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Indizien und Anscheinsbeweis für gestellten Verkehrsunfall

LG Bonn – Az.: 1 O 180/13 – Urteil vom 24.02.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Indizien und Anscheinsbeweis für gestellten Verkehrsunfall
Streit um Schadensersatzansprüche aus einem möglicherweise gestellten Verkehrsunfall. (Symbolfoto: Von PattyPhoto/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 23.01.2013 gegen 22:50 Uhr in N auf der Bundesautobahn 61 in Fahrtrichtung Venlo am Autobahnkreuz N Abschnitt 31 zwischen dem klägerischen Pkw N2 $… mit dem amtlichen Kennzeichen $…$$… und dem bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversicherten Pkw der Beklagten zu 2., einem G … (Q2) mit dem amtlichen Kennzeichen $-$$ …, ereignet haben soll. Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen, eine Unfallanzeige nicht gefertigt, der Beklagte zu 1. mit 35,00 EUR verwarnt (Anlagen A1 und A2 zur Klageschrift).

Der Pkw N2 $… wurde von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. A begutachtet. Das Gutachten vom 28.01./30.01.2013 (Anlage A3 zur Klageschrift und Lichtbildanlage B1 zur Klageerwiderung der Beklagten zu 3.) weist eine Laufleistung von 146.577 km und einen reparierten Schaden auf der rechten Fahrzeugseite aus. Ferner heißt es dort auf Blatt 3: Das Fahrzeug ist nicht mehr fahrbereit, kann aber im Rahmen einer Notreparatur in einen fahrbereiten und verkehrssicheren Zustand versetzt werden.

Der Pkw G … wurde erstmals am 03.08.1995 zugelassen, er hatte eine Laufleistung von über 180.000 Kilometern und wurde zum 05.03.2012 bei der Beklagten zu 3. versichert. Die Beklagte zu 3. kündigte den Vertrag zwischenzeitlich wegen Nichtzahlung der Folgeprämie.

Wegen eines mit diesem Fahrzeug durch die Beklagte zu 2. nach dortigen Angaben am 06.12.2012 durch einen Fahrspurwechsel von ihr verursachten Verkehrsunfalles wurde die Beklagte zu 3. von dem dortigen Anspruchsteller auf Ersatz eines Fahrzeugschadens auf Gutachterbasis in Anspruch genommen (Anlagen B10 und B11 zur Klageerwiderung der Beklagten zu 3.). Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen, eine Unfallanzeige nicht gefertigt, die Beklagte zu 2. mit 35,00 EUR verwarnt (Anlage B9, ebenda). Ein weiteres – streitiges – Unfallereignis mit diesem Fahrzeug vom 30.03.2013 ist Gegenstand des Rechtsstreites … O …/13 vor dem Landgericht L.

Unter dem 01.03.2013 unterzeichneten die Beklagten zu 1. und zu 2. eine Schadensanzeige an die Beklagte zu 3., in der unter den Rubriken „Zeuge 1“ und „Zeuge 2“ Querstriche eingefügt waren (Bl. … – … d.A.).

Mit Anspruchsschreiben an die Beklagte zu 3. vom 23.04.2013 (Anlage B2 zur Klageerwiderung der Beklagten zu 3.) erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass der Kläger zunächst den Schaden in Eigenregie beheben möchte.

Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer des N2 $…. Mit diesem Fahrzeug habe der Zeuge H3 am Unfallabend ordnungsgemäß die Abfahrtspur der Bundesautobahn 61 zur Bundesautobahn 565 in Richtung B befahren. Als der Zeuge seine Fahrt ordnungsgemäß verlangsamt habe, sei der von dem Beklagten zu 1. geführte Pkw G von der Bundesautobahn 565 aus kommend unvorhergesehen und übereilt in die Fahrspur des Zeugen H3 eingefahren ohne auf den Vorfahrtsverkehr acht zu geben. Der G sei mit dem N2 im rechten Frontbereich kollidiert. Der Zeuge H3 habe reflexartig versucht zwecks Schadensvermeidung mit dem N2 nach links auszuweichen und sei dabei mit der linken Fahrzeugseite mit der dortigen Leitplanke kollidiert. Hierbei habe es sich um einen automatischen, unvermeidbaren Reflex gehandelt. Die Unfallstelle sei mit der markierten Stelle auf den Lichtbildern Anlage A8 (Bl. … – … d.A.), der Unfallablauf mit der Skizze Anlage A9 (Bl…. d.A.) zutreffend dargestellt. Der Vorschaden an dem N2 sei vollumfänglich und ordnungsgemäß zum 16.02.2010 repariert worden (Anlage A14 = Bl. … – … d.A.).

