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Grundstücksbeeinträchtigung durch Haltung von Bienenvölkern auf Nachbargrundstück

Bienenschwärme und Immobilienrechte: Eine juristische Auseinandersetzung über das Nachbarschaftsrecht

Im Kern des beschriebenen Falls stand die Auseinandersetzung zwischen Nachbarn über die Bienenhaltung auf einem angrenzenden Grundstück. Die Haltung der Bienenvölker durch den Kläger führte zu einer massiven Präsenz von Bienen auf dem Grundstück und speziell auf der Loggia der Beklagten. Die Klägerin sah dadurch ihre Nutzung der Immobilie, insbesondere der Loggia, stark beeinträchtigt. Dieser Konflikt stellt das Hauptproblem des Falls dar und wirft die Frage auf, ob und in welchem Ausmaß eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch die Haltung von Bienenvölkern zulässig ist.

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Sachverständiger mit Fachkenntnissen über Bienen

Ein wesentlicher Aspekt dieses Falles war die Auswertung und Interpretation des Gutachtens des Sachverständigen. Dieser war ein promovierter Diplom-Biologe und ehemaliger Leiter des Bieneninstituts der Landwirtschaftskammer NRW. Seine Fachkompetenz wurde vom Gericht trotz fehlender öffentlicher Bestellung und Vereidigung anerkannt. Er argumentierte überzeugend, dass aufgrund der Menge der Bienenvölker und der örtlichen Gegebenheiten eine erhebliche Anzahl von Bienen auf das Grundstück der Beklagten gelangt.

Bienenhaltung und Nachbarschaftsrecht

Der rechtliche Aspekt des Falles zentrierte sich um das § 906 BGB, welches besagt, dass die Beeinträchtigung eines Nachbargrundstücks durch Emissionen im Allgemeinen zulässig ist, sofern diese nicht das normale Maß überschreitet und die Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt. Das Gericht folgte der Argumentation des Sachverständigen und kam zu dem Schluss, dass die Art und Weise der Bienenhaltung des Klägers, und die daraus resultierende massive Bienenpräsenz auf dem Grundstück der Beklagten, eine Ausnahme von dieser Regel darstellte.

Keine Wiederaufnahme des Verfahrens

Obwohl der Kläger mit der Entscheidung des Gerichts unzufrieden war und behauptete, der Sachverständige sei nicht hinreichend sachkundig, sah das Gericht keinen Grund, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Argumente des Klägers waren nicht neu, sondern vertieften nur die bereits vorgebrachten Argumente. Das Gericht bestätigte die Entscheidung, die auf Grundlage der mündlichen Verhandlung getroffen wurde.

Abschließende Bemerkungen

Letztlich unterstreicht dieser Fall die Komplexität der Auslegung des Nachbarschaftsrechts im Kontext spezifischer und ungewöhnlicher Situationen wie der Bienenhaltung. Der Fall demonstriert, wie das Gleichgewicht zwischen den Rechten der Grundstückseigentümer und der Notwendigkeit, unnötige Störungen zu vermeiden, in der Praxis beurteilt wird. Es zeigt auch die wichtige Rolle von Sachverständigen in solchen Prozessen, deren Fachkenntnisse wesentlich zur Urteilsfindung beitragen können.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-24 U 109/19 – Urteil vom 25.06.2020

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.07.2019 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Der Senat lässt eine Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Hinblick auf die getroffene Einzelfallentscheidung nicht vorliegen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR nicht übersteigt.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Nachbargrundstück: Bienenhaltung als Beeinträchtigung
Bienenhaltung gegen Grundstücksnutzung: Ein Fall von Nachbarschaftsstreit, balanciert zwischen Eigentumsrechten und vermeidbaren Störungen, unterstreicht die Rolle von Expertenmeinungen im rechtlichen Urteil. (Symbolfoto: Hakim Graphy /Shutterstock.com)

1. Die Klage ist zwar, insbesondere im Anbetracht der erfolgten Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1a JustG NRW und soweit das Landgericht ein Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO bejaht hat, zulässig.

