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Friseurbesuch – Verbrennungen und Verätzungen mit Haarverlust durch Blondierung

LG Köln – Az.: 7 O 216/17 – Urteil vom 11.10.2019

1.  Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 4000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2017 zu zahlen.

2.  Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von sämtlichen zukünftigen materiellen Schäden, die aus der Verletzung vom 09.12.2016 resultieren, freizustellen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

3.  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.  Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 40%, die Klägerin zu 60%.

5.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche aufgrund erlittener Verletzungen bei im Rahmen eines Friseurbesuchs durchgeführten Blondierungsmaßnahmen geltend.

Am 09.12.2016 ließ die Klägerin im Friseursalon des Beklagten bei der Angestellten Frau Y eine Blondierungsmaßnahme ihrer Haare vornehmen. Nach der Behandlung zahlte die Klägerin einen Betrag in Höhe von 150 EUR als Entgelt für die Friseurleistung an den Beklagten.

Während der Einwirkzeit erhitzte sich die Blondiercreme und verursachte eine Verletzung der Kopfhaut der Klägerin.

Dabei erlitt die Klägerin am Hinterkopf in einem handtellergroßen Bereich Verbrennungen bzw. Verätzungen 1. – 2. Grades.

Am 13.12.2016 fand ein Gespräch zwischen den Parteien statt, im Rahmen dessen der Beklagte der Klägerin einen Friseurgutschein anbot. Diese nahm das Angebot nicht an.

Im weiteren Verlauf stellte sie sich am 15.12.2016 wegen anhaltender Schmerzen ihrem Hausarzt vor. Die Klägerin nahm im Anschluss über mehrere Wochen schmerzlindernde Medikamente ein.

Am 10.01.2017 stellte sie sich einem Dermatologen vor. Dieser diagnostizierte den Grad der Verletzung. Aufgrund von Hinweisen auf Entzündungsreaktionen im Blutbild folgte anschließend eine antibiotische Behandlung. Die Behandlung wurde durch die externe Anwendung von Kortikoiden und durch entzündungshemmende Medikamente unterstützt.

Die Klägerin befand sich am 09.12.16, am 15.12.16, am 10.01.17, am 13.01.17, am 16.01.17, am 02.02.17 und am 14.03.17 in ärztlicher Behandlung.

Die Angestellte des Beklagten, Frau Y, war vor dem streitgegenständlichen Vorfall bereits seit 5 Jahren ohne Beschwerden seitens der Kunden für den Beklagten tätig.

Der Beklagte wurde mit Schreiben vom 26.01.2017 der Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgefordert, ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR, Friseurkosten in Höhe von 150 EUR sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe 985,19 EUR an die Klägerin zu zahlen.

Die Klägerin behauptet, sie habe vor ihrer Verletzung dickes langes Haar gehabt, so dass die Zeit für das Setzen der Strähnen insgesamt ca. eine Dreiviertelstunde betragen habe. Ihr seien zunächst ab der Mitte des Hinterkopfs, wo später die Verbrennungen stattgefunden hätten, die Strähnen gesetzt worden, danach am Oberkopf und zuletzt am Seitenbereich. Bis die letzten Strähnen an allen Stellen des Kopfes fertig gewesen seien, habe die Farbe an der Verbrennungsstelle bereits eine Dreiviertelstunde unter einer Folie eingewirkt. Als alle Strähnen gesetzt waren, habe die Klägerin am Hinterkopf ein starkes Brennen verspürt. Sie habe sofort Bescheid gesagt, habe jedoch die Antwort erhalten, dass dies üblich sei. Sie habe weiterhin ca. eine halbe Stunde mit den Blondierungswirkstoffen im Haar verbracht.

