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Grundschuld – Voraussetzungen einer anfänglichen Übersicherung

Grundschuld und anfängliche Übersicherung: Untersuchung der rechtlichen Implikationen

Die jüngste gerichtliche Auseinandersetzung um die Zwangsvollstreckung einer Grundschuld wirft wichtige rechtliche Fragen auf, insbesondere im Zusammenhang mit der anfänglichen Übersicherung. Dieser Fall, in dem die Klägerin gegen die Zwangsvollstreckung vorgeht, basiert auf der Argumentation, dass das Landgericht eine anfängliche Übersicherung der Beklagten übersehen hat, die die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung in Frage stellen könnte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 13 U 65/19 >>>

Anfängliche Übersicherung: ein Kernpunkt des Disputs

Die anfängliche Übersicherung ist ein entscheidendes Element dieses Falles, das das Gericht berücksichtigen muss. Es wird argumentiert, dass es bei einer anfänglichen Übersicherung nicht auf den Nennbetrag der Grundpfandrechte bei Vertragsschluss ankommt, sondern auf den erwarteten Erlös aus einer Verwertung dieser Rechte. Die Bewertung erfolgt unter Berücksichtigung der Werte der belasteten Grundstücke und der Rangfolge der Rechte im späteren Verwertungsfall.

Die Rolle der Teilzahlungsvereinbarung

Eine wichtige Komponente des Falles ist die umstrittene – und später widerrufene – Teilzahlungsvereinbarung vom 15.5.2018. Die Klägerin argumentiert, dass die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung durch die Beklagte teilweise auf dieser Vereinbarung basiert, die in ihren Augen nicht rechtmäßig ist.

Umstrittene Kündigung und Vereinbarungen

Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung – die die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 09.11.2017 zurückweisen ließ – spielt eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung. Eine Vereinbarung, die die Klägerin zur Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung und auf die Rückforderung geleisteter Raten im Falle einer vorzeitigen Beendigung der Vereinbarung verpflichtete, steht ebenfalls im Mittelpunkt des Falles.

Bindung an Vereinbarungen und ihre Konsequenzen

Die Klägerin argumentiert, dass die Bindung an die im Bestätigungsschreiben genannten Punkte unter dem Vorbehalt der Unterschrift der Klägerin standen. Sie behauptet, dass der Senat im Hinweisbeschluss festgestellt hat, dass der Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens im Rahmen der Teilzahlungsvereinbarung keinen eigenständigen Regelungsgehalt habe, was ihrer Meinung nach die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung untergräbt.

Die Entscheidung dieses Falles wird sicherlich erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Behandlung von Fällen ähnlicher Natur haben, insbesondere in Bezug auf die anfängliche Übersicherung, Teilzahlungsvereinbarungen und die Auslegung von Vertragsbedingungen in Verbindung mit Grundschulden.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: 13 U 65/19 – Beschluss vom 25.06.2020

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 29.05.2019 (2 O 264/18) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Klägerin.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde vom 6.9.2011, in der die Klägerin zugunsten der Beklagten eine Grundschuld an näher bezeichneten Teileigentumsgrundstücken bestellt und sich der sofortigen Vollstreckung wegen des Grundschuldkapitals nebst Zinsen unterworfen hatte. In dem im Zusammenhang mit der Grundschuldbestellung geschlossenen Sicherungsvertrag vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte zur Verwertung der Grundschulden bei Fälligkeit der Verbindlichkeiten der Klägerin aus einem am 22.8.2011 geschlossenen Darlehensvertrag berechtigt sei. Die Beklagte kündigte die Geschäftsbeziehung zur Klägerin mit Schreiben vom 27.10.2017. Über die Wirksamkeit dieser Kündigung streiten die Parteien ebenso wie über die Frage, ob die Beklagte sich für die Fälligkeit der Darlehensforderung und den Verzug der Klägerin auf die – zunächst verlängerte, später aber von der Beklagten widerrufene – Teilzahlungsvereinbarung vom 15.5.2018 stützen kann.

Die Klägerin hat sich erstinstanzlich mit verschiedenen Argumenten gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gewendet. Mit der Berufung macht sie in erster Linie noch geltend, dass das Landgericht sich fehlerhaft nicht mit der Frage einer anfänglichen Übersicherung der Beklagten und dem sich daraus ergebenden Einwand gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung befasst habe.

