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Mord – wann handelt der Täter heimtückisch?


Landgericht Bonn

Az: 4 KS 1/07

Urteil vom 21.06.2007


Tenor

Der Angeklagte wird wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Er trägt die Kosten des Verfahrens und seine eigenen Auslagen.


Gründe

Die Kammer hält es für erwiesen, dass der Angeklagte in der Silvesternacht des Jahres … die damals 38 Jahre alte E7 S in ihrer Wohnung in Z1 heimtückisch tötete. Er ist im wesentlichen aufgrund von DNA-Spuren überführt, die Tat begangen zu haben.

( diverse Angaben zu den persönlichen Verhältnissen )

1. Die Vorgeschichte der Tat

a) Zur Tatzeit lebte der damals … Jahre alte Angeklagte – wie bereits erwähnt – in Z1 in der I-Straße. Hier hatte er sich mit seiner langjährigen Freundin, der Zeugin X2, ein altes Haus angemietet. Dort hielt das Paar auch Tiere, nämlich einen Hund und Federvieh.

Beruflich befand sich der Angeklagte im Umbruch. Am … hatte er die Prüfung als Industriemeister abgelegt. Zuvor war er als Subunternehmer für eine Spedition tätig gewesen. Im Nebenerwerb verkaufte er auf Flohmärkten Gegenstände und reparierte für andere Autos. Seine finanzielle Situation war angespannt. Er trank in dieser Zeit verstärkt Alkohol.

Die seit etwa zehn Jahren bestehende Beziehung zu seiner Freundin war zur Tatzeit in Auflösung begriffen. Im Dezember 19.. schlief die Zeugin X2 teilweise bereits wieder bei ihren Eltern. Ihre Möbel standen aber noch im Haus in der I-Straße und sie verfügte noch über einen Schlüssel. Schon einige Zeit vor Jahresende … teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie sich von ihm trennen werde. Der Angeklagte reagierte auf diese Nachricht dergestalt, dass er sich ein zuvor auf dem Flohmarkt erworbenes Gewehr an die Schläfe hielt und drohte, sich umzubringen, falls sie gehen werde. Im November … hatte die Zeugin X2 ihren späteren Ehemann kennen gelernt. Sie hatte sich entschlossen, in den Weihnachtsferien …/… nach L9 zu reisen, um dort an einem Entenkorso teilzunehmen. Auch ihr späterer Ehemann beteiligte sich an dieser Veranstaltung. Der Angeklagte wusste von einem Urlaub und ahnte auch, dass ein anderer Mann im Spiel war. Von der sich abzeichnenden Trennung war er tief getroffen.

Nachdem die Zeugin S2 am 04.01.1986 aus dem Urlaub zurückgekehrt war, verbrachte sie noch zwei Tage und Nächte bei dem Angeklagten, um die Trennung endgültig zu vollziehen. Dieser überwand die Trennung schlecht. Noch im Sommer 19.. belästigte er die Zeugin und ihren späteren Ehemann, in dem er sie häufig telefonisch kontaktierte, was die Zeugin als „Telefonterror“ bezeichnete.

b) Wenige Gehminuten vom Haus des Angeklagten entfernt wohnte das spätere Tatopfer, die zur Tatzeit … Jahre alte E7 S. Die am … geborene und in Bayern aufgewachsene Frau lebte seit rund zehn Jahren in dem einige hundert Einwohner zählenden Dorf Z1. Sie wohnte dort in der C-Straße auf dem weitläufigen Gelände der C2 Z1 in der zur C2 gehörenden bauernhofähnlichen früheren Mühle. In diesem Anwesen, welches von den Dorfbewohnern „alte Mühle“ genannt wurde, lebte das spätere Tatopfer allein. Die Eltern der Frau S und ihre Schwester waren bereits verstorben. Kinder hatte sie keine.

Frau S praktizierte in der alten Mühle als Heilpraktikerin. Sie verfügte dort über einen an ihre Küche angrenzenden Behandlungsraum und über weitere als Gruppenräume genutzte Zimmer. In ihrem Beruf als Heilpraktikerin war sie erfolgreich. Es gelang ihr vor allem mit der sogenannten „Jin Shin Jyutsu“- Methode oftmals, von der Schulmedizin aufgegebene Patienten von ihren Beschwerden zu befreien. Bei dieser asiatischen Akupressurbehandlung werden durch leichtes Drücken oberhalb der Kleidung Energiepunkte beeinflusst, wodurch Energiebahnen gerichtet werden. Frau S verfügte über einen großen Patientenkreis, der vorwiegend aus Frauen bestand. Sie hielt darüber hinaus Vorträge und gab Kurse für autogenes Training an den Volkshochschulen in C8 und S3. Darüber hinaus bot sie in der alten Mühle auch Meditationskurse an. Finanziell stand sie sich gut.

Frau S befasste sich mit Esoterik. Sie war Vegetarierin und besaß einen kleinen Hund, zwei Hauskatzen sowie Federvieh. Ihren Hund “ J1″ führte sie bei den meisten ihrer Aktivitäten mit sich.

Frau S hatte ein freundliches und aufgeschlossenes Wesen. Die von den Zeugen als attraktiv beschriebene Frau war unkonventionell. Sie bewegte sich öfters unbekleidet in und außerhalb ihrer Wohnung. So hielt sie sich auch nackt auf der Terrasse auf. Diese Angewohnheit war im Dorf bekannt. Die männliche Dorfjugend machte sich einen Spaß daraus, Frau S anzurufen, wenn sie sich auf der Terrasse aufhielt, um sie durch das Telefonklingeln dazu zu bewegen, aufzustehen und ins Haus zu gehen. Auf diese Weise gelang es den Männern, Frau S nackt zu sehen.

Partnerschaftliche Beziehungen gestaltete Frau S freizügig. Seitdem ihre im Jahre … eingegangene Ehe mit dem Musiker D1 C10 nach rund sechs Jahren geschieden worden war, war sie nacheinander mit verschiedenen Männern befreundet. Zur Tatzeit war Frau S mit dem damals … Jahre alten Zeugen X3 liiert. Das Paar hatte sich im Jahre 19.. im Rahmen eines von Frau S gehaltenen Volkshochschulkurses kennen gelernt. Der als Forstrat tätige Mann wohnte zur Tatzeit in C8 in der B-Allee in einer Wohngemeinschaft. Das Paar kam vorwiegend am Wochenende zusammen. Während dieser Beziehung hatte sie jedenfalls zwei Affären mit anderen Männern, die dem Zeugen X3 bekannt waren.

Frau S war nicht ängstlich. Ihr Gefahren- und Sicherheitsbewusstsein war wenig ausgeprägt. Die Haustür stand häufig offen, auch wenn sie sich für kurze Zeit von der Mühle entfernte. Auch das Fenster zur Hofseite ließ sie häufig geöffnet. Ein Fenster im Behandlungsraum, welches zur Parkseite ging, war defekt und ließ sich nicht mehr schließen. Frau S deponierte einen Reserveschlüssel für das Haus in einer Schublade einer Kommode, die vor der Haustür im Hof der Mühle stand. Mehreren Personen war der Aufbewahrungsort des Schlüssels bekannt. Frau S beauftragte während längerer Abwesenheitszeiten vor allem Kinder oder Jugendliche aus dem Dorf mit der Pflege der Tiere. So hatte sie des öfteren die Zeugin M2 gebeten, nach den Tieren zu sehen. Auch die Schwester der Zeugin X2, die Zeugin O, war jedenfalls einmal beauftragt worden, die Tiere zu versorgen.

Für Frau S lag der Gedanke fern, es könne ihr jemand etwas antun. Sie hatte ein Urvertrauen in Menschen und fühlte sich durch kosmische Strahlen geschützt. Dass „Spanner“ aus dem Dorf sie beobachteten, wusste sie. Es störte sie nicht.

c) Der Angeklagte und Frau S kannten einander. Sie waren sich zuweilen im Dorf, in dem schon seiner Größe wegen „fast jeder jeden kannte“, begegnet. Zudem hatte die Schwester der damaligen Freundin des Angeklagten, die Zeugin O, geborene X6, Kontakt zu Frau S. Darüber hinaus waren der Angeklagte und Frau S Hundehalter, so dass man sich bei gelegentlichen Spaziergängen traf. Es kam auch vor, dass der Angeklagte auf ihr Bitten hin nach ihrem Auto sah, so zum Beispiel nach der Zündung oder wenn die Scheibenwischblätter auszuwechseln waren. Der nicht widerlegbaren Einlassung des Angeklagten zufolge führte er im Auftrag der Frau S auch schon einmal kleinere Reparaturen im Haus durch. Der Angeklagte wusste auch – schon von Gesprächen mit anderen Männern aus dem Dorf – von ihrer Vorliebe, sich nackt zu bewegen.

Das Geschehen vor der Tat

Frau S und der Zeuge X3 verbrachten die Tage zwischen den Jahren in der alten Mühle. Nachdem der Zeuge X3 das Weihnachtsfest 1985 bei seinen Eltern in der Eifel in T verbracht hatte, war er zu seiner Freundin nach Z1 gefahren. Frau S hatte ihre Praxis über die Feiertage bis in das neue Jahr geschlossen. Sie und der Zeuge X3 schliefen lang, schauten fern, hörten Musik und gingen spazieren. Bis zum Silvestertag blieben sie zusammen. Den letzten Geschlechtsverkehr hatten sie am ….

Am Silvestertag gingen sie noch gemeinsam in S3 einkaufen. Gegen 11:30 Uhr verabschiedete sich der Zeuge X3 in S3 von seiner Freundin und fuhr nach C8. Man wollte am Abend wieder zusammentreffen.

Er ging noch zu einer Zweigstelle der Sparkasse C8 und hob dort Geld ab. Er wollte nämlich am letzten Tag des Jahres Schulden in Höhe von 300,00 DM bei seiner Freundin begleichen. Danach begab er sich in seine Wohnung in die B-Allee, wo er sich schlafen legte.

Frau S fuhr nach Hause. Am Nachmittag führte sie noch diverse Telefonate. Zwischen 16.00 und 17.00 Uhr telefonierte sie mit einem alten Freund, dem Zeugen L5. Am Nachmittag telefonierte sie auch mit einem Bekannten, dem inzwischen verstorbenen Herrn G aus H2. Dieser rief sie erneut gegen 18.00 Uhr an. Frau S rief gegen 17:00 Uhr in der Wohnung des Zeugen X3 an. Dieser schlief aber noch, was Frau S durch einen Mitbewohner mitgeteilt wurde.

Nachdem der Zeuge X3 gegen 18:30 Uhr aufgestanden war, telefonierte er mit Frau S, um den weiteren Verlauf des Silvesterabends zu besprechen. Denn dessen Ablauf war im einzelnen noch ungeklärt. Fest stand nur, dass man gemeinsam ausgehen wollte. Der Zeuge X3 war hierüber erfreut. Denn üblicherweise verbrachte Frau S den Silvesterabend in innerer Einkehr allein zu Hause bei ihren Tieren. Nach mindestens einem weiteren Telefonat, Recherchen in Veranstaltungskalendern und einigen Diskussionen einigten sie sich darauf, in die “ M4 „, ein C8er Lokal, zu gehen, wo ein Tanzabend mit Festessen stattfinden sollte. Frau S wollte gegen 20:00 Uhr bei dem Zeugen X3 in C8 sein, um ihn abzuholen.

Frau S erschien – festlich gekleidet und mit gesonderter Tanzkleidung unter dem Arm – allerdings erst gegen 21:00 Uhr in der B-Allee in C8 , weshalb dem Zeugen X3 ein Aufsuchen der “ M4 “ der fortgeschrittenen Zeit wegen unpassend erschien. Nach einem kurzen Spaziergang am Rhein suchte das Paar schließlich – zusammen mit “ J1″ – gegen 21:30/21:40 Uhr das Lokal “ X7 “ in C8 auf. Frau S trank an diesem Abend auf Empfehlung ihres Begleiters ein Glas Wein der Sorte „Oberbergener Baßgeige“. Sie aß einen gemischten Salat und Salzkartoffeln mit Kräuterquark. Gegen 23.00 Uhr war die Nahrungsaufnahme beendet.

Frau S wurde im “ X7 “ zunehmend stiller. Sie hatte nunmehr doch das Verlangen, den Silvesterabend wie üblich meditativ zu Hause zu begehen. Außerdem war der Hund unruhig und Frau S fürchtete dessen Reaktionen auf das C8er Silvesterfeuerwerk. Obwohl der Zeuge X3 sie mehrfach bat, bei ihm zu bleiben, ließ sie sich nicht abbringen. Der Zeuge X3 zahlte und übergab Frau S in der Folge auch noch die 300,00 DM.

Das Paar verließ das Lokal und ging zum Auto. Frau S setzte den Zeugen X3 nach kurzer Fahrt anschließend vor dessen Haustür ab. Gegen 23:20 Uhr fuhr Frau S zügig in Richtung Z1 davon. Dabei überfuhr sie auf der B-Allee noch eine rote Ampel. Den Zeugen X3 ließ sie verärgert zurück.