Der Kläger behauptet ferner, durch diesen Unfall seien die in dem Gutachten des Sachverständigen A vom 28.01./30.01.2013 dokumentierten Schäden entstanden. Die dort mit netto 10.203,86 EUR bezifferten Kosten und Maßnahmen seien zur Schadensbeseitigung erforderlich.

Diese Reparaturkosten sowie Sachverständigenkosten in Höhe von 238,00 EUR und eine Auslagenpauschale von 25,00 EUR macht der Kläger mit dem Klageantrag zu 1. geltend.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 10.446,86 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % per anno über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24.04.2013 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 837,52 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % per anno über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit der Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 2. und zu 3. treten dem Klägervortrag insgesamt mit Sach- und Rechtsausführungen entgegen. Die Beklagte zu 3. behauptet zudem, dass der behauptete Schadensvorfall als Unfallgeschehen manipuliert beziehungsweise fingiert worden sei.

Der Beklagte zu 1. behauptet, der Zeuge C2 sei am Unfallabend Beifahrer in dem Pkw G gewesen. Er – der Beklagte zu 1. – sei von der BAB 565 kommend bei N auf die A 61 Fahrtrichtung Venlo aufgefahren. Dabei sei er auf die linke Fahrspur aufgefahren und mit dem von ihm übersehenen klägerischen Fahrzeug kollidiert. Das klägerische Fahrzeug sei daraufhin in die Leitplanke gefahren. Das eigene Fahrzeug sei, wie in der polizeilichen Unfallmitteilung (Anlage A2) skizziert, vorne links beschädigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen nebst Lichtbildern Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung, informatorische Anhörung der Beklagten zu 1. und 2. sowie durch Einholung von Sachverständigengutachten. Wegen des Inhaltes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2014 (Bl. … – …R d.A.) nebst Skizze (Bl. … d.A.) sowie auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. Q vom 31.08.2015 und des Sachverständigen Dr.-Ing. T vom 09.11.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 10.446,86 EUR sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 EUR aus den §§ 7 Abs.1, 18 Abs.1 StVG sowie den §§ 823 Abs.1, 249ff. BGB jeweils in Verbindung mit § 115 Abs.1 Satz 1 Ziffer 1. und Satz 4 VVG. Es besteht schon – ungeachtet der streitigen Frage der Aktivlegitimation des Klägers – dem Grunde nach keine Zahlungspflicht der Beklagten, da es sich bei dem streitgegenständlichen Ereignis vom 23.01.2013 um einen sogenannten manipulierten beziehungsweise gestellten Verkehrsunfall handelt (vgl. zum Begriff nur Born NZV 1996, 257, 258f.).

Die Beklagte zu 3. hat den von ihr zu führenden Nachweis erbracht, dass die behauptete Rechtsgutsverletzung in Form einer Eigentumsbeschädigung des PKW N2 $… am 23.01.2013 mit Einwilligung des Klägers beziehungsweise des Zeugen H3 (vgl. dazu Kaufmann in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, 25. Kapitel Rd.11 m.w.N.) und des Beklagten zu 1. erfolgt und der Verkehrsunfall gestellt, mithin nur vorgetäuscht gewesen ist. Für das Vorliegen eines sogenannten gestellten Unfalls spricht hier der Beweis des ersten Anscheins (vgl. auch zu den nachfolgenden Ausführungen: OLG Celle, Urteil vom 08.10.2015 – 5 U 175/14 = NZV 2016, 275f.; OLG Naumburg, Urteil vom 03.04.2014 – 4 U 59/13 = NJW-RR 2015, 22, 23; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 – 19 U 78/13 = BeckRS 2014, 09399 = FD-StrVR 2014, 358340; OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.01.1988 – 1 U 23/87 = VersR 1988, 970, 971; Kaufmann in Geigel, aaO., 25. Kapitel Rd.10 – 13; Born NZV 1996, 257, 260ff.; Lemcke r+s 1993, 121, 123ff. jeweils m.w.N.). Dies folgt aus einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise, die im vorliegenden Fall auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten. Diese Gesamtwürdigung der unstreitigen Tatsachen sowie das Ergebnis der Beweisaufnahme begründet eine Indizienkette, die mit einer ganz erheblichen Wahrscheinlichkeit auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Verkehrsunfalles schließen lässt. Alle nachfolgend im Einzelnen aufgeführten Indizien tragen in lebensnaher Zusammenschau und praktisch vernünftiger Gewichtung den Schluss auf ein kollusives Zusammenwirken der Unfallbeteiligten. Dieses kollusive Zusammenwirken schließt die Rechtswidrigkeit der angeblichen Rechtsgutsverletzung und damit schon begrifflich das Vorliegen eines Unfalles als zufälliges und unfreiwilliges Schadensereignis aus.

