OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
Az.: 6 U 116/01
Verkündet am 15.08.2002
Vorinstanz: Landgericht Frankfurt – 2/6 O 772/00
In dem Rechtsstreit hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2002 Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 11. 4. 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 6. Zivilkammer – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Zwangsvollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 42.416,59 €.
Tatbestand
Die Parteien streiten um bezifferte Schadensersatzansprüche wegen der behaupteten Verletzung eines Geschmacksmusters. Kernpunkt des Rechtsstreits ist die Frage, ob der Klägerin durch die Bewerbung imitierter Damenarmbanduhren in einem Versandhauskatalog der Beklagten zu 1. ein „Imageschaden“ entstanden ist, den die Klägerin auf der Basis fiktiver Lizenzgebühren für die Verbreitung des Versandhauskataloges liquidieren könnte.
Die Klägerin ist eine weltweit bekannte Herstellerin hochwertiger Armbanduhren. Sie ist Inhaberin des bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (W l PO) unter der Nummer DM/039375 registrierten und auch für die Bundesrepublik Deutschland geschützten Geschmacksmusters. Wegen dessen Ausgestaltung wird auf die Kopie der Eintragungsurkunde (Blatt 17 f. der Akte) verwiesen. Das Geschmacksmuster betrifft Armbanduhren, die von der Klägerin seit 1996 unter der Modellreihe „Catwalk“ in Deutschland vertrieben werden. Auf die Abbildungen der Original-Armbanduhr (Blatt 19 f. der Akte) wird verwiesen. Die Preise für die „Catwalk-Uhren“ betragen entsprechend ihrer Ausstattung zwischen 2.000,– und 15.000″ DM.
Die Beklagte zu 1. betreibt ein Versandhaus. Die von ihr angebotenen Artikel werden zweimal jährlich in einem ca. 1400 Seiten starken Katalog präsentiert. In in-: rem mit einer Auflage von 4,27 Millionen Stück verteilten Winterkatalog 1999/2000 (Erscheinungsdatum: Juni 1999) bot die Beklagte zu I. auf Seite 778 unter Nummer 12 eine Damenarmbanduhr zum Preis von 39,95 DM an (Abbildung Blatt 21 der Akte). Sie hatte – ihrer eigenen Auskunft zufolge – 230 Exemplare dieser Uhr exklusiv von der Beklagten zu 2. zu einem Stückpreis von 18,95 DM erworben und davon 164 Stück abgesetzt. Die restlichen Uhren gingen angeblich an die Beklagte zu 2. zurück.
Die Klägerin sieht in dem Angebot, und dem Vertrieb der bezeichneten Uhr eine Verletzung ihres Geschmacksmusters. Sie behauptet, durch die massenhafte Verbreitung des Kataloges sei ihr ein „Imageschaden“ entstanden, weil die Plagiate den Prestigewert des Originals herabsetzen würden. Die Klägerin berechnet diesen Imageverlust auf der Grundlage fiktiver Lizenzgebühren von 0,02 DM pro Katalogexemplar und gelangt so zu einem Schadensbetrag von 85.400,00 DM.
Die Klägerin hat beantragt,
I. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 85.400,– DM nebst 9,26 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen,
II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner allen Schaden zu ersetzen welcher der Klägerin daraus entstanden ist oder noch entstehen wird, dass die Beklagte zu 1. Uhren der in der Klageschrift auf S. 3 (Bl. 4 d.A.) abgebildeten Art, welche sie von der Beklagten zu 2. bezogen hat, angekündigt, feilgeboten und in den Verkehr gebracht hat.
Soweit ursprünglich noch ein Auskunftsanspruch im Hinblick auf die Mitteilung des bei dem Vertrieb der Imitate erzielten Gewinns geltend gemacht worden ist, haben die Parteien den Rechtsstreit unter Verwahrung gegen die Kostenlast für erledigt erklärt.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben unter Hinweis auf die erhebliche Preisdifferenz zwischen der streitbefangenen Uhr und den klägerischen Produkten abgestritten, dass durch die Verbreitung des Versandhauskataloges überhaupt eine Marktverwirrung mit der Folge einer Imagebeeinträchtigung der klägerischen Uhr entstanden ist.
