LG Leipzig – Az.: 7 S 267/19 – Beschluss vom 11.10.2019
1 Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich unbegründet ist und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
2. Sie erhält Gelegenheit, binnen 10 Tagen hierzu Stellung zu nehmen (ggf. – kostengünstiger – ihr Rechtsmittel zurückzunehmen).
Gründe
Die (zugelassene und auch sonst zulässige) Berufung der Klägerin kann (offensichtlich) keinen Erfolg haben, so dass das Rechtsmittel durch (einstimmigen) Beschluss der Kammer gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen sein wird (1.) Ein Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO verbietet sich auch nicht dadurch, dass etwa die Revision zuzulassen wäre (2).
1. Das Amtsgericht hat im angefochtenen Urteil die Klage zu Recht abgewiesen, weil es zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Beklagte – neben der bereits erstatteten Ambulanzpauschale von 133.- € – nicht(zusätzlich) auch noch die sog. Notarztpauschale schuldet.
Unstreitig hat die Beklagte die (auch) angefallene sog. Ambulanzpauschale i.S.v. § 116 Abs. 8 SGB X in Höhe von 133,- € beglichen. Hiernach sind – vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Absätze 2 und 3 der Norm –je Schadensfall für die nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (dies waren im Jahr 2017133,- €) an den eintrittspflichtigen Versicherungsträger (hier die Klägerin) zu ersetzen. Mit der Zahlung dieses Betrages sind – entgegen der Ansicht der Klägerin – alle ambulanten ärztlichen und sonstigen Leistungen abgegolten, dazu zählen nach absolut herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. die von der Beklagten vorgelegten – unveröffentlichten – Entscheidungen des AG Borna, Az.: 3 C 256/17 => bestätigt durch (Berufungs-)Urteil des LG Görlitz, Az.: 2 S 94/18; AG Torgau, Az.: 2 C 484/17; AG Bautzen, Az.: 21 C 30/18; AG Jena, Az.: 21 C 567/17; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 12. Aufl., Rn. 629; Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozess, 27 Aufl., Kap. 30, Rn. 90; Kater in KassKomm zum Sozialversicherungsrecht, 93. EL 3/2017, § 116 Rn. 264) aber auch und gerade die (hier von der Klägerin zusätzlich verlangten pauschalen) Kosten des (ambulanten) Notarzteinsatzes. Die demgegenüber vereinzelt in der Rechtsprechung vertretene – ebenso unveröffentlichte – Gegenmeinung (z.B. AG Kamenz, Az: 2 C 290/14; AG Pößneck, Az.: 4 C 56/17; AG Bad Salzungen, Az.: 2 C 18/18) verkennt zum einen die nachfolgenden, gegen eine zusätzliche Erstattungspflicht der Notarztpauschale sprechenden Argumente und setzt sich andererseits auch nicht mit der (herrschenden) gegenteiligen Ansicht auseinander; in keinem dieser Fälle wurde zudem ein Rechtsmittel zugelassen, so dass eine berufungsgerichtliche Überprüfung nicht stattfinden konnte.
a. ) Bereits unter der Geltung von § 1542 RVO bestand die Möglichkeit Kosten für bestimmte medizinische Leistungen im Wege einer Pauschale geltend zu machen (Kater in KassKomm ebenda, Rn. 263). Es handelt sich hierbei um eine gesetzliche Ausnahme von dem normalerweise im Schadensrecht erforderlichen Nachweis der konkreten Schadensbezifferung (vgl. BGH VersR 2010, 550 f.). Absatz 8 erfasst dabei die Kosten für ambulante (durchgangs-)ärztliche Behandlungen, Arznei- und Verbandsmittel (Halbach in jurisPK-StrVerkR, § 116 SGB X Rz. 90). Daneben ist die konkrete Abrechnung der von dieser Pauschale nicht erfassten weiteren Schadensposition möglich, etwa stationäre Behandlungen, Krankentransporte, für die dann allerdings ein Nachweis der Kosten erforderlich ist (Schlaeger/Bruno in: Hauck/Noftz, SGB, 08/18, § 116 SGB X Rz 296 ff.; Peters-Lange in jurisPK-SGB X, § 116 Rz 74)
Höhere (Arzt-)Kosten als die pro Schadensfall anfallende Ambulanzpauschale kann der Versicherungsträger indes nur dann und insoweit verlangen, als er die konkrete Schadensabrechnung wählt oder aber diese sich bei der zuvor erfolgten pauschalen Abrechnung ausdrücklich vorbehalten hat. Beides ist hier nicht der Fall gewesen.