2. Sie ist aber, auch in der zuletzt vor dem Senat beantragten Fassung, unbegründet.

a) Die Parteien wohnen in der T-Straße in W in praktisch baugleichen, unmittelbar aneinander gebauten Häusern (Nr. 27 und Nr. 29). Beide Häuser weisen nach Osten gerichtete, baugleiche Loggien im ersten Obergeschoss von jeweils etwa acht Metern Breite unter Satteldächern auf, die ebenfalls unmittelbar aneinandergrenzen und deren Dächer somit ein umgekehrtes W bilden. Auf der südlichen Seite vor der Loggia des Klägers, die auf einer Dachseite ein Schrägfenster aufweist, befindet sich ein Walnussbaum, der den ohnehin dunkel gelegenen Innenraum der Loggia noch weiter beschattet. Auf der südlichen Seite der Loggia der Beklagten, praktisch auf der Grenzlinie der beiden Loggien, steht eine Kiwi-Pflanze. An der Rückwand der Loggien befinden sich Fenster und Balkontüren, die unmittelbar in den Wohn- und Schlafbereich der jeweiligen Häuser führen. Der Kläger betreibt von seiner Loggia aus eine Hobby-Imkerei mit sechs Bienenbeuten, die er parallel zur Mittellinie der Loggia jeweils zu dritt auf den Seiten des Loggia-Innenraums aufgestellt hat.

b) Dem Kläger stehen der geltend gemachte Anspruch auf Duldung der Haltung von bis zu acht Bienenvölkern (hilfsweise sieben, weiter hilfsweise sechs) bzw. auf Feststellung seiner Berechtigung dazu in der Loggia seines Hauses in der T-Straße 27 in W, sowie der weiter geltend gemachte Anspruch auf Duldung des zusätzlichen vorübergehenden Aufstellens von bis zu fünf Kleinvölkern in den Sommermonaten Mai bis September auf dem Grundstück T-Straße 27 in W nicht zu.

Die Beklagte ist insbesondere nicht gemäß §§ 1004 Abs. 2, 906 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 BGB verpflichtet, die von dem Kläger vorgenommene und weiter beabsichtigte Bienenhaltung in der Loggia seines Hauses, zu dulden. Vielmehr ist sie berechtigt, die Beseitigung und Unterlassung der von der Bienenhaltung in der von dem Kläger beabsichtigten Form ausgehenden Beeinträchtigungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu verlangen.

aa) Eine Duldungspflicht gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht nicht, da die von dem Grundstück des Klägers ausgehenden Einwirkungen die Benutzung des Grundstücks der Beklagten mehr als nur unwesentlich beeinträchtigen.

Gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Bei einer von der Bienenhaltung auf einem anderen Grundstück ausgehenden Beeinträchtigung auf ein Grundstück handelt es sich, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, um eine den in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgezählten Einwirkungen ähnliche, von einem Grundstück ausgehende Einwirkung, die unter den dort genannten Voraussetzungen zu dulden ist. Dies ist in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung sowie weitestgehend in der Literatur seit langem anerkannt (vgl.  BGH, NJW 1992, 1389; OLG Bamberg, NJW-RR 1992, 406; Fritzsche in BeckOK BGB, Stand: 01.05.2020, § 906 Rn. 32; Klimke in BeckOGK, Stand: 01.01.2020, § 906 BGB Rn. 44; Wilhelmi in Erman, BGB, 15. Aufl., § 906 Rn. 10a; Herrler in Palandt, 79. Aufl., § 906 Rn. 11, jeweils m.w.N.). Der Senat hat keine Veranlassung von dieser Auffassung abzuweichen.

Die insoweit durch die Bienenhaltung des Klägers von dem Klägergrundstück auf das Beklagtengrundstück entstehende Einwirkung insbesondere durch Bienenflug auf dem Grundstück sowie in und vor der Loggia der Beklagten stellt eine mehr als unwesentliche Beeinträchtigung der Benutzung ihres Grundstücks dar.

