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EU-Neuwagen als Mangel

OLG Düsseldorf

Az: I-1 U 55/06

Urteil vom 11.12.2006


Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Januar 2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg abgeändert; der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.937,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.087,75 EUR seit dem 1. Dezember 2004 sowie aus weiteren 850,00 EUR seit dem 5. Juli 2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

I.

Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Es durfte nicht zum Nachteil der Klägerin entscheiden, ohne den Zeugen K. gehört zu haben. Der Senat hat dies nachgeholt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte die Abnahme des von ihm gekauften BMW 525 d zu Unrecht verweigert hat. Infolgedessen ist er der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser beträgt 15 % des Kaufpreises. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, ein Recht zur Abnahmeverweigerung gehabt zu haben. Die Klägerin hat vertragsgerecht geliefert. Sämtliche Mängelrügen des Beklagten gehen fehl.

a) Unter drei Gesichtspunkten stellt der Beklagte die Mängelfreiheit in Abrede. Zum einen macht er geltend, die vertraglich vereinbarte Neuwagenqualität habe deshalb gefehlt, weil der Wagen bei Auslieferung eine „offizielle dänische Zulassung“ gehabt habe. Eine Erstzulassung im EU-Ausland auf einen Dritten beseitige die vertraglich vereinbarte Eigenschaft der Fabrikneuheit. Außerdem beruft der Beklagte sich auf die im Zeitpunkt der Anlieferung des Fahrzeugs vorhandene Laufleistung von 307 km. Am meisten habe ihn jedoch gestört, so der Beklagte persönlich im letzten Senatstermin, dass am Heck des Fahrzeugs ein Aufkleber mit den Buchstaben „DK“ angebracht gewesen sei. Das sei für ihn das Nationalitätskennzeichen für Dänemark gewesen.

b) Keine dieser drei Beanstandungen ist berechtigt. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Nachweis geführt, dass der als „EU-Neuwagen“ verkaufte 5er BMW bei Anlieferung in O. in einem vertragsgemäßen Zustand gewesen ist. Davon hat der Senat sich anhand der vorgelegten Urkunden und der Angaben des Zeugen K. überzeugt.

aa) Was den Einwand „dänische Zulassung“ angeht, so konnte spätestens durch die Beweisaufnahme geklärt werden, dass der Sachvortrag der Klägerin zutreffend ist, während der Beklagte in durchaus vermeidbarer Weise von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Von einer Auslandszulassung zum öffentlichen Verkehr auf einen Dritten, sei es ein Endverbraucher, sei es ein Händler, kann nicht die Rede sein. Der vorliegende Fall ist auch nicht vergleichbar mit einer Kurzzulassung in Form einer sogenannten Tageszulassung. Näher liegt der Vergleich mit dem in Deutschland eingeführten Roten Kennzeichen für Prüfungs-, Probe- und Überführungsfahrten (§ 28 StVZO) oder mit dem Ausfuhrkennzeichen, wie es in EU-Staaten Verwendung findet.

Grundlage des hier strittigen Kennzeichens, von dem der Senat sich anhand des Lichtbildes Bl. 29 d.A. einen Eindruck verschafft hat, ist die amtliche Registrierung des Fahrzeugs in Dänemark. So gesehen handelt es sich um ein „Registrierkennzeichen“. Zum Beleg und zugleich zur Erläuterung dieser Registrierung hat die Klägerin mit der Anlage K 7 eine Urkunde vorgelegt. Die daraus ersichtliche Registriernummer „…“ deckt sich mit der Nummer Inhalt des Kennzeichens am Fahrzeug (vgl. Lichtbild Bl. 29 d.A.). Ausgestellt ist die Registrierungsurkunde unter dem Datum 28.10.2004. Dass an jenem Tag die Registrierung des Fahrzeugs erfolgt ist, hat auch der Zeuge K. bekundet. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Aufkleber am Fahrzeugheck mit den Buchstaben DK keineswegs um das Nationalitätszeichen für Dänemark handelt. Es sei ein Werbeaufkleber der dänischen Firma T. in E., dem Lieferanten der Klägerin.

Unter den gegebenen Umständen hat die Klägerin auch nicht den Anschein einer Auslandszulassung erweckt, die dem Fahrzeug die Neuwageneigenschaft hätte nehmen können. Dem Beklagten war bekannt, dass er einen „EU-Neuwagen“ erwirbt. Um den damit verbundenen Preisvorteil für sich zu nutzen, hatte er sich an die Klägerin gewandt. Unabhängig von der späteren Absprache mit dem Zeugen K., einem der drei Verkaufsberater der Klägerin, war dem Beklagten klar, jedenfalls hätte es ihm klar sein müssen, dass der von ihm bestellte BMW aus Dänemark importiert wird. Ein anderes Einfuhrland kam nicht ernsthaft in Frage. Damit hat der Beklagte sich auf die Bedingungen und Modalitäten eingelassen, die mit dem Erwerb eines „EU-Neuwagens“ aus Dänemark normalerweise verbunden sind. In der amtlichen Registrierung in Dänemark mit Ausgabe und Verwendung des oben erörterten Kennzeichens sieht der Senat Vorgänge, die auch ohne gezielte Aufklärung von einem deutschen Durchschnittskäufer hingenommen werden müssen. Sie gehören gewissermaßen zu den Spielregeln, auf die der Beklagte sich eingelassen hat.