3. Das eigentliche Tatgeschehen

Unterdessen hatte sich der Angeklagte in das Haus der Frau S begeben. Ob er dies getan hatte, in dem er durch das ohnehin defekte und leicht zu öffnende Fenster im Behandlungszimmer eingestiegen war, oder ob er sich mittels des im Hof in der Kommodenschublade aufbewahrten Schlüssels Zutritt verschafft hatte oder es ihm auf sonstige Weise ohne Spuren zu hinterlassen gelungen war einzusteigen, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Ungeklärt blieb darüber hinaus, warum der Angeklagte in das Haus der Frau S eindrang.

Noch vor Mitternacht fuhr Frau S mit ihrem roten Renault in den Innenhof der Mühle ein. Die Ankunft des Wagens war in der Nacht in der etwas abseits des Dorfes durch eine gesonderte Zufahrt zu erreichenden Hofanlage, deren Gebäudeteile bis auf eine Einfahrt miteinander verbunden sind und dadurch im Innenhof ein Rechteck bilden, gut zu hören und zu sehen. Von der Heimkehr der Frau S war der Angeklagte überrascht. Spätestens jetzt, entschloss er sich, Frau S anzugreifen. Er drehte im Flur des Hauses die Glühbirne der dortigen Deckenlampe eine halbe Umdrehung aus der Fassung heraus. Er wollte damit Frau S das Einschalten des Lichtes beim Betreten des Hauses unmöglich machen, sie überraschen und sie dadurch in ihrer Gegenwehr einschränken. Er bezog Stellung.

Frau S öffnete mit ihrem Schlüssel und dem Hund im Gefolge die Haustür. Sie trug dabei helle Handschuhe mit Fellbesatz und führte Gepäck – unter anderem eine Handtasche, eine sogenannte Ibiza-Tasche mit der Tanzkleidung sowie eine Teddyjacke – mit sich. Frau S ging einige Schritte in den Flur hinein, um den in der Mitte des etwa fünf Meter langen Flures befindlichen Lichtschalter zu betätigen. Dann begann der Angeklagte sie zu attackieren. Er schlug in der Folge auf Kopf und Gesicht – insbesondere die Augenpartien – seines Opfers ein und versuchte es zu Boden zu bringen. Die Geschädigte leistete Widerstand, indem sie sich mit ihren – mit den Handschuhen bekleideten – Händen wehrte. Im weiteren Verlauf der Kampfhandlung zog sich die Geschädigte am Hinterkopf eine großflächige Prellung zu. Frau S ging während der Kampfhandlungen, spätestens als sich das Geschehen von dem engen Flur in die – aus Sicht des ins Haus Eintretenden – links davon abgehende Küche verlagerte, zu Boden. Beim Bemühen, das Opfer zu fixieren, verursachte der Angeklagte Hämatome an Armen und Beinen. Im Bereich der von der Küche in der Ecke zum Flur ausgehenden Treppe in das Obergeschoss ergriff der Angeklagte das dort von oben – lose und offen – über die Treppe zur Küche und quer durch die Küche verlaufende Telefonkabel. Er drosselte damit sein Opfer zu Tode.

Im Laufe des weiteren Geschehens verbrachte der Angeklagte den Hund in die Waschküche. Er entkleidete den Körper der Frau S und zog dabei die Kleidungsstücke auf links. Diese brachte er – möglicherweise durch Werfen – in das an die Küche angrenzende Behandlungszimmer. Der Angeklagte ritzte mit einem Messer in die Bauchdecke und Brüste, hier jeweils quer über den Brustwarzen. Er schnitt die Brüste ab, die er in zwei Schalen legte und auf dem Küchenboden abstellte. Der Angeklagte nahm ein Tafelmesser und eine Gabel aus der Küchenschublade und führte diese in die Bauchdecke der Leiche ein. Messer und Gabel ließ er im Unterbauch stecken. Im Verlaufe des Übergriffes nahm er ein weiteres Tafelmesser, stach damit tief in die Dammregion der Leiche und ließ es dort stecken.

Im Verlauf des Geschehens durchtrennte der Angeklagte das Telefonkabel auf halber Treppenhöhe und band es um das rechte Fußgelenk des Opfers. Dessen Strumpfhose knotete er um den rechten Arm der Leiche. Anschließend goss er Flüssigkeiten über den Leichnam. Ob es sich hierbei um den Inhalt der auf dem Küchenboden gefundenen ungeöffneten aber zerbrochenen Campari-Flasche handelte, um den Inhalt der Cinzano-Flasche, die auf einem Brett in der Küche vorgefunden wurde oder um eine andere Flüssigkeit, vermochte die Kammer nicht festzustellen.

Er entnahm einem roten Küchenregal Einmachgläser und streute eine grobkörnige Substanz – vermutlich Gries – über Brust und Bauch der Leiche. Danach streute der Angeklagte helle, feinere Körner auf das Gesicht, den Unterbauch, Schambereich und den rechten Oberschenkel. Anschließend schüttete er grobkörnige, dunkle Körner – vermutlich Weizen – auf den linken Oberschenkel und das Gesicht der Leiche. Das entsprechende Einmachglas mit der handschriftlichen Aufschrift „Weizen“ stellte er auf das Regal zurück. Danach bedeckte der Angeklagte den Leichnam bis auf den linken Unterschenkel mit Fuß, den rechten Fuß und die linke Hand mit einem Treppenvorhang, den er von der Wand des Flures zum Obergeschoss hin gerissen hatte. Er begab sich in die Diele, durchsuchte die Gegenstände des Opfers und nahm aus dessen Handtasche das Portemonnaie. Er entwendete Bargeld in Höhe von jedenfalls 250,00 DM. Spätestens jetzt löschte der Angeklagte das Licht in der Küche und zog die Küchentür zu. Durch die Terrassentür verließ er den Tatort, wobei er die Tür nicht ins Schloss drückte.

Ob der Angeklagte Frau S tötete, um sich an ihrer Leiche durch die Vornahme von Manipulationen sexuell zu vergehen, das heißt, ob er bereits im Zeitpunkt der Tötung den Willen hatte, durch die beschriebenen Manipulationen an der Leiche die Befriedigung seines Geschlechtstrieb zu suchen, vermochte die Kammer nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festzustellen.

4. Das Geschehen nach der Tat

Unterdessen hatte der Zeuge X3 die Silvesternacht alleine zu Hause verbracht. Mitbewohner waren nicht zugegen gewesen. Am Neujahrsmorgen fuhr er zu seinen Eltern in die Eifel. Weil er noch über den Ablauf des Silvesterabends verärgert war, versuchte er nicht, Frau S am Neujahrstag zu kontaktieren. Er war nicht in der Stimmung, ihr Neujahrsgrüße auszurichten. Von seinem Elternhaus aus versuchte er aber am 02.01.19… mehrfach vergeblich, seine Freundin telefonisch zu erreichen. Am Nachmittag des 03.01.19… fuhr er schließlich nach Z1. Als ihm auf Klingeln hin nicht geöffnet wurde, nahm er den Schlüssel aus der Kommode vor dem Haus und öffnete mit dessen Hilfe die Tür. Er bemerkte einige im Flur ungeordnet liegende Gegenstände und entdeckte die in der Küche liegende Leiche. Er lief zum Auto zurück, fuhr zur Raiffeisenbank in Z1 und alarmierte von dort aus – gegen 16:25 Uhr – die Polizei. Wenig später erschienen mehrere Einsatzwagen am Tatort. Die Beamten ließen den in der Waschküche eingesperrten Hund frei und begangen mit umfangreichen Ermittlungen. Die Tatortarbeit nahm mehrere Tage in Anspruch. Im Fahrzeug der Geschädigten fanden die Ermittler unter anderem einen 50,-DM-Schein.

Über das Tötungsdelikt wurde in der Presse berichtet. Darüber hinaus fuhren auch Polizeifahrzeuge in Z1 umher und baten die Bevölkerung über Lautsprecher um Mithilfe bei der Aufklärung dieses Verbrechens.

5. Der Gang der Ermittlungen

Trotz umfangreicher Ermittlungen anhand des Spurenbildes am Tatort, der Auswertung zahlreicher privater Kontakte und Patientenbücher, Befragungen im Umfeld des Opfers, konnte seinerzeit kein Täter ermittelt werden. Das Verfahren, das schließlich gegen den Zeugen X3 als Beschuldigten geführt wurde, stellte die Staatsanwaltschaft im Jahre 19… ein. Die Ermittlungen wurden im Oktober 2003 jedoch wieder aufgenommen, als eine Sichtung der nach wie vor asservierten Beweismittel ergab, dass DNA-Material einer unbekannten Person vorhanden war, welches als tatbezogen eingeordnet wurde.

Anhand einer operativen Fallanalyse durch das Landeskriminalamt wurde der Versuch unternommen, die Tat zu rekonstruieren. Anhand der hieraus gewonnen Erkenntnisse konnte ein Täterprofil erstellt werden. Ausgegangen wurde von der These, dass ein männlicher Einzeltäter zwischen 25 – 65 Jahre alt, welcher seinen Lebensraum zur Tatzeit in Z1 und Umgebung hatte, die Tat verübt hat. Mittels Rasterfahndung ermittelte man alle dem Täterprofil unterfallenden Personen. Die Ermittlungsbehörden schrieben die Personen an und baten um Abgabe einer freiwilligen Speichelprobe. Weil man aufgrund der Art der Tatbegehung von einem beziehungsunfähigen Täter ausging, wurden vorrangig die zur Tatzeit unverheirateten Männer angeschrieben.

Der Angeklagte wurde mit Schreiben vom … 20.. für Montag, den … 20.. zur Abgabe einer freiwilligen Speichelprobe in dem Mordfall E7 S vorgeladen. Er verweigerte in der Folge die Abgabe einer DNA-Probe mit nicht nachvollziehbarer und wechselnder Begründung, so dass ein Beschluss erwirkt wurde, der den Angeklagten zur Abgabe verpflichtete. Dieser Beschluss wurde am …20.. vollstreckt. Das DNA-Material des Angeklagten wurde mit jenem DNA-Material, welches auf einigen als tatrelevant eingestuften Gegenständen gesichert worden war, verglichen. Die Ermittlungsbehörden erhielten am ….20.. Kenntnis davon, dass das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen die Übereinstimmung derjenigen DNA-Merkmale, die aus der vom Angeklagten stammenden Speichelprobe Nr. … gewonnen wurden, mit jenen am Tatort aufgefundenen DNA-Spuren festgestellt hatte.

Daraufhin erließ das Amtsgericht C8 – … Gs …/… – gegen den Angeklagten am … Haftbefehl. Am … wurde der Angeklagte in seinem Haus in N2 festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft, zuletzt in der Justizvollzugsanstalt L7. Das Anwesen des Angeklagten wurde am … durchsucht. In der Folge wurden Briefe beschlagnahmt, die Rückschlüsse darauf zulassen, dass der Angeklagte Kontakt zur sogenannten „Sado-Maso“-Szene unterhalten hat.

1. Die Feststellungen der Kammer zur Person basieren auf den Angaben des Angeklagten und auf dem Inhalt der verlesenen Urkunden, wie sie sich im Einzelnen aus dem Sitzungsprotokoll ergeben. Ergänzend hat die Kammer die Zeuginnen X2 und E zur Vita des Angeklagten und insbesondere zu deren Beziehung zum Angeklagten befragt. Darüber hinaus hat die Kammer auch die Zeugin C5, eine Kollegin des Angeklagten, vernommen. Diese hat bekundet, die Kollegen hätten die Arbeit des Angeklagten geschätzt.

a) Widersprüche im Inhalt der Zeugenaussagen zur Einlassung des Angeklagten sind – mit einer Ausnahme – nicht zutage getreten. Denn der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, mit der Zeugin E schon in der Endphase der Beziehung zu Frau X2 befreundet gewesen zu sein.

Diese Behauptung ist widerlegt durch die glaubhaften Bekundungen der Zeugin E, die angegeben hat, sie habe den Angeklagten erst im August 19.. kennen gelernt. Die Erinnerung der Zeugin war trotz der zurückliegenden Zeit hinreichend verlässlich. Denn sie hat weiter bekundet, sie habe den Angeklagten anlässlich eines innerhalb von F2 getätigten Umzuges, bei dem ihr der Angeklagte geholfen habe, kennen gelernt. In der Folge sei sie mit dem Angeklagten einige Wochen intim befreundet gewesen. Wenig später habe sie ihren Ehemann kennen gelernt.