Das Landgericht Bonn hat mit am 29.5.2019 verkündetem Urteil (2 O 264/18), auf das wegen der Einzelheiten der Feststellungen zum erstinstanzlichen Parteivortrag, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO), die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stünden gegen den in der vollstreckbaren Ausfertigung der streitgegenständlichen notariellen Urkunde titulierten Anspruch keine Einwendungen zu. Nach dem Sicherungsvertrag vom 22.08.2011 sei die Beklagte berechtigt, ihre Sicherungsrechte zu verwerten, wenn die gesicherten Forderungen fällig seien und der Kreditnehmer mit seinen Zahlungen in Verzug sei. Diese Voraussetzungen lägen vor. Mit der zwischen den Parteien mit dem Datum vom 15.05.2018 bezeichneten Vereinbarung hätten sie vereinbart, dass der gesamte Darlehensbetrag fällig sei. Die Klägerin habe die Forderungen dem Grunde und der Höhe nach anerkannt. Ebenfalls habe sie anerkannt, dass die Geschäftsbeziehung gekündigt worden sei. Es sei daher unerheblich, ob die von der Beklagten am 27.10.2017 erklärte Kündigung wirksam gewesen sei oder nicht. Die Teilzahlungsvereinbarung sei wirksam geschlossen worden, die vereinbarte Schriftform eingehalten.

Der Zwangsvollstreckung könne der Einwand der Übersicherung nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Eine nach dem Vortrag der Klägerin durch Wertsteigerung eingetretene unplanmäßige, nachträgliche Übersicherung beeinträchtige die Wirksamkeit der dinglichen Übertragung nicht. Die Sittenwidrigkeit eines Vertrages beurteilte sich nach der Situation bei Vertragsschluss.

Ein Anspruch auf Herausgabe der Urkunde bestehe nicht, da die Beklagte unstreitig nicht vollständig befriedigt sei.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerechten Berufung.

Sie wirft dem Landgericht vor, ohne vorherigen Hinweis die mögliche Unwirksamkeit des Sicherungsvertrages nicht auch unter dem Gesichtspunkt einer anfänglichen Übersicherung geprüft zu haben. Eine solche anfängliche Übersicherung habe jedoch vorgelegen, wie sich aus ihrer Darstellung zu Ziff. 3 (S. 10 f) der Berufungsbegründung ergebe, auf die Bezug genommen wird.

Die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2017 habe die Geschäftsbeziehung nicht beendet. Der Beklagten habe ein Recht zur fristlosen Kündigung nicht zugestanden. Eine im Zeitpunkt der Kündigung wesentliche Verschlechterung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Klägerin habe die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen. Sie habe keine Gegenüberstellung der Vermögensverhältnisse der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Kündigung vorgenommen, sondern nur die Rückstände im Zeitpunkt der Kündigung dargelegt. Zudem stehe der Bejahung eines Kündigungsgrundes auch die mögliche Verwertung der Sicherheiten entgegen. Eine Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin unter Berücksichtigung einer Sicherheitenverwertung sei nicht dargelegt und auch nicht zu erwarten gewesen. Die Klage sei deshalb begründet.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Klägerin die Wirksamkeit der Kündigung nicht mit der Teilzahlungsvereinbarung anerkannt. Diese Vereinbarung habe die Klägerin nur mit vollständiger Dokumentation abschließen wollen. In der Zusendung mit dem eingelegten Vermerk habe ein modifiziertes Angebot gelegen. Dieses Angebot habe die Beklagte nie schriftlich angenommen.

