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Geschwindigkeitsüberschreitung – Vorsatz


Blitzer´

Zusammenfassung:

Beschluss des Oberlandesgerichtes Bamberg zu den Anforderungen der Feststellung einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung in Abgrenzung zu einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung. Welche Würdigungen muss das Gericht vornehmen, um von einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgehen zu können? Reicht diesbezüglich der bloße Hinweis darauf aus, dass der Betroffene geäußert habe, dass er das Fahrzeug in Kenntnis der Ortslage habe ausrollen lassen?


Oberlandesgericht Bamberg

Az: 3 Ss OWi 294/15

Beschluss vom 24.03.2015


Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 16. Dezember 2014 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Schuldspruch des vorgenannten Urteils dahin abgeändert wird, dass der Betroffene der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h schuldig ist und die gegen den Betroffenen festgesetzte Geldbuße von 240 Euro auf 160 Euro reduziert wird.

II. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden in Höhe eines Drittels der Staatskasse auferlegt; im Übrigen hat der Betroffene seine Auslagen selbst zu tragen.


Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 16.12.2014 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h (§ 24 StVG i.V.m. §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 [Zeichen 274], 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG angeordnet. Nach den Feststellungen befuhr der seine Fahrereigenschaft einräumende, jedoch die Richtigkeit der Messung bestreitende Betroffene am 09.06.2014 um 14.19 Uhr mit einem Pkw eine Ortsverbindungsstraße, wobei er sich über die auf dem befahrenen Streckenabschnitt angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h „bewusst hinweg“ setzte. Mit seiner gegen seine Verurteilung gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde hat mit Ausnahme der Schuldform und der Höhe der gegen den Betroffenen festgesetzten Geldbuße keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Der Senat nimmt insoweit zur näheren Begründung auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift Bezug.

III.

Demgegenüber konnte der Schuldspruch, worauf die Rechtsbeschwerde – wenn auch im Rahmen ihrer den Anforderungen nach den §§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG an die zulässige Ausführung einer Verfahrensrüge insgesamt nicht genügenden Darlegungen – zutreffend hinweist, keinen Bestand haben, soweit das Amtsgericht von einer vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung ausgeht.

1. Das Amtsgericht hat die Annahme des Tatvorsatzes allein mit der Einlassung des Betroffenen begründet, „die Strecke, an der gemessen wurde, häufig zu befahren“ und die Geschwindigkeitsbegrenzung zu kennen, weshalb er „auf seine Geschwindigkeit geachtet“ und sein Fahrzeug habe „ausrollen“ bzw. „auslaufen lassen“. Es hat sich damit nicht in der gebotenen Weise mit den alle Vorsatzformen charakterisierenden immanenten kognitiven und hier vor allem voluntativen Vorsatzelementen auseinander gesetzt. Denn den Feststellungen des Amtsgerichts ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Umstände oder Indizien der Betroffene die ihm angelastete Überschreitung der ihm zwar bekannten Geschwindigkeitsbeschränkung auch tat- sächlich positiv erkannt bzw. sich über sie „bewusst hinweg“ gesetzt oder die Überschreitung auch nur billigend in Kauf genommen haben muss (zu den Darstellungsund Begründungsanforderungen bei Annahme vorsätzlicher Begehungsweise vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 19.06.2013 – 3 Ss OWi 474/12 = DAR 2014, 37 = VerkMitt 2014, Nr. 3 = OLGSt StVO § 3 Nr. 19; OLG Bamberg, Beschluss vom 26.04.2013 – 2 Ss OWi 349/13 = DAR 2014, 38 = OLGSt StPO § 261 Nr. 21; OLG Bamberg, Beschluss vom 20.10.2010 – 3 Ss OWi 1704/10 [für vorsätzliche Nichteinhaltung des Mindestabstandes] = DAR 2010, 708 = zfs 2011, 50 = SVR 2011, 76 = OLGSt StPO § 267 Nr. 23 = VRR 2010, 472 [Gieg] und zuletzt instruktiv [jeweils zur Herleitung des Tatvorsatzes bei ,erheblicher‘ Geschwindigkeitsüberschreitung] OLG Celle, Beschluss vom 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13 = VerkMitt 2014, Nr. 5 = VRS 125 [2013], 178 = NZV 2014, 232 = zfs 2014, 350 = OLGSt StVO § 3 Nr. 18 und OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.06.2014 – 53 Ss-OWi 230/14 = VRS 127 [2014], 41, jeweils m.w.N.; siehe zu allem auch Burhoff in Burhoff [Hrsg.], Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. [2015], Rn. 2422 ff., insbesondere Rn. 2428 ff.).