Die Kammer folgt diesen Bekundungen. Die diesbezügliche Einlassung des Angeklagten erscheint lediglich als Versuch, sich im Tatzeitraum als emotional stabiler, weil anderweitig bereits liierter Mann, zu präsentieren. Dies widerspricht indes den Bekundungen der Zeugin X2, die angegeben hat, der Angeklagte habe die Trennung nur schwer verwinden können. Er habe sich einmal ein Gewehr an den Kopf gehalten und mit Selbstmord gedroht.

b) Die Kammer hat weder festzustellen vermocht, dass der Angeklagte zur Tatzeit sexuell pervers war, noch dass er es heute ist. Insbesondere hat die Beweisaufnahme keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte dafür zu Tage gebracht, dass der Angeklagte sexuell abnorm veranlagt ist, weil er selbst sadistische oder masochistische Tendenzen hat und diese auslebt.

Der Angeklagte hat zwar eingeräumt, Kontaktanzeigen mit sadistischen Gewaltfantasien in verschiedenen Zeitschriften aufgegeben zu haben, die der SM-Szene zuzuordnen sind. Dies hat auch die Zeugin H3, Angestellte des L10-Verlages, bestätigt. Sie hat bekundet, der Angeklagte habe im Jahre 20.. – 20.. mehrfach Sexanzeigen in den vom L10-Verlag herausgegebenen Magazinen “ B4 „, “ M3 “ und “ T8 “ aufgegeben. So sei zum Bespiel am … 20.. folgende Anzeige in der Zeitschrift “ T8 “ im Auftrag des Angeklagten erschienen:

„Raum 5 und 4. Erzieher (47) erzieht im Beisein des Gatten dessen Frau. Die Damen sollten jenseits der Wechseljahre sein, gern Jahrgänge vor 1933. Diverse Räumlichkeiten vorhanden. Auch Wochenendaufenthalte möglich. Zuschriften bitte an Chiffre-Nr. Ch.SK…-00…-…“

Der Angeklagte hat auch zugegeben, seine Verlobte über eine von ihr aufgegebene Anzeige mit eindeutig sadistisch-masochistischem Inhalt kennen gelernt zu haben. Er hat sich aber dahingehend eingelassen, lediglich einen Handel mit SM-Videofilmen getrieben und die Anzeigen vor diesem Hintergrund geschaltet zu haben. Er selbst sei zudem seit rund vier Jahren impotent.

Diese Einlassung des Angeklagten war nicht zu widerlegen. Zum einen hat er in einer – den Bekundungen der Zeugin H3 zufolge am … 20.. erschienenen – Anzeige in dem Magazin “ B4 “ tatsächlich Interesse an Foto- und Videomaterial gezeigt. Ausweislich der in der Hauptverhandlung verlesenen und mit Hilfe der Zeugin H3 dem Angeklagten zugeordnete Anzeige lautete diese:

„Raum 5 und weiter. Seriöser und dominanter Er, Mitte 40, sucht devote Sie oder Paar, von dem Sie erzogen wird. Habe eigene Vorstellungen, die mit dem normalen nicht mehr viel zu tun haben Alter zwischen 50 und 70 Jahren, gerne auch älter. Viagra vorhanden und kann mitbenutzt werden. Bin auch an Foto- und Video-Material von alten und sehr alten Frauen interessiert. Ch.AW…-00…0…“

Dass der Angeklagte die Anzeigen ausschließlich vor dem Hintergrund eines florierenden Handels mit SM- Pornografie geschaltet hat, erscheint in Anbetracht des Anzeigentextes zwar nicht naheliegend, aber jedenfalls möglich. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber, dass die Lebensgefährtin des Angeklagten sich nicht zu einer Zeugenaussage vor der Kammer bereitgefunden hat. Frau W2 hatte bereits vor Beginn der Hauptverhandlung angekündigt, sich auf das – im Hinblick auf die Verlobung – bestehende Aussageverweigerungsrecht zu berufen. Auf eine Ladung dieser Zeugin hat die Kammer vor diesem Hintergrund verzichtet.

Die im übrigen vernommenen Zeuginnen, die mit dem Angeklagten in der Vergangenheit – und zwar im Tatzeitraum – sexuell verkehrt haben, haben bekundet, dass sie mit dem Angeklagten in der üblicher Form sexuell verkehrt haben. Außergewöhnliche Sexualpraktiken, so die Zeuginnen X2 und E, habe der Angeklagte nicht gewünscht. Er habe weder in sexueller Hinsicht, noch im allgemeinen Umgang zu Aggressionen oder Gewalt geneigt.

2. Die Feststellungen zur Vorgeschichte der Tat basieren im einzelnen auf der Ausschöpfung folgender Erkenntnisquellen:

a) Die Feststellungen zur Lebenssituation des Angeklagten zur Tatzeit beruhen auf seinen Angaben und denen damit nicht im Widerspruch stehenden Bekundungen der Zeugin X2.

b) Die Feststellungen zur Lebenssituation der Frau S und ihrer Persönlichkeit beruhen auf den Angaben der Zeugen X3, L5, M2, O, N12 , X5, C4, C11 und der Aussage des Zeugen M. Die Zeugen waren mit dem Tatopfer befreundet oder – im Falle des Zeugen M – bekannt und haben jeder für sich in verschiedenen Nuancen die Persönlichkeit des Tatopfers wie festgestellt beschrieben. Unter anderem die Zeuginnen C4 und X5, letztere selbst Heilpraktikerin von Beruf, haben darüber hinaus Auskunft über die von Frau S praktizierte Behandlungsmethode gegeben.

c) Die Feststellungen der Kammer in Bezug auf das Verhältnis des Angeklagten zum Tatopfer basieren auf den Angaben des Angeklagten. Zwar haben die Zeugen X2 und M, letzterer ein Bekannter des Angeklagten und Arbeiter auf der C2 Z1 , angegeben, ihres Wissens habe keine Bekanntschaft des Angeklagten mit dem Tatopfer bestanden. Gestützt hinsichtlich gelegentlicher Kontakte im Rahmen von Arbeiten im Haus der Frau S wird die Einlassung des Angeklagten aber von der Zeugin C4. Diese hat bekundet, sie habe eine Erinnerung daran, dass ihr von Frau S einige Zeit vor der Tat damals ein Mann namens “ K2 “ vorgestellt wurde, der einen Blaumann trug und Arbeiten für die Geschädigte verrichtete.

Soweit sich der Angeklagte darüber hinaus dahingehend eingelassen hat, er sei bei Frau S in der Weise Patient gewesen, dass diese ihn zuweilen bei sich bietender Gelegenheit – etwa 1 bis 2 Mal im Jahr – wegen seiner Rückenschmerzen mit Rückenkräuterwickeln behandelt habe, so hält die Kammer diese Einlassung für widerlegt. Im Einzelnen:

Den Bekundungen des Polizeibeamten K zufolge konnte trotz umfangreicher Recherchen unten den früheren Patienten der Frau S keine Person ermittelt werden, die von Frau S mit Rückenkräuterwickeln behandelt worden ist. Den Bekundungen dieses Polizeibeamten zufolge konnten von insgesamt 73 Patienten noch 47 ermittelt, erreicht und befragt werden. Darunter befanden sich auch einige Rückenschmerzpatienten. Auch alle von der Kammer vernommenen Patientinnen, nämlich die Zeuginnen N, X5, C3 und C4– letztere Rückenschmerz-Patientin – sind ihren Angaben zufolge nicht mit Kräuterwickeln behandelt worden. Mit Ausnahme der Zeugin C3 haben alle vernommenen Patientinnen angegeben, mit der „Jin Shin Jyutsu“- Methode von Frau S therapiert worden zu sein. Lediglich die Zeugin C3 ist ihren Bekundungen zufolge in der Zeit, als Frau S ihre Heilpraktikertätigkeit aufnahm, auch mit Hilfe von Vitaminspritzen und klassischer Homöopathie behandelt worden. Die Zeugin X5 – selbst Heilpraktikerin von Beruf – hat darüber hinaus bekundet, die „Jin Shin Jyutsu“- Methode sei hervorragend geeignet zur Behandlung von Rückenschmerzen. Sie bezeichnete die Behauptung, Frau S habe jemanden wegen Rückenschmerzen mit Kräuterwickeln, gar als absurd. Zudem haben die vor der Kammer vernommenen Zeuginnen beschrieben, dass sich Frau S viel Zeit für ihre Patienten nahm und deren Lebensverhältnisse zu ergründen versuchte, um die Ursache der Erkrankung zu suchen. Eine derartige ganzheitliche Heilmethode passt nicht zu dem vom Angeklagten beschriebenen Patientenverhältnis, welches er zu Frau S gehabt haben will.

Soweit sich der Angeklagte dahingehend eingelassen hat, er habe ein sexuelles Verhältnis mit Frau S unterhalten, so ist diese Einlassung widerlegt, wie im folgenden noch erörtert werden wird.

3. Die Feststellungen der Kammer zum Geschehen vor der Tat basieren vor allem auf den Bekundungen des Zeugen X3. Die Kammer hatte keinen Anlass – wie im Einzelnen noch zu erörtern sein wird – an der Glaubhaftigkeit der Angaben dieses Zeugen und früheren Beschuldigten zu zweifeln. Die Aussage des Zeugen X3 wird in Bezug auf das Tatvorgeschehen insoweit auch durch die Bekundungen der Zeugin C4 gestützt, die auf den Vorhalt ihrer damaligen Aussage bei der Polizei angegeben hat, den Zeugen X3 und die Geschädigte noch am Vormittag des 31.12.19.. in S3 beim gemeinsamen Einkaufen gesehen zu haben.

4. Die Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen beruhen neben den Bekundungen der damals als Tatort- und Spurenbeamten tätig gewesenen Zeugen L3 und N3, auf dem Ergebnis verschiedener Sachverständigengutachten, insbesondere dem Gutachten der DNA-Sachverständigen Dr. F5 und der rechtsmedizinischen Gutachten des Prof. Dr. X4, Dr. I2 und des Prof. Dr. N8, der Inaugenscheinnahme eines Videofilmes, Objekten und Lichtbildern, der Verlesung von Urkunden und der Vernehmung der übrigen Zeugen. Die Kammer hat nach Durchführung der Beweisaufnahme keinen vernünftigen Zweifel daran, dass es der Angeklagte war, der Frau S getötet hat.

a) Der Angeklagte bestreitet allerdings die Tat. Im Laufe des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens hat er sich zur Sache immer bestreitend, aber im Detail wechselnd, eingelassen. Im Einzelnen:

aa) Der Angeklagte hat sich in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung vom … 20.. den Bekundungen des Vernehmungsbeamten K zufolge dahingehend eingelassen, zu Frau S einen „eher losen Kontakt“ gehabt zu haben. Man sei sich als Bewohner desselben kleinen Dorfes zuweilen beim Spazieren gehen mit den Hunden begegnet. Er habe in den Jahren etwa zwei bis drei Mal nach ihrem Auto gesehen, weil die von ihr ansonsten benutzte Werkstatt zu hatte. So habe er einmal nach der Zündung ihres R 4 gesehen. In Kontakt sei er auch mit “ E10 „, wie sie alle genannt hätten, gewesen, über das Federvieh. Beide hätten sie Hühner gehabt, er habe jedoch keinen Hahn besessen, während sie einen Hahn gehabt habe. Sie habe daher auch immer wieder belegte Eier gehabt. Er habe eine Glucke gehabt, der er ein paar belegte Eier von Frau S habe unterschieben wollen. Darüber hinaus – so der Angeklagte am … 20.. den Bekundungen des Zeugen K zufolge – sei er Patient bei Frau S gewesen. Ein bis zwei Mal im Jahr habe sie ihm wegen seiner Rückenschmerzen einen Kräuterwickel gesetzt. Die Behandlung sei durch Arbeiten am Auto oder am Haus – zum Beispiel einmal durch die Reparatur der Tür zum Hühnerstall – abgegolten worden. Sexuellen Kontakt habe er zu Frau S nicht gehabt.

Den letzten Kontakt – so der Angeklagte den Angaben den Zeugen K zufolge am … 20.. – habe er am 30.12. oder 31.12.19.. zum Opfer gehabt. Er habe sie seiner Erinnerung nach im F7 -Markt in Z1 getroffen. Sie habe wohl gesehen, dass er wieder unter Rückenschmerzen leide und habe ihn spontan eingeladen, doch nachher schnell vorbeizukommen, um ihm einen Rückenwickel zu setzen. Er sei dann, wahrscheinlich am frühen Nachmittag, in die Mühle gegangen. Während sie den Rückenwickel vorbereitet habe, hätte man sich unterhalten. Er habe wahrscheinlich wie üblich ein Glas Campari bei ihr getrunken. Sie habe ihn dann in der Küche am Tisch stehend mit heruntergelassener Hose den Wickel gesetzt und habe diesen mit einem Nierengurt fixiert. Während der Einwirkzeit von ca. 20 – 25 Minuten hätten sie sich unterhalten. Nach etwa 40 Minuten sei er wieder gegangen. Möglicherweise habe man sich zum Abschied gedrückt, möglicherweise auch auf die Wange geküsst. Als er gegangen sei, sei gerade der Vermieter des Anwesens, der Burgherr Baron K1, zu Frau S gekommen. Wie er den folgenden Silvesterabend und Nacht verbracht habe, könne er heute beim besten Willen nicht mehr sagen.