Die Vereinbarung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens wirksam geworden. Die Sparkasse sei als Anstalt des öffentlichen Rechts nicht Kaufmann.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 29.05.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Bonn – Az.: 2 O 264/18 –

a.  die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars A in B vom 06.09.2011 (UR.-Nr. xxx0/2011) in Form der Zwangsverwaltung bezüglich der Teileigentumsrechte aus dem Beschluss des AG Bonn vom 06.12.2018, Az. 023 L 010/18 – 028/18, namentlich über das

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aa)  Grundbuch von B, Blatt xxx4, Gemarkung B, 732/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 54 bezeichnet,

bb) Grundbuch von B, Blatt xxx5, Gemarkung B, 678/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 55 bezeichnet,

cc)  Grundbuch von B, Blatt xxx6, Gemarkung B, 666/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 56 bezeichnet,

dd) Grundbuch von B, Blatt xxx9, Gemarkung B, 656/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 69 bezeichnet,

ee)  Grundbuch von B, Blatt xxx0, Gemarkung B, 608/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 70 bezeichnet,

ff)  Grundbuch von B, Blatt xxx7, Gemarkung B, 682/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 57 bezeichnet,

gg)  Grundbuch von B, Blatt xxx8, Gemarkung B, 650/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 58 bezeichnet,

hh) Grundbuch von B, Blatt xxy9, Gemarkung B, 705/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 59 bezeichnet,

ii)  Grundbuch von B, Blatt xxy0, Gemarkung B, 689/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 60 bezeichnet,

jj)  Grundbuch von B, Blatt xxy6, Gemarkung B, 650/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 66 bezeichnet,

kk)  Grundbuch von B, Blatt xxy7, Gemarkung B, 563/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 67 bezeichnet,

ll)  Grundbuch von B, Blatt xxy8, Gemarkung B, 573/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 68 bezeichnet,

mm)  Grundbuch von B, Blatt xxy3, Gemarkung B, 1.155/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 63 bezeichnet,

nn) Grundbuch von B, Blatt xxy4, Gemarkung B, 3.261/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 64 bezeichnet,

oo) Grundbuch von B, Blatt xyy9, Gemarkung B, 330/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 79 bezeichnet,

pp) Grundbuch von B, Blatt xyy0, Gemarkung B, 604/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 80 bezeichnet,

qq) Grundbuch von B, Blatt xyy1, Gemarkung B, 927/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 81 bezeichnet,

rr)  Grundbuch von B, Blatt xyy2. Gemarkung B. 737/100000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 82 bezeichnet,

ss)  Grundbuch von B, Blatt xyy3, Gemarkung B, 1.377/100.000 Miteigentumsanteil, Flur 4, Flurstück 1348, groß 3.063 m², verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbefläche im Erdgeschoss im Aufteilungsplan mit Nr. 83 bezeichnet,

für unzulässig zu erklären und

b.  festzustellen, dass die Geschäftsverbindung zwischen der Klägerin und der Beklagten fortbesteht und insbesondere nicht durch Kündigung vom 27.10.2017, die Vereinbarung vom 15.05.2018 oder die („Widerrufs“)Erklärung vom 12.12.2018 beendet ist,

Die Beklagte beantragt,  die Berufung zurückzuweisen.

Der Vortrag der Klägerin zur anfänglichen Übersicherung sei neu und verspätet. Letztlich komme es darauf nicht an. Eine anfängliche Übersicherung liege auch auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin nicht vor. Der Rechtsirrtum der Klägerin liege darin, dass sie den gewährten Kredit in Relation zum (vermeintlichen) Gesamtwert der belasteten Immobilien stelle. Richtigerweise sei aber auf den Wert der gestellten Sicherheit, also auf den Umfang des Grundpfandrechts abzustellen, der den vermeintlichen Gesamtwert der Immobilie nicht ausschöpfe. Für den Gesamtkredit von 1.615.000 EUR sei eine Gesamtgrundschuld von 1,6 Mio. EUR gewährt worden. Ob die besichernde Immobilie mehr wert gewesen sei, sei unerheblich. Weitere Sicherheit sei eine nachrangige Sicherheit im Wert von 100.000 EUR gewesen. Die von den Eheleuten C gestellten Bürgschaften seien für die Beurteilung einer Übersicherung unerheblich. Es sei auch nichts dafür erkennbar, dass es sich um krass überfordernde Bürgschaften handle. Frau C habe ein Monatseinkommen von 3.500 EUR netto erzielt und sei zudem auch Miteigentümerin von nur teilweise belasteten Immobilien gewesen, die Mieterträge erwirtschaftet hätten.