2. Unabhängig vom Fehlen sich aufdrängender, weil regelmäßig unmittelbar beweiserheblicher oder doch wenigstens im Einzelfall indiziell aussagekräftiger Feststellungen, etwa zur konkreten Fahrbahnbeschaffenheit und zum Streckenverlauf sowie zur konkreten Beschilderung einschließlich einer etwaigen räumlichen Staffelung der Beschränkung oder weiterer besonderer Hinweisschilder (z.B. auf Gefahrenlagen), ist für den Senat damit nicht nachvollziehbar, weshalb das Amtsgericht allein aufgrund der vorgenannten Äußerungen des Betroffenen zu der Überzeugung gelangt ist, wonach „aufgrund dieser Umstände […] ausgeschlossen“ sei, „dass die Geschwindigkeitsüberschreitung auf mangelnder Sorgfalt oder einen Versehen beruht“.

IV.

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 79 Abs. 6 OWiG), so dass es einer Zurückverweisung an das Amtsgericht nicht bedarf.

1. Im Hinblick auf den Schuldspruch ist nicht erkennbar, dass weitere relevante Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden können, welche die Annahme einer (auch nur bedingt) vorsätzlichen Begehungsweise hinreichend rechtfertigen könnten.

2. Auch wegen des Rechtsfolgenausspruchs ist eine Zurückverweisung entbehrlich.

a) Nach den Feststellungen wurden gegen den Betroffenen wegen dreier jeweils im Jahre 2013 begangener Geschwindigkeitsüberschreitungen außerhalb geschlossener Ortschaften um 19 km/h (Tatzeit: 05.11.2013), 27 km/h (Tatzeit: 22.09.2013) und 31 km/h (Tatzeit: 08.09.2013) Geldbußen in Höhe von 70 Euro, 80 Euro und 120 Euro festgesetzt. Rechtskraft der zugrundeliegenden Bußgeldentscheidungen vom 16.01.2014, 21.11.2013 und 29.10.2013 trat jeweils erst am 17.03.2014, mithin keine drei Monate vor dem hier verfahrensgegenständlichen neuen und einschlägigen Verstoß ein. Angesichts dieser schon vom Amtsgericht zutreffend als bußgelderhöhend gewerteten Vorahndungen in auffällig dichter zeitlicher Abfolge erscheint dem Senat für die ,nur‘ fahrlässige Tatbestandsverwirklichung – entsprechend der schon im Bußgeldbescheid vom 07.07.2014 festgesetzten Geldbuße – die Verdoppelung des an sich nach lfd. Nr. 11.3.5 der Tabelle 1 c zum BKat verwirkten Regelsatzes von 80 Euro, mithin die Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 160 Euro als gerechtfertigt und angemessen.

b) Die Festsetzung des einmonatigen Regelfahrverbots wegen des vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei angenommenen beharrlichen Pflichtenverstoßes in einem Regelfall im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV entspricht § 4 Abs. 2 Satz 1 BKatV i.V.m. i.V.m. lfd. Nr. 11.3.5 der Tabelle 1c zum BKat. Gründe, hiervon ausnahmsweise abzuweichen, oder Anhaltspunkte für die Annahme, der Zweck des Fahrverbots könnte mit einer weiter erhöhten Geldbuße allein erreicht werden, sind nicht ersichtlich.

V.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

VI.

Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.


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