Der Angeklagte hat sich ergänzend am folgenden Tag, dem … 20.., den Angaben der Zeugen K zufolge dahingehend eingelassen, er habe sich bei der letzten von ihr erfahrenen Behandlung nur in der Küche und im Eingangsbereich aufgehalten. Wie seine DNA etwa an die Unterhose der Frau S gelangt sei, könne er sich nicht erklären. Vielleicht habe er beim Setzen des Rückenwickels ein Haar verloren, seine Hände gerieben, vielleicht geschwitzt oder Hautschuppen verloren. Möglicherweise sei die Unterhose oder auch die Strumpfhose durch seine DNA gezogen worden, etwa durch den Hund. Er sei vom Tod der Frau S am 03.01.19.. durch K1 informiert worden. Dieser habe angerufen und ihm gesagt er – der Angeklagte – solle nicht sagen, dass K1 noch kurz zuvor bei ihr gewesen sei.

In der Hauptverhandlung vor der Kammer hat sich der Angeklagte zunächst auf sein Schweigerecht berufen. Er hat im Laufe der Hauptverhandlung aber zu einzelnen Themen punktuell Stellung bezogen, so zum Beispiel zur Herkunft der in seinem Adressbuch gefundenen Vermerke zum Thema DNA. Darüber hinaus hat er im Rahmen von Zwischenbemerkungen und im letzten Wort Angaben gemacht.

bb) In der Sitzung vom 08.05.2007 – am siebten Verhandlungstag – hat er sich abweichend von den bisherigen Angaben dahingehend eingelassen, er habe zweifachen sexuellen Kontakt mit Frau S gehabt. Der eine habe im März/April 19.. stattgefunden, der letzte Kontakt sei noch am 31.12.19.. gewesen. Zwischen Frau S und ihm sei es bei diesen beiden Malen im Rahmen der Rückenwickelbehandlung zu sexuellen Kontakten gekommen. Am Silvestertage sei er der Behandlung wegen gegen halb eins bei E10 gewesen. Hierbei seien sie jedoch von K1 gestört worden. Deshalb hätten sie sich für den späten Nachmittag verabredet. Etwa gegen 16.30 oder 16.45 Uhr sei Frau S zu ihm in die I-Straße gekommen. Hier sei es dann zum zweifachen Geschlechtsverkehr mit Kondomen gekommen. Gegen 19.30 Uhr, nachdem Frau S noch bei ihm geduscht habe, habe er sie nach Hause gebracht. Er habe sie noch von der Mühle aus Richtung C8 abfahren sehen. Das sei das letzte Mal gewesen, dass er sie gesehen habe. Das Verhältnis zu ihr sei kein Liebesverhältnis gewesen. Sie beide hätten nur sexuelle Interessen verfolgt. Weil er Angst gehabt habe, durch den Geschlechtsverkehr mit dem späteren Tatopfer Spuren hinterlassen zu haben, habe er sich der Abgabe der DNA-Speicheprobe nicht freiwillig gestellt.

cc) Im Rahmen seines letzten Wortes hat der Angeklagte angegeben, er sei auch möglich, dass die Geschädigte am 31.12.19.. erst gegen 18.00 Uhr zu ihm in sein Haus gekommen sei. Es sei so gewesen, dass sie noch berichtet habe, von einem Bekannten – möglicherweise eben jenem G – angerufen worden zu sein.

b) Alle drei von dem Angeklagten abgegeben Einlassung sind – soweit sie den Feststellungen widersprechen – nach Durchführung der Beweisaufnahme – widerlegt.

aa) Die Einlassung, Frau S sei noch am Nachmittag bis gegen 19:30 Uhr des 31.12.19.. bei dem Angeklagten in dessen Haus gewesen, ist widerlegt durch die Bekundungen der Zeugen X3 und H4.

Der Zeuge X3 hat bekundet, natürlich könne er sich nach der vergangenen Zeit von mehr als 21 Jahren nicht mehr an alle Einzelheiten des Silvesterabends erinnern. Er wisse aber noch, dass er, nachdem er am frühen Abend gegen 18.30 Uhr aufgewacht sei, mit Frau S jedenfalls einmal telefoniert habe. Wenn ihm die entsprechende Passage seiner früheren Vernehmung vom 25.01.19.. vorgehalten werde, so erinnere er sich nunmehr daran, dass er tatsächlich am Silvesterabend nach 18:30 Uhr noch mehrere Male mit Frau S telefoniert habe und gegen 19.15 Uhr vereinbart worden sei, dass man in die “ M4 “ in C8 gehen wollte, wo ein Festessen mit Tanz stattfinden sollte.

Der Zeuge H4, Polizeibeamter in H, hat bekundet, zwar könne er sich naturgemäß nicht mehr an den seinerzeitigen Auftrag des KK 11 in C8 erinnern, den in F4 wohnenden und inzwischen verstorbenen Zeugen G zu vernehmen. Es habe sich allerdings ein diese Amtshilfe betreffendes Fax vom … 19.. gefunden, welches der Kammer vorliege und welches er verfasst habe. Das was er dort niedergelegt habe, sei auch so geschehen. Demzufolge habe er am … 19.. einen Herrn G zum Sachverhalt im Mordfall S gehört. Dieser habe ihm gegenüber damals erklärt, am Silvesternachmittag mit Frau S, mit der er gelegentlichen telefonischen und brieflichen Kontakt pflegte, telefoniert zu haben. Herr G habe damals angegeben, Frau S bereits am Nachmittag des Silvestertages angerufen zu haben und dann noch einmal aus Versehen gegen 18:00 Uhr Frau S angewählt zu haben. Bei diesem Gespräch habe sie, so Herr G damals, erklärt, dass sie ein langes Kleid suche, weil sie zum Tanzen gehen wolle.

Zwar könnte man hinsichtlich der Angaben des Zeugen X3 insoweit eine Divergenz zu den Angaben des Herrn G sehen, als dass nach der Aussage des X3 erst gegen 19.15 Uhr festgestanden hat, dass man am Silvesterabend tanzen gehen wollte, Frau S aber den Angaben des G zufolge bereits gegen 18.00 Uhr auf der Suche nach Tanzkleidung war. Allerdings kann Frau S durchaus bereits gegen 18.00 Uhr den Wunsch gehegt haben kann, Silvester tanzen zu gehen. Entscheidend ist ohnehin, dass die Angaben der beiden Personen belegen, dass Frau S, die wie damals üblich lediglich über einen Festnetzanschluss verfügte, jedenfalls in dem Zeitraum zwischen 18.00 Uhr und 19.15 Uhr in der alten Mühle – und nicht wie vom Angeklagten behauptet – bei ihm in dessen Haus – war.

Dass der Angeklagte sich schlussendlich dahingehend eingelassen hat, noch am Silvestertag sexuellen Verkehr mit Frau S gehabt zu haben, hält die Kammer für eine Schutzbehauptung und für einen untauglichen Versuch, zumindest einige der gefundenen vom Angeklagten stammenden DNA-Spuren durch eine legale Verhaltensweise zu erklären. Denn wäre diese Einlassung zutreffend, so ist zu erwarten, dass sich der Angeklagten noch an den weiteren Verlauf des Silvesterabend – und damit an ein mögliches Alibi – erinnern und dies auch offenbaren könnte. Denn dann hätte dieser Tag eine besondere Bedeutung für ihn, weil seine Intimpartnerin nur wenige Stunden nach dem sexuellen Verkehr mit ihm ermordet worden wäre. Von der Tat hat der Angeklagte eigenen Angaben zufolge am 03.01.19.. Kenntnis erlangt, weshalb unter diesen Bedingungen zu erwarten ist, dass die damaligen Ereignisse im Gedächtnis des Angeklagten verblieben wären.

bb) Auch die dritte Einlassung des Angeklagten, wonach Frau S am Silvesterabend erst gegen 18.00 Uhr bei ihm erschienen sei, ist nach der Überzeugung der Kammer widerlegt. Wie bereits ausgeführt, war Frau S nach 18.00 Uhr in der alten Mühle und hat von dort mit dem Zeugen X3 telefoniert. Im übrigen ist die Einlassung erinnerungspsychologisch nicht nachvollziehbar. Denn, dass der Angeklagte sich nunmehr – mehr als 21 Jahre nach dem Ereignis – an einen Umstand erinnern können will, der für ihn vor kurzem noch keinerlei Bedeutung hatte, ist unglaubhaft. Mit der Behauptung, Frau S habe, als sie gegen 18.00 Uhr bei ihm eintraf, einen Anruf eines Bekannten erwähnt, hat der Angeklagte noch im letzten Wort lediglich den Versuch unternommen, seine Einlassung dem Beweisergebnis anzupassen.

cc) Aber auch die erste Einlassung des Angeklagten, wonach er noch am frühen Nachmittag des 31.12.19.. zur Behandlung seines Rückenleidens bei Frau S in der alten Mühle gewesen sei, ist widerlegt. Im einzelnen:

Nach dem bereits erörternden Ergebnis der Patientenbefragung hätte Frau S Rückenbeschwerden nicht in der vom Angeklagten beschrieben Weise durch Setzen eines Kräuterwickels behandelt. Vielmehr ist nach den Ermittlungen des Zeugen K und nach den Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Patientinnen und insbesondere der Zeugin X5 davon auszugehen, dass Frau S auch bei dem Angeklagten die von ihr bevorzugte Behandlungsmethode „Jin Shin Jyutsu“ angewandt hätte. Zudem haben die Zeuginnen beschrieben, dass sich Frau S viel Zeit für ihre Patienten nahm und deren Lebensverhältnisse zu ergründen versuchte, um die Ursache der Erkrankung zu suchen. Eine derartige ganzheitliche Heilmethode passt nicht zu dem vom Angeklagten beschriebenen Patientenverhältnis, das er zu Frau S gehabt haben will, die ihm quasi bei Gelegenheit nebenher behandelt und mit einem Kräuterwickel lediglich symptombezogen gearbeitet haben soll.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass Frau S ein etwaiges Rückenleiden des Angeklagten am Nachmittag des 31.12.19.. behandelt hätte. Denn nach den Bekundungen des Zeugen X3 hatte Frau S ihre Praxis über Weihnachten und Silvester geschlossen, wobei die Zeugin X5 auch bekundete, Frau S habe sich ganz bewusst Auszeiten genommen, um so neue Kraft für ihre Patienten zu schöpfen.

Nach alledem und vor dem Hintergrund der noch zu erörternden weiteren Beweisergebnisse geht die Kammer davon aus, dass es sich auch bei dieser ersten Einlassung um eine Schutzbehauptung handelt, die das Ziel hatte, sich als Tatortberechtigten darzustellen.

c) Soweit der Angeklagte und sein Verteidiger im Laufe der Beweisaufnahme zum Ausdruck gebracht haben, dass auch der Vermieter der Frau S, der Burgherr K1, oder der Zeuge X3 als Täter in Frage kommen, so hält die Kammer deren Täterschaft für ausgeschlossen.

aa) Dies gilt zunächst in Bezug auf einen Alternativtäter K1. Zwar galt dieser Herr, der am Abend des … 19.. tot in seinem Schlafzimmer aufgefunden wurde, als psychisch auffällig. Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Ermittlungsvermerkes des Polizeibeamten Q1 vom … 19.. litt der Burgherr unter Verfolgungswahn und schizophrenen Schüben, insbesondere bei Einnahme von alkoholischen Getränken. Er lebte auf der C2 von Frau und seinen Kindern getrennt und suchte – so der Zeuge M – regelmäßig Prostituierte auf. Neben dem Zeugen M haben auch der Zeuge B3, ein Bekannten des Angeklagten und früherer Arbeiter auf der C2 Z1, und der Angeklagte von psychischen Auffälligkeiten berichtet. So hat der Zeuge B3 bekundet, der Verstorbene sei eigenartig gewesen. Er sei oft betrunken gewesen und habe einmal ein Jagdgewehr auf ihn gerichtet. Weil die Umstände seines Todes mysteriös gewesen seien, habe man den Baron schon damals verdächtigt, seine Mieterin Frau S, an der er möglicherweise ein sexuelles Interesse gehabt habe, getötet zu haben.

K1 weilte allerdings zur Tatzeit in der Gaststätte “ L11 “ in C8-C12. Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Abschlussvermerkes des Polizeibeamten Q1 vom … 19.. zur Spur 2 hatte Herr von K1 damals angegeben, den Silvesterabend von 21.00 Uhr an bis gegen 4.30 Uhr am Neujahrsmorgen in der vorerwähnten Gaststätte gewesen zu sein. Danach habe er sich ein Taxi nach Hause genommen, wo er gegen 5.00 Uhr – zunächst unbemerkt von den sonstigen Bewohnern der C2 – eingetroffen sei. Diese Angaben sind von Zeugen bestätigt worden, so dass Herr von K1 lediglich für den Zeitraum von 5.00 Uhr bis 11.40 Uhr des 01.01.19.. kein Alibi hatte.