Es habe ein Grund zur fristlosen Kündigung vorgelegen. Unabhängig von der nicht eindeutig bestimmbaren Frage der Werthaltigkeit der Sicherheiten könne gekündigt werden, wenn – wie hier – der Kreditnehmer seine Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachhaltig nicht erfülle.

Für die Frage, ob die Klägerin bei Unterzeichnung der Vereinbarung vom 15.05.2018 ihre Willenserklärung als Annahme oder als neues Angebot verstanden habe, komme es auf das Verständnis zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung an. Das Verständnis sei vor dem Hintergrund der Ausführungen in der Klageschrift gewesen, dass die Klägerin das Vertragsangebot der Beklagten angenommen habe.

II.

1.   Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2020 Bezug. An den dort geäußerten Rechtsansichten hält der Senat auch nach nochmaliger Beratung fest. Die Ausführungen der Klägerin in ihren Stellungnahmen vom 23.03.2020 und vom 14.05.2020 geben lediglich zu folgenden Ausführungen Anlass:

a)   Eine anfängliche sittenwidrige Übersicherung ist nicht dargetan. Wie im Hinweisbeschluss dargelegt, kann eine Sicherungsabrede unter dem Gesichtspunkt einer ursprünglichen Übersicherung gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Das setzt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Sicherungswert und dem Sicherungsinteresse sowie eine verwerfliche Gesinnung des Sicherungsnehmers voraus. Bei einer anfänglichen Übersicherung kommt es nicht darauf an, welchen Nennbetrag die bestellten Grundpfandrechte bei Vertragsschluss haben. Entscheidend ist vielmehr, welcher Erlös bei Vertragsschluss aus einer Verwertung dieser Grundpfandrechte unter Berücksichtigung der Werte der belasteten Grundstücke und des Rangs der Rechte im späteren, noch ungewissen Verwertungsfall zu erwarten war und wie sicher dies bei Vertragsschluss zu beurteilen war (BGH, Urteil vom 19. März 2010 – V ZR 52/09 -, Rn. 11 – 12, juris).

Zum Stichtag 30.03.2011 wurde der Verkehrswert des besichernden Objekts mit 2.400.000 EUR, der Beleihungswert mit 1.950.000 EUR festgestellt (K 19). Besichert wurde das Darlehen über 1.600.000 EUR gemäß Sicherheitenvereinbarung vom 22.08.2011. Geht es ausschließlich um eine grundpfandrechtliche Besicherung, kann die Frage der  Übersicherung anhand der Beleihungsgrenzen des § 14 Abs. 1 PfandBG beurteilt werden (Epp in BankR-HdB, 5. Aufl. 2017, 3. Abschnitt. Einlagen- und Kreditgeschäft 17. Kapitel. Kreditsicherung § 94. Grundpfandrechte Rn. 299). Danach dürfen Hypotheken nur bis zur Höhe der ersten 60 Prozent des von der Pfandbriefbank auf Grund einer Wertermittlung nach § 16 PfandBG festgesetzten Wertes des Grundstücks (Beleihungswert) zur Deckung benutzt werden. Damit sind die Grundschulden nur mit 1.170.000 EUR (1.950.000 EUR*60 %) anzusetzen. Wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass die weitere Grundschuld mit ihrem vollen Wert von 100.000,00 EUR und die Bürgschaften mit dem vollen Betrag von insgesamt 700.000 EUR anzusetzen sind, ergäbe sich ein zu erwartender Verwertungserlös von 1.970.000 EUR. Damit überstiege der im Fall des Eintritts des Sicherungsfalls voraussichtlich zu erzielende Erlöse den Wert der gesicherten Forderungen nur um ca. 23,13 %. Damit liegt schon objektiv keine sittenwidrige Übersicherung vor.

Für eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten, die erfordert, daß der realisierbare Wert der Sicherheiten den Nominalbetrag der gesicherten Forderung um das Dreifache übersteigt (Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2. Teil. Die Fremdkapitalfinanzierung 3. Kapitel. Kreditsicherheiten § 33 Sicherheiten für Gelddarlehen: Grundlagen Rn. 62 Fn. 75), ist nichts ersichtlich.

b) Der Senat hält weiter daran fest, dass es nicht darauf ankommt, ob die Kündigung der Geschäftsbeziehung wirksam erfolgt ist oder nicht. Die Klägerin hat die Wirksamkeit der Kündigung mit der Teilzahlungsvereinbarung anerkannt. Der Einwand der Klägerin, die Teilzahlungsvereinbarung sei nicht wirksam zustande gekommen, der Senat wende § 150 Abs. 2 BGB fehlerhaft an, vermag nicht zu überzeugen.