1. Schon der örtliche, räumliche und zeitliche Verlauf des äußeren Geschehensablaufes des behaupteten Unfallereignisses konnte anhand der Angaben des Zeugen H3, des Zeugen C3, des Zeugen C und des Beklagten zu 1. kaum überprüfbar, sondern nur in groben Zügen rekonstruiert werden. Sämtliche Schilderungen weisen ganz erhebliche Unplausibilitäten und Lücken auf, die durch die eingeholten Rekonstruktionsgutachten nicht nur vertieft, sondern teilweise sogar widerlegt wurden.

a) Die Aussage des Zeugen H3, er habe das Beklagtenfahrzeug gar nicht gesehen, sondern nur den Zusammenprall gehört (S.7 des Sitzungsprotokolls), ist in Anbetracht der durch die beiden Sachverständigengutachten belegten guten Sichtverhältnisse nicht glaubhaft. Denn die dort lichtbildlich gut dokumentierten Örtlichkeiten zeigen, dass der Zeuge, selbst wenn er lediglich nach vorne geblickt haben sollte, das Beklagtenfahrzeug mindestens die letzten circa 60 Meter der Annäherung an sein Fahrzeug hätte erkennen können (S.13 des Gutachtens T), beziehungsweise dieses mindestens 7 Sekunden vor der Kollision hätte sehen müssen (S.20 des Gutachtens Q). Diese Würdigung gilt erst Recht, wenn man die zum behaupteten Unfallzeitpunkt vorherrschende Dunkelheit sowie den Lichtkegel der Scheinwerfer mitberücksichtigt und den Zeugen an seiner Behauptung, sehr aufmerksam gefahren zu sein (S.11 des Sitzungsprotokolls), festhält.

Die Angaben des Zeugen auf konkrete Nachfragen zu seinem Brems- und Ausweichverhalten blieben ausgesprochen vage (S.8f. des Sitzungsprotokolls). Gleiches gilt für die genaue Lage der Kollisionsstelle (S.10f., ebenda).

Da aber anhand dieser Angaben die genaue Lage der Kollisionsstelle nicht verortet werden konnte, fällt die Frage der Kompatibilität der behaupteten Schäden an dem Pkw N2 mit dem behaupteten Schadensereignis hier besonders ins Gewicht. Denn der Sachverständige Q hat hierzu festgestellt, dass das Schadensbild an der linken Fahrzeugseite infolge seiner Unterbrechungen auf mindestens zwei Schadensereignisse schließen lasse (S.17f. des Gurtachtens), was mit der Schilderung des Zeugen so technisch nicht in Einklang zu bringen ist (S 21f., ebenda). Wenngleich der Sachverständige T diese Feststellungen unter sorgfältiger Auswertung von Versuchsergebnissen und differenzierend nach der geometrischen, energetischen und räumlichen Kompatibilität etwas relativiert hat (S.34ff. des Gutachtens), so sprechen folgende Umstände aus technischer Sicht gegen die Richtigkeit der Schilderung des Zeugen H3:

  • Es ist nicht nachvollziehbar wie bei einer Streifkollision mit dem G Q2 das rechte Federbein des N2 erneuerungswürdig hätte beschädigt werden können (S.37, ebenda).
  • Der Zeuge H4 hätte um den G nicht zu sehen, während der gesamten Annäherung seinen Blick nach links oder nach hinten gewendet haben müssen, was in Anbetracht des bevorstehenden Fahrstreifenwechsels nach rechts nicht nachzuvollziehen ist (S.40, ebenda).
  • Die in der zeitlichen Kompatibilität festzustellende kurze Kontaktdauer beider Fahrzeuge war nur zu realisierend, wenn sich einer der beider Fahrer bereits vor dem Kontakt entschieden hatte, von dem anderen Pkw wegzulenken (S.41, ebenda). Wenn aber nach der Aussage des Zeugen H3 erst das Beklagtenfahrzeug in ihn hineingerammt wäre (S.7 und S.10 des Sitzungsprotokolls), dann hätte der Beklagte zu 1. den G – entsprechend seinem Entschluss – wieder weggelenkt gehabt, als der Zeuge H3 den N2 in die Leitplanke lenkte. Der hierfür benannte Grund des Zeugen H, er habe wegen seines russischen Kennzeichens einen Angriff gegen sich vermutet (S.7 des Sitzungsprotokolls), erscheint vor diesem Hintergrund konstruiert und unglaubhaft.

b) Die Aussage des Zeugen C3 war inhaltlich unergiebig, da er erst nach dem Unfall und auch nicht mehr an der Unfallstelle mit dem Zeugen H3 zusammengetroffen sein will.

Die Aussage des Zeugen C2 war zunächst unergiebig, nachdem der Zeuge eine ausgesprochen ungenaue Darstellung des Unfallablaufes vorgenommen hat (S.15f. des Sitzungsprotokolls). Soweit der Zeuge seine Angaben sodann auf mehrfach erforderliche konkrete Nachfragen etwas präzisiert hat, waren diese Schilderungen nicht glaubhaft. Denn der Zeuge war erkennbar bemüht, den Unfallverlauf bewertend zu verallgemeinern („irgendwie zusammengestoßen“, „der N2 hat die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren“, „Herr H2 hat den Fehler begangen“, „in die Leitplanke gerutscht“, „an der Leitplanke entlang gerutscht“), um präzise Schilderungen konkreter Einzelheiten zu vermeiden.

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Hinzu kommen die eingangs unter 1.a) aufgeführten technischen Einwände gegen die Plausibilität der behaupteten Nichtwahrnehmung der Fahrzeuge. Denn die Aussage, dass man den N2 erst bei der Kollision wahrgenommen habe, ist in Anbetracht der durch die beiden Sachverständigengutachten belegten guten Sichtverhältnisse nicht glaubhaft. Auch im Hinblick auf die Sichtbarkeit des N2 durch die Insassen des Beklagtenfahrzeuges ergeben sich nämlich aus den lichtbildlich gut dokumentierten Örtlichkeiten durch die Gutachter (S.12 und S.19f des Gutachtens Q; S.12 – 14 und S.40 des Gutachtens T), dass die Insassen des G den N2 circa 5 Sekunden vor dem frühestmöglichen Kollisionszeitpunkt hätten wahrnehmen müssen. Andernfalls hätte der Fahrer des G während der gesamten Annäherung den Blick nach rechts wenden müssen, was in Anbetracht der Vorbereitung auf einen behaupteten Fahrspurwechsel nach links von dem Sachverständigen T zu Recht als nicht nachvollziehbar gewürdigt worden ist (S.14 und S.40 des Gutachtens).

Dieses Aussageverhalten des Zeugen C2 insgesamt begründet erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit seiner Schilderungen. Das gilt erst Recht in Anbetracht der Tatsache, dass dieser Zeuge erstmals mit Schriftsatz des Beklagten zu 1. vom 10.06.2014, kurz vor der ursprünglich auf den 13.06.2014 anberaumten mündlichen Verhandlung und mit einer offensichtlich korrigierten Fassung der Seite 3 dieses Schriftsatzes (vgl. Bl. … – … d.A.), eingereicht worden ist. Die Benennung dieses Zeugen steht indes in Widerspruch zu den Erklärungen in der im Tatbestand zitierten Schadensanzeige vom 01.03.2013, obwohl es sich bei dem Zeugen um einen ihm bekannten ehemaligen Mitarbeiter des Vaters des Beklagten zu 1. handeln soll. Die Erklärung des Beklagten zu 1., er habe nicht gewusst, dass ein Beifahrer auch Zeuge sein könne (Bl. … d.A.), erscheint in Anbetracht des Wortlautes des Fragebogens und der auf der Hand liegenden Notwendigkeit der Sachverhaltsaufklärung für den Versicherer wenig lebensnah.