Bei der Bewertung, ob eine Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB wesentlich ist oder nicht, ist auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen sowie darauf, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (vgl. BGH, NJW 2019, 773 Rn. 13). Nicht entscheidend ist danach eine besondere individuelle Empfindsamkeit des betroffenen Grundstückseigentümers; zu berücksichtigen sind aber die örtlichen Begebenheiten, insbesondere der Gebietscharakter der Grundstücke, sowie schützenswerte öffentliche und private Gegeninteressen (vgl. Klimke in BeckOGK, Stand: 01.01.2020, § 906 Rn. 86 ff. m.N.).

Dies zu Grunde gelegt ist der Senat der Überzeugung, dass die von den Bienen des Klägers ausgehenden Einwirkungen auf das Grundstück der Beklagten dieses mehr als nur unwesentlich beeinträchtigt.

(1) Der Senat ist gemäß § 286 ZPO davon überzeugt, dass das Grundstück der Beklagten und ihre Loggia aufgrund der Art und Weise der Bienenhaltung durch den Kläger in einem Umfang von Bienen aufgesucht wird, die eine zumutbare Nutzung des Grundstücks und insbesondere der Loggia durch die Beklagte verhindert. Der Senat schließt sich insoweit der von dem Landgericht vertretenen Auffassung nach Würdigung des Gutachtens des Sachverständigen N unter Berücksichtigung der ergänzenden Vernehmung des Sachverständigen und der Gegenüberstellung mit dem von dem Kläger gestellten Privatsachverständigen K im Senatstermin vom 02.06.2020 an.

Der gerichtliche Sachverständige, der promovierter Diplom-Biologe und ehemaliger Leiter des Bieneninstituts der Landwirtschaftskammer NRW ist und an dessen Sachkunde der Senat auch angesichts des Umstands, dass er nicht öffentlich bestellt und vereidigt ist, keinen Anlass hat zu zweifeln, hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass angesichts der Menge der von dem Kläger gehaltenen Bienenvölker und der örtlichen Begebenheiten sicher davon auszugehen ist, dass eine erhebliche, die natürlichen Verhältnisse deutlich übersteigende Anzahl von Bienen auf das Grundstück der Beklagten und auf die Loggia der Beklagten gelangen. Der Sachverständige hat aufgrund einer Ortsbesichtigung plausibel beschrieben, dass die örtlichen Verhältnisse in der für sechs Bienenbeuten räumlich nicht ausgelegten Loggia des Klägers und angesichts der Nähe der praktisch baugleichen Loggia der Beklagten es bedingen, dass die Bienen nach ihrem Sammelflug in einer nicht unerheblichen Anzahl auch die Loggia der Beklagten aufsuchen. So entstehe aufgrund der gemeinsamen Ausrichtung der Loggien nach Osten, des auf der rechten Seite der Loggia des Klägers stehenden Walnussbaums und der auf der rechten Seite der Loggia der Beklagten stehenden und rankenden Kiwi-Pflanze ein „Flugkanal“ von etwa zwei Metern Durchmesser, den alle Bienen sowohl beim Hin- als auch beim Rückflug durchfliegen müssten. Es sei zwar davon auszugehen, dass die meisten der insgesamt etwa 120.000 Bienen den Rückflug ohne besondere Orientierungsschwierigkeiten bewältigten. Schon allein aufgrund der örtlichen Nähe und Enge sowie aufgrund der für Bienen in der Blütezeit attraktiven Kiwi-Pflanze sei aber sicher davon auszugehen, dass die Loggia der Beklagten von einer kleinen Prozentzahl und somit von einer absoluten Vielzahl von Bienen angeflogen werde, die dort – auf Tischen, Stühlen oder der Bekleidung der Bewohner – ausruhten oder irrtümlich landeten. Insoweit sei auch der Vortrag der Beklagten, Bienen könnten sich aufgrund des von ihr genutzten Haarsprays in ihren Haaren verfangen, einleuchtend. Der Senat kann diese Einschätzung des Sachverständigen ohne weiteres nachvollziehen.

