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Gegenvorstellung gegen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht möglich

Rechtliche Auseinandersetzung um die Zulassung der Revision

Die rechtliche Auseinandersetzung, die vor dem OLG Nürnberg unter dem Aktenzeichen 12 U 1269/20 verhandelt wurde, dreht sich um die Frage, ob die Klägerin die Möglichkeit einer Revision gegen einen Beschluss des Senats erhalten sollte. Dieser Beschluss, datiert auf den 24.02.2023, wies die Berufung der Klägerin gegen ein Urteil des Landgerichts Ansbach zurück. Dabei wurde die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 1269/20 >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Gegenvorstellung der Klägerin gegen einen Beschluss wurde vorgebracht.
  • Klägerin strebt nachträgliche Zulassung der Revision an und sieht ihre Rechte gemäß Art. 101 und Art. 19 GG verletzt.
  • Hauptargument: Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung aufgrund der Haftungsfrage für viele Fahrzeuge und mögliche Vorlage an den EuGH.
  • Gegenvorstellung ist unzulässig, da bereits formelle Rechtskraft eingetreten ist und der Senat an seine Entscheidung gebunden ist.
  • Eine Umdeutung in eine Anhörungsrüge ist ebenfalls nicht möglich, da kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Klägerin vorliegt.
  • Der Bundesgerichtshof würde eine zugelassene Revision in diesem Fall als unzulässig verwerfen.
  • Trotz neuerer Rechtsprechung des EuGH und des Bundesgerichtshofs sieht der Senat die Zulassungsvoraussetzungen für eine Revision nicht als gegeben an.

Kernargumente der Klägerin

Gegenvorstellung gegen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht möglich
Rechtsstreit um Revision: Klägerin kämpft um ihre Rechte vor Gericht, während OLG Nürnberg den Beschluss verteidigt. (Symbolfoto: Busra Ispir /Shutterstock.com)

Die Klägerin legte gegen den Beschluss des Senats eine Gegenvorstellung vor, in welcher sie die nachträgliche Zulassung der Revision anstrebte. Sie argumentierte, dass die Nichtzulassung der Revision ihre Rechte gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG beeinträchtige. Ein zentrales Argument war die grundsätzliche Bedeutung der Haftungsfrage, die eine Vielzahl möglicher betroffener Fahrzeuge betreffen könnte. Ein weiterer Punkt, den die Klägerin hervorhob, war die Schlussanträge des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof Rantos vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21. Sie war der Meinung, dass die Frage, ob sich aus bestimmten Paragraphen Schutzgesetze ableiten lassen, nicht mehr als geklärt angesehen werden könne. Daher sah sie die Möglichkeit, dass im Rahmen eines Revisionsverfahrens eine Vorlage des Bundesgerichtshofs an den EuGH erfolgen könnte.

Entscheidung des OLG Nürnberg

Das OLG Nürnberg entschied, dass die Gegenvorstellung der Klägerin unzulässig sei. Der Grund dafür war, dass die Klägerin durch ihre Gegenvorstellung erreichen wollte, dass der Senat eine bereits rechtskräftige Entscheidung nachträglich ändert. Eine solche Änderung wäre gemäß § 318 ZPO nicht zulässig. Auch eine Umdeutung der Gegenvorstellung in eine Anhörungsrüge nach § 321a ZPO wurde vom Gericht nicht in Betracht gezogen, da nicht dargelegt wurde, dass der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt wurde.

Das Gericht führte weiter aus, dass selbst wenn die Gegenvorstellung oder Anhörungsrüge als zulässig betrachtet würde, es keine Veranlassung gäbe, die Entscheidung vom 24.02.2023 zu ändern. Das Ziel der Klägerin, die Zulassung der Revision zu erreichen, wäre nur dann möglich, wenn der Senat seinen Beschluss vom 24.02.2023 komplett aufheben und erneut entscheiden würde. Dies wäre jedoch nicht möglich, da gegen einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO keine Revision zugelassen ist.

Rechtliche Einordnung

Die gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung stellt, laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Eine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Gegenvorstellung ist, dass das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen darf.