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen weiteren Inhalt verwiesen wird, hat das Landgericht die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 2,540,36 DM nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagten hätten durch das Angebot und den Vertrieb der streitbefangenen Uhren das Geschmacksmusterrecht der Klägerin verletzt, weswegen sie gesamtschuldnerisch für deren Schaden aufkommen müssten. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehe allerdings nur in dem zugesprochenen Umfang, weil die Klägerin nur in dieser Höhe eine – nach der objektiven Methode der Schadensberechnung nach Verletzergewinn – ermittelte. Vermögenseinbuße erlitten habe. Weitergehende Schadensersatzansprüche in Gestalt eines sogenannten Marktverwirrungsschadens durch die Veröffentlichung der Abbildungen der Imitate im Versandhauskatalog der Beklagten zu 1. bestünden dagegen nicht. Die Klägerin habe es bereits versäumt, schlüssig darzulegen, dass überhaupt eine Marktverwirrung eingetreten sei. Wegen des erheblichen Preisunterschiedes der streitbefangenen Uhr und der Luxusuhren der Klägerin könne nicht ohne weiteres auf eine Substitution bzw. eine Popularisierung geschlossen werden. Dagegen spräche im übrigen die zurückhaltende Präsentation des Imitates als einer von vielen Armbanduhren im Katalog der Beklagten zu 1. Es sei nicht ersichtlich, dass im nennenswerten Umfang Interessenten der „Catwalk-Uhren“ von diesem Angebot Kenntnis erlangt hätten. Im übrigen könne die Klägerin ihren Schaden auch nicht auf der Basis fiktiver Lizenzgebühren berechnen. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass sie der Beklagten zu 1. die Abbildung der streitgegenständlichen Uhr nur gegen Zahlung einer angemessenen Lizenz erlaubt hätte. Im übrigen sei nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH WRP 1982, 518,519 = GRUR 1982, 489 -Korrekturflüssigkeit) eine Liquidation des Marktverwirrungsschadens im Wege der Lizenzanalogie ausgeschlossen.
Die Klägerin hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 82.959,64 DM (entspricht 42,416,59 €) anstrebt. Sie begehrt einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung ihres Schutzrechts und des Eingriffs in ein wettbewerbsrechtliches ergänzendes Leistungsschutzrecht (§ 1 UWG) nach der Methode der Lizenzanalogie. Die Klägerin wendet sich vor allem gegen die Rechtsausführungen des Landgerichts zur Erstattungsfähigkeit ihres „Imageschadens“. Mit Rücksicht auf die im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Juni 1992 (WRP 1992, 700 – GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II) dargelegten Grundsätze habe das Landgericht von dem im Wettbewerbsrecht allgemein geltenden Erfahrungssatz ausgehen müssen, wonach dem von einem Wettbewerbsverstoß unmittelbar Betroffenen regelmäßig – ein Schaden entstehe. Die Verletzung ihres Geschmacksmusters durch die Abbildung eines Imitates im Versandhauskatalog der Beklagten zu 1, lasse sich ohne weiteres im Wege der Lizenzanalogie sanktionieren, weil man annehmen könne, dass „Prestige-Artikel“ wie die „Catwalk“ bereits durch unkontrollierte Popularisierung Schaden nehmen würden. Sofern man die von ihr gewählte Berechnungsmethode nicht unmittelbar aus wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen ableiten wolle, so könnten urheberrechtliche Grundsätze analog herangezogen werden. Dort – sei es üblich, Verletzungen des Rechts an einer Fotografie nach der Anzahl der Vervielfältigungen zu bemessen.
Die Klägerin beantragt, in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin weitere 82.959,64 DM (entspricht 42.416,59 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinsatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes seit dem 16.12. 2000 zu zahlen.
Bezüglich der im Senatstermin nicht vertretenen Beklagten zu 2. beantragt die Klägerin ein entsprechendes Versäumnisurteil.
Die Beklagte zu 1. beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie streitet ab, eine Geschmacksmusterverletzung begangen zu haben. Sie spricht dem Klagemuster die Neuheit und Eigentümlichkeit ab und hält es für eine nicht schutzfähige Abwandlung der bereits 1995 von der Firma X vertriebenen „K“ (Abbildung Blatt 447 der Akten) sowie anderer vergleichbarer Manschettenuhren. Im übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin ist nicht begründet.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagten wegen der Verletzung des Geschmacksmusters an der „Catwalk“ keine über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinausgehende Schadensersatzansprüche zu.
I. Mit Recht hat das Landgericht zunächst festgestellt, dass die Beklagten gemeinschaftlich handelnd durch das Angebot und den Vertrieb der streitbefangenden Uhr die Geschmacksmusterrechte der Klägerin verletzt haben und daher verpflichtet sind, den der Klägerin entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 14a Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 GeschmMG, § 830, § 840 BGB).