bb) Anders verhält es sich im Ausgangspunkt mit der Kilometerlaufleistung. Insoweit ist zunächst unstreitig, dass der Kilometerstand am Tag der Anlieferung des Fahrzeugs in O. 307 betrug. So geht es auch aus der Km-Anzeige auf dem Foto Bl. 28 d.A. hervor. Von der Fahrstrecke von 307 km entfallen 295 km auf die Distanz zwischen dem BMW-Auslieferungslager in K. und dem Geschäftssitz der Lieferantin der Klägerin, der Firma T. E. in E/Dänemark. Das ergibt sich zum einen aus dem Schreiben dieser Firma Bl. 87 d.A., und folgt im übrigen aus den glaubhaften Entfernungsangaben des Zeugen K. Hinzugefügt hat er, dass die Firma T. die bei ihr angekommenen Fahrzeuge üblicherweise im Rahmen einer Probefahrt testet. Infolgedessen müsste man etwa 10 bis 15 Kilometer hinzuzählen. Damit ist für den Senat hinreichend klar, wie sich die Fahrleistung von 307 km erklärt.

Mit einer derartigen Fahrleistung musste der Beklagte auch als Käufer eines EU-Neuwagens aus Dänemark nicht ohne weiteres rechnen. Auch ein EU-Neuwagen muss grundsätzlich unbenutzt sein, d.h. er darf noch nicht im öffentlichen Verkehr bewegt worden sein. Tolerabel sind lediglich, nicht anders als bei einem „normalen“ Neufahrzeugkauf, kürzere Strecken zu Testzwecken. Je nach Vertragsinhalt muss ein Neuwagenkäufer auch solche Strecken hinnehmen, die im Zuge einer Überführungsfahrt anfallen. Das ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Auflage, Rn 16 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; OLG Dresden, Urteil vom 04.10.2006, 8 U 1462/06, noch unveröffentlicht). Wenn eine derartige Überführungsfahrt weder ausdrücklich noch nach den Umständen (konkludent) vereinbart ist, ist ein Neuwagenkäufer in der Regel in der Annahme schutzwürdig, dass das Fahrzeug mit einem Tachostand zwischen 0 und 20 km in seine Hände gelangt.

Diese Vorstellung will auch der Beklagte gehabt haben, wie er im letzten Senatstermin berichtet hat. Keinesfalls habe er mit einer Fahrstrecke von rund 300 km gerechnet und auch nicht rechnen müssen.

In diesem entscheidenden Punkt kann der Senat dem Beklagten nicht folgen.

Im Anschluss an seine Bestellung vom 11. Oktober 2004 hat der Beklagte sich nämlich mit einem Mitarbeiter der Klägerin, dem Zeugen K., darauf verständigt, dass der für ihn vorgesehene Wagen von dem BMW-Zentrallager in K. nach E. zur Firma T. auf eigener Achse überführt wird. Das ergibt sich aus der Aussage des Zeugen K., die der Senat im Kern für glaubhaft hält. Auch wenn dem Beklagten nicht sämtliche Details des Transports/Überführung vor Augen gestanden haben, so musste er doch wissen, dass das Fahrzeug in Dänemark auf eigener Achse bewegt wird. Nur so konnte seinem Wunsch nach rascher Belieferung Rechnung getragen werden. Auch das hat der Zeuge K. nachvollziehbar erläutert. Der Senat hat die Bedenken, die von dem Beklagten persönlich und von seinem Anwalt gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage bzw. Glaubwürdigkeit des Zeugen K. vorgebracht worden sind, bei seiner Würdigung berücksichtigt. Sie schlagen nicht durch. Der Senat folgt dem Zeugen K. nicht zuletzt aufgrund des persönlichen Eindrucks, den er von dem Zeugen gewonnen hat.

2. Hat der Beklagte hiernach die Abnahme des von ihm gekauften Fahrzeugs zu Unrecht verweigert, so ist er der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Gestützt auf die Schadenspauschalierungsklausel im Abschnitt V Ziff. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen berechnet die Klägerin ihren Schaden mit 15 % des Kaufpreises. Einwendungen gegen diese Berechnungsweise hat der Beklagte nicht erhoben. Deswegen sieht der Senat keine Veranlassung, die Berechtigung und Angemessenheit der branchenüblichen Pauschalierungsklausel zu überprüfen. Der Beklagte hat auch nicht von der ihm ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen geringeren Schaden der Klägerin nachzuweisen.

15 % des Kaufpreises (Brutto) von 40.585,00 EUR ergibt den klagegegenständlichen Betrag von 6.087,75 EUR.

3.Außerdem schuldet der Beklagte der Klägerin Ersatz in Höhe von 850,00 EUR für die Rückholung des Fahrzeugs. Diese Kosten sind gesondert angefallen und durch die Schadenspauschale nicht abgedeckt.

4. Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für den Beklagten: 6.937,57 EUR.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen, besteht unzweifelhaft nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

 

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