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Herabsetzung der Versicherungsprämie wegen Wegfalls gefahrerhöhender Umstände

BGH, Az.: IVa ZR 42/80, Urteil vom 05.02.1981

Tatbestand

Die Klägerinnen nehmen die Beklagte auf Zahlung von Versicherungsprämien aus einer Feuersammelversicherung in Anspruch. Die Beklagte begehrt von den Klägerinnen die Rückzahlung eines Teils der bereits geleisteten Prämien.

Die Beklagte hatte in Berlin in unmittelbarer Nähe der DDR-Grenzanlagen eine Produktionsstätte zur Beschichtung von Spanplatten mit Kunststoff errichtet. Die Maschinenstraße war im Frühjahr 1973 betriebsbereit. Zur Aufnahme der Produktion kam es jedoch wegen der Entwicklung der Lage an der Sektorengrenze nicht.

Herabsetzung der Versicherungsprämie wegen Wegfalls gefahrerhöhender Umstände
Symbolfoto: Von PORTRAIT IMAGES ASIA BY NONWARIT /Shutterstock.com

Am 31. Juli 1973 beantragte die Beklagte bei der Klägerin zu 1) den Abschluß einer Feuersammelversicherung. Die Klägerin zu 1) nahm diesen Antrag im Namen des aus ihr und den übrigen Klägerinnen bestehenden Versicherungskonsortiums an und stellte hierüber am 12. November 1973 einen Versicherungsschein aus. In ihm ist der versicherte Betrieb als „Kunststoffbeschichtung mit Holzbearbeitung an 1 doppelseitigen Kreissäge, 1 Trennkreissäge“ beschrieben. Das Versicherungsverhältnis sollte vom 1. August 1973, mittags 12 Uhr, bis zum 1. August 1974, mittags 12 Uhr, laufen und sich jeweils von Jahr zu Jahr verlängern, soweit es nicht spätestens 3 Monate vorher gekündigt werden würde. Die Versicherungssumme betrug 5.067.500,– DM. Die Versicherungsprämie belief sich auf 15,12vT der Versicherungssumme. Insgesamt hatte die Beklagte einschließlich eines Zuschlages für vierteljährige Zahlweise und der Versicherungssteuer im Quartal 20.112,90 DM zu zahlen.

Von den Prämien stehen der Klägerin zu 1) 12,5%, den Klägerinnen zu 2) bis 7) 10%, den Klägerinnen zu 8) bis 12) 5% und der Klägerin zu 13) 2,5% zu.

Die Beklagte zahlte an die Klägerinnen am 25. Oktober 1973 für den Prämienzeitraum vom 1. August bis zum 31. Oktober 1973 20.113,43 und 22.125,75 DM für den Prämienzeitraum vom 1. November 1973 bis zum 31. Januar 1974. Die nachfolgenden Prämien wurden nicht gezahlt.

Im Frühjahr 1974 trat die Beklagte an die Klägerinnen heran und bat um Gewährung eines Stillegungsrabattes, da die Produktion nicht anlaufen konnte. Die Klägerin zu 1) erklärte sich auch im Namen der übrigen Klägerinnen mit Schreiben vom 24. Mai 1974 bereit, der Beklagten einen Stillegungsrabatt von 25% unter der Voraussetzung zu gewähren, daß der Vertrag von der nächsten Hauptfälligkeit an um 3 Jahre verlängert werde. Die Beklagte ging auf dieses Angebot nicht ein.

Daraufhin übersandte die Klägerin zu 1) der Beklagten einen vom 25. Juni 1974 datierenden Nachtrag zum Versicherungsschein, in dem die Jahresprämie mit Wirkung vom 1. Februar 1974 um 25% auf 60.338,70 DM herabgesetzt wurde.

Im Frühjahr 1975 schloß die Beklagte mit der A.-Versicherungs-Aktiengesellschaft eine neue Feuerversicherung ab. Die Versicherungssumme betrug 5.500.000,–, die Jahresprämie 5.564,50 DM. In dem Versicherungsschein befindet sich unter der Rubrik „Hauptbetrieb, … “ der Vermerk „Stillgelegte Kunststoffmaschinen“.

Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Klägerinnen zunächst einen Anspruch von 92.019,50 DM geltend gemacht, der sich wie folgt zusammensetzte:

2 Quartalsprämien für die Zeit vom

1. Februar 1974 bis zum 31. Juli 1974

30.169,40 DM

Hebegebühr

1,– DM

Versicherungssteuer

1.508,50 DM

1 Jahresprämie für die Zeit vom

1. August 1974 bis zum 31. Juli 1975

57.465,40 DM

Hebegebühr

2,– DM

Versicherungssteuer

2.873,40 DM

————

92.019,50 DM

Sie haben später von dritter Seite geleistete Zahlungen in Höhe von 8.619,80 DM und 434,10 DM abgesetzt; insoweit haben die Parteien die Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Beklagte ist der Ansicht, daß der vereinbarte Prämiensatz von 15,12vT der Versicherungssumme in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Risiko stehe, das die Klägerinnen während der Versicherungszeit zu tragen gehabt haben. Schon bei Abschluß des Versicherungsvertrages mit den Klägerinnen habe festgestanden, daß eine Betriebsaufnahme nicht mehr möglich sein würde. Da ihre Kreditgeberin die sofortige Versicherung der Plattenbeschichtungsanlage verlangt habe, habe sie, die Beklagte, den Prämiensatz von 15,12vT, der ihr als unverhältnismäßig erschien, akzeptieren müssen. Sie meint, daß sie an sich überhaupt keine Prämie geschuldet habe, will jedoch die von ihr gezahlten Prämien insoweit belassen, als sie die mit der A. vereinbarte Prämie nicht überstiegen, den überschießenden Betrag – 41.073,93 DM – verlangt sie mit ihrer Widerklage von den Klägerinnen entsprechend ihren Anteilen zurück.

In der zweiten Instanz brachte die Beklagte ergänzend vor: Dem Generalvertreter der Klägerin zu 1), S., sei vor Vertragsschluß gesagt worden, daß nicht abzusehen sei, wann der Betrieb seine Arbeit aufnehmen könne, da er zwar Wasseranschluß an die Spree habe, aber die Spree an dieser Stelle in ihrer ganzen Breite zu Ost-Berlin gehöre und bisher eine Erlaubnis, die Spree zu benutzen, um an das Grundstück zu gelangen, nicht erteilt worden sei. Bei einer ordnungsgemäßen und sachgemäßen Beratung hätte S. sie dahin belehren müssen, daß lediglich das Lagerrisiko zu versichern sei und eine Feuersammelversicherung für einen laufenden Betrieb nicht benötigt werde. Für eine Lagerversicherung wäre aber keine höhere Prämie zu zahlen gewesen als die, die später die A. gefordert habe. Der gewährte Nachlaß von 25% sei jedenfalls unzureichend gewesen. Er könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß mit etwaigen Probeläufen ein Risiko verbunden sei, das höher sei als das, das durch eine bloße Lagerversicherung gedeckt werde; denn Probeläufe hätten seitdem nicht mehr stattgefunden.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Die von der Beklagten eingelegte Berufung ist erfolglos verblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag und Widerklageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

1. Das Berufungsgericht hält den zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag für rechtswirksam; der Einwand des Wuchers sei nicht begründet. Es führt weiterhin aus, in der Betriebsfeuerversicherung beseitige die Stillegung des Betriebes nicht das Interesse des Versicherungsnehmers, sondern vermindere lediglich die vom Versicherer übernommene Gefahr. Auch eine Überversicherung liege nicht vor. Diese Erwägungen sind frei von Rechtsirrtum.

2. Das Berufungsgericht billigt der Beklagten einen Anspruch auf Herabsetzung der Prämie mit Wirkung vom 1. August 1974 zu. Dies entspricht der Vorschrift des § 41a VVG, die eine Minderung der Prämie nur für die künftigen, dh für die auf das Herabsetzungsverlangen folgenden Versicherungsperioden vorsieht; darauf, ob die Gefahr bereits zu einem früheren Zeitpunkt vermindert war, kommt es nicht an. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage kommen neben § 41a VVG nicht zur Anwendung; wie im Berufungsurteil zutreffend ausgeführt ist, enthält § 41a VVG eine Sonderregelung für einen bestimmten Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, die die allgemein geltenden Rechtsgrundsätze verdrängt. Daß die Prämienkalkulation dem Versicherungsnehmer nicht offengelegt worden ist, hat das Berufungsgericht im Anschluß an Bruck/Möller VVG, 8. Aufl § 41a, Anm 7 mit Recht als unerheblich angesehen. Die Feststellungen über die Höhe der angemessenen Prämie (Ziff II 2 der Entscheidungsgründe) liegen weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet und werden von der Revision nicht angegriffen.