Relevanz und Tragweite

Die Entscheidung des OLG Nürnberg unterstreicht die Bedeutung der formellen Rechtskraft und die Grenzen der rechtlichen Mittel, die einer Partei zur Verfügung stehen, um gegen eine Entscheidung vorzugehen. Es zeigt auch die Komplexität und die vielschichtigen Aspekte, die bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln berücksichtigt werden müssen. Während die Klägerin auf grundsätzliche rechtliche Fragen und die mögliche Tragweite für andere Fälle hinwies, betonte das Gericht die Bedeutung der Rechtskraft und die Notwendigkeit, die Integrität des Rechtssystems zu wahren.

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Bedeutung § 522 Abs. 2 ZPO  kurz erklärt


§ 522 Abs. 2 ZPO regelt eine spezielle Vorschrift im Berufungsrecht. Wenn das Berufungsgericht die Berufung einstimmig für unbegründet hält und der Rechtssache keine grundlegende Bedeutung beimisst, soll es die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einen Beschluss verwerfen. Dies bedeutet, dass das Gericht die Berufung als offensichtlich ohne Erfolg ansieht und daher eine mündliche Verhandlung als nicht notwendig erachtet. Wenn eine Berufung auf diese Weise durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen wird, besteht die Möglichkeit, ab einer Beschwer von 20.000 € eine entsprechende Beschwerde einzulegen. Das bedeutet, dass Zurückweisungsbeschlüsse unter denselben Voraussetzungen wie Berufungsurteile angefochten werden können.


Die wichtigsten betroffenen Rechtsbereiche in diesem Urteil:

  • Zivilprozessordnung (ZPO): Die Zivilprozessordnung regelt das Verfahren vor den Zivilgerichten. In diesem Fall wird mehrfach auf Bestimmungen der ZPO Bezug genommen, insbesondere auf den § 522 Abs. 2 ZPO, der die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss und die damit verbundenen Rechtsmittel behandelt.
  • Grundgesetz (GG): Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Es werden Rechte gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG erwähnt, die das Recht auf den gesetzlichen Richter und den effektiven Rechtsschutz betreffen.
  • Europäisches Recht: Es wird auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und auf europarechtliche Bestimmungen Bezug genommen, insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen in Kraftfahrzeugen. Das zeigt, dass neben nationalem Recht auch europäisches Recht für die Beurteilung des Falles relevant ist.


Das vorliegende Urteil

OLG Nürnberg – Az.: 12 U 1269/20 – Beschluss vom 01.08.2023

Der Gegenvorstellung der Klägerin gegen den Senatsbeschluss vom 24.02.2023 wird keine Folge gegeben.

Gründe

I.

Der Senat hat durch Beschluss vom 24.02.2023, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 24.03.2020, Az. 3 O 13/20, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO und somit ohne Zulassung der Revision gegen diese Entscheidung zurückgewiesen.

Gegen diesen – von ihr irrtümlich als „Entscheidung vom 01.03.2023“ bezeichneten – Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.03.2023 „Gegenvorstellung nach § 321 a ZPO analog“ erhoben, mit der sie die nachträgliche Zulassung der Revision erreichen will. Sie ist der Ansicht, dass die Nichtzulassung der Revision sie in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie in ihrem Recht auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG verletze. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Haftungsfrage eine Vielzahl möglicher betroffener Fahrzeuge betreffe. Ferner sei in Anbetracht der Schlussanträge des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshofs Rantos vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 die Frage, ob sich aus § 6 Abs. 1, § 27 EG-FGV und Art. 5 EG-VO 715/2007 Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ableiten lassen, nicht (mehr) als geklärt anzusehen. Im Zuge eines Revisionsverfahrens komme deswegen eine Vorlage des Bundesgerichtshofs an den EuGH in Betracht.

II.

Die Gegenvorstellung ist unzulässig, weil die Klägerin hierdurch erreichen will, dass der Senat nachträglich eine Entscheidung abändert, an die er wegen der bereits eingetretenen formellen Rechtskraft entsprechend § 318 ZPO gebunden ist.

Eine Umdeutung der Gegenvorstellung in eine Anhörungsrüge nach § 321a ZPO kommt nicht in Betracht, da auch diese unzulässig wäre, weil schon nicht dargetan ist, dass der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt wurde (§ 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

Das Vorbringen der Klägerin gäbe jedoch auch dann, wenn hierin eine zulässige Gegenvorstellung oder Anhörungsrüge gesehen würde, keine Veranlassung, die Senatsentscheidung vom 24.02.2023 abzuändern.