Nach dem Gutachten des Professor Dr. N8 – Leiter des Rechtsmedizinischen Institutes der Universität C8 – ist aber ausgeschlossen, dass der Tod der Frau S nach 05:00 Uhr morgens eingetreten ist. Nach dem Ergebnis der Obduktion in Bezug auf die Bestandteile des Magens und des Darms in Verbindung mit der Tatsache, dass die letzte Nahrungsaufnahme gegen 23:00 Uhr beendet war, sei auszuschließen, dass der Tod der Frau S nach 05:00 Uhr morgens eingetreten ist. Denn es hätten sich ausweislich des Obduktionsberichts im Magen der Toten noch ca. 300 cm² Speisebrei befunden, während im Zwölffingerdarm lediglich eine geringe Menge einer bräunlich gelben Masse befunden habe. Es sei aufgrund wissenschaftlicher Testuntersuchungen gesicherte Erkenntnis, dass bei einem gesunden Menschen eine Mahlzeit aus Salat und Kartoffeln nach einer Zeit von mehr als zweieinhalb Stunden nicht mehr vollständig im Magen verblieben, sondern zumindest teilweise in den Darm übergegangen sein muss. Da der Magen zum Todeszeitpunkt indes noch mit 300 cm² gut gefüllt gewesen und die Kost zudem eine leichte gewesen sei, sei der Tod unter Einbeziehung von Toleranzgrenzen jedenfalls vor 01:30 Uhr eingetreten.

Warum der in dieser Sache seinerzeit tätige Professor Dr. I5 in seinem in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachten zur Todesursache vom 20.03.19.. bei gleichen Anknüpfungstatsachen zu einer anderen Bewertung kommt, nämlich zu der, dass der Tod zwischen 2.00 und 6.00 Uhr, gegebenenfalls auch zwischen 4.00 Uhr und 8.00 Uhr eingetreten sei, könne er – der Gutachter – nicht erklären. Die Schlussfolgerungen des Professor Dr. I5 seien für ihn schlicht nicht nachzuvollziehen.

Die Kammer folgt dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. N8. Denn dieser Sachverständige hat aufgrund wissenschaftlicher Testuntersuchungen seine Schlussfolgerungen gezogen, wobei die Kernaussage für einen medizinischen Laien gut nachvollziehbar ist. Denn es dürfte zu dem Erfahrungsschatz eines jeden Menschen gehören, dass sich nach einer leichten Mahlzeit bereits nach wenigen Stunden – aufgrund des sich leerenden Magens – in der Regel wieder ein Hungergefühl einstellt. Dagegen vermochten die Ausführungen des damaligen Gutachters schon wegen der fehlenden Begründung zur angegebenen Todeszeit nicht zu überzeugen.

bb) Nach Überzeugung der Kammer ist auch der Zeuge X3 nicht der Täter. Zwar hegten die Ermittlungsbehörden nach der Tat aus damaliger Sicht zurecht einen Anfangsverdacht gegen den Zeugen. Denn er war die letzte bekannte Kontaktperson des Opfers und hatte ein intimes Verhältnis zu Frau S. Er hat kein hieb- und stichfestes Alibi, weil er eigenen Angaben zufolge die Silvesternacht allein ohne seine Mitbewohner verbracht hatte. Zudem hatte sich Frau S zur Unzeit, nämlich vor dem Jahreswechsel, von ihm getrennt, worüber der Zeuge verärgert und enttäuscht war. Darüber hinaus war er der einzige, der wusste, dass Frau S die Silvesternacht allein in der Mühle verbringen wollte. Zudem erschienen den damaligen Ermittlungsbeamten Reaktionen des Zeugen ungewöhnlich und nicht nachvollziehbar.

Der Kammer erscheint die bestehende Verärgerung über die vorzeitige Beendung eines gemeinsamen Silvesterabends indes kein plausibles Motiv zur Begehung einer derart brutalen Tat. Dies gilt jedenfalls bei einer im Wesentlichen intakten Beziehung, der Art der geführten Paarbeziehung und bei der Persönlichkeit der Frau S. Die Zeugen aus dem Umfeld des Opfers und darüber hinaus der Zeuge X3 haben bekundet, dass die Beziehung zwischen Frau S und X3 während ihrer rund zweijährigen Dauer Höhen und Tiefen erlebt hat. Frau S hatte auch während der gemeinsamen Zeit der Beziehung Affären mit anderen Männern. So hat der Zeuge X3 bekundet, es habe einen Seitensprung der Frau S mit seinem Doktorvater Prof. D2 gegeben. Auch eine kleine Affäre mit einem Untermieter des Burgherrn, dem Ägypter I12, hatte Frau S ihm offen kommuniziert. Im Dezember 19.. war indes aus der Sicht des Zeugen X3, der dies der Kammer glaubhaft geschildert hat, die Probleme ausgestanden und der Zeuge hatte sich an den lockeren freizügigen Umgang der Frau S mit Männern, soweit ihm dies möglich war, gewöhnt.

Abgesehen davon, dass die Spurenlage nicht auf eine Beziehungstat hindeutet, liegen auch keine objektive Spuren vor, die auf den Zeugen X3 als Täter hindeuten. Schon die damals umfangreichen Ermittlungen haben weder Fingerabdrücke noch Faser – oder Blutspuren zutage gebracht. Zwar konnten durch die neu aufgenommenen Ermittlungen nach dem Gutachten der Sachverständigen Frau Dr. F5 vom Landeskriminalamt DNA-Spuren von dem Zeugen X3 auf dem Slip und unter einem Fingernagel der Geschädigten gesichert werden. Diese Spuren haben aber angesichts der Tatsache, dass der Zeuge X3 und die Geschädigte die letzten Tage vor der Tat zusammen in der alten Mühle verbrachten, noch einen Tag vor der Tat sexuell verkehrten und noch am Abend des 31.12.19.. miteinander ausgingen, – anders als die noch zu erörternden DNA-Spuren des Angeklagten – keine zwingende Tatrelevanz.

4. Dass der Angeklagte der Täter ist, steht nach der Überzeugung der Kammer aufgrund einer Reihe von Indizien fest, die in ihrer Gesamtschau vernünftigen Zweifeln an einer Täterschaft des Angeklagten Schweigen gebieten.

a) Denn der Angeklagte hat an mehreren Gegenständen des Tatortes und am Körper der Frau S seine DNA-Spur hinterlassen.

aa) Ausweislich des Gutachtens der Frau Dr. F5, die als Biologin für das Landeskriminalamt in E3 tätig ist, und die ihr Gutachten in der Hauptverhandlung erstattet hat, sind vier DNA-Spuren am Tatort mit Sicherheit dem Angeklagten zuzuordnen. Dabei hat sie ausgeführt, dass die Untersuchung der Asservate auf Zellspuren auch nach den inzwischen vergangenen Jahren ohne weiteres jedenfalls dann möglich ist, wenn die Asservate ordnungsgemäß – das heißt trocken und dunkel – gelagert worden sind. Dies sei vorliegend – so die Sachverständige – der Fall gewesen. Im Einzelnen:

Nach ihren Untersuchungen stammt die DNA-Spur an einem der vier sichergestellten leeren Einmachgläser , die den Bekundungen des Tatortbeamten L3 und den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort zufolge aus der Küche der Geschädigten stammen, vom Angeklagten. In hoher Signalstärke – so die Sachverständige – habe sich am Asservat 33, einem leeren Einmachglas, in der die Geschädigte ausweislich der auf einem Lichtbild des Tatortes zu sehender Beschriftung des Glases „Weizen“ aufbewahrte, die DNA-Spur der Geschädigten befunden. Zusätzlich habe sich in geringerer Signalstärke, das heißt mit wenigem Zellmaterial, die Beimengung eines weiteren Spurenlegers befunden. Die in der Beimengung auswertbaren Allele seien solche, wie sie auch der Angeklagte besitze. Wegen der niedrigen Signalstärke seien die Analyseergebnisse hinsichtlich der Beimengung allerdings als unvollständig zu werten, weshalb eine konservative statistische Berechnung einer Spurenlegerschaft nicht möglich sei. Sie habe aber bestimmt, wie viele Personen als Verursacher der Beimengung in den auswertbaren Systemen unter Zugrundelegung der Geschädigten als Hauptspurenleger in Frage kommen. Das Ergebnis dieser Berechnung sei, dass es in der in Europa lebenden Bevölkerung unter 362.263.371 Menschen nur eine Person gibt, die wie der Angeklagte in Kombination mit der Geschädigten ein derartiges Merkmalsgemisch zurücklassen würde. Zur weiteren Charakterisierung von Spurenanteilen, die durch eine männliche Person verursacht worden seien, habe sie – die Sachverständige – eine Haplotyp-Analyse, ein Verfahren zum spezifischen Nachweis des DNA-Anteils einer männlichen Person, durchgeführt. Bei diesem Verfahren, bei dem spezielle STR-Systeme, die nur auf dem Y-Chromosom vorhanden sind, detektiert werden, habe sich das unvollständige DNA-Muster einer männlichen Person gezeigt, wobei von acht untersuchten Merkmalssystemen sieben auswertbar gewesen seien. Hierbei – so die Sachverständige weiter – handelte es sich bei allen nachweisbaren Allelen um die gleichen, wie sie auch der Angeklagte aufweise. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses sei aus spurenkundlicher Sicht die Beimengung dem Angeklagten zuzuordnen.

Zu dem gleichen Ergebnis kommt die Sachverständige hinsichtlich der DNA-Spur an der Strumpfhose der Geschädigten, die nach den Bekundungen des Spurenbeamten N3 um den Arm der Leiche gebunden war. Auch hier sei am Bund der Strumpfhose – so die Sachverständige – wegen der geringen Signalstärke der Beimengung eine konservative statistische Berechnung einer Spurenlegerschaft nicht möglich. Hilfsweise habe sie auch hier bestimmt, wie viele Personen als Verursacher der Beimengung in den auswertbaren Systemen unter Zugrundelegung der Geschädigten als Hauptspurenleger in Frage kommen. Das Ergebnis sei auch hier gewesen, dass es in der in Europa lebenden Bevölkerung unter 362.263.371 Menschen nur eine Person gebe, die wie der Angeklagte in Kombination mit der Geschädigten ein derartiges Merkmalgemisch zurücklassen würde.

Auch am Fingernagel abschnitt 5 c des rechten Mittelfingers der Geschädigten fanden sich dem Gutachten der Frau Dr. F5 zufolge neben den Allelen, die der Geschädigten selbst zugeordnet werden können, als Beimengung alle für den Angeklagten charakteristischen DNA-Merkmale im autosomalen StR-System. Auch die Haplotyp- Analyse habe ergeben, dass in allen acht untersuchten Systemen die gleichen Merkmalskombinationen gefunden wurden, wie sie der Angeklagte aufweise. Für den Verursacher der Beimengung seien – so die Sachverständige weiter – alle theoretisch möglichen Merkmalskombinationen in acht autosomalen STR-Systemen statistisch berechnet worden, mit dem Ergebnis, dass es in der in Europa lebenden Bevölkerung unter mehr als drei Milliarden Menschen nur eine Person gibt, die – wie der Angeklagte – in Kombination mit der Geschädigten ein derartiges Merkmalsgemisch zurücklassen würde. Daher könne der Angeklagte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Verursacher der Beimengung am Fingernagel des rechten Mittelfingers der Geschädigten angesehen werden.

Auch die DNA-Spuren an jenen Handschuhen der Geschädigten, die den Bekundungen der Tatort- und Spurenbeamten L3 und N3 zufolge im Flur des Hauses vor der Haustür gelegen haben und an denen sich – wie später ermittelt – Opferblut befunden hat, sind dem Gutachten der Frau Dr. F5 zufolge dem Angeklagten zuzuordnen. Ihren Untersuchungen zufolge seien am Innenfutter beider Handschuhe Haupt-DNA-Merkmale detektiert worden, wie sie der Geschädigten zuzuordnen seien, zusammen mit einer Beimengung mehrerer Spurenleger. Die DNA-Merkmale mit der größten Signalintensität innerhalb der Beimengung, was gleichbedeutend mit der größten Menge anhaftenden Zellmaterial sei, seien dem Angeklagten zuzuordnen. Bei der Analyse der Fingerspitzen beider Handschuhe hätte sich gezeigt, dass an allen Fingern in sehr starker Intensität alle DNA-Merkmale, wie sie auch in der Vergleichsspeichelprobe des Angeklagten nachgewiesen worden seien, vorhanden gewesen seien. Das detektierte DNA-Identifizierungsmuster in allen acht STR-Systemen käme – so die Sachverständige weiter – gemäß einer umfassenden Biostatistik in der in Europa lebenden Bevölkerung unter mehr als 10 Milliarden nicht blutsverwandten Personen nicht ein zweites Mal vor und hätte somit individualcharakteristische Eigenschaften.