3. Die Revision befaßt sich hauptsächlich mit der Frage des Verschuldens beim Vertragsschluß.

Das Berufungsgericht geht ersichtlich davon aus, daß die bei den Vorverhandlungen für die Klägerinnen tätig gewordenen Personen unter gewissen Voraussetzungen verpflichtet gewesen wären, den Geschäftsführer der Beklagten darauf hinzuweisen, daß er zweckmäßigerweise nur das Lagerrisiko versichere; Anlaß zu einem solchen Hinweis hätte aber nur dann bestanden, wenn die Hilfspersonen der Klägerinnen erkannt hätten oder bei der gebotenen Sorgfalt hätten erkennen können, daß eine alsbaldige Aufnahme des Betriebes nicht beabsichtigt sei. Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt, daß dies für die Vertreter der Klägerinnen nicht erkennbar gewesen sei. Es hat die Aussagen der Vertreter der Klägerinnen für glaubwürdiger gehalten als die der Sekretärin des Geschäftsführers der Beklagten. Diese tatrichterliche Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, zumal die Beklagte für den Vorwurf des Verschuldens beim Vertragsschluß beweispflichtig ist, die Beklagte also mit diesem Einwand selbst dann keinen Erfolg gehabt hätte, wenn das Berufungsgericht zu einem non liquet gekommen wäre.

Die Revision meint, die vom Berufungsgericht in diesem Punkt getroffenen Feststellungen seien „aktenwidrig“. Den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kennt die Zivilprozeßordnung im Gegensatz zu anderen Verfahrensordnungen (§ 1697 Nr 1 RVO idF vom 15. Dezember 1924 (RGBl I 779); § 503 Nr 3 der österreichischen Zivilprozeßordnung) nicht (ebensowenig das mit dem zivilprozessualen in seinen wesentlichen Grundzügen übereinstimmende strafprozessuale Revisionsrecht: vgl Eberhard Schmidt, Lehrkommentar, § 337 StPO Rdn 34; Karlheinz Meyer in Löwe/Rosenberg StPO 22. Aufl, § 337 Anm V 3a; Dahs/Dahs, Revision im Strafprozeß Rdn 43). Das hat seinen guten Grund. Grundlage der Entscheidung des Berufungsgerichts und damit auch Grundlage der Nachprüfung durch das Revisionsgericht ist nicht der Inhalt der Akten, sondern das im Tatbestand festgehaltene Ergebnis der mündlichen Verhandlung (§§ 128, 314, 561 ZPO). Aus diesem Grunde können vor dem Revisionsgericht zwar tatbestandswidrige, nicht aber aktenwidrige Feststellungen des Tatrichters gerügt werden.

Soweit die Revision die tatsächlichen Feststellungen aus anderen Gründen angreift, hat der Senat die erhobenen Rügen geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung sieht er gemäß § 565a ZPO ab.

Was die materiell-rechtliche Beurteilung anbelangt, so verweist die Revision darauf, daß bei dem Geschäftsführer der Beklagten eine Kenntnis der Unterschiede zwischen einer Betriebsfeuerversicherung, einer Versicherung für im Aufbau befindliche Betriebe und einer Maschinenlagerversicherung nicht vorausgesetzt werden konnte. Diese Ausführungen sind offenbar durch die im Berufungsurteil auf Seite 12 (von der 5. Zeile von unten an) und auf Seite 13 (bis zur 6. Zeile von oben) enthaltenen Äußerungen veranlaßt. Was das Berufungsgericht an dieser Stelle gesagt hat, gehört jedoch nicht zu den tragenden Grundlagen des Urteils. Darauf, ob der Geschäftsführer der Beklagten eine Betriebsfeuerversicherung abschließen wollte, kommt es für die Frage des Verschuldens beim Vertragsschluß nicht an; entscheidend ist vielmehr, ob er diesen Willen auch dann gehabt hätte, wenn er von den Versicherungsvertretern über den Unterschied zwischen einer Betriebsversicherung und einer Lagerversicherung und insbesondere über die unterschiedliche Prämienhöhe aufgeklärt worden wäre. Das Berufungsgericht will ersichtlich nicht bezweifeln, daß eine solche Aufklärung geboten gewesen wäre, wenn die Personen, die für die Klägerinnen die Vorverhandlungen führten, erkannt hätten, daß mit einer alsbaldigen Aufnahme des Betriebes nicht zu rechnen sei (vgl BU S 11 erster Absatz, S 13 unten, S 14 erster Absatz). Es hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, daß dies für die Vertreter der Klägerinnen erkennbar gewesen sei.

