermag. Im Übrigen wäre angesichts der augenscheinlich bestehenden Beurkundungsvereinbarung (§ 154 Abs. 2 BGB) jedenfalls keine zukünftige Besserstellung vereinbart gewesen. Es ist aber entscheidend, dass Schmiergeld um einer in der Zukunft liegenden Bevorzugung gegenüber Mitbewerbern willen gewährt oder versprochen wird; eine bloße Belohnung im Nachhinein genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 – VI ZR 233/87 -; BGH, Urteil vom 27. März 1968 – I ZR 163/65 -; RG, Urteil vom 29. Januar 1934 – 2 D 1293/33 -, RGSt 68, 70, 76).

Selbst wenn die behaupteten Provisionsvereinbarungen dem entgegen als Schmiergeldvereinbarung in diesem Sinne zu qualifizieren wären, ergäbe sich kein Einfluss auf die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages. Vereinbarungen über die Zahlung eines Schmiergelds sind zwar gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit sowie zudem unter den Voraussetzungen des § 299 StGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 – I ZR 150/15 mwN.). Nachdem jedoch zwischen den Provisionsvereinbarungen und dem Grundstückskaufvertrag das Bestehen einer vertraglichen Einheit nach § 139 BGB nicht angenommen werden kann (vgl. oben zu lit. e.), kann die Wirksamkeit der denkbaren Provisionsvereinbarungen hier dahinstehen. Soweit Schadensersatzansprüche nicht nur gegenüber den unmittelbaren Zahlungsempfängern, sondern auch gegen den diese Zahlung tätigenden Geschäftspartner denkbar sein sollen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 – I ZR 150/15 -), stünde dem solchen Begehren schon entgegen, dass Zahlungen hier nicht geleistet worden sind. Ein entsprechendes Schadensersatzbegehren könnte den hier eingeklagten Grundbuchberichtigungsanspruch auch nicht begründen.

2. Der Klageanspruch ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung in der Form der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB). Die Beklagte hat die Buchpositionen, deren Bereinigung sie hier zustimmen soll, nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil der gesicherte Auflassungsanspruch zu ihren Gunsten besteht. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 1. verwiesen werden.

III.

Über die Zwischenfeststellungsklage der Beklagten kann der Senat dagegen nicht in der Sache entscheiden, denn die hierzu erforderliche Anschlussberufung der Beklagten ist nicht innerhalb der der Beklagten und Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung erhoben (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), was zu ihrer Verwerfung führt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1990 – V ZR 122/89 -; Zöller/Heßler, 33. Aufl. 2020, ZPO § 524 Rn. 42).

Die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage ist allerdings im Ausgangspunkt auch in der Berufungsinstanz grundsätzlich zulässig. Vorliegend wird sie jedoch durch die in erster Instanz erfolgreiche Beklagte als Widerklage eingeführt. Wenn aber der in erster Instanz erfolgreiche Berufungsbeklagte das erstinstanzliche Urteil nicht nur verteidigen, sondern die von ihm im ersten Rechtszug gestellten Anträge erweitern oder einen neuen, in erster Instanz nicht vorgebrachten Anspruch geltend machen will, muss er den Anschluss an die fremde Berufung (§ 524 ZPO) erklären (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2007 – V ZR 210/06 -; BGH, Urteil vom 13. Oktober 1954 – VI ZR 49/54 -; BGH, Urteil vom 24. November 1977 – VII ZR 160/76 -; OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Juni 2017 – 6 U 193/16 -). Dabei ist unschädlich, dass die Beklagte die Zwischenfeststellungswiderklage nicht ausdrücklich im Wege der Anschließung erhoben hat. Nachdem die Anschließung zur Erhebung einer Widerklage zulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1951 – GSZ 2/51 -, BGHZ 4, 229, Rn. 7), ist die Erhebung auch ohne ausdrückliche Erklärung als Anschließung auszulegen (vgl. Zöller/Heßler, 33. Aufl. 2020, ZPO § 524 Rn. 39). Im Ergebnis muss eine durch die berufungsbeklagte Partei in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO wahren.