Dem nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten der Sachverständigen hat sich die Kammer nach eigener Prüfung angeschlossen. Demnach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte mit den Handschuhen der Geschädigten, ihr selbst, mit ihrer Strumpfhose und mit dem Einmachglas mit der Aufschrift „Weizen“ in Kontakt war.

bb) Darüber hinaus kommt der Angeklagte dem Gutachten der Frau Dr. F5 zufolge als Mitverursacher der Zellspur am Telefonkabel, welches abgeschnitten in der Küche des Tathauses vorgefunden wurde, in Betracht. In hoher Signalstärke hätten sich – so die Sachverständige – in einigen der untersuchten Teilbereiche des 7 m langen Kabels DNA-Merkmale gefunden, wie sie der Geschädigten selbst zugeordnet werden können. Zusätzlich habe sich in geringer Signalstärke die Beimengung von mindestens einer weiteren Person gefunden, wobei alle für den Angeklagten zu fordernden Allele in der Beimengung vorhanden gewesen seien. Gleichwohl sei wegen des geringen Zellmaterials eine biostatistische Berechnung nicht möglich. Die Haplotyp-Analyse zur Charakterisierung von Spurenanteilen, die gegebenenfalls auf eine männliche Person zurückzuführen sind, habe ergeben, dass an den Kabelstücken 4 a und 4 o jeweils die Zellspur eines männlichen Spurenlegers vorhanden war, die in allen acht analysierten Systemen, das gleiche Muster aufgewiesen habe, wie es der Angeklagte besitze. Aus spurenkundlicher Sicht sprächen die Ergebnisse daher für eine Spurenlegerschaft des Angeklagten an den Kabelstücken 4 a und 4 o.

cc) Darüber kann der Angeklagte nach dem Ergebnis der Untersuchungen der Frau Dr. F5 als Spurenverursacher in Bezug auf Zellspuren an der Glühbirne der Flurlampe des Tathauses, den übrigen Einmachgläsern sowie am Bund des Slips der Geschädigten nicht ausgeschlossen werden. Für weitergehende Feststellungen seien – so die Sachverständige – bei diesen Spuren die Signalstärken zu gering gewesen. Die Analyseergebnisse seien hinsichtlich der Beimengungen jeweils als unvollständig zu werten gewesen, wobei in den auswertbaren Systemen aber solche Merkmale gefunden worden seien, wie sie auch der Angeklagte besitze.

dd) Die Erklärungen des Angeklagten, wie seine Körperzellen an die beschriebenen Gegenstände des Tatortes und an die Geschädigte selbst gelangten, sind nicht nachvollziehbar.

Soweit der Angeklagte behauptet hat, ein Verhältnis mit der Geschädigten und noch am 31.12.19.. Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt zu haben, ist diese Einlassung – wie bereits dargestellt – als widerlegt anzusehen. Selbst wenn man die Richtigkeit der Angaben aber annähme, vermag die Einlassung die Zellspur an den Handschuhen der Geschädigten nicht zu erklären.

Soweit der Angeklagte mit seiner Einlassung behauptet hat, noch am 31.12.19.. von der Geschädigten durch Setzen eines Rückenwickels behandelt worden zu sein, ist diese Behauptung – wie ebenfalls bereits ausgeführt – als widerlegt anzusehen. Im übrigen würde aber auch diese Einlassung die Spurenlage nicht erklären. Nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. F5 ist es nicht vorstellbar, dass sich eine unter dem Fingernagel der Geschädigten durch Anbringen eines Rückenwickels gelegte Zellspur – trotz anzunehmendem Waschen der Hände im Verlaufe des Nachmittags und des Abends – über mehrere Stunden halten würde und in dieser Form nachweisbar wäre. Nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. F5 ist auch nicht denkbar, dass bei einer etwaigen Rückenbehandlung Schweißtropfen herabgefallen sein könnten und auf diesem Wege auf Materialien der Geschädigten gelangt sein könnten. Ein einzelner Schweißtropfen – so die Sachverständige – könne das vorgefundene Zellmaterial schon wegen dessen Signalstärke nicht erklären.

Nach den getroffenen Feststellungen ist aber davon auszugehen, dass der Angeklagte die Geschädigte flüchtig kannte und auch im Rahmen gelegentlicher Hilfeleistungen am Tatort war. Bei isolierter Betrachtung mögen einzelne DNA-Spuren erklärbar sein. Denn tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte bei gelegentlichen Besuchen Einmachgläser, das Telefonkabel oder sogar die Glühbirne angefasst hat, wenngleich es bei der vom Angeklagten zunächst beschriebenen Art der Beziehung nicht nahe liegend erscheint.

ee) Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass die DNA-Spuren in ihrer Gesamtheit und unter Berücksichtigung des sonstigen Spurenbildes nur den Schluss auf die Tatrelevanz zulassen. Dies gilt vor allem für den mit Blutanhaftungen versehenen Handschuh der Geschädigten. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. F5 ausgeführt, es handele sich um eine Spur mit hoher Signalstärke. Es sei bezüglich der Zellen an den Fingerkuppen von einer Abwehrspur auszugehen, wobei allerdings wegen der verwendeten Untersuchungsmethode nicht sicher festzustellen sei, ob das Zellmaterial innen oder außen anhaftete. Eine solche Spur lässt sich nach Auffassung der Kammer zwanglos damit erklären, dass die Geschädigte ihre mit den Handschuhen bekleideten Hände dem Angeklagten zur Abwehr entgegenstreckte und ihn dabei an der Haut berührte.

Dass diese Handschuhe blutbefleckt waren, spricht darüber hinaus für eine Tatrelevanz der Spur und die Täterschaft des Angeklagten. Ausweislich des gesondert in Augenschein genommen farbigen Lichtbildes von den Handschuhen – Anlage I zum Protokoll vom 20.03.2007 – sind deutliche Blutspuren zu erkennen. Dass diese Blutspuren heute rund 21 Jahre nach der Tat am ebenfalls in Augenschein genommenen Asservat, welches zudem untersucht wurde, verblasst sind, ist nachvollziehbar und letztlich ohne Belang.

Auch die sonstige Spurenlage beim Einmachglas mit der Aufschrift „Weizen“ deutet auf die Tatrelevanz der DNA-Spur und damit auf die Täterschaft des Angeklagten hin. Die Leiche war nach den Bekundungen der Spurenbeamten L3 und N3 übersät mit Körnern. Unweit des Kopfes der Leiche, auf der eine Vielzahl von dunkleren Körnern lagen, stand das – bis auf wenige Körner – leere Einmachglas ohne Deckel auf der Anrichte eines Schrankes, wobei es sich dem ersten Anschein auf dem in der Hauptverhandlungen in Augenschein genommenen Lichtbild zufolge, um dieselbe Kornart handelt.

Die Spurenträger, mit denen der Angeklagte nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. F5 sicher Kontakt hatte, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Tatgeschehen, vom Handschuh der Getöteten über die Geschädigte selbst bis zu ihrer Strumpfhose und dem Einmachglas.

b) Neben den bereits genannten Indizien, die auf der DNA-Spurenlage basieren, deuten aber noch weitere Umstände auf den Angeklagten als Täter hin. So hat er sich nach Überzeugung der Kammer in der Vergangenheit mit dem Thema „DNA“ beschäftigt.

Dass er sich für dieses Thema interessierte, hat der Angeklagte den Angaben des Zeugen K zufolge bereits in seiner Beschuldigtenvernehmung am … 20.. eingeräumt. Dem Polizeibeamten K gegenüber hat er erklärt, es interessiere ihn vor allem, was alles untersucht werde und wie. Er habe immer Angst gehabt, dass er in etwas hineingerate, womit er nichts zu tun habe.

Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurde aber auch ein altes als Adressbuch benutztes Schreibheft mit Register aufgefunden, in dem der Angeklagte in dem rückwärtigen Einband folgende Notiz handschriftlich fertigte:

„DNA Prof. C13 Uni N4 ZDF Abenteuer Wissen 9.7.3/22.10
Fall I13 X8 „Die DNA-Falle Todsichere Beweise“
BGH Waedte „

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung erklärt, die Reportage des ZDF nie angeschaut zu haben. Er habe zufällig einen Hinweis auf den Fall “ I13 X8″ und die Sendung im Internet gefunden und deshalb den Vermerk gefertigt. Aus beruflichen Gründen habe ihn das Thema „DNA“ interessiert.

Die Kammer hält auch diese Angabe für eine Schutzbehauptung. Denn die Prozessbeteiligten haben die Reportage des ZDF, die ausweislich der Beschriftung des Videobandes tatsächlich am 09.07.2003 gesendet wurde, durch Vorspielen der entsprechenden Kassette in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen.

Dabei war auffällig, dass der Angeklagte im Laufe des Strafverfahrens Angaben gemacht hat, die mit Informationen aus der Reportage exakt korrespondieren. So hat der Angeklagte den Bekundungen der Zeugin T5, geborene Q2 , zufolge anlässlich der durch einen Gerichtsbeschluss erzwungenen Abgabe der Speichelprobe angeben, jeder Mensch verlöre alle 15 Minuten ein Haar. In der Reportage findet sich dieselbe Angabe im Zusammenhang mit der Darstellung einer neu entwickelten Methode, DNA aus Haaren zu gewinnen.

Im Laufe des Strafverfahrens hat der Angeklagte zudem mehrmals die Möglichkeit erwähnt, DNA auf einer Zigarettenkippe, die er achtlos in den Hof geworfen haben könnte, hinterlassen zu haben und beklagt bei Auffinden des Spurenträgers die Notwendigkeit, sich diesbezüglich exkulpieren zu müssen. Genau diese Problematik wird in der ZDF-Reportage anhand einer Zigarettenkippe thematisiert.

Darüber hinaus ist auffällig, dass sich der Angeklagte gerade den in der Reportage dokumentierten Fall “ I13 X8″ gesondert notiert hat. Denn ausweislich der in Augenschein genommenen Reportage ging es um ein Tötungsdelikt, wobei das Opfer gewürgt wurde und die Ermittlungsbehörden an Handschuhen eine DNA-(Misch-) Spur sicherten. Die Parallelen zum hiesigen Fall sind augenscheinlich.

Vor diesem Hintergrund ist die Kammer der Überzeugung, dass der Angeklagte die Reportage im Fernsehen gesehen hat. Dass er sich noch an genaue Einzelheiten des Filmes erinnern kann und dieses Wissen aus der Reportage fast drei Jahre nach der Ausstrahlung exakt wiedergeben kann, spricht dafür, dass ihn die Problematik in besonderer Weise persönlich interessiert hat. Angesichts des Umstandes, dass bei den vom Angeklagten durchgeführten Schwerlastkontrollen DNA-Beweise keine Rolle spielen dürften, ist ein besonderes beruflich begründetes Interesse ohnehin nicht erkennbar. Dass aber ein Täter, der irgendwann begonnen haben muss zu fürchten, wegen der fortschreitenden Kriminaltechnik im Bereich der DNA-Analyse noch Jahre nach der Tat überführt werden zu können, ein gesteigertes Interesse an dieser Thematik hat, ist dagegen gut nachvollziehbar.

c) In dieses Bild passt auch, dass der Angeklagte dem Zeugen K zufolge in der Beschuldigtenvernehmung vom … 20.. angegeben hat, er habe schon immer Angst davor gehabt, in etwas hineinzugeraten, womit er nichts zu tun habe. Seit der Sache mit Frau S habe er diese Angst. Zwar mag eine solche Befürchtung auch bei einem tatortberechtigten Nichttäter grundsätzlich nachvollziehbar sein, sie erscheint der Kammer indes bei einem selbstbewusst nach Außen auftretenden Mann wie dem Angeklagten, der zum Beispiel im Laufe der Hauptverhandlung eigene Beweisanträge formuliert hat, der sein letztes Wort genutzt hat, um eine Schlussvortragähnliche Ansprache zu halten und der im weiteren Sinn beruflich im Polizeidienst tätig war, ungewöhnlich.

d) In dieses Bild passt auch der Umstand, dass der Angeklagte seinen Unwillen zur Abgabe der DNA mit einem nicht nachvollziehbaren Argument begründet hat. Nachdem der Angeklagte den Angaben der Polizeibeamtin T5 zufolge zunächst auf eine Vorladung zur freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe im Fall S nicht erschienen war, aber telefonisch exakt zum Vorladungszeitpunkt erklärt hatte, zunächst die Frage der Kostenerstattung erklärt wissen zu wollen, hatte sich die Polizeibeamtin T5 ausweislich ihrer Zeugenaussage vor der Kammer zu dem Angeklagten in die E-Straße nach N2 begeben, um zur Vermeidung möglicher Kosten für den Angeklagten die Speichelabgabe vorzunehmen. Den bei ihm in Zivil erschienenen Polizeibeamten T5 und N12 gegenüber erklärte der Angeklagte den Angaben der Zeugen zufolge zunächst erneut, die Abgabe einer Speichelprobe aus Kostengründen abzulehnen. Als die Polizeibeamten ihm erklärten, Kosten entstünden nicht, erklärte er den Bekundungen der Zeugen T5 und N12 zufolge nunmehr, er verweigere die Abgabe der Speichelprobe, weil er es „nicht leiden könne“, von der Polizei oder dem Gerichtsvollzieher besucht zu werden. Er habe auch bereits einen neuen Personalausweis beantragt, um keinen Fingerabdruck abgeben zu müssen.

e) Auffällig ist auch der Umstand, dass der Angeklagte in seiner ersten polizeilichen Vernehmung am … 20.. den Bekundungen des Zeugen K zufolge von sich aus erwähnte, noch am Nachmittag des 31.12.19.. ein Glas Campari bei Frau S getrunken zu haben. Die in der in der Küche tatsächlich sichergestellte zerbrochene Campari-Flasche war indes den Bekundungen des Zeugen L3 ihrem Verschluss nach ungeöffnet, was auch auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort ersichtlich ist.