Die Behandlung sei nach alledem nicht sach- und fachgerecht durchgeführt worden, da die Grundierung am Hinterkopf an der betroffenen Stelle insgesamt über eine Stunde eingewirkt habe. Die Klägerin habe mehrfach kundgetan, dass sie extremes Brennen verspüre, bis endlich eine Mitarbeiterin die Folien geöffnet und erkannt habe, dass am Hinterkopf ein erheblicher Dampf aufgestiegen sei. Erst dann, nach ca. 1 ¼ bis 1 ½ Stunden, sei die Farbe an der Verletzungsstelle ausgewaschen worden.

Wegen starker Schmerzen habe die Klägerin nach dem Friseurtermin am gleichen Tag den ärztlichen Notdienst des Krankenhauses Gummersbach aufsuchen müssen.

Die Klägerin behauptet, am Tag nach dem Friseurbesuch, am 10.12.2016, habe die Mutter der Klägerin in dem Frisörgeschäft des Beklagten angerufen und mit dem dortigen Ladenführer, Herrn S, über die Verletzung ihrer Tochter gesprochen. Dieser habe bekundet, dass das Mittel „X“ verwendet worden sei. Mit diesem Mittel sei es bereits mehrfach zu Zwischenfällen in Form von Haarbrüchen gekommen.

Auf der Kopfhaut der Beklagten habe sich in den Wochen nach dem Friseurbesuch, so dermatologisch festgestellt, an der betroffenen Stelle eine mykotische Superinfektion gebildet.

Friseurbesuch - Verbrennungen und Verätzungen mit Haarverlust durch Blondierung
(Symbolfoto: Von Jacob Lund/Shutterstock.com)

Nach Aussage des Dermatologen würden die Haare in diesem Bereich auf natürliche Art nicht nachwachsen. Abhilfe könne nur durch entsprechende chirurgische Eingriffe einer dermatologischen Spezialistin zur Reduktion des betroffenen haarlosen Areals geschaffen werden.

Insoweit die kahle Stelle nicht operativ reduziert werde bzw. dieses keinen oder nur eingeschränkt Erfolg habe, könne die Klägerin keine Kurzhaarfrisur ohne ästhetische Einbußen mehr tragen.

Die Klägerin habe für einen Zeitraum über zwei Monate das Risiko einer Infektion der offenen Wunde durch ihre Ausbildung zur Krankenschwester in einem Krankenhaus in Kauf genommen, um ihre Ausbildungszeit nicht zu verlängern.

Sie habe des Weiteren etwa drei Monate unter erheblichen Schmerzen und jedenfalls bis zur Klageerhebung anhaltend unter Schlaflosigkeit, die auf den Haarverlust zurückzuführen sei, gelitten. Sie sei psychisch stark beeinträchtigt gewesen. Vom 9.12.2016 bis Ende Januar 2017 habe die Klägerin für 7-8 Wochen Schmerztabletten in Form von Ibuprofen 400, dreimal täglich eingenommen, bis das verordnete Antibiotikum angeschlagen habe. Die kahle Stelle sei mittlerweile auf einen Durchmesser von 5 cm angewachsen.

Der Klägerin sei mit Datum vom 11.9.2017 eine ambulante psychotherapeutische Akutbehandlung empfohlen worden, da die Klägerin durch ihren Haarverlust an Anpassungsstörungen leide, die mit Meidung sozialer Kontakte einhergehen würden. Ebenso leide sie unter Schlafstörungen aufgrund des streitgegenständlichen Ereignisses.

Die Klägerin habe am 18.01.2017 eine Selbstbeteiligung in Höhe von 150 EUR an ihre Prozessbevollmächtigte gezahlt und die Rechtsschutzversicherung habe den Restbetrag in Höhe von 808,19 EUR am 16.03.2017 an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin gezahlt.