Nun ist es allerdings unstreitig, daß in dem Zeitpunkt, in dem die Vertragsverhandlungen geführt wurden, der Betrieb noch nicht aufgenommen war und daß dies auch die Vertreter der Klägerinnen wußten. Unter diesen Umständen hätte an sich die Frage nahegelegen, ob eine alsbaldige Betriebseröffnung beabsichtigt sei; wurde diese Frage verneint, so hätte ein kulanter Versicherer auf die Möglichkeit einer Lagerversicherung zu niedrigeren Prämien hingewiesen. Eine Rechtspflicht zu einer solchen Frage bestand jedoch nicht. Den Versicherungsagenten und andere Personen, die im Auftrag eines Versicherungsunternehmens mit einem Kunden Verhandlungen über den Abschluß eines Versicherungsvertrages führen, trifft zwar die Pflicht, den zukünftigen Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für dessen Entschließung von wesentlicher Bedeutung sein können. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen über die vorvertragliche Aufklärungspflicht der Parteien (vgl BGHZ 60, 221, 223). Im Versicherungswesen besteht ein besonderer Anlaß zur Aufklärung, weil der Versicherer in der Regel dem Versicherungsnehmer geschäftlich, insbesondere auch in der Kenntnis des Versicherungsrechts überlegen ist und daher auf dessen Belange immer dort soweit wie möglich Rücksicht nehmen muß, wo der Versicherungsnehmer Gefahr läuft, wegen seiner mangelnden Vertrautheit mit den Besonderheiten des Versicherungswesens den – mitunter für ihn lebenswichtigen – Versicherungsschutz einzubüßen oder sonstige schwere Nachteile zu erleiden (vgl BGH Urteil vom 8.5.1967 – II ZR 17/65 – NJW 1967, 1756, 1758). Der Umfang der vorvertraglichen Aufklärungspflicht ergibt sich dabei aus der dem Aufklärungspflichtigen erkennbaren Interessenlage.

Dennoch würde es nach Auffassung des Senats zu weit gehen, wenn man auch in einem Falle wie dem vorliegenden eine Aufklärungspflicht bejahen würde. Es kann nicht Sache des Versicherers und der für ihn handelnden oder verhandelnden Personen sein, umfangreiche Befragungen durchzuführen, um festzustellen, ob für den Versicherungsnehmer möglicherweise eine andere als die beantragte Versicherungsart vorteilhafter ist; er wird vielmehr nur dann aufklären müssen, wenn er erkennen oder mit der naheliegenden Möglichkeit rechnen muß, daß der Antragsteller aus mangelnden versicherungsrechtlichen oder versicherungstechnischen Kenntnissen nicht die für ihn zweckmäßigste Vertragsgestaltung gewählt hat. Das war aber nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hier nicht der Fall.