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Der gerichtliche Sachverständige hat darüber hinaus dargelegt, dass auch die alle paar Tage stattfindenden Orientierungsflüge der Jungbienen – insoweit sei je Königin mit über 7.000 Jungbienen pro Woche zu rechnen – eine erhebliche Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks darstellen. Insoweit führen die örtlichen Verhältnisse, die die Bienen dazu zwingen aus ihren Beuten heraus zunächst in die Mitte der Loggia des Klägers und von dort aus nach vorne hinaus in den freien Luftraum zu fliegen, dazu, dass die Orientierungsflüge der Jungbienen unmittelbar vor der klägerischen Loggia stattfinden. Dabei fänden die Orientierungsflüge in der Weise statt, dass die Bienen in sich erweiternden Kreisen um den Loggia-Eingang herum und somit notgedrungen auch vor der Loggia der Beklagten kreisten. Aufgrund der Menge der jeweils ausströmenden Jungbienen stelle sich das als ein – für Laien möglicherweise beängstigend erscheinendes und aus laienhafter Sicht mit einem Bienenschwarm, bei dem etwa 10.000 Bienen den Stock gemeinsam verließen, verwechselbaren – Verhalten dar. Auch diese Darstellung des Sachverständigen überzeugt den Senat. Der Senat teilt die Einschätzung des Sachverständigen, dass ein solches Schauspiel für die Beklagte entsprechend ihrem Vortrag erhebliche (psychische) Beeinträchtigungen insbesondere bei der Nutzung ihrer Loggia mit sich bringen kann, die nicht auf einer besonderen Empfindsamkeit beruhen.

Der Senat hat bei der Würdigung der Angaben des gerichtlichen Sachverständigen auch die Angaben des Privatsachverständigen K sowie den Vortrag des durch ihn beratenen Klägers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Der Privatsachverständige, dem der Senat die durch seine Profession belegte Sachkunde nicht abspricht, konnte die Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen allerdings nicht plausibel widerlegen. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Streit der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2020 in erster Linie darum kreiste, ob die Unterbringung der sechs Beuten in der Loggia des Klägers aus Tierschutzgründen sachgerecht ist. Angesichts der grundsätzlichen Nützlichkeit und des wünschenswerten Haltens von Bienen im Allgemeinen einerseits und der verhältnismäßig beengten Begebenheiten auf dem Grundstück des Klägers andererseits, die die Haltung der Bienen in dieser Anzahl eventuell noch am ehesten auf der Loggia möglich erscheinen lassen, kann der Senat nachvollziehen, wenn in dieser Frage unterschiedliche fachliche Ansichten, je nachdem, ob der Schwerpunkt auf eine allgemein hohe Bienendichte oder auf die Haltung im Einzelfall unter Berücksichtigung nachbarschaftlicher Gesichtspunkte gelegt wird, vertreten werden. Soweit der Privatsachverständige aber bestritten hat, dass es – wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat – in erheblichem Maße vorkommen könne, dass die Bienen sich insbesondere bei dem Heimflug auf die Loggia der Beklagten verirren, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Privatsachverständige konnte insoweit den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen keine plausible Erklärung für seine Auffassung entgegensetzen. Seine Aussage, er habe in der Schweiz Bienenhäuser mit 20-30 Völkern auf engem Raum gesehen, wo sich „keine Biene verfliege“, reicht dafür nicht aus. Diese Erklärung widerspricht jedenfalls nicht der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen hinsichtlich der Orientierungsflüge der Jungbienen und vermag der Senat im Hinblick auf die erhebliche Anzahl der Bienen in der Haltung des Klägers in unmittelbarer Nähe zur Loggia der Beklagten auch im Übrigen nicht nachzuvollziehen.