Hieran anschließend unterliegt die Schilderung des Beklagten zu 1. den gleichen Einwänden. Hinzu kommt, dass die von dem Beklagten zu 1. beschriebene Beschädigung des linken Außenspiegels an dem G (S.2 und S.4 des Sitzungsprotokolls) nach den sorgfältigen Feststellungen des Sachverständigen T (S.36f. des Gutachtens) geometrisch mit dem Schadensbild an dem N2 nicht kompatibel ist. Denn der Abriss des linken Spiegels durch den rechten Außenspiegel des N2 ist technisch in Anbetracht keines einzigen Kratzers an dem Spiegel des N2 nicht nachvollziehbar.

Die ausgesprochen zurückhaltend und undeutlich gefertigte Skizze des Beklagten zu 1. (Bl. … d.A. sowie S.4 des Sitzungsprotokolls), gleiches gilt im Übrigen auch für die Skizze des Klägers (Anlage A9), unterstreicht diese Würdigung.

2. Die eingangs unter Ziffer 1. dargestellten Indizien werden im Hinblick auf die Ursache für das Zusammentreffen der Fahrzeuge an der behaupteten Unfallstelle noch vertieft. Denn weder der Zeuge H3, noch der Zeuge C3, noch der Zeuge C, noch der Beklagte zu 1. habe eine nachvollziehbare lebensnahe Erklärung für die von ihnen gewählte Fahrstrecke angegeben (vgl. OLG Celle, aaO., NZV 2016, 276).

Warum der in T2 wohnhafte Kläger dem in C4 / Polen wohnhaften Zeugen H3 das Fahrzeug überhaupt überlassen hat, erschließt sich aus der Aussage des Zeugen nicht. Der allgemeine Hinweis auf eine gute Freundschaft und Urlaubsfahrten mit verschiedenen Kollegen in verschiedene Länder (S.6 des Sitzungsprotokolls) ist in dieser Allgemeinheit und in Anbetracht des Fahrzeugwertes nicht glaubhaft. Auch die Begründung seiner Fahrtroute durch den Zeugen H3 damit, dass er sein Kind bei dem Zeugen C3 gelassen habe und zu dem Kind wollte, nachdem er sich zuvor mit seinen Kollegen an einer Tankstelle getroffen habe (S.7 des Sitzungsprotokolls), erscheint in Anbetracht des Umstandes, dass der Zeuge den Wohnort des Zeugen C3 von dieser Tankstelle aus nur über ein Navigationsgerät gefunden hätte, erklärungsbedürftig. Denn mit einer bei lebensnaher Betrachtungsweise bestehenden Sorge um das Wohl des eigenen Kindes, ist dieses Verhalten wenig zu vereinbaren. Die Umsetzung einer zuvor geplanten Unfallmanipulation wäre indes mit dieser Verfahrensweise erklärbar. Gleiches gilt für den Grund des Treffens mit nicht näher identifizierten dritten Personen an einer Tankstelle.

Die Aussage des Zeugen C3 hat diese Fragestellung gleichsam nicht geklärt. Schon der Ort des Zusammentreffens dieses Zeugen mit dem Zeugen H3 war ihm nicht mehr präsent (S.13 des Sitzungsprotokolls). Zum Anlass der Fahrt des Zeugen H3 konnte der Zeuge auch nur bekunden, dieser habe sich damals mit Freunden treffen wollen; diese seien schon weggefahren, weil der Zeuge H3 noch mit seinem Sohn bei ihm geblieben sei (S.15 des Sitzungsprotokolls). Warum dann das von dem Zeugen H3 behauptete Treffen an einer Tankstelle initiiert wurde, bleibt offen.

Für die Fahrtroute des Beklagten zu 1. gelten diese Erwägungen erst Recht. Denn die von ihm begründete Spazierfahrt in Richtung C5 (S.2 des Sitzungsprotokolls), erscheint in Anbetracht der gewählten Uhrzeit und der landschaftlich und fahrsportlich eher uninteressanten Streckenführung in dieser Allgemeinheit kaum glaubhaft. Auch die auf Nachfrage dazu erfolgten Präzisierungen (S.5 des Sitzungsprotokolls) muten erdacht an. So will man eine Stunde lang ein bisschen herumgefahren sein, sich zugleich ein bisschen verfahren haben. Ein nachvollziehbarer Beweggrund hierfür fehlt, zumal sich der Beklagte zu 1. den G von der Beklagten zu 2. für einen derart unmotivierten Ausflug geliehen haben will (S.3 des Sitzungsprotokolls). Die Behauptung, dass man nur auf der Autobahn gefahren sein, gleichzeitig auf dieser Fahrt aber mal angehalten und eine Zigarette geraucht haben will, ist in Anbetracht der Regelungen der StVO gleichsam unplausibel.