Die Tatsache aber, dass sich der Angeklagte an das nebensächliche, mehr als zwanzig Jahre zurückliegende Ereignis „Trinken eines Campari“ am Silvesternachmittag – nicht dagegen aber an sein Alibi – erinnern können will, spricht in der Zusammenschau mit dem Spurenbild dafür, dass die Campari-Flasche in das Tatgeschehen eingebunden war und dass er deshalb die Erinnerung an sie hat.

Nach alledem steht für die Kammer zur Überzeugung fest, dass der Angeklagte Frau S getötet hat.

5. Wie der Angeklagte die Tat begangen hat, nämlich in der von der Kammer festgestellten Art und Weise, steht aufgrund des vorgefundenen Spurenbildes fest, dass der Kammer durch die Tatort- und Spurenbeamten L3 und N3, in Verbindung mit den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort und den Feststellungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. I2 und Prof. Dr. X4 vermittelt wurde.

a) Dass der Angeklagte sich in das Haus der Frau S begab und im Flur die Glühbirne der Lampe herausdrehte, um Frau S zu überraschen und überrumpeln, steht nach Spurenlage fest. Im Einzelnen:

Die Zeugen L3 und N3 haben auf Vorhalt ihrer damaligen Berichte hin bekundet, dass sich das Dielenlicht nicht anschalten ließ, weil die Glühbirne – so der Zeuge L3 – um eine halbe Umdrehung aus der Fassung herausgedreht gewesen sei. Nach Festdrehen sei die Glühbirne funktionsfähig gewesen. Auch der Zeuge X3 hat bestätigt, dass sich das Flurlicht nicht habe einschalten lassen, als er am 03.01.19.. das Haus betreten habe.

Den Angaben der Spurenbeamten zufolge lagen zudem auf dem Dielenboden eine Ansammlung von Gegenständen, darunter ein hellblauer Gürtel mit silberner Schnalle, eine Haarbürste mit rotem Griff, eine gelbe Hundeleine daneben eine umgekippte Flasche Asti Cinzano, darauf zwei Reklamebriefe, zwei Kassenbons, ein älteres Portemonnaie mit Bundespersonalausweis des Opfers, eine violette Umhängetasche, darin unter anderem Briefe des Opfers, eine weiße Strumpfhose, darauf lag ein türkisfarbenes T-Shirt. Auf dem T-Shirt lag ein schwarzes, schulterfreies Kleid mit weißen Punkten, darauf lag eine rot-weißgestreifte Kunststofftasche mit diversem Inhalt, eine helle Strandtasche, eine weiße Teddyjacke mit Blut vom Opfer, eine – stehende – Weinflasche und eine Scherbe. Es fanden sich schon im Bereich des Flures Blutantragungen, unter anderem Blutspritzspuren an der Flurwand im unteren Bereich.

Dieses Spurenbild lässt in Verbindung mit dem bereits erörterten Gutachten der Frau Dr. F5, wonach der Angeklagte als Verursacher der DNA-Spur auf der Glühbirne nicht auszuschließen ist, den Schluss zu, dass der Angeklagte es war, der vor der Tat die Glühbirne aus der Fassung drehte.

Denn nur ein Herausdrehen der Glühbirne durch den Täter macht Sinn. Ein Grund, warum die Geschädigte sich selbst das Nachhausekommen auf diese Weise erschwert haben oder während des Tatgeschehens Anlass gehabt haben sollte , an die Glühbirne zu fassen, ist nicht ersichtlich. Dafür dass Dritte nach der Tat Zugang zur Tatwohnung hatten, bevor der Zeuge X3 die Leiche entdeckte, spricht im Übrigen nichts.

Ferner macht nur ein Herausdrehen der Glühbirne durch den Täter vor seiner Tat Sinn. Ein Herausdrehen nach der Tat erscheint hinderlich. Das Herausdrehen der Glühbirne ist kein geeignetes Mittel etwa zur Erschwerung der Leichenauffindung.

Das Herausdrehen des Glühkörpers vor der Tat macht allerdings den Sinn, das Opfer zu überraschen und zu überrumpeln. Dazu passt das im Flur vorgefundene Spurenbild. Dort wurden den Bekundungen des X3 zufolge einige der am Abend mitgeführten Gegenstände – wie die Ibizatasche und die Tanzkleidung – fallengelassen oder konnten noch – wie zum Bespiel die möglicherweise vom Opfer stammende und ausweislich der Lichtbildern vom Tatort stehende Weinflasche – unbehelligt abgestellt werden und gerieten durch das dann folgende Geschehen in Unordnung. Schon im Bereich des Flures befanden sich erste Blutantragungen vom Opfer. Aus diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass das Opfer unmittelbar nach seinem Eintreffen nur wenige Schritte in den Flur gegangen ist und dort etwa in Höhe des Lichtschalters im Hausflur im Dunkeln angegriffen wurde. Die Kammer zieht aus dem Tun des Angeklagten im weiteren nicht nur den nahliegenden Schluss, dass der Angeklagte die arglose Frau S überraschen wollte und sie dadurch in ihrer Gegenwehr einschränken wollte, sondern auch, dass er diese Umstände bewusst zur Durchführung seiner Tat ausnutzen wollte.

b) Dass der Angeklagte die Geschädigte sodann im Bereich des Kopfes in der beschriebenen Form massiv verletzte, schließt die Kammer aus dem Umstand, dass es dem Angeklagten schon in der an den Flur angrenzenden Küche gelungen sein muss, Frau S weitgehend zu überwältigen. Denn bereits im Flur wurden keine Blutspuren über Bodenniveau gefunden und auch in der Küche waren Spuren eines Kampfgeschehens nur im unteren Bereich zu finden. Hausrat und Gegenstände, die sich in Arbeitshöhe oder Tischhöhe befanden, waren den Bekundungen des Zeugen N3 zufolge weitgehend geordnet. Die von den rechtsmedizinischen Sachverständigen beschriebenen Verletzungen im Kopfbereich wiesen zudem Unterblutungen auf, so dass diese – der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. X4 zufolge – zu Lebzeiten entstanden sein müssen. Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass der Angeklagte bereits in der ersten Phase des Geschehens den Angriff in massiver Weise und gegen den Kopf des Opfers richtete, um diese so schnell wie möglich zu überwältigen. Die Kammer zieht diesen Schluss.

Dass der Angeklagte der Geschädigten während dieser Phase des Tatgeschehens beim Versuch diese zu fixieren, auch Hämatome an den Armen und Beinen zugefügt haben muss, schließt die Kammer ebenfalls aus dem Umstand, dass die von den rechtsmedizinischen Sachverständigen beschriebenen Hämatome Unterblutungen aufwiesen, so dass auch diese – der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. X4 zufolge – zu Lebzeiten entstanden sein müssen.

c) Dass der Angeklagte die Geschädigte letztlich zu Tode gedrosselt hat, steht nach dem Gutachten der Frau Dr. I2 und des Herrn Prof. X4 fest. Die beiden Rechtsmediziner hatten im Zusammenwirken mit einem weiteren Rechtsmediziner, der inzwischen verstorben ist, die Leiche der Frau S am 04.01.19.. obduziert. Prof. Dr. X4 hat in seinem mündlich in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten ausgeführt, der Tod der Frau S sei infolge eines Ersticken durch Erwürgen und/oder Erdrosseln eingetreten.

d) Dass der Angeklagte – nach etwaigen nicht sicher feststellbaren Würgeversuchen – sein Opfer mit dem Telefonkabel erdrosselt hat, steht ebenfalls zur Überzeugung der Kammer fest.

Zwar konnte den Bekundungen des Zeugen K zufolge damals weder nachgewiesen noch widerlegt werden, dass die aufgefundenen Telefonkabelstücke – eines am Arm der Leiche – das andere offen in der Küche liegende – eine Einheit gebildet und zusammengehört haben. Auch der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. X4 vermochte das Telefonkabel der Drosselfurche am Hals der Geschädigten nicht eindeutig zuzuordnen. Es sei – so der Sachverständige – aus rechtsmedizinischer Sicht wegen der mit einem Kampfgeschehen einhergehenden Bewegungsdynamik aber generell schwierig, Drosselwerkzeuge einer Drosselfurche zuordnen.

Angesichts des Umstandes, dass an dem Kabel manipuliert worden ist, ein Stück Telefonkabel um das Bein der Leiche gebunden war und das Kabel nach den in Augenschein genommenen Lichtbildern jedenfalls augenscheinlich zu den Verletzungen am Hals passt, liegt aber der Schluss bereits nahe, dass ein Stück des abgerissenen Telefonkabels als Drosselwerkzeug eingesetzt wurde. Weil sich darüber hinaus nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. F5 auf dem sieben Meter langen Telefonkabel aus der Küche nicht nur die DNA der Geschädigten befand, sondern bezüglich der weiteren Zellspur auch von einer Spurenlegerschaft des Angeklagten auszugehen ist, zieht die Kammer den naheliegenden Schluss, dass der Angeklagte Frau S mit Hilfe dieses Telefonkabels erdrosselt hat.

e) Dass der Geschädigten die Ritz- und Schnittwunden postmortal beigebracht wurden, steht ebenfalls aufgrund des Gutachtens des Prof. Dr. X4 fest. Aus den Tatsachen, dass relativ wenig Blut geflossen sei, geringe Einblutungen in das Unterhautfettgewebe zu verzeichnen gewesen seien und eine Fettembolie gerade nicht aufgetreten sei, schließe er – der Sachverständige – , dass die Verletzung nach dem Tod erfolgt seien. Die festgestellte Reihenfolge der Verletzungen beruht auf den weitergehenden – damals von Prof. Dr. Q durchgeführten – feingeweblichen-histochemischen Untersuchungen, aufgrund derer Prof. Dr. X4 in seinem Gutachten den Schluss gezogen hat, dass lediglich an den Schnittstellen der linken Brust begrenzte Vitalzeichen festgestellt wurden. Die weitergehende Feststellungen der Kammer, dass als letztes ein Tafelmesser tief in die Dammregion der Leiche eingestochen wurde, basiert auf der rechtsmedizinischen Feststellung im ergänzenden Gutachten vom 05.01.19.., welches durch Prof. Dr. X4 mitvertreten wurde, welche diesen Befund als deutlich späteste Verletzung aller untersuchten Wundbereiche bezeichnet hat.

Aus dem Umstand, dass nach den Bekundungen der Tatort- und Spurenbeamten L6 nicht nur auf der Leiche, sondern auch auf dem Tafelbesteck vorgefunden wurden, war darüber hinaus zu schließen, dass der Angeklagte diese Handlung nach Beendigung der Manipulationen am Leichnam vornahm, bevor er dann die Leiche mit den Vorhängen zudeckte und das Haus verließ.

f) Dass der Angeklagte der Geschädigten nach der Tat auch noch Geld aus deren im Flur liegenden Portemonnaie nahm, steht aufgrund der Aussage der Zeugen X3 und L3 fest. Der Zeuge X3 hat nämlich bekundet, dass er der Geschädigten noch am Abend des 31.12.19.. in der Gaststätte “ X7 “ 300,00 DM in Bar übergeben habe, weil er noch im alten Jahr Schulden habe begleichen wollen. Dieses Geld konnte im Portemonnaie den Bekundungen des Zeugen L3 zufolge nicht mehr gefunden werden. Ausweislich seines damaligen Tatortbefundberichtes, auf den sich der Zeuge bezog, befanden sich im Geldbeutel lediglich 2,36 DM. Da nicht auszuschließen ist, dass der nach den Bekundungen des Zeugen L3 im Renault der Geschädigten auf dem Beifahrersitz gefundene 50,00-DM-Schein vom Zeugen X3 stammte, muss der Angeklagten dem Portemonnaie der Geschädigten jedenfalls 250.- DM entnommen haben. Denn Anhaltspunkte dafür, dass Frau S noch Gelegenheit hatte, die 300,- DM auszugeben, oder dass das Geld nach der Tat durch einen anderen entwendet wurde, bestehen nicht.