(2) Davon ausgehend hat der Senat die Frage, ob eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, zu bejahen. Angesichts der Feststellungen des Sachverständigen stellt sich die Beeinträchtigung durch die Bienen auch für einen verständigen Durchschnittsmenschen als erheblich dar. Zwar ist nach Auffassung des Senats von einem verständigen Durchschnittsmenschen Bienenflug als natürlicher Vorgang in zumutbarem Umfang auf dem eigenen Grundstück und auch auf der eigenen Loggia zu dulden, selbst wenn es gelegentlich zu Bienenstichen oder zu Aufenthalten von Bienen in der Wohnung kommen mag. Die Beeinträchtigung durch die Bienen aus der Haltung des Klägers übersteigen aber nach den zu Grunde zu legenden Feststellungen des Sachverständigen das zu tolerierende Maß. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beschwerden der Beklagten im Hinblick auf die Bienen, wie die Berufung zu meinen scheint, auf eine besondere Empfindlichkeit der Beklagten zurückzuführen sind. Vielmehr kann nachvollzogen werden, dass eine so erhebliche Anzahl von Bienen in wenigen Metern Entfernung von der eigenen Wohnung bzw. der eigenen Loggia unter Berücksichtigung der daraus resultierenden Frequenz von Bienen im eigenen Wohnbereich auch für einen durchschnittlichen, besonnen abwägenden Menschen in deutlicher Weise unangenehm und störend ist. Der Maßstab des verständigen Durchschnittsmenschen bedeutet insoweit nämlich auch, dass nicht etwa auf die Empfindungen eines begeisterten Hobby-Imkers abzustellen ist, dem die unmittelbare Nähe von Bienen in erheblicher Anzahl nichts ausmacht. Es kann von einem Laien nicht der gelassene Umgang mit – wovon der Senat ausgeht – an sich zumeist ungefährlichen Insekten erwartet werden, den ein Imker oder ein Hobby-Imker zeigt.

Bei der Abwägung hat der Senat auch den Gebietscharakter der Grundstücke berücksichtigt. Die Stadt W liegt in einer verhältnismäßig ländlichen Umgebung mit vielen Park- und Grünanlagen; die mit ihren eng beieinander liegenden baugleichen Loggien aneinander gebauten Häuser der Parteien stehen aber in einem reinen Wohngebiet. Hier ist Bienenhaltung zwar grundsätzlich üblich, aber von der Beklagten nicht in der von dem Kläger durchgeführten Art und Weise, insbesondere in dem durchgeführten Umfang, zu tolerieren (vgl. aus öffentlich-rechtlicher Sicht VG Osnabrück, Urteil vom 26.03.2004 – 2 A 4/03, juris). Dabei teilt der Senat die Auffassung, dass die Bienenhaltung im Allgemeinen nicht nur aus Naturschutzgründen wünschenswert ist, sondern wegen der von ihnen erbrachten Bestäubungsleistung von Blütenpflanzen auch für die Agrarwirtschaft notwendig ist. Auch unter Berücksichtigung der damit begründeten schützenswerten öffentlichen Interessen sowie der Privatinteressen des Klägers an der Durchführung der Bienenhaltung und der Gewinnung von Honig kann jedoch im konkreten Fall eine wesentliche Beeinträchtigung der Beklagten nicht verneint werden.

bb) Eine Duldungspflicht der Beklagten im Hinblick auf acht (bzw. sieben bzw. sechs Bienenbeuten und fünf Ablegervölker) folgt auch nicht aufgrund ortsüblicher Benutzung des klägerischen Grundstücks aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die vorliegende Nutzung des klägerischen Grundstücks ist nicht ortsüblich.

Es kommt für die Frage der Ortsüblichkeit darauf an, ob die durch eine Nutzung hervorgerufenen Beeinträchtigungen nicht stärker sind, als in dem betreffenden Gebiet im Allgemeinen üblich, ob also eine vergleichbare Nutzung auf anderen Grundstücken der Umgebung zu vergleichbaren Beeinträchtigungen der Nachbargrundstücke führt (vgl. BGH, NJW 1993, 935 [930]).

Der Senat geht dabei in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen davon aus, dass die Haltung von Bienen als solche grundsätzlich bundesweit und auch in der Stadt W ortsüblich ist. Der Kläger hat aber seiner Darlegungs- und Beweislast (vgl. Klimke in BeckOGK, Stand: 01.01.2020, § 906 BGB Rn. 424) insoweit nicht genügt, als auf die konkrete Art und Weise der Haltung von Bienenvölkern auf der Loggia eines Hauses abzustellen ist. Angesichts der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, denen der Senat folgt, kann im Hinblick auf die Art und Weise der Bienenhaltung durch den Kläger nicht angenommen werden, dass eine solche Bienenhaltung mit den oben beschriebenen Folgen für das unmittelbare Nachbargrundstück in der Umgebung in gleicher oder ähnlicher Weise vorkommt. Solches hat der Kläger auch nicht konkret behauptet.