1. Das klägerische Muster ist neu und eigentümlich. Der Senat hat bereits in einem Urteil vom 8. Februar 2001. (6 U 191/00) festgestellt, dass der ästhetische Gesamteindruck das Muster deutlich von den allgemein geläufigen Uhrenformen unterscheidet. Das Landgericht hat die das Muster prägenden Merkmale zutreffend festgestellt. Auf die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil wird ausdrücklich verwiesen. Die erstmals im Berufungsverfahren näher ausgeführten Einwendungen der Beklagten gegen die Eigentümlichkeit des Klagemusters vermögen an dieser Beurteilung nichts zu ändern:
Die den ästhetischen Reiz des Klagegeschmacksmusters prägenden Merkmale liegen zum einen in der besonderen Gestaltung der Längs- und Querflanken, die das Uhrgehäuse trotzt seiner „Integration“ in das Armband deutlich erkennbar werden lassen, zum anderen in der geringen Höhe der Querglieder, die dem Armband trotz seiner Breite und Kompaktheit die „Schwere“ nehmen. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen im Urteil des OLG Düsseldorf vom 19. Februar 2002 (Az: 20 U 129/01 Abi. Blatt 427/428 der Akte), die er sich zu eigen macht. Hierdurch unterscheidet sich das Klagegeschmacksmuster auch von der „K“, deren Erscheinung durch die gleichförmigen und gleichgroßen Einzelglieder des Armbandes geprägt ist. Die anderen von der Beklagten zu 1. herangezogenen Uhren sind entweder in ihrem ästhetischen Gesamteindruck gar nicht mit dem klägerischen Geschmacksmuster vergleichbar oder erst später auf den Markt gekommen.
2. Die Uhr der Beklagten ist eine Nachbildung des klägerischen Musters. Sie übernimmt die hervorstechenden Gestaltungsmerkmale des Musters, die für dessen ästhetischen Gesamteindruck wesentlich sind und dessen Eigentümlichkeit begründen, nahezu identisch. Bereits bei Betrachtung der Abbildung gewinnt ein unbefangener Betrachter ohne weiteres den Eindruck eines Imitates. Auch insoweit kann auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.
II. Mit Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der Klägerin durch den Verkauf der Plagiate ein Vermögensschaden entstanden ist. Auch wenn die Verkaufsaktion der Beklagten kein wirtschaftlicher Erfolg geworden ist, so widerspricht dies nicht der Annahme, dass die Klägerin dadurch Kunden verloren hat, weil einzelne potentielle Erwerber ihre Bedürfnisse schon durch den Erwerb der billigen Imitate befriedigen konnten (vgl. dazu BGH WRP 1992, 700 – GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II). Da es der Klägerin naturgemäß nicht möglich war, den insoweit eingetretenen Schaden näher zu konkretisieren, hat das Landgericht die Schadenssumme zu Recht im Wege der objektiven Methode nach Verletzergewinn berechnet. Hiergegen wenden sich weder die Klägerin noch die Beklagte zu 1..
Darüber hinausgehende Ersatzansprüche, die die Klägerin wegen der Bewerbung des streitgegenständlichen Imitats in dem Katalog 1999/2000 der Beklagten zu 1. geltend macht, stehen ihr jedoch nicht zu.
1. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin bereits durch das Angebot der Imitate im Versandhauskatalog der Beklagten zu 1. eine Vermögenseinbuße in Gestalt einer (Image-) Beeinträchtigung ihrer „Catwalk“-Uhren erlitten hat. Zwar kann schon die Werbung für schutzrechtswidrige Produkte bei den angesprochenen Verkehrskreisen für Irritationen sorgen und einen Störzustand in Form einer Verwirrung des relevanten Marktes herbeiführen. Die Marktverwirrung selbst stellt jedoch nicht notwendigerweise einen individuellen Schaden dar (BGH WRP 2001, 918, 922 = GRUR 2001, 841 – Entfernung der Herstellungsnummer II; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage Kap. 34 Rn. 7 m.w.N.). Sie kann sich zwar zu einer konkreten Vermögenseinbuße verdichten, zum Beispiel wenn der Schutzrechtsinhaber Kunden verliert, weil Interessenten annehmen, schon durch den „Kauf des Plagiats das erhoffte „Prestige“ erreichen zu können oder weil sie glauben, das Original sei bereits durch den Nachbau „entwertet“ (vgl. dazu BGH WRP 1991, 708 – GRUR 1991, 921 -Sahnesiphon). Die Tatsachen, die für eine solche konkrete Vermögenseinbuße sprechen könnten, sind jedoch vom Kläger vorzutragen und zu beweisen.