Im Übrigen wäre das Ziel der Gegenvorstellung ohnehin nur dadurch erreichbar, dass der Senat seinen Beschluss vom 24.02.2023 vollständig aufhebt und durch Urteil erneut unter Zulassung der Revision entscheidet, da gegen einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO das Rechtsmittel der Revision nicht statthaft ist und eine dennoch zugelassene Revision vom Bundesgerichtshof als unzulässig zu verwerfen wäre (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19.03.2019 – IX ZR 50/18, Rn. 10)

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt die gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung ist daher, dass das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen darf (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 19.07.2018 – V ZB 6/18, Rn. 9 ff., sowie vom 18.10.2018 – IX ZB 31/18 Nr. 13 ff.). Damit ist eine Gegenvorstellung insbesondere im Fall der Bindung des Gerichts nach § 318 ZPO unzulässig. Unanfechtbare Entscheidungen können nicht über den Umweg der Gegenvorstellung anfechtbar gemacht werden (BGH, Beschluss vom 20.02.2007 – IX ZA 41/06 Rn. 1).

2. Der Beschluss vom 24.02.2023 ist für den Senat in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO bindend und die Gegenvorstellung infolgedessen unzulässig.

a) § 318 ZPO, wonach das Gericht an die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthaltenen Entscheidungen gebunden ist, bezieht sich nach seinem Wortlaut zwar nicht auf Beschlüsse; auch enthält § 329 Abs. 1 Satz 2 ZPO keine dahingehende Verweisung. Es ist aber allgemein anerkannt, dass die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisende Beschlüsse in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO für das Berufungsgericht unabänderlich und damit grundsätzlich bindend sind (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 318 Rn. 9 m. w. N.). Nach Eintritt der formellen Rechtskraft kann das Gericht daher auch in diesen Fällen seine Entscheidung nicht mehr abändern.

b) Der Beschluss vom 24.02.2023 wurde durch die Zustellung der Entscheidung an die Parteien wirksam und wegen der fehlenden Anfechtbarkeit mit einem ordentlichen Rechtsmittel zugleich entsprechend § 705 ZPO formell rechtskräftig.

c) Mit Eintritt der formellen Rechtskraft ist der Senat somit an seinen Beschluss entsprechend § 318 ZPO gebunden und kann diese Entscheidung auch nicht mehr auf eine Gegenvorstellung hin ändern.

d) Die von der Antragstellerin in Bezug genommene Rechtsprechung, wonach ein Gericht auf eine Gegenvorstellung hin jedenfalls ausnahmsweise seine eigene Entscheidung hinsichtlich der Zulassung der Revision abändern und die Revision nachträglich zulassen kann, sofern die Zulassung zuvor willkürlich unterblieben ist oder zu einer nicht zu rechtfertigenden Verkürzung des Instanzenzuges führt (somit nicht in jedem Fall etwaig fehlerhafter Rechtsanwendung), rechtfertigt keine andere Bewertung.

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Es verstößt, woran auch das Bundesverfassungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung grundsätzlich festgehalten hat, gegen die – auch für die Gegenvorstellung geltenden – Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn die Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechtes schafft, um vermeintliche Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Neben der Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO kommt daher eine in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehene Durchbrechung der materiellen Rechtskraft im Wege eine Gegenvorstellung grundsätzlich nicht in Betracht. Nach der bereits dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt dies auch für die nachträgliche Zulassung der Revision auf eine Gegenvorstellung hin, wenn das Gericht nach der Zivilprozessordnung nicht befugt ist, seine getroffene Entscheidung zu ändern. Der Bundesgerichtshof hat diese Auffassung insbesondere damit begründet, dass sonst die Gefahr bestünde, dass die Gerichte über die gesetzlich angeordnete Innenbindung sowie über die formelle Rechtskraft ihrer Entscheidungen, die nach den gesetzlichen Regeln unanfechtbar sind, unter Berufung auf vermeintliche Verfassungsverstöße selbst verfügen. Dies sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, weil für die Parteien jede Vorhersehbarkeit fehle, und zwar nicht nur für die Partei, die die Gegenvorstellung einlege, sondern auch für die Gegenpartei. Die Voraussetzungen der Gegenvorstellung ließen sich mangels fehlender gesetzlicher Regelung eine Abänderungsbefugnis für keine Partei im Voraus verlässlich absehen.

