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Fahrzeugkaufvertrag – überhöhter Ölverbrauch als Sachmangel

Amtsgericht Halle-Saalkreis

Az: 93 C 2126/10

Urteil vom 08.12.2011


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2011 für Recht erkannt:

1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2010 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Nissan Primera, Fahrzeug-Ident-Nr. … .

2.) Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung der Rechtsanwaltskanzlei … Halle (Saale) in Höhe von 489,45 € freizustellen.

3.) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 4.950,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Gewährleistungsansprüche nach einem Gebrauchtwagenkauf geltend.

Die Klägerin kaufte am 2. Januar 2010 von dem Beklagten, einem gewerblichen Autoverkäufer, einen gebrauchten PKW Nissan Primera, Erstzulassung 16. August 2001, mit einem Kilometerstand von 60.500 km zu einem Preis von 4.950,00 €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag Bl. 9 d. A. verwiesen. Das Fahrzeug wurde der Klägerin übergeben, die Klägerin zahlte dem Beklagten auch den Kaufpreis.

Mit Anwaltsschreiben an den Beklagten vom 29. April 2010 trat die Klägerin vom Kaufvertrag zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anwaltsschreiben Bl. 11 – 13 d. A. verwiesen.

Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug habe – neben weiterer im Einzelnen ausgeführter Mängel – einen übermäßigen Ölverbrauch von mehr als einem Liter auf 1.000 km, was weder dem technischen Standard noch den Vorgaben des Herstellers entspräche.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. an die Klägerin 4.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW Nissan Primera, Fahrzeug-Ident-Nr. … .

2. die Klägerin gegenüber der Rechtsanwaltskanzlei …, …, … Halle von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 489,45 € freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet die gerügten Mängel, insbesondere den übermäßigen Ölverbrauch. Zudem müsse sich die Klägerin nach Ansicht des Beklagten den Gebrauchsvorteil, den sie durch Nutzung des PKW erlangt habe, anrechnen lassen. Dieser betrage bis zum 30. Mai 2010 bereits 272,20 €, wegen der weiteren Nutzung des PKW habe der Beklagte einen Auskunftsanspruch gegen die Klägerin.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. Z. von der DEKRA Halle und seine Anhörung in der mündlichen Verhandlung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten Bl. 110 – 129 d. A. und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Anspruchsgrundlage ist §§ 437 Nr. 2, 440, 346 Abs. 1 BGB.

Das streitgegenständliche Fahrzeug hat einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Das Fahrzeug verbraucht 1,43 Liter Öl auf 1.000 km. Dies hat der Sachverständige XXX nachvollziehbar ausgeführt. Er hat im Einzelnen erläutert, wie er den Ölverbrauch gemessen hat. Mit dem festgestellten Ölverbrauch weicht das Fahrzeug ab von der üblichen Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Denn der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass der Ölverbrauch im vorliegenden Fall „richtig rausgeht aus der Norm“ und dass eigentlich ein Auto zwischen zwei im Abstand von 15.000 km durchgeführten Ölwechseln nicht mehr als einen Liter Öl verbrauchen sollte. Diese Ausführungen des Sachverständigen waren überzeugend, zumal sie auch den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen. Dass diesen Anforderungen das streitgegenständliche Fahrzeug bei weitem nicht gerecht wird, bedarf keiner näheren Ausführungen.

Der Sachverständige hat auch überzeugend ausgeführt, dass der Ölverbrauch nicht etwa auf Grund von Verschleiß angesichts des Alters des Fahrzeuges und der bisherigen Laufleistung erhöht sei. Er hat nachvollziehbar erläutert, dass der Motor eigentlich 250.000 km halten müsste und dass erst gegen Ende dieser Spanne – das vorliegend aber bei weitem nicht erreicht ist – der Motor „vielleicht ein bisschen mehr“ Öl verbrauchen könne.

Es ist zwar richtig, dass der Klägerin der Beweis obliegt, dass ein Mangel vorliegt und dass dieser nicht lediglich auf normaler Abnutzung beruht. Diesen Beweis hat sie aber erbracht.

Angesichts der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen liegt ein Sachmangel vor, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel durch einen Konstruktionsfehler bedingt ist oder ob es sich um einen „Ausreißer“ handelt. Zur üblichen Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB gehört auch, dass die Sache keine Konstruktionsfehler hat. Vergleichsmaßstab sind insoweit nicht andere, ebenfalls mit einem Konstruktionsfehler versehene, Fahrzeuge des Fabrikats Nissan Primera, sondern durchschnittliche PKW der entsprechenden Wagenklasse. Der Vergleich ist nicht auf die Serie des betroffenen Fahrzeugtyps zu beschränken, so dass es nicht entscheidend sein kann, ob sich der gekaufte Wagen innerhalb der Fertigungstoleranzen eines bestimmten Typs eines bestimmten Herstellers befindet. Maßgebend ist vielmehr der Entwicklungsstand aller in dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Kraftfahrzeuge. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2005, Az. 3 U 12/04, zitiert nach juris).

Abzustellen ist, um das vorsorglich klarzustellen, nicht auf die Abweichung des tatsächlichen Ölverbrauchs von den Herstellerangaben, sondern darauf, dass nach der Ausführung des Sachverständigen der Verbrauch erheblich oberhalb des normalerweise zu erwartenden liegt.

Die Aussage des Urteils des AG Mainz vom 2. Juni 1992 (Az. 7 C 264/92, zitiert nach juris), dass ein überdurchschnittlich hoher Ölverbrauch eines Gebrauchtwagens keinen Sachmangel darstelle, ist angesichts der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen im vorliegenden Fall jedenfalls nicht verallgemeinerungsfähig.

Das von dem Beklagten zitierte Urteil des OLG Naumburg vom 28. Juli 2007 (Az. 5 U 99/06) gibt für den vorliegenden Fall schon deshalb nichts her, weil es dort um – angeblich oberhalb der Herstellerangaben liegenden – Treibstoffverbrauch ging. Der Treibstoffverbrauch ist aber in einer ganz anderen Art und Weise als der Ölverbrauch von der individuellen Fahrweise sowie vom Einfahrverhalten, der Pflege des Fahrzeugs und der Ausrüstung mit gewichtserhöhender Sonderausstattung abhängig, sodass es hier viel weniger einen normalen Wert geben kann, bei dem dann vom Vorliegen eines Sachmangels ausgegangen werden kann, wenn der tatsächliche Wert hiervon abweicht.

Die Klägerin muss dem Beklagten auch keine Nutzungsentschädigung bezahlen, sodass auch kein Auskunftsanspruch des Beklagten besteht. Die Vorschriften über den Rücktritt (§§ 346 bis 348 BGB) gelten im Fall des Verbrauchsgüterkaufs nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache selbst, führen hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache (BGH, Urteil vom 26. November 2008, Az. VIII ZR 200/05, zitiert nach juris).

Die Klägerin musste dem Beklagten nicht gemäß § 439 BGB Gelegenheit zur Nacherfüllung geben, da eine Ersatzlieferung angesichts der Tatsache, dass ein bestimmtes, mit Fahrzeug-Ident-Nr. individualisiertes, Fahrzeug verkauft wurde, nicht möglich ist da und eine Mangelbeseitigung der Natur des Mangels nach ebenfalls nicht möglich ist. Zudem hat es unstreitig auch bei dem Beklagten Mangelbeseitigungsversuche gegeben.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Der Beklagte hat die Klägerin gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB auch von der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die als Verzugsschaden entstanden sind und die der Höhe nach schlüssig vorgetragen und nicht angegriffen sind, freizustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

 

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