Die Aussage des Zeugen C bestätigt diese Vorbehalte gegen die Richtigkeit des Vortrages des Beklagten zu 1. Denn die sehr allgemeine Schilderung, man sei spazieren gefahren, wenn man sich richtig erinnere von Q3 aus (S.17f. des Sitzungsprotokolls), offenbart mit dem Nachsatz des Zeugen „Wir sind einfach so nur rumgefahren. Ist das verboten ?“ ein gezielt unpräzise geformtes Aussageverhalten. Die aus der formulierten Frage erkennbare Verteidigungshaltung des Zeugen zeigt, dass er sich der Unzulänglichkeit seiner Angaben auch selbst bewusst gewesen ist.

3. Dass die Art der hier behaupteten Kollision in Form eines nur kurzen Fahrzeugkontaktes (oben unter 1.a)) mit einem anschließend fahrtechnisch unerklärlichen Lenkmanöver in Richtung linke Leitplanke, wodurch auch bei relativ geringer Geschwindigkeit erhebliche Streifschäden verursacht werden können, ein weiteres Indiz für eine Unfallmanipulation beinhaltet (vgl. nur Kaufmann in Geigel, aaO., 25. Kapitel Rd.13 m.w.N. und Beispielen), bedarf keiner Vertiefung.

4. Auch der Zustand, die Art und die behaupteten Nutzungsverhältnisse der unfallbeteiligten Fahrzeuge begründen ein weiteres deutliches Indiz für einen gestellten Verkehrsunfall.

Bei dem Klägerfahrzeug handelt es sich um ein ausgesprochen hochwertiges und unstreitig mit umfangreicher Serien- und Sonderausstattung versehenes Fahrzeug (vgl. S.9 der Klageerwiderung der Beklagten zu 3. = Bl. … d.A.), das im Unfallzeitpunkt fast 7 Jahr alt war und bereits einer höhere Laufleistung aufwies. Die für derartige Fahrzeuge anfallenden Kosten einer sach- und fachgerechten Reparatur erreichen regelmäßig überdurchschnittliche Werte und bilden deshalb, insbesondere bei fiktiver Abrechnung auf Gutachterbasis, einen Anreiz für Unfallmanipulationen (vgl. OLG Naumburg, aaO., NJW-RR 2015, 23 Rd.23).

Das angebliche Schädigerfahrzeug der Beklagten zu 2. war demgegenüber im Unfallzeitpunkt über 17 Jahre alt, mit nur geringem Wert und einer für diesen Fahrzeugtyp ganz erheblichen Laufleistung. Es steht und stand auch offensichtlich für eine Begutachtung nicht mehr zur Verfügung, nachdem mit diesem Fahrzeug zeitnah zu dem streitgegenständlichen Vorfall zwei weitere Unfallschäden zur Regulierung angemeldet worden waren, davon der vom 06.12.2012 mit einem dem streitgegenständlichen Fall auffallend ähnelndem Ablauf. Auch diese Tatsachen begründen in dem hier aufgezeigten Gesamtzusammenhang ein gewichtiges Indiz für eine Unfallmanipulation (vgl. nur OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 – 19 U 78/13, aaO.).

5. Die eingangs bereits aufgezeigten Indizien werden schließlich verstärkt durch folgende Umstände:

  • die engen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu 2., wie diese auch in ihrer Klageerwiderung dargestellt werden (Bl. … d.A.),
  • die ausweislich seines Prozesskostenhilfeantrag ebenfalls unzureichenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten zu 1. als damaliger Lebensgefährte der Beklagten zu 2. und Vater ihres Kindes (S.3 des Sitzungsprotokolls),
  • fehlende unbeteiligte Zeugen,
  • eine behauptete Kollision bei Dunkelheit am späteren Abend.

Die nach alledem auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unbegründete Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 91 Abs.1 ZPO abzuweisen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 10.446,86 EUR.

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