Im vorliegenden Fall fehlen ausreichende Anhaltspunkte für die Feststellung, dass die Klägerin schon durch das Angebot des Imitats im Versandhauskatalog der Beklagten zu 1. Kunden verloren und Umsätze eingebüßt hat. Anders als in dem von der Klägerin zitierten Rechtsstreit „Tchibo/Rolex II“, wo dem Gericht angesichts, von knapp 500.000 verkauften Plagiaten „handfeste Indizien“ für eine Vermögenseinbuße der Verletzten vorlagen, können hier allein aus der Verbreitung der Kataloge keine Schlussfolgerungen auf entsprechende Vermögensnachteile der Klägerin gezogen werden.
Dagegen spricht bereits, dass die Beklagte zu 1. in ihrem 1.400 Seiten starken Katalog eine Vielzahl unterschiedlicher Waren angeboten hat. Erfahrungsgemäß werden Versandhauskataloge selektiv nach den benötigten Waren durchgesehen, so dass nicht jeder der 4,27 Millionen Empfänger die streitbefangene Uhr wahrgenommen haben dürfte. Sie wurde darüber hinaus nicht besonders hervorgehoben, sondern auf den 16 „Uhrenseiten“ des Kataloges als eine von ca. 170 Uhren dargestellt. Hinzu kommt der vom Landgericht mit Recht herangezogene Umstand, dass die Käufer der Beklagten zu 1. angesichts des Preisniveaus ihrer Artikel in erster Linie am Gebrauchswert der Uhren interessiert sind und deshalb weniger zu den Kunden der Klägerin – die „im weiteren Sinn“ Schmuckstücke anbietet – zählen.
Als .Indiz für den nur eingeschränkten Öffentlichkeitseffekt des Versandhauskatalogs gilt auch der lange Zeitraum zwischen dessen Verbreitung im Juni 1.999 und der erst 12 Monate später erfolgten Abmahnung. Der Klägervertreter hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt, es entziehe sich seiner Kenntnis, warum die Klägerin erst so spät auf die Abbildung des Imitates im Versandhauskatalog der Beklagten zu 1. aufmerksam geworden sei, vielleicht habe man es bei einer früheren Durchsicht „übersehen“. Dies belegt den eingeschränkten Werbeeffekt, den die streitbefangene Abbildung ausgelöst hat und lässt vermuten, dass die Klägerin zumindest nicht auf Grund von „Protesten“ potentieller oder tatsächlicher Kunden gegen die Beklagten vorgegangen ist.
Unerheblich für die Darlegung einer konkreten Vermögenseinbuße ist auch der Hinweis der Klägerin auf eine entsprechende Praxis bei der außergerichtlichen Abwicklung derartiger Rechtsverstöße. Selbst wenn Versandhausunternehmen in einigen vergleichbaren Fällen pauschale Ausgleichssummen, kalkuliert nach einer Stücklizenz verteilter Kataloge, gezahlt haben, lässt dies noch keine Rückschlüsse auf eine entsprechende Vermögenseinbuße der Klägerin zu. Abgesehen davon, dass die Versandunternehmen in vielen Fällen unter der Bedrohung eines Verbreitungsverbotes „(re-) agiert“ haben, lässt sich aus den oben genannten Gründen auch nicht annehmen, dass potentielle Schutzrechtsverletzer bereit wären, bei freien Vertragsverhandlungen allein für die Ablichtung eines Imitates im Katalog Lizenzgebühren zu zahlen. Eine (fiktive) Lizenz für den Vertrieb eines nachgebildeten Produkts würde als selbstverständliche Nebenfolge im Interesse beider Lizenzvertragsparteien auch das Recht des Lizenznehmers einschließen, für den Vertrieb des Produktes Werbung zu betreiben.
2. Die Klägerin vermag eine konkrete Vermögenseinbuße auch nicht daraus herzuleiten, dass ihr Lizenzgebühren allein für die Gestattung der schutzrechtswidrigen Ablichtung im Katalog entgangen wären. Ihrer Auffassung, hier müssten die im Urheberrecht bei unerlaubter Vervielfältigung von Ablichtungen geschützter Werke entwickelten Kompensationsgrundsätze analog herangezogen werden, ist ‚ nicht zutreffend. Es ist zwar richtig, dass der Urheber eines Kunstwerkes dessen Vervielfältigung und Verbreitung durch Ablichtungen verbieten kann (§ 97 Abs. 1 i. V. m. §§ 16,17 UrhG; BGH WRP 2002, 712 = GRUR 2002, 605 -Verhüllter Reichstag; für das Geschmacksmusterrecht vgl. Eichmann, Geschmacksmustergesetz, 2. Auflage Rn 4 zu § 5).