b. ) Auch das von der Klägerin ins Feld geführte Argument der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Bezug auf den (allein landesrechtlich zu regelnden) Rettungsdienst verfängt bei Lichte betrachtet nicht. § 28 Abs. 2 SächsBRKG, nach dem die Krankenkassen und ihre Verbände bei der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages mit den Verbänden der Ersatzkassen mit niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern, der Arbeitsgemeinschaft Sächsischer Notärzte, der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, der Sächsischen Landesärztekammer und den Trägern des Rettungsdienstes koordinierend zusammenwirken, regelt allein das Verhältnis zwischen den Trägern des Notarztdienstes und den Krankenkassen, nicht hingegen das hier allein in Rede stehende Verhältnis der (schadenersatzrechtlichen) Einstandpflicht der Haftpflichtversicherung eines Unfallverursachers zum Versicherungsträger des Geschädigten. Ein Regelungskonflikt oder gar einen Verstoß gegen eine Gesetzgebungskompetenz sieht die Kammer daher nicht.
c. ) Der Vortrag der Klägerin, dass die (geschaffene) Notarztpauschale eine Würdigung des besonderen Einsatzes der Notärzte beinhalte, ändert nichts daran, dass auch diese Kosten solche der nicht stationären ärztlichen Behandlung i.S.v. § 116 Abs. 8 SGB X sind und daher jedenfalls nicht pauschal gesondert verlangt werden können. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig.
2. Eine – von der Klägerin noch nicht einmal beantragte/angeregte – Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, so dass die Kammer sich auch berechtigt sieht, nach § 522 Abs. 2 ZPO vorzugehen. Zwar mag die Rechtssache für die Klägerin in ihrer täglichen Regulierungspraxis eine gewisse Bedeutung haben, allerdings zwingt dies allein noch nicht zur Revisionszulassung. Es liegt nämlich hier weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung vor (1.), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die einheitliche Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (2.)
1. Grundsätzliche Bedeutung liegt nur dann vor, wenn – neben weiteren Voraussetzungen – eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entscheiden ist, was wiederum nur dann der Fall ist, wenn und soweit dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und eine höchstrichterliche Entscheidung dazu noch nicht vorliegt (vgl. BVerfG NJW 2011, 1277). Bei einer ansonsten im Wesentlichen einhelligen Ansicht in Literatur und Rechtsprechung genügen – wie hier – allein vereinzelt gebliebene Entscheidungen vom Amtsgerichten, die zudem die Berufung auch nicht zugelassen haben (!), selbst dann nicht, wenn der BGH die Streitfrage noch nicht entschieden hat. So verhält es sich hier. Allein, weil drei von der Klägerin genannte Amtsgerichte verschiedener LG-Bezirke den Anspruch auf eine (zusätzliche) Notarztpauschale bejaht haben, ist noch nicht von einer in der Rechtsprechung streitigen Rechtsfrage auszugehen, die grundsätzlich zu klären wäre. Obergerichtlich divergierende Entscheidungen sind hingegen – soweit ersichtlich – nicht vorhanden (vgl. das zuletzt von der Beklagten vorgelegte Berufungsurteil des LG Görlitz), so dass eine Revisionszulassung nicht veranlasst ist.
2. Auch eine einheitliche Rechtsprechung ist aus den zuvor genannten Gründen nicht durch den BGH zu sichern erforderlich.
Nach alledem wird die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen sein. Sie erhält vorab Gelegenheit zur Stellungnahme (ggf. zur dringend angeratenen und Kosten sparenden Rücknahme ihres Rechtsmittels) binnen 10 Tagen.