cc) Soweit der gerichtliche Sachverständige im Übrigen angegeben hat, dass aus fachlicher Sicht eventuell zwei Bienenvölker auf der Loggia oder vier Bienenvölker an der Südseite des klägerischen Hauses vertretbar sein könnten, hat eine teilweise Stattgabe der Klage nicht zu erfolgen. Der Kläger hat auf Frage des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung bekundet, dass er sechs Bienenvölker hält und auch weiterhin halten will. Dem entspricht der zweite, vom Umfang her geringste Hilfsantrag (Duldung von sechs Beuten). Die hinsichtlich der Anzahl der Beuten dezidiert gestellten Klage- und Hilfsklageanträge können daher nicht dahin verstanden werden, dass der Kläger Interesse an einer noch weitergehenden Reduzierung der Beutenanzahl hat. Der geltend gemachte Duldungsanspruch ist daher im Hinblick auf §§ 1004 Abs. 1 und 2, 906 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB insgesamt zu verneinen.

dd) Soweit der Kläger mit der Klage geltend gemacht hat, die Beklagte habe einer Bienenhaltung auf seinem Grundstück (konkludent) zugestimmt, dringt er damit nicht durch. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, die Beklagte habe auf seine Ankündigung, Bienen halten zu wollen, erklärt, dann wisse sie, wo sie ihren Honig bekommen könne. Das stellt keine Zustimmung in die konkrete Art und Weise der Nutzung durch Bienenhaltung von sechs oder mehr Bienenvölkern auf der Loggia des Klägers dar, zumal der Kläger nicht vorträgt, von welchem Umfang an Bienenhaltung gegenüber der Beklagten die Rede gewesen sein soll.

c) Dem Kläger steht auch der weiter geltend gemachte Anspruch auf Erstattung seiner für das vorprozessuale Schlichtungsverfahren gemachten Aufwendung von 18,60 EUR nebst Zinsen nicht zu. Da der verfolgte Hauptanspruch nicht gegeben ist, besteht auch kein Anspruch auf Erstattung (notwendiger) Rechtsverfolgungskosten gemäß § 280 Abs. 1 BGB.

d) Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf Rücknahme der Anzeige der Beklagten beim Landkreis C (Az.: 0000000). Ein solcher, aufgrund von §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB (analog) oder § 242 BGB grundsätzlich in Betracht kommender Anspruch, setzt jedenfalls voraus, dass die in Rede stehende Nutzung des Grundstücks des Klägers zulässig ist; das ist nicht der Fall.

3. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 23.06.2020 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Der Kläger wiederholt und vertieft im Einzelnen die bereits früher schriftlich vorgebrachten und in der mündlichen Verhandlung intensiv ausgetauschten Argumente, ohne dass dies den Senat nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage dazu veranlasst, die auf Grundlage der mündlichen Verhandlung getroffene Entscheidung zu ändern. Insbesondere soweit der Kläger die Auffassung vertritt, der gerichtliche Sachverständige N sei nicht hinreichend sachkundig, hat der Senat aufgrund der vorgebrachten Umstände weiterhin keinerlei Veranlassung an der hinreichenden Sachkunde des Sachverständigen zu zweifeln. Der Sachverständige weist vielmehr aufgrund seiner von ihm im Termin dargestellten Vita als promovierter Biologe und ehemaliger Leiter des Bieneninstituts der Landwirtschaftskammer NRW und aufgrund seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, die sich in diversen Veröffentlichungen ausgedrückt hat, eine durch den Senat in jeder Hinsicht nachvollziehbare Sachkunde auf. Seine Ausführungen sind auch vor dem Hintergrund der von dem Kläger in weiten Teilen referierten, in der mündlichen Verhandlung geäußerten abweichenden Auffassung des Privatsachverständigen K überzeugend.