Der vom Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung zu beurteilende Sachverhalt zeigt jedoch gleichzeitig, warum diese Kompensationsgrundsätze nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind. Dem Urheber eines Werkes der bildenden Kunst, gegebenenfalls auch eines geschmackmusterrechtlich geschützten Gegenstandes, eröffnet sich nämlich bei entsprechenden Publikumsinteresse die Möglichkeit, auch Abbildungen seines Werkes selbstständig kommerziell zu verwerten. Im Gegensatz dazu ist die Abbildung eines geschmacksmusterrechtlich geschützten Produktes in der Werbung grundsätzlich nur die Vorstufe für den nachfolgenden Vertrieb und hat damit keinen eigenständigen „Lizenzwert“. Es ist .vielmehr – wie bereits ausgeführt – in aller Regel so, das der Lizenznehmer mit dem Vertriebsrecht zugleich das Recht erhält, für das geschützte Produkt zu werben, weil sich andernfalls gar keine Verkaufserfolge erzielen lassen.
3. Mangels einer konkret belegten Vermögenseinbuße verbleibt zuletzt nur die klägerische Vermutung, die Beklagte zu 1. habe mit der Verbreitung ihres Versandhauskataloges eine Marktverwirrung herbeigeführt, die das Image der klägerischen Produkte beeinträchtigt haben könnte. Die Marktverwirrung stellt jedoch – wie bereits dargestellt – als solche lediglich einen Störungszustand dar, dem mit Abwehransprüchen zu begegnen ist (BGH WRP 2001, 918, 922 = GRUR 2001, 841- Entfernung der Herstellungsnummer II). Aus diesem Grund lehnt es der Bundesgerichtshof ab, bei behaupteter Marktverwirrung einen Schaden des Verletzten mit Hilfe der objektiven Schadensberechnung nach Lizenzanalogie ohne Rücksicht auf Verletzterumsätze zu ermitteln (vgl. BGH WRP 1987, 466, 467 = GRUR 1987, 364, 365 – Vier-Streifen-Schuh; BGH GRUR 1990,1008 – Lizenzanalogie; Groß-Kommentar zum UWG/Köhler vor §13 Randnummer 318).
Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Der Imageverlust eines geschützten Produktes stellt nur dann einen konkreten Vermögensnachteil dar, wenn er durch konkrete Fakten, wie beispielsweise Umsatzrückgänge des Verletzten, den konkreten Umsatzerfolg des Plagiats oder andere nachteilige Auswirkungen auf Seiten der Verletzten belegt werden kann. Die objektive Schadensberechnung nach fiktiven Lizenzgebühren erleichtert dann die Beweisführung des Verletzten, kann aber die vorher notwendige Feststellung eines Vermögensnachtelis grundsätzlich nicht ersetzen bzw. einen eigenständigen Schadensgrund darstellen (BGH WRP 1995, 393, 396 = GRUR 1995, 274- Objektive Schadensberechnung).
Dieser Berechnungsmethode kann zwar – wie der BGH in der zuletzt genannten Entscheidung näher ausgeführt hat – indizielle Bedeutung für die Feststellung eines Schadensgrundes zukommen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn das ohne Vergütung genutzte Leistungsergebnis einen eigenständigen Vermögenswert hat, der es zur. Lizenzierung geeignet erscheinen lässt. Wie oben bereits dargelegt wäre eine Lizenzierung für die Ablichtungen der Imitate überhaupt nicht in Betracht gekommen, weil die Werbung und der Vertrieb eines geschmacksmusterrechtlich geschützten Produktes eine wirtschaftliche Einheit bilden, die nicht getrennt vergütet wird. Da der Klägerin somit auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Lizenzanalogie keine weitergehenden Schadensersatzansprüche zustehen, konnte die Berufung nicht zum Erfolg führen.
Dies gilt auch, soweit die Klägerin zur Begründung ihres Schadensersatzanspruchs auf den Gesichtspunkt des Eingriffs in ein wettbewerbsrechtliches ergänzendes Leistungsschutzrecht gemäß § 1 DWG verweist. Insoweit wäre schadensersatzrechtlich keine abweichende Beurteilung geboten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1 bzw. 711 Satz 1 i.V.m. 708 Nr. l0 ZPO.
Die Revision war nach den übereinstimmenden Anträgen der Parteien zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).