4. Das Berufungsgericht hat – mit Recht – geprüft, ob die für die Klägerinnen handelnden Personen sich dadurch einer den Klägerinnen zuzurechnenden positiven Vertragsverletzung schuldig gemacht haben, daß sie bei den Verhandlungen im Frühjahr 1974 der Beklagten nicht einen Verzicht auf Probeläufe nahegelegt haben. Soweit es diese Frage verneint hat, hält sein Urteil einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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Das Berufungsgericht geht mit einer, wie bereits ausgeführt, zutreffenden Begründung davon aus, daß die Beklagte gemäß § 41a VVG Herabsetzung der Prämien mit Wirkung vom 1. August 1974 um 25% verlangen konnte. Eine weitergehende Herabsetzung hält es nicht für geboten, weil die Klägerinnen nach den Erklärungen der Beklagten davon ausgehen mußten, daß möglicherweise noch Probeläufe stattfinden würden. Darüber, in welchem Umfang eine Herabsetzung der Prämie geboten gewesen wäre, wenn die Beklagte auf Probeläufe verzichtet hätte, hat sich das Berufungsgericht nicht ausgesprochen; hierüber brauchte es von seinem Rechtsstandpunkt aus auch keine Feststellungen zu treffen. Für die Revisionsinstanz muß zugunsten der Beklagten unterstellt werden, daß in diesem Falle die gleiche Prämie zu zahlen gewesen wäre wie die, die später die A. gefordert hat, nämlich rd 5.500,- DM jährlich. Dies macht gegenüber der Prämie, die die Klägerinnen für die Zeit vom 1. August 1974 bis zum 31. Juli 1975 verlangen, einen Unterschied von 50.000,- DM aus. Bei dieser erheblichen Prämiendifferenz kann der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts nicht teilen, es habe für die Klägerinnen kein Anlaß bestanden, die Beklagte darüber aufzuklären, daß sie durch die Unterlassung von Probeläufen eine noch größere Prämienherabsetzung erhalten könne. Den Klägerinnen waren – nach dem unter Beweis gestellten und daher für die Revisionsinstanz zu unterstellenden Vorbringen des Beklagten – im Frühjahr 1974 die Hindernisse bekannt, die einer Betriebsaufnahme durch die Beklagte entgegenstanden. Anders als bei den Verhandlungen, die dem Vertragsschluß vorausgingen, konnten sie jetzt nicht mehr damit rechnen, daß die Beklagte ihren Betrieb alsbald werde aufnehmen können; sie wußten sogar, daß es zweifelhaft war, ob überhaupt jemals eine Inbetriebnahme möglich sein würde. Sie mußten sich sagen, daß in einer solchen Situation ein Unternehmer bei vernünftiger wirtschaftlicher Überlegung keine Probeläufe durchführen würde, wenn dadurch allein an Versicherungsprämien eine Mehrbelastung von rd 50.000,- DM entstehen würde. Wenn die Klägerinnen wirklich nur deshalb die Prämienherabsetzung auf 25% begrenzt haben, weil sie mit der Möglichkeit von Probeläufen gerechnet haben, wäre es nach Treu und Glauben ihre Pflicht gewesen, die Beklagte auf die Möglichkeit einer Prämieneinsparung durch Verzicht auf die Probeläufe hinzuweisen.

Dadurch, daß die für die Klägerinnen handelnden Personen den gebotenen Hinweis unterlassen haben, haben sie die Treuepflicht aus einem bereits bestehenden Vertragsverhältnis verletzt; sie sind also nach den Grundsätzen über die positive Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig. Gemäß § 249 BGB ist der Schadensersatz durch Wiederherstellung in Natur zu leisten; die Klägerinnen haben also die Beklagte so zu stellen, wie sie bei gehöriger Erfüllung der Aufklärungspflicht durch die Klägerinnen stehen würde. Wenn sie – was für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist – in diesem Falle auf Probeläufe verzichtet hätte, hätte sie gemäß § 41a VVG verlangen können, daß vom Beginn der nächsten Versicherungsperiode an – dh also für die Zeit nach dem 1. August 1974 – die Prämie so herabgesetzt wurde, daß sie dem für eine Lagerversicherung angemessenen Satz entsprach. Soweit die vertraglich geschuldete Prämie über diesen Satz hinausgeht, kann sie von den Klägerinnen Schuldbefreiung verlangen; diesen Anspruch kann sie einredeweise der Prämienklage entgegensetzen.

Diese Überlegungen können jedoch nicht dazu führen, daß die Klage im vollen Umfang abgewiesen wird. Die Beklagte schuldete jedenfalls bis zum 31. Juli 1974 die Prämie in der vollen vereinbarten Höhe, dh also einschließlich Versicherungssteuer und Hebegebühr in Höhe von 40.226,80 DM. Die Klägerinnen brauchen sich nicht entgegenhalten zu lassen, daß sie die Prämie bereits mit Wirkung vom 1. Februar 1974 um 25% herabgesetzt haben. Hierzu waren sie, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt, nicht verpflichtet. Sie haben dies offenbar auch nur deshalb getan, weil sie davon ausgingen, daß auch nach dem 1. August 1974 die Prämien um nicht mehr als 25% herabgesetzt werden. Nachdem diese Voraussetzung nicht zutrifft, können sie für die Zeit bis zum 31. Juli 1974 die volle vereinbarte Prämie verlangen.