Soweit der Kläger im Übrigen meint, dass der Sachverständige „nicht nur befangen im Sinne des Gesetzes [sei]“, fasst der Senat diese Äußerung nicht als Ablehnungsgesuch im Sinne von §§ 406, 42 ZPO auf. Im Übrigen sind durchgreifende Ablehnungsgründe weder hinreichend substantiiert vorgetragen, noch sonst für den Senat ersichtlich. Die Umstände, dass der Kläger den Sachverständigen für nicht hinreichend sachkundig hält, dass der Sachverständige dem Kläger nicht genehme Auffassungen vertritt und dass der Sachverständige an diesen auch auf Nachfragen und Vorhalten festgehalten hat, begründet aus der Sicht einer verständigen Partei bei vernünftiger Betrachtung eine Besorgnis der Befangenheit nicht.

4. Der Senat entscheidet gemäß § 538 Abs. 1 ZPO in der Sache selbst. Für eine Aufhebung und Zurückverweisung besteht kein Anlass; insbesondere sind die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erfüllt.

5. Die Entscheidungen wegen der Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Rechtsgebiet: Nachbarrecht – Dies ist das wichtigste Rechtsgebiet, da die gesamte Situation auf einer Streitigkeit zwischen Nachbarn basiert. Der Kläger und der Beklagte sind Nachbarn, deren Grundstücke direkt nebeneinander liegen. Die Rechtsnormen, die hier zur Anwendung kommen, sind hauptsächlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthalten. Besonders relevant sind hier § 906 BGB, der die Immissionen von einem Nachbargrundstück regelt, und § 1004 BGB, der dem Nachbarn ein Abwehrrecht gegen Störungen einräumt.
  2. Rechtsnorm: § 906 BGB – § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist im Text explizit genannt und ist für die Beurteilung des Falles von entscheidender Bedeutung. Die Norm regelt, unter welchen Bedingungen eine Einwirkung auf ein Grundstück von einem anderen Grundstück aus als zulässig oder als eine rechtswidrige Beeinträchtigung angesehen wird. In diesem Fall geht es um die Frage, ob die Beeinträchtigungen durch die Bienenhaltung des Klägers erheblich sind und ob sie das Maß dessen überschreiten, was einem verständigen Durchschnittsmenschen zuzumuten ist.
  3. Rechtsgebiet: Tierhaltungsrecht – Obwohl nicht explizit genannt, ist das Tierhaltungsrecht hier relevant, da es um die Haltung von Bienen auf dem Grundstück des Klägers geht. Die Haltung von Bienen unterliegt in Deutschland bestimmten gesetzlichen Bestimmungen und Regelungen, darunter das Tierschutzgesetz und die Bienenseuchen-Verordnung.
  4. Rechtsnorm: § 1004 BGB – Obwohl dieser Paragraf nicht explizit in dem Text genannt wird, ist er für das Urteil relevant. Nach § 1004 BGB hat ein Eigentümer das Recht, Störungen von seinem Grundstück zu beseitigen, wenn diese von einem Nachbargrundstück ausgehen. In diesem Fall könnte der Beklagte sich auf diesen Paragrafen berufen, um die Beseitigung der Beeinträchtigungen durch die Bienen des Klägers zu verlangen.
  5. Rechtsgebiet: Sachverständigenrecht – Das Sachverständigenrecht ist in diesem Fall relevant, da die Meinung von Sachverständigen zur Einschätzung der Situation herangezogen wird. Es regelt unter anderem, wie ein Sachverständiger ausgewählt wird, welche Qualifikationen er haben muss und wie seine Meinung in das Urteil einfließt.
  6. Rechtsnorm: § 935 BGB – Dieser Paragraf, der in dem Text zitiert wird, regelt die so genannte „Ortsüblichkeit“. Wenn eine Nutzung ortsüblich ist, können dadurch hervorgerufene Beeinträchtigungen unter Umständen hinzunehmen sein. Im vorliegenden Fall hat das Gericht festgestellt, dass die Art und Weise der Bienenhaltung des Klägers nicht ortsüblich ist, weshalb die durch sie verursachten Beeinträchtigungen nicht hinzunehmen sind.

 

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