Die Klägerin ist der Ansicht, einen Anspruch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR zu haben. Die Höhe sei angemessen, da die Klägerin mit der kahlen Stelle nicht mehr in der Lage sei, eine Kurzhaarfrisur zu tragen. Auch weiterer Haarausfall könne nicht ausgeschlossen werden und es sei nicht abzusehen, ob der Substanzdefekt des Kopfhaares wieder vollständig beseitigt werden könne. Die Schwere der Gesundheitsbeeinträchtigung und die Wahrscheinlichkeit eines irreversiblen Haarverlustes am Hinterkopf würden die Höhe des Schmerzensgeldes rechtfertigen. Ebenfalls zu beachten sei das Risiko, dass die Klägerin aufgenommen habe, in dem sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester trotz der offenen Wunde fortgesetzt habe.

Neben einem angemessenen Schmerzensgeld habe die Klägerin auch einen Anspruch auf Rückerstattung der Kosten für den Friseurbesuch i.H.v. 150 EUR.

Der Feststellungsantrag sei ebenfalls begründet, da die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von allen zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden habe, die aus der Verletzung resultieren würden. Grund dafür sei der irreversible Haarverlust und die Notwendigkeit, dass sich die Klägerin einer operativen Behandlung zur Wiederherstellung ihres Kopfhaares ohne kahle Stellen unterziehen müsse. Zwischenzeitlich stehe fest, dass an der kahlen Stelle keine Haare mehr nach wachsen werden. Die Kosten für eine Operation würden rund 5000 EUR betragen laut Kostenvoranschlägen. Letztere würden keine Kosten für die Vollnarkose beinhalten. Es sei zudem nicht absehbar, ob durch die Operation weitere Kosten entstehen würden.

Die Klägerin beantragt,

1.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2017 zu zahlen

2.  festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die aus der Verletzung vom 09.12.2016 resultieren, freizustellen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,

3.  den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die Kosten des Friseurbesuchs am 09.12.2017 i.H.v. 150 EUR zurück zu erstatten,

4.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 150 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2017 und an die Rechtsschutzversicherung der Klägerin, der M GmbH, L-Straße, ##### P, vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 808,19 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Einwirkzeit habe für jede Strähne lediglich 15 Minuten gedauert. Nachdem die Grundierung auf die einzelnen Strähnen 15 Minuten eingewirkt habe, hätten sich die Zeugin Y und die Klägerin zu einem Waschbecken begeben, um die Grundierung auszuwaschen. Das Haar der Klägerin sei sodann abgetrocknet worden und die Zeugin Y habe die Klägerin erneut zu ihrem Platz zurückgeführt, um weitere Strähnen mit der Blondine Creme zu behandeln. Die Farbe sei an den Verletzungsstellen nicht erst nach 1 ¼ – 1 ½ Stunden ausgewaschen worden. Die Folie an der Verletzungsstelle sei lediglich etwas wärmer geworden. Die Klägerin habe nicht gegenüber den Mitarbeitern des Beklagten zu erkennen gegeben, dass sie bei Durchführung der Blondierungsmaßnahmen bereits Schmerzen verspürt habe.

Die Angestellte des Beklagten habe die Blondiercreme „C“ von V sach- und fachgerecht mit einer Konzentration von 6% entsprechend der Herstellerangaben angerührt. Sodann habe sie 5 ml G des Herstellers T zu der Blondiercreme zur Vermeidung von Haarbruch dazugegeben. Diese Kombination sei in den zwei Jahren vor dem streitgegenständlichen Vorfall bereits häufig und jeweils ohne Beschwerden bei Blondierungen angewendet worden.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass das klägerseits geforderte Schmerzensgeld i.H.v. 10.000 EUR übersetzt sei. Vorliegend könne die beschädigte Kopfhaut ohne weiteres mit dem verbleibenden Haar überdeckt werden. Zudem könne der im Vergleich zu der zitierten Rechtsprechung erheblich geringere Haarverlust sich verdecken lassen und auch liege eine Anpassungsstörung der Klägerin nicht vor.

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Es bestehe zudem kein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erstattung der gezahlten Friseurkosten i.H.v. 150 EUR. Eine Schlechterfüllung des Dienstvertrages seitens des Beklagten liege nicht vor.