6. Warum der Angeklagte Frau S tötete, dass heißt, welche Motivation er im Zeitpunkt der Tötung hatte, vermochte die Kammer nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festzustellen. Ein sichere Überzeugung dahingehend, dass der Angeklagte die Geschädigte tötete, um sich – wie die Staatsanwaltschaft meint – anschließend durch Manipulationen an der Leiche sexuelle Befriedigung zu verschaffen, konnte die Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht gewinnen. Im Einzelnen:

a) Für eine sexuelle Motivation des Tatgeschehens spricht neben der Täter-Opfer-Konstellation zwar das objektive Spurenbild: Der Angeklagte hat das Opfer entkleidet, ihre Brüste abgeschnitten und Gabel und Messer in die Unterbauchregion und darüber hinaus ein weiteres Messer in die Dammregion eingestochen. Er hat mithin an oder im Bereich beider Sexualorgane einer Frau manipuliert.

Es bestehen aber keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte mit seinem Opfer sexuell verkehrte. Spermaspuren wurden den Bekundungen der Zeugen L3 und N3 zufolge weder am Tatort noch den sachverständigen Feststellungen des Prof. Dr. X4 zufolge in der Vagina der Geschädigten gefunden. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass eine sexuelle Befriedigung auch in anderen Handlungen als dem üblichen Beischlaf gesucht werden kann. Die Kammer hat andererseits aber auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zur Tatzeit sexuell pervers veranlagt war. Ferner hat die Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme keine Erklärung für viele Details des komplexen Spurenbildes finden können. So ist offen geblieben, warum der Angeklagte die Leiche mit Körnern bestreute und warum er der Leiche das Telefonkabel und eine Strumpfhose umband.

b) Selbst wenn man aber annähme, dass der Angeklagte die Manipulationen am Leichnam vorgenommen hat, um sexuelle Befriedigung zu suchen, so wäre die weitere Feststellung nötig, dass er diese Motivation bereits im Zeitpunkt der Tötung, das heißt während des Drosselungsvorganges, hatte. Diese Überzeugung konnte die Kammer nicht gewinnen. Im Einzelnen:

Zugunsten des Angeklagten ist nämlich davon auszugehen, dass er die Tat spontan beging. Denn es ist nach Durchführung der Beweisaufnahme ungeklärt geblieben, warum der Angeklagte am Silvesterabend in das Haus der Geschädigten eindrang. Aus der Sicht des Angeklagten war nicht damit zu rechnen, dass Frau S noch vor Mitternacht nach Hause kam. Zwar ist bei der festgestellten Art der Beziehung des Angeklagten zum Tatopfer nicht auszuschließen, dass er zufällig von Frau S Vorliebe wusste, den Jahreswechsel allein und in innerer Anteilnahme meditativ zu Hause zu erleben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte dieses Wissen hatte und dann auch noch bis kurz vor Mitternacht auf eine Rückkehr der Frau S hoffte und wartete, hatte die Kammer indes nicht.

Es ist im Weiteren zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er von der Heimkehr der Frau S überrascht war. Für den Angeklagten muss aufgrund der örtlichen Begebenheiten – insbesondere der Alleinlage der Mühle etwas außerhalb des Dorfes – das Herannahen des PKW spätestens bei dessen Hereinfahren in den Innenhof hör- und sichtbar gewesen sein. Spätestens jetzt muss er sich zu einem Angriff auf die Geschädigte entschlossen haben. Denn hätte er eine Konfrontation mit der Geschädigten vermeiden wollen, so hätte er nunmehr durch die Terrassentür oder das rückwärtig gelegene Fenster im Behandlungszimmer, welches defekt war und durch welches er möglicherweise auch einstiegen ist, flüchten können, ohne von der Geschädigten zwangsläufig bemerkt zu werden. Der Angeklagte muss mithin spätestens in diesen Sekunden die Glühbirne des Flurlichtes um eine halbe Umdrehung gelockert haben.

Dafür dass er sich sehr spontan zur Tat entschloss, spricht auch das letztlich verwendete Drosselungswerkzeug. Angesichts der Begebenheit vor Ort ist davon auszugehen, dass der Angeklagte das lose durch die Küche verlaufende Kabel bei Gelegenheit des Kampfes mit der Geschädigten verwendete. Dafür dass er ein Tatwerkzeug mitbrachte, spricht nichts.

Der entscheidende Schluss, dass die Geschädigte anschließend getötet wurde, um an ihrem Leichnam sexuelle Befriedigung zu suchen, vermochte die Kammer aber angesichts des anzunehmenden spontanen Tatentschlusses, der fehlenden Anhaltspunkte für eine sexuelle Perversion zur Tatzeit und der besonderen Spurenlage nicht schon aus der Tatsache zu ziehen, dass an dem Leichnam manipuliert wurde.

Denkbar ist, dass der Angeklagte die Idee zu den Manipulationen an der Geschädigten erst nach der Tötung entwickelte. Es ist aber auch möglich, dass der Angeklagte wegen seines zur Tatzeit bestehenden Beziehungsfrustes in einer besonders gelagerten Stimmung die Tat verübte. Da der Angeklagte die Tat bestreitet, sich also zu seinen Beweggründen nicht eingelassen hat, musste letztlich offen bleiben, welche Motivation ihn zur Tat trieb.

7. Die Feststellungen der Kammer zum Geschehen nach der Tat beruhen im wesentlichen auf den Bekundungen des Zeugen X3, die Feststellungen in Bezug auf den Gang der Ermittlungen basieren vor allem auf den Bekundungen des Zeugen K und ergänzend auf dem Zeugnis der Beamten T5 und N12.

8. Die Vernehmung der Zeugen C3, T9 , I14 und N14- allesamt frühere Mitgefangene des Angeklagten während der Untersuchungshaft – hat zu keinen für die Schuldfeststellung wesentlichen Erkenntnissen geführt. Insbesondere hat die Kammer den Angaben des Zeugen C3, der Angeklagte habe ihm als Mitgefangenen anlässlich eines Hofspazierganges in einer Freistunde gegenüber durch eine Kopfnicken auf eine entsprechende Frage hin gestanden, die Tat zum Nachteil der Frau S begangen zu haben, nicht zu folgen vermocht. Der Angeklagte hat bestritten, derartiges zum Ausdruck gebracht zu haben. Die Kammer vermochte nicht auszuschließen, dass die Bekundungen des Zeugen unwahr und von dem Gedanken geleitet waren, das eigene Verfahren, welches zum Zeitpunkt seiner Zeugenaussage alsbald zur Verhandlung bei der hiesigen Kammer anstand, positiv zu beeinflussen.

Darüber hinaus hat auch die Vernehmung des Zeugen y3 zu keinen für die Schuldfeststellung wesentlichen Erkenntnissen geführt.

9. Soweit der Angeklagte in seinem letzten Wort bemängelt hat, man habe ihm seitens der Kammer keine Gelegenheit gegeben, jenen Handschuh der Geschädigten anzuziehen, an welchem dem Gutachten der Dr. F5 zufolge sein Zellmaterial angehaftet hat, hat die Kammer diese Äußerung als Hilfsantrag auf Vornahme der entsprechenden Handlung zum Beweis der Tatsache gewertet, dass der Angeklagte die Handschuhe nicht getragen hat. Dem Beweisantrag war nicht nachzugehen, weil die Kammer diese Tatsache bereits als erwiesen erachtet hat, § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. Schon bei der in der Hauptverhandlung erfolgten Inaugenscheinnahme der Handschuhe und der Hände des Angeklagten war festzustellen, dass die Handschuhe für den Angeklagten zu klein gewesen wären.

Nach dem dargestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte wegen Mordes strafbar gemacht, weil er heimtückisch getötet hat. Heimtückisch handelt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wer eine zum Zeitpunkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt.

Frau S war zum Zeitpunkt des Angriffes, als sie das Haus betrat und das Licht im Flur anschalten wollte, arglos. Denn sie rechnete mit keinerlei Feindseligkeiten.

Frau S war auch wehrlos. Denn ihr fehlte in dem Moment, in dem sie angegriffen wurde, die Abwehrbereitschaft und –Fähigkeit, weil sie von dem Angriff des Angeklagten überrascht war.

Der Angeklagte hat diese Arglosigkeit auch bewusst ausgenutzt. Es war gerade sein Plan, eine durch ihre Arglosigkeit Wehrlose zu überraschen.

Weitere Mordmerkmale hat die Kammer – wie bereits erörtert – nicht festzustellen vermocht.

Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Für das Vorliegen etwaiger Rechtfertigungsgründe besteht nicht der geringste Anhaltspunkt. Aber auch für die Annahme, der Angeklagte könnte wegen einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB unfähig gewesen sein, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bestehen keine konkreten Anhaltspunkte. Gleiches gilt für eine etwaige eingeschränkte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB.

Die Kammer hat sich im Bezug auf die Frage der Schuldfähigkeit sachverständig beraten lassen und ist mit der ihr als erfahrenen und zuverlässig bekannten Sachverständigen Prof. Dr. y4 zu dieser Einschätzung gelangt.

Bei dem Angeklagten – so die Sachverständige – könne sie schon nicht erkennen, dass in seiner Person eines der vier in § 20 StGB beschriebenen biologischen Eingangskriterien vorlägen. Im Einzelnen:

So sei Schwachsinn im Sinne der vorgenannten Form bei dem Angeklagten, der über eine abgeschlossenen Schul- und Berufsausbildung verfüge, auszuschließen.

Es bestünde auch kein Hinweis darauf, dass der Angeklagte damals oder heute unter einer krankhaften seelischen Störung – etwa einer Psychose – leide. Es sei zwar bei den damaligen Lebensgewohnheiten des Angeklagten gut vorstellbar, dass er vor der Tat Alkohol konsumiert habe und vor diesem Hintergrund in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein könnte. Konkrete Anhaltspunkte, insbesondere in Bezug auf etwaige Mengen konsumierten Alkohols, bestünden indes nicht.

Sie könne auch nicht erkennen, dass die Persönlichkeit des Angeklagten krankhaft gestört sei. Zwar seien paranoide und narzisstische Züge zu sehen. Der Angeklagte sei misstrauisch und kontrollorientiert. Er verstehe es, Menschen zu manipulieren, verfüge über ein ausgeprägtes Ego und könne mit Misserfolgen schlecht umgehen, so dass seine Frustrationstoleranz niedrig sei. Diese Persönlichkeitszüge belegten indes weder für die heutige Zeit und erst recht nicht für den Tatzeitpunkt eine Störung von Krankheitswert. Es handele sich vielmehr um eine Spielart menschlichen Seins.

Selbst wenn man – so die Sachverständige weiter – annähme, dass der Angeklagte in sexueller Hinsicht masochistisch oder sadistisch veranlagt sei und diese Veranlagung sozialadäquat auslebe, sei nicht von einer Perversion auszugehen, die eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert belege.

Schlussendlich lägen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass bei dem Angeklagten – etwa durch einen Affekt – eine tiefgreifende Bewusstseinstörung bei der Tat vorgelegen haben könnte.

Dieser Bewertung hat sich die Kammer nach eigener Prüfung angeschlossen. Bei dem vom Angeklagten gezeigten Leistungsverhalten – etwa das Abschneiden der Brüste – liegt die Annahme einer relevanten Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit etwa aufgrund zuvor genossenen Alkohols jedenfalls nicht nahe.

1. Gemäß § 211 StGB ist Mord mit

lebenslanger Freiheitsstrafe

zu ahnden.

2. Die Kammer hat davon abgesehen, gemäß § 57 a StGB festzustellen, dass die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt. Denn nach der erforderlichen Gesamtwürdigung des Tatgeschehens und der Täterpersönlichkeit war zu sehen, dass keine Umstände von besonderem Gewicht im Sinne der vorgenannten Norm vorliegen, die aus Schuldgesichtspunkten einer Strafaussetzung nach Verbüßung von 15 Jahren Freiheitsstrafe von vornherein entgegenstehen.

Zwar spricht zu Lasten des Angeklagten, dass er sich an seinem Opfer in brutaler Weise vergangen und es noch im Tod entwürdigt hat.

Zu seinen Gunsten war aber zu sehen, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und es sich um ein spontanes Delikt handelte. Aufgrund seines Alters und der gesundheitlichen Beeinträchtigungen dürfte der Angeklagte in Bezug auf eine langjährige Haftstrafe erhöht haftempfindlich sein. Entscheidend war für die Kammer aber, dass die Tat mehr als 21 Jahre zurückliegt und der Angeklagte in diesem Zeitraum ein sozialadäquates Leben geführt hat. Nach Verbüßung einer fünfzehnjährigen Freiheitsstrafe, und damit rund 35 Jahre nach der Tat, sieht die Kammer keine Gründe, die einer Strafaussetzung aus Schuldgesichtspunkten von vorneherein entgegenstehen.

Die Kostenentscheidung der Kammer beruht auf §§ 464, 465 StPO.


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