Als angemessene Prämie für die Lagerversicherung sieht die Beklagte den Betrag an, der tatsächlich von der A. gefordert worden ist, nämlich 5.564,50 DM. Eine weitere Herabsetzung der Prämie käme auch nach der Auffassung der Beklagten nicht in Betracht. Sie schuldet demnach den Klägerinnen noch mindestens 45.791,30 DM an Prämien. Soweit die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages verurteilt worden ist, ist die Revision zurückzuweisen.

Ihr muß auch insoweit ein Erfolg versagt bleiben, als sie sich gegen die vom Berufungsgericht ausgesprochene Abweisung der Widerklage richtet; denn wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist die Beklagte zur Rückforderung der von ihr für die Zeit vor dem 1. Februar 1974 gezahlten Prämien nicht berechtigt.

II.

Bei der neuen Entscheidung wird das Berufungsgericht vor allem zu prüfen haben, auf welchen Betrag die Prämie gemäß § 41a VVG herabzusetzen gewesen wäre, wenn die Beklagte auf Probeläufe verzichtet hätte, wenn also lediglich das Lagerrisiko zu versichern gewesen wäre. Für die endgültige Entscheidung wird der Prämiensatz, den die A. im Jahre 1975 beim Neuabschluß eines Versicherungsvertrages verlangt hat, nicht schlechthin maßgebend sein. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß in dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte mit den Klägerinnen den Versicherungsvertrag abschloß, ein Kartell der Feuerversicherer bestand. Nach der Aussage des Sachverständigen H. vom 3. November 1978 (vgl Band II der Vorinstanzakten Bl 35) ist das Kartell am 31. Dezember 1973 ausgelaufen. Wenn die A. Versicherungs-AG eine auffällig niedrige Prämie berechnet hat, so kann dies zumindest teilweise darauf zurückzuführen sein, daß nach dem Ende der Kartellbindung ein Verfall der Feuerversicherungsprämien eingetreten ist. Für die Bemessung der nach § 41a VVG verminderten Prämie kommt es jedoch nicht darauf an, welche Prämie ein Versicherer bei Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Gefahrverminderung oder des Herabsetzungsverlangens bestehenden Marktverhältnisse verlangt hätte. Die Geltendmachung eines Prämienherabsetzungsanspruchs nach § 41a VVG läßt das im Versicherungsvertrag zugrundegelegte Prämienberechnungssystem unberührt; es sind lediglich anstelle der ursprünglichen die veränderten Berechnungselemente (Risikofaktoren) in die Rechnung einzusetzen. Aufgabe des Berufungsgerichts wird es demnach sein, diejenige Prämie zu ermitteln, die die Klägerinnen um die Jahresmitte 1973 gefordert hätten, wenn lediglich das Lagerrisiko zu versichern gewesen wäre. Der Umstand, daß im Jahre 1973 das Feuerversicherungskartell sich nicht auf die Versicherung des Lagerrisikos erstreckte und daß infolgedessen die damals vereinbarten Prämienrichtlinien die Versicherung des Lagerrisikos nicht erwähnten, hätte die Anwendung des § 41a VVG nicht ausgeschlossen; vermindert sich bei einem während der Gültigkeit des Versicherungskartells geschlossenen Versicherungsvertrag die Feuergefahr so, daß nur noch das Lagerrisiko übrig bleibt, so treten an die Stelle der Prämiensätze aus den vereinbarten Prämienrichtlinien die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses üblichen Prämien für die Lagerversicherung. Sollten allerdings die Klägerinnen bereits bei Vertragsschluß mit der Beklagten eine Prämie bewilligt haben, die unter dem damals durch das Kartell vorgeschriebenen und allgemein üblichen Satz lag, so wird nach § 41a VVG die Prämie auf einen Betrag herabgesetzt werden müssen, der zu der im Jahre 1973 üblichen Prämie für die Lagerversicherung im gleichen Verhältnis steht, wie der tatsächlich zwischen den Parteien vereinbarte Prämiensatz zu der Prämie, die damals die Feuerversicherer allgemein als Prämie für die durch den Versicherungsvertrag gedeckten Waren berechnet hätten. Im übrigen leugnen die Klägerinnen selbst nicht, daß sie bei einem Verzicht auf Probeläufe die Prämie noch weiter heruntergesetzt hätten.

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