Der Feststellungsantrag zu Ziffer 2 der Klageschrift sei unzulässig. Zum einen sei bereits nicht substantiiert dargelegt, welche materiellen Schäden der Klägerin künftig entstehen könnten. Zudem mache die Klägerseite denselben Anspruch im Leistungs- sowie im Feststellungsantrag geltend, da sie im Leistungsantrag die Zahlung eines Schmerzensgeldes fordert, zugleich aber im Feststellungsantrag beantragt, dass festgestellt wird, dass die Beklagtenseite verpflichtet ist, ihr allen immateriellen Schäden aus dem verfahrensgegenständlichen Unfallereignis zu ersetzen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I2 und Y sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Dr. I. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.10.2018, Bl. 84 ff. der Gerichtsakten sowie auf das dermatologische Sachverständigengutachten vom 30.4.2019, Bl. 106 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Für den übrigen Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 4000 EUR aus §§ 631, 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB zu.

a) Zwischen den Parteien wurde ein Werkvertrag über die Blondierung des Haares der Klägerin geschlossen, den der Beklagte – ob selbst oder durch die Angestellte Frau Y als Erfüllungsgehilfin nach § 278 BGB – schuldhaft schlecht erfüllt hat (§ 280 Abs. 1 BGB), was unter den weiter gegebenen Voraussetzungen von § 253 Absatz 2 BGB vorliegend auch zu einem Schmerzensgeldanspruch der Klägerin führt.

Unstreitig wurde bei der Klägerin im Friseursalon des Beklagten durch seine Angestellte eine Blondierung durchgeführt, die im Bereich des Hinterkopfes mittig in einem handtellergroßen Bereich Verbrennungen bzw. Verätzungen 1. – 2. Grades verursachte.

Die Pflichtverletzung des Beklagten ist darin zu sehen, dass seine Angestellte Frau Y die verwendeten Präparate zu lange auf die Haare einwirken ließ, sodass es an der fraglichen Kopfhautstelle zu Verbrennungen und Verätzungen kam.

Die Angestellte handelte hierbei jedenfalls fahrlässig; spätestens nach der Rückmeldung der Klägerin, dass sie ein Brennen und Schmerzen am Hinterkopf verspüre, hätte die Angestellte die betroffene Stelle untersuchen und den Blondierungsvorgang abbrechen müssen. Ihr Verschulden wird dem Beklagten gemäß § 278 BGB zugerechnet.

Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Verbrennungen aus einer zu langen Einwirkdauer der von der Angestellten des Beklagten zur Blondierung verwendeten Präparate resultieren. Das ergibt sich zum einen aus der Aussage der Zeugin I2, die bestätigte, dass die eingesetzten Mittel zur Blondierung wesentlich länger als die beklagtenseits angegebenen 15 Minuten im Haar der Klägerin verblieben sind. Die Zeugin I2 konnte sich erinnern, dass bereits der Vorgang des Einwickelns der Haarsträhnen in einzelne Folien von Anfang bis Ende etwa 30 bis 45 Minuten gedauert hat. Die Farbe habe dann nochmal mindestens 15 Minuten eingewirkt. Die Zeugin konnte zudem bestätigen, dass die Klägerin bereits nach dem Ende der Einarbeitung aller für das Haar der Klägerin erforderlichen Folien am gesamten Kopf, also nach circa 30 bis 45 Minuten gesagt hat, dass sie ein Jucken verspürt. Auf diese Beschwerde wurde der Klägerin, so die Zeugin, mitgeteilt, dass das normal sei. Auch als die Klägerin dann sagte, dass sie mittlerweile an der Stelle Schmerzen und ein Brennen verspüre, wurde zunächst nicht reagiert. Erst nach mehrfacher Bekundung von Schmerzen an der betroffenen Stelle wurden die Folien entfernt und die Präparate ausgewaschen, so die Zeugin I2.

Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung. Die Aussagen der Zeugin waren detailreich im Rand- und Kerngeschehen, widerspruchsfrei und glaubhaft. Erinnerungslücken gab die Zeugin frei zu. Eine einseitige Belastungstendenz ist trotz der Nähe zu ihrer Freundin, der Klägerin, nicht offensichtlich erkennbar. Ihre Aussagen werden auch durch die Aussage der gegenbeweislich vernommenen Zeugin Y nicht erschüttert. Diese stützte ihre Aussage weniger auf ihre Erinnerung, sondern vielmehr darauf, wie es bei ihr im Salon „immer oder meistens“ gemacht wird. Die Aussage, dass sie erst den Mittelteil des Kopfes von vorne nach hinten und dann die Seitenteile des Kopfes durch das Einarbeiten der Folien behandelt habe und zwischendurch die Blondierungspräparate aus dem Mittelteil ausgewaschen habe, ist angesichts der unstreitig erlittenen Verletzung und der Beschreibung des Verlaufs des Friseurbesuchs durch die Klägerin und die Zeugin I2 fernliegend und unglaubhaft. Der Frage, ob die Klägerin als Kundin Beschwerden hinsichtlich der Wärmeentwicklung geäußert habe, ist sie mit Verweis auf ihre allgemeine Vorgehensweise ausgewichen.

Auch das eingeholte Sachverständigengutachten führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Sachverständige hält es bereits aufgrund der Verletzungsmuster und den typischen Arbeitsabläufen für sehr wahrscheinlich, dass die Einwirkdauer mehr als 15 Minuten betragen hat. Jedenfalls legt das Verletzungsbild nahe, dass die Kopfhaut der Klägerin zu lange den chemischen Substanzen der eingesetzten Präparate ausgesetzt war, sodass es zu den unstreitig aufgetretenen Schädigungen gekommen ist. Es kommt dabei nicht darauf an, ob eine andere Ursache, wie beispielsweise das unmittelbare Auftragen des Haarfärbemittels auf der Kopfhaut, ebenfalls eine Ursache war, da dieses gleichfalls eine Pflichtverletzung des Beklagten darstellen würde.

Den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. I schließt sich das Gericht nach umfassender eigener Würdigung des Gutachtens vollumfänglich an. Als Dermatologin ist die Sachverständige für die vorliegende Begutachtung besonders qualifiziert. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere ist die Sachverständige von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt.

b) Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls kann der Klägerin jedoch nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 EUR zuerkannt werden. Das Gericht erachtet diese Summe für angemessen, jedoch auch ausreichend.

Soweit ersichtlich, werden in der Rechtsprechung bei vergleichbaren Verletzungen lediglich Beträge bis zu dieser Größenordnung angesetzt (vgl. OLG Bremen, Urt. v. 11. 7. 2011 − 3 U 69/10; NJW-RR 2012, 92).

Das Gericht hat bei der Angemessenheit des Schmerzensgeldes berücksichtigt, dass der Haarverlust an der betroffenen Stelle bei natürlichem Heilungsverlauf irreversibel ist, jedoch operativ eine Schließung der kahlen Stelle möglich ist. Selbst wenn sich die Klägerin gegen eine derartige Operation entscheiden sollte, kann die Stelle bei Tragen ihres von Natur aus dicken und jedenfalls zum Zeitpunkt des Friseurbesuchs langen Haares, mit den umliegenden Haaren überdeckt werden. Das Gericht hat gleichwohl berücksichtigt, dass das Tragen einer Kurzhaarfrisur aus ästhetischen Gründen ohne die Durchführung der Operation kaum möglich sein wird.

Das Gericht hat zudem die schmerzhafte und im weiteren Verlauf auch bakteriell infizierte Verletzung der betroffenen Kopfhaut berücksichtigt, die zu einer mehrwöchigen Einnahme von Schmerzmitteln, Antibiotika und Kortikoiden sowie zahlreichen Arztbesuchen geführt hat.