Die in der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen für einen Ausnahmefall, in dem die nachträgliche Zulassung der Revision in Betracht kommen kann (vgl. hierzu zusammenfassend BGH, Beschluss vom 18.10.2018 – IX ZB 31/18 Rn. 20 m. w. N. auch aus der Rechtsprechung des BVerfG), sind zudem nicht gegeben.

Der Senat, dem die unvermeidliche Problematik bewusst ist, dass er insoweit selbst zu beurteilen hat, ob seine eigene Entscheidung in grober Weise gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstößt, vermag auch bei erneuter Prüfung unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Klägerin nicht zu erkennen, dass es vorliegend willkürlich ist oder in nicht hinnehmbarer Weise den Instanzenzug verkürzt, wenn gegen Zurückweisung der Berufung der Klägerin das Rechtsmittel der Revision nicht zugelassen wird bzw. überhaupt eine Entscheidung im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO erfolgt. Vielmehr sieht der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin die Zulassungsvoraussetzungen objektiv weiter nicht als gegeben an, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufwirft, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (Kessal-Wulff in BeckOK-ZPO, 47. Edition, Stand 01.12.2022, § 543 Rn. 19, Zöller/Heßler, ZPO, § 543 Rn. 11, jeweils m. w. N.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihr in der Instanzrechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt. Die grundsätzliche Bedeutung kann sich auch aus dem tatsächlichen oder rechtlichen Gewicht einer Frage für den Rechtsverkehr ergeben.

Hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Frage, ob § 6 Abs. 1, § 27 EG-FGV und Art. 5 EG-VO 715/2007 Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellen und sich hieraus einSchadensersatzanspruch der Klägerin herleiten lässt, ist eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne nicht zu erkennen. Im Übrigen wurde die Frage der Schutzgesetzeigenschaft der vorgenannten Bestimmungen sowie die hieraus abzuleitenden Folgen für das deutsche Schadensersatzrecht durch das zwischenzeitlich in der von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtssache C-100/21 ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 und die Urteile des Bundesgerichtshofs am 26.06.2023 – Az. VIa ZR 35/21, VIa ZR 533/21 und VIa 1031/22, hinreichend geklärt.

Auch wenn danach von der Schutzgesetzeigenschaft der vorgenannten Bestimmungen ausgegangen wird, steht der Klägerin auch aus § 823 Abs. 2 BGB kein Schadensersatzanspruch wegen des mit dem Software-Update implementierten Thermofensters zu, weil dieses erst nach dem Kauf des Pkws installiert wurde. Die behauptete Verletzungshandlung (Installation des Thermofensters im Rahmen des Updates) kann somit – wie bereits Senatsurteil vom 24.02.2023 ausgeführt – für den bereits durch den Kauf eingetretenen Schaden nicht ursächlich gewesen sein (ganz in diesem Sinne BGH, Beschluss vom 12.09.2022 – VIa ZR 230/22 -, Rn. 17).

Dies gilt selbst vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21), wonach die den vorgenannten nationalen Vorschriften zugrunde liegenden europarechtlichen Bestimmungen neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug – wie im Streitfall in Gestalt des mit dem Update implementierten Thermofensters – mit einer europarechtlich unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, sowie im Hinblick auf die nachfolgend ergangene neueste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 26.06.2023, Az. VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22), nach der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 VO 715/2007/EG versehenen Kraftfahrzeugs ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Ersatz des Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zustehen kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rn. 28 ff.).

Denn die diesbezügliche Haftung des Fahrzeugherstellers resultiert ggfs. daraus, dass der Fahrzeughersteller eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung gemäß Art. 4 Abs. 3 VO 715/2007/EG ausgestellt hat. Die Übergabe der Übereinstimmungsbescheinigung erfolgte jedoch auch hier nicht erst anlässlich des Software-Updates, bei dessen Aufspielen auch das Thermofenster implementiert wurde, sondern bereits beim Ersterwerb des Fahrzeugs.

e) Soweit das Bundesverfassungsgericht die grundsätzliche Bedeutung einer Entscheidung daraus hergeleitet hat, dass in einem künftigen Revisionsverfahren eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen wäre (so auch in der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung vom 11.03.2022 – 1 BvR 1268/21 u.a) stand dies ausdrücklich unter der Maßgabe, dass es sich um eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfen Frage des Unionsrechts handelt.