Gemäß § 150 Abs. 2 BGB gilt eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. In Betracht kommen Modifikationen der Haupt- ebenso wie der Nebenpflichten, aber auch abweichende Wirksamkeitsvoraussetzungen (Bedingungen, Befristungen, Rücktrittsvorbehalte). Unerheblich ist, ob die Änderung für den Antragsempfänger oder für den Antragenden günstig ist. Ob eine Abweichung vorliegt oder nicht, beurteilt sich aus der Perspektive des Empfängerhorizonts, also aus Sicht des Antragenden. In einem ersten Schritt ist der Aussagegehalt der Willenserklärung des Antragsempfängers nach den allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, also zu fragen, wie ein objektiver Erklärungsempfänger die Annahmeerklärung verstehen durfte. Nur, wenn sich demnach eine Abweichung zwischen Antrag und Annahme ergibt, kann § 150 Abs. 2 BGB Anwendung finden; andernfalls stimmen beide Erklärungen überein, sodass der Vertrag zustande kommt (BeckOGK/Möslein, 1.2.2018, BGB § 150 Rn. 25).

Die Parteien haben sich in einer Besprechung am 09.05.2018 geeinigt und vereinbart, dass die Beklagte der Klägerin die Einigung bestätigt. Diese Bestätigung hat sie mit Schreiben vom 15.05.2018 vorgenommen und diesem Bestätigungsschreiben, mit dem ausweislich Ziff. 2 des Bestätigungsschreibens auch eine Einigung über den beabsichtigten Abschluss einer Teilzahlungsvereinbarung getroffen worden war, den Vertragstext hinsichtlich der Teilzahlungsvereinbarung mit der Bitte um Unterschrift und Rücksendung beigefügt. In der Beifügung der S. 2 des Bestätigungsschreibens und der Unterschrift unter die Teilzahlungsvereinbarung liegt keine Änderung der Teilzahlungsvereinbarung. Mit dem Bestätigungsschreiben hat die Beklagte klargestellt, dass die darin bestätigten Vereinbarungen Geschäftsgrundlage des Teilzahlungsvertrags sind. Auch die Klägerin wollte die Regelungen zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen machen, wie sie gerade durch die Beifügung der S. 2 des kaufmännischen Bestätigungsschreibens gezeigt hat. Eine inhaltliche Abweichung oder ein Dissens liegen damit nicht vor.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, könnte sich die Klägerin hierauf nach § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens nicht berufen, nachdem die Vereinbarung beiderseitig gelebt wurde und die Beklagte auch entsprechend Ziff.1 des Bestätigungsschreibens Sicherheiten freigegeben hat.

c) Soweit die Klägerin ausführt, in der Teilzahlungserklärung liege kein Vergleich, weil kein gegenseitiges Nachgeben der Parteien vorliege, vermag auch dies den Senat nicht zu überzeugen. Mit der Vereinbarung haben die Parteien den Streitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung – die Klägerin hatte diese mit anwaltlichem Schreiben vom 09.11.2017 zurückweisen lassen – ausgeräumt. Unter Ziffer 6 der Teilzahlungsvereinbarung hat die Klägerin außerdem für den Fall, dass die Vereinbarung – gleich aus welchem Grund – vorzeitig beendet oder aufgehoben werden sollte, hinsichtlich der wiederauflebenden Forderungen für die Dauer von 10 Jahren auf die Erhebung der Einrede der Verjährung und im Übrigen auf die Rückforderung geleisteter Raten verzichtet. Die Beklagte ihrerseits hat unter näher bezeichneten Voraussetzungen auf in der Teilzahlungsvereinbarung bezeichnete Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet.