Dass von der Verletzung eine dauerhafte psychische Beeinträchtigung nebst Schlaflosigkeit der Klägerin abgesehen von dem ursprünglichen Unwohlbehagen und den Schmerzen ausgegangen ist, steht mangels hinreichendem Vortrag der Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Unstreitig ist es zu einer regelmäßigen psychotherapeutischen Behandlung nicht gekommen.

2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von sämtlichen zukünftigen materiellen Schäden, die aus der Verletzung vom 09.12.2016 resultieren, freizustellen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Der Antrag ist zulässig. Ein Antrag auf Feststellung der Verpflichtung eines Schädigers zum Ersatz künftiger Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Beschluss vom 9. 1. 2007 – VI ZR 133/06). Dieses Feststellungsinteresse ist vorliegend gemäß § 256 Abs. 1 ZPO gegeben. Die Klägerin hat dargelegt, dass noch nicht absehbar ist, welche Heilbehandlungskosten durch die Durchführung der beschriebenen Operation zur Wiederherstellung eines durchgängigen Haarwuchses am Hinterkopf und zur Reduzierung der betroffenen kahlen Fläche entstehen werden.

Der Antrag ist auch begründet. Ein Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen, also insbesondere ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu den für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann (BGH, Beschluss vom 9. 1. 2007 – VI ZR 133/06). Das ist hier der Fall. Wie oben dargelegt, besteht ein Anspruch aus schuldrechtlicher Verbindung gemäß §§ 631, 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz der Schäden aus der Haarbehandlung vom 09.12.2016. Die Möglichkeit weiterer materieller Schäden ergibt sich aus der klägerseits angestrebten Operation mit entsprechenden Kostenfolgen, die nicht ausschließlich von Sozialversicherungsträgern geleistet werden.

Ein Anspruch auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von sämtlichen zukünftigen immateriellen Schäden, die aus der Verletzung vom 09.12.2016 resultieren, freizustellen, besteht hingegen nicht, da über die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes einheitlich entschieden wird (vgl. BGH, Urt. v. 10. 7. 2018 – VI ZR 259/15).

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung des vereinbarungsgemäß gezahlten Werklohns in Höhe von 150 EUR für die Blondierungsmaßnahme im Friseursalon des Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, bzw. §§ 280 Abs.1, Abs. 3, 281 BGB. Bei dem geleisteten Werklohn handelt es sich nicht um einen kausalen Schaden, der auf der Pflichtverletzung des Beklagten beruht. Wäre der Behandlungserfolg fachgerecht herbeigeführt worden, hätte die Klägerin nämlich ebenfalls 150 EUR zahlen müssen. Auch zielt die begehrte Rückzahlung des geleisteten Werklohns nicht auf das positive Erfüllungsinteresse der Klägerin. Die 150 EUR stellen vielmehr das negative Interesse der Klägerin dar, die begehrt, so gestellt zu werden, wie wenn der Vertrag nicht abgeschlossen worden wäre. Dieses Interesse ist vom Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 BGB nicht umfasst.

4. Ohne Erfolg verlangt die Klägerin auch Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten zur Zahlung an sich hinsichtlich eines Teilbetrages und in gewillkürter Prozessstandschaft zur Zahlung an die Rechtsschutzversicherung hinsichtlich des verbleibenden Teilbetrages. Die Klage war insoweit abzuweisen. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stellen keinen kausalen Verzugsschaden dar. Der Beklagte wurde bei Anfallen der Geschäftsgebühr und der Auslagenpauschale mit erstmaligem Tätigwerden des Rechtsanwalts am 26.01.2019 nicht vorab durch die Klägerin in Verzug gesetzt.

5. Zinsen stehen der Klägerin gem. §§ 286, 288 BGB auf den ausgeurteilten Betrag ab Ablauf der vorgerichtlich gesetzten Frist, also ab dem 10.02.2017, zu.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ ZPO 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

 

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