Das ist hier – wie vorstehend ausgeführt – jedoch nicht der Fall.

Aus diesem Grund hat es der Senat auch nicht für geboten gehalten, selbst eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

f) Es ist ferner auch nicht erkennbar, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts sind gegeben, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierfür besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder jedenfalls verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (Kessal-Wulf, a. a. O, Rn. 23 m. w. N.).

Nach diesen Maßgaben ist im Hinblick auf die zwischenzeitlich umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den verschiedenen Aspekten des sogenannten Dieselskandals ein Bedürfnis für eine Fortbildung des Rechts nicht erkennbar.

Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kann (als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung) die Zulassung der Revision insbesondere dann gebieten, wenn wegen unterschiedlicher Entwicklung der Rechtsprechung oder wegen Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung (Divergenz) Rechtsunsicherheit zu befürchten ist und sich nur so zu vermeiden lässt, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es auch darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (Kessal-Wulf, a. a. O., Rn. 24 m. w. N.). Auch hierfür ist vorliegend vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung und den Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs nichts ersichtlich.

g) Da somit die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gegeben sind, erweist sich deren Nichtzulassung erst recht nicht als willkürlich und verkürzt für die Klägerin den Instanzenzug nicht in ungerechtfertigter Weise. Somit sind weder der aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleiteten Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Richter noch deren Recht auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) durch die Nichtzulassung der Revision verletzt.

h) Wie sich aus den Ausführungen unter II. 2. d) ergibt würde der Senat im Übrigen auch bei Zulässigkeit der Gegenvorstellung der Klägerin keine Veranlassung für eine nachträgliche Zulassung der Revision sehen.

3. Die unzulässige Gegenvorstellung der Klägerin kann auch nicht in eine Anhörungsrüge nach § 321a ZPO umgedeutet werden, weil die Voraussetzungen für deren Zulässigkeit nicht gegeben sind.

a) Wie vorstehend dargestellt ist eine – prozessual nicht vorgesehene – nachträgliche Zulassungsentscheidung grundsätzlich unwirksam, weil sie die Bindung des Gerichts an seine eigene Entscheidung (§ 318 ZPO) außer Kraft setzen würde. Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs. Die unterbliebene Zulassung der Revision als solche kann den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzen, es sei denn der auf die Zulassungsentscheidung bezogene Vortrag der Parteien ist fehlerhaft übergangen worden (BGH, Beschluss vom 13.05.2020 – VII ZB 41/19 Rn. 12 ff.). Die Anhörungsrüge ist dabei kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung. Art. 103 Abs. 1 GG soll lediglich sichern, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die auf mangelnder Kenntnisnahme oder Erwägung des von den Parteien gehaltenen Sachvortrags beruhen.

b) Die Klägerin hat schon nicht hinreichend dargelegt, dass hinsichtlich der Nichtzulassung der Revision bzw. der Entscheidung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß vorliegt. Der Senat hat das Vorbringen der Klägerin, die auch eine Aussetzung nach Art. 267 AEUV beantragt hatte, zu den maßgeblichen Fragen nicht übergangen, sondern lediglich – wie in den Gründen des Beschlusses vom 24.02.2023 ausgeführt – die Entscheidungserheblichkeit der europarechtlichen Vorfragen und die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung des EuGH anders als die Klägerin nicht als gegeben angesehen. Dabei wurde berücksichtigt, dass für die Beschwerdeentscheidung unionsrechtliche Bestimmungen mitbestimmend sind und daher jedenfalls grundsätzlich eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in Betracht kommen könnte.

c) Aber auch dann, wenn von der Zulässigkeit der Anhörungsrüge ausgegangen würde, könnte diese nicht zur nachträglichen Zulassung der Revision führen, da der Senat – wie unter II. 2. d) näher dargelegt – die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO auch unter Berücksichtigung des weiteren Vortrags der Antragstellerin nicht für gegeben ansieht.

 

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