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Teilzahlungsvereinbarung enthalte kein Nachgeben der Klägerin, weil die Vereinbarung schon am 09.05.2018 zustande gekommen sei. Der Inhalt der Vereinbarung ist durch das kaufmännische Bestätigungsschreiben fixiert worden. In diesem ist weder ein ausdrückliches Anerkenntnis der Kündigung vom 26.10.2017 enthalten noch der zur (Rück-)Zahlung per 15.05.2018 fällige Betrag genannt. Diese Punkte enthält vielmehr nur die Teilzahlungsvereinbarung, deren Unterschrift durch die Klägerin sich die Beklagte ausbedungen hatte.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte habe nicht mehr nachgegeben, weil die Vollstreckungsmaßnahmen bereits Gegenstand der Regelung unter Ziff. 4 des Bestätigungsschreibens gewesen sei. Damit verkennt sie, dass die Bindung an die im Bestätigungsschreiben genannten Punkte unter dem Vorbehalt der Unterschrift der Klägerin standen. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass der Senat im Hinweisbeschluss ausgeführt habe, dass der   Inhalt des „kaufmännischen Bestätigungsschreibens im Rahmen der Teilzahlungsvereinbarung keinen eigenständigen Regelungsgehalt habe“, verkennt sie, dass sich diese Formulierung, wie sich aus dem Kontext ergibt, auf einen von dem der Beklagten nicht abweichenden Vertragswillen bezog.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 1,6 Mio. EUR  festgesetzt (Nennwert der Grundschuld).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Rechtsgebiet: Zivilrecht – Schuldrecht Das Schuldrecht ist eines der Hauptgebiete des Zivilrechts und befasst sich mit den gesetzlichen Regelungen für Schuldverhältnisse, unter denen eine Partei dazu verpflichtet ist, eine Leistung zu erbringen. Im vorliegenden Fall ist das Schuldrecht relevant, da es sich um eine Streitigkeit hinsichtlich eines Kreditvertrags handelt – ein typischer Fall von Schuldverhältnis. Die Klägerin wehrt sich gegen die Zwangsvollstreckung, die aus der Nichterfüllung des Kreditvertrags (ein schuldrechtlicher Vertrag) resultiert.
  2. Rechtsnorm: Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – §§ 1191, 1192 Die §§ 1191 und 1192 des BGB regeln die Bestellung einer Grundschuld und sind hier relevant, da es um eine Streitigkeit hinsichtlich einer Grundschuld geht. Eine Grundschuld ist eine Form der Immobiliensicherheit, die eine Bank oder ein Kreditgeber erlangt, um sich gegen das Ausfallrisiko eines Kredits abzusichern. Sie gibt dem Kreditgeber das Recht, den Verkauf der Immobilie zu erzwingen, um die ausstehenden Schulden zu begleichen, wenn der Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt.
  3. Rechtsgebiet: Zivilrecht – Sachenrecht Das Sachenrecht, ein weiteres Hauptgebiet des Zivilrechts, befasst sich mit den rechtlichen Beziehungen zwischen Personen und Sachen. Hier geht es um Grundstücke und deren Be- und Verwertung. Im vorliegenden Fall geht es insbesondere um das Recht der Beklagten, die bestehenden Grundpfandrechte zu verwerten.
  4. Rechtsnorm: Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – § 138 Der § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) könnte relevant sein, wenn behauptet wird, dass eine anfängliche Übersicherung vorliegt, die als sittenwidrig angesehen werden könnte. Eine solche Übersicherung könnte als sittenwidrig angesehen werden, wenn der Wert der Sicherheiten den Nennbetrag der gesicherten Forderung erheblich übersteigt. In dem vorliegenden Fall befasst sich das Gericht jedoch mit der Frage, ob eine anfängliche Übersicherung vorliegt und lehnt diese Behauptung ab.
  5. Rechtsgebiet: Zivilprozessrecht Das Zivilprozessrecht regelt den Ablauf von Streitigkeiten vor Zivilgerichten. Im vorliegenden Fall wäre das Zivilprozessrecht relevant, da die Entscheidungen des Gerichts und das Verfahren zur Durchsetzung der Rechte und Pflichten aus dem Kreditvertrag geregelt werden müssen.
  6. Rechtsnorm: Zivilprozessordnung (ZPO) – § 522 Der § 522 ZPO regelt das Verfahren bei Berufungen und ist hier relevant, da die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt hat.

 

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