Soweit vom Erfordernis der Anschlussberufung Ausnahmen anerkannt sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – IX ZR 84/07 -: einseitige Erledigungserklärung; BGH, Urteil vom 24. November 1977 – VII ZR 160/76 -: Klageänderung auf Zahlung an den Zessionar; s.a. Musielak/Voit/Ball, 19. Aufl. 2022, ZPO § 524 Rn. 8), sind diese nicht einschlägig und auch nicht übertragbar. Ebenso wenig veranlasst die besondere Struktur der Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) eine Ausnahme. Es mag zwar sein, dass eine Zwischenfeststellungsklage (lediglich) dazu führt, dass eine nach dem sonstigen Sach- und Streitstand ohnehin zu treffende Entscheidung über ein Rechtsverhältnis ausnahmsweise in Rechtskraft erwächst (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2013 – II ZR 74/12 -, BGHZ 197, 162, Rn. 28, mwN.; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 269/00 -), so dass weder ein neuer Sachverhalt zur Entscheidung gebracht wird, noch im strengeren Sinne ein neuer Klageantrag vorliegt. Andererseits führt die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage typischerweise dazu, dass eine zunächst auf einen beschränkten Streitumfang in Rechtskraft erwachsende Klärung auch auf weitere Streitfragen verbindliche Anwendung finden kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1969 – X ZR 22/67 -, BGHZ 53, 92, Rn. 47). Dem entsprechend liegt in der Antragstellung nach § 256 Abs. 2 ZPO – wenn denn die Zwischenfeststellungsklage überhaupt zulässig ist – nicht lediglich eine innerprozessuale Formalität, sondern ein echtes Klagebegehren.

Eine Befreiung vom Fristerfordernis des § 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO lässt sich auch nicht der Rechtsprechung des BGH entnehmen, die Erhebung einer Zwischenfeststellungswiderklage im Berufungsrechtszuge bedürfe nicht der Zulassung durch das Gericht (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1969 – X ZR 22/67 -, BGHZ 53, 92). Denn diese Rechtsprechung betrifft lediglich die Frage der Sachdienlichkeit der Klageänderung nach § 529 Abs. 4 ZPO a.F., der Vorgängervorschrift des § 533 ZPO. Dass hierbei über eine Zwischenfeststellungswiderklage zu befinden gewesen wäre, die unter Verletzung der Frist zur Anschlussberufung erhoben worden war, ist nichts ersichtlich. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Entscheidung des BGH vom 28.9.2006 (BGH, Urteil vom 28. September 2006 – VII ZR 247/05 -, BGHZ 169, 153). Auch in der Sache spricht im Ergebnis wenig dafür, die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage auch in der Berufungsinstanz und auch nach Ablauf der Anschlussberufungsfrist autonom, also allein anhand von §§ 525 Satz 1, 256 Abs. 2 ZPO zu beurteilen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. Februar 2022 – 1 U 173/20 -). Zwar ist früher vertreten worden, dass den Streitgegenstand verändernde Anschlussberufungen, also die, mit denen eine Klage geändert oder erweitert, die Aufrechnung erklärt oder eine Widerklage erhoben werden soll, nicht unter den Anwendungsbereich von § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO fielen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 5. Mai 2004 – 14 U 54/03 -; Gerken NJW 2002, 1095, 1096; Piekenbrock MDR 2002, 676, 676). Eine solche Betrachtung kommt indes zumindest für § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der hier anwendbaren, seit dem 1. September 2004 geltenden Fassung nicht mehr in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2007 – V ZR 210/06 -).

Über die damit anfallende, hilfsweise negative Feststellungswiderklage kann ebenfalls nicht in der Sache entschieden werden, weil auch sie nicht fristgerecht (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO) erhoben ist.

IV.

Der seitens der Klägerin beantragten Erklärungsfrist bedurfte es nicht. Ein Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz der Beklagten vom 9.8.2022 (bei Gericht eingegangen am 17.8.2022) kam schon deswegen nicht in Betracht, weil er die Frist des § 132 Abs. 1 ZPO wahrte. Zur Rechtewahrung betreffend die Ausführungen des Senats im durch vorherige Hinweise vorbereiteten Termin bedurfte die Klägerin ebenfalls nicht des Schriftsatznachlasses. Die Erörterung der Sach- und Rechtslage nach § 136 Abs. 3 ZPO stellt insbesondere keinen Hinweis nach § 139 ZPO dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die maßgebenden Rechtsfragen sind durch die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Obergerichte hinreichend geklärt. Ebenso ist die Frage der Wahrung der Anschlussberufungsfrist bei einer erst in der Berufungsinstanz durch die berufungsbeklagte Partei erhobenen Zwischenfeststellungsklage durch die angeführte obergerichtliche Rechtsprechung geklärt. Divergierende Rechtsprechung oder eine Diskussion im Schrifttum sind nicht ersichtlich. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf den besonderen tatsächlichen Umständen des vorliegenden Einzelfalls.

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