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Immobilienkaufvertrag –  Arglistiges Verschweigen eines Sachmangels – Gewährleistungsausschluss

LG Bonn – Az.: 1 O 224/18 – Urteil vom 14.12.2018

Orientierungssatz

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit notariellem Kaufvertrag vom 08.05.2014 (Anlage K1 = Bl.16 – 37 d.A.) erwarb der Kläger von der Beklagten eine Wohnungs- und Teileigentumseinheit in dem Objekt der Wohnungseigentümergemeinschaft Z, C-Allee 3 – 21, D-Straße 114 – 124 in ##### O zum Preis von 138.360,00 EUR. In § 7 dieses Vertrages heißt es unter „Gewährleistung“:

7.3.

(…)

Nach dieser Belehrung durch den Notar vereinbaren Käufer und Verkäufer, dass Rechte des Käufers wegen offener oder verborgener Sachmängel ausgeschlossen werden, gleichgültig ob solche bereits vorhanden sind oder bis zum Besitzübergang entstehen. (…)

Verkäufer und Käufer sind sich darüber einig, dass der Verkäufer gegenüber dem Käufer hinsichtlich des Kaufgegenstandes keine Zusicherungen oder Garantien abgegeben hat.

Dem Käufer ist der Zustand des Kaufgegenstandes auf Grund eigener Besichtigung bekannt.

7.4.

Der Verkäufer weist den Käufer ausdrücklich darauf hin, dass erhebliche Undichtigkeiten an verschiedenen An- und Abschlüssen des Flachdachs des Objektes C-Allee 7 aufgetreten sind. Im Rahmen einer außerordentliche Eigentümerversammlung der Untergemeinschaft C-Allee 3-7 wurde mit Beschluss vom 29.04.2014 der Sanierung des Flachdaches durch die Firma E zugestimmt. Die Sanierungsmaßnahmen werden voraussichtlich in der 21.-22. Kalenderwoche 2014 durchgeführt. Der Beschluss vom 29.04.2014 ist dem Käufer vollumfänglich bekannt.

Die für die Sanierung voraussichtlich entstehenden Kosten in Höhe von EUR 16.301,81 werden durch Entnahme in Höhe von EUR 10.000,00 aus der Instandhaltungsrücklage der Untergemeinschaft sowie einer darüber hinausgehenden Sonderumlage finanziert. Der Verkäufer verpflichtet sich, den Käufer von der auf den Kaufgegenstand entfallenden Sonderumlage freizustellen.

7.5.

Der vorstehende Haftungsausschluss gilt nicht für Schäden, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers, seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen beruhen. (…)

Das Objekt war im Jahr 1982/1983 erbaut worden, was sich aus dem Exposé ergab.

In einer Versammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 19.12.2013 war entschieden worden, dass aufgrund einer Häufung von Schäden am Dach zeitnah eine Begehung aller Dächer mit Beirat und Handwerkern erfolgen sollte (vgl. „Zu TOP 10 Sonstiges ohne Beschlussfassung“, Seite 6 des Protokolls = Bl.61 d.A.).

Immobilienkaufvertrag -  Arglistiges Verschweigen eines Sachmangels - Gewährleistungsausschluss
(Symbolfoto: Von goodluz /Shutterstock.com)

Ausweislich des unter § 7 Ziffer 7.4. des Kaufvertrages der Parteien zitierten Protokolls vom 29.04.2014 war die Flachdachreparatur C-Allee 5 und 7 gemäß beiliegendem Kostenangebot der Firma E vom 09.04.2014 in Höhe von 16.301,81 EUR brutto einstimmig beschlossen worden (vgl. „zu TOP 1“ auf Seite 2 des Protokolls = Bl.63 d.A.).

Nach Abschluss des Kaufvertrages der Parteien wurden die Arbeiten auf dem Dach des Gebäudes C-Allee 7 durchgeführt. Im Jahre 2017 musste eine Komplettsanierung aller Dachflächen der Gebäude der Untergemeinschaft 2-4 beschlossen werden. In dem Protokoll der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 04.05.2017 wurde zum Umfang der Dachschäden unter TOP 2 folgendes protokolliert (Anlage K2, Seite 2 = Bl.39 d.A.):

Der Sachverständige Herr L erläuterte eingehend die Schäden an den Flachdächern. Er hat die Unterlagen, die bereits über das Dach vorlagen, geprüft und selber zusätzlich Proben genommen. Herr L kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Dächer der Untergemeinschaft 2-4 irreparabel sind und komplett saniert werden müssen.

In Bezug auf die Untergemeinschaft 4 wurde bezüglich der Sanierung der Dachflächen folgender Beschluss gefasst (Anlage K2, Seite 3 = Bl.40 d.A.):

Die Sanierung aller Dachflächen der Untergemeinschaft 4 soll beauftragt werden. (…) Die Gesamtkosten betragen 450.000,00 EUR. Es wird eine Sonderumlage in Höhe von 450.000,00 EUR erhoben, aufgeteilt nach Miteigentumsanteilen auf die Untergemeinschaft 4, fällig zum 01.07.2017, die der Instandhaltungsrücklage zugeführt wird. Die Finanzierung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage.

Der Kläger behauptet, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, er habe aufgrund der Beschlussfassung vom 04.05.2017 eine Sonderumlage in Höhe von 10.376,00 EUR entrichtet. Der Beklagten müsse bereits im Jahr 2014 bekannt gewesen sein, dass die Dachschäden umfangreicher seien, als zugegeben und auch nicht mit dem durch den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.04.2014 zur Verfügung stehenden Betrag behoben werden konnten.

Der Kläger behauptet ferner, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass sich die Mängel an der Dachfläche der Untergemeinschaft 3 auch auf die Untergemeinschaft 4 auswirken würden. Dies sowie der Umstand, dass die Dächer das Ende der zu erwartenden Lebensdauer in Kürze erreichen würden, sei der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit ihm bekannt gewesen. Die Beklagte habe ihm gegenüber über einen Wissensvorsprung verfügt ohne dies zu offenbaren.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 10.376,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Klagevorbringen mit Sach- und Rechtsausführungen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 10.376,00 EUR aus den §§ 437 Ziffer 3., 434 Abs.1, 281 Abs.1 Satz 1, 280 Abs.1 BGB. Auch deliktische Ansprüche bestehen nicht.

Für die Nebenforderungen in Form des Ersatzes von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und von Zinsen besteht in Ermangelung eines begründeten Hauptanspruches gleichsam keine Anspruchsgrundlage.

Eine Gewährleistungshaftung der Beklagten wegen etwaiger technischer Mängel an den Dachflächen des Objektes ist durch § 7 Ziffer 7.3. des notariellen Kaufvertrages vom 08.05.2014 wirksam ausgeschlossen.

Diese notarvertragliche Regelung enthält einen klaren Ausschluss von gesetzlichen Gewährleistungsansprüchen für Sachmängel des Kaufgegenstandes aller Art. Die hier zur Diskussion stehenden technischen Mängel, deren tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen und Auswirkungen im Einzelnen zwischen den Parteien streitig sind, sind als Sachmangel unter § 434 Abs.1 Satz 2 Ziffern 1. und 2. BGB zu subsumieren (vgl. etwa BGH NJW 2012, 2793f.).

Gründe für eine Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses im Sinne von § 444, 1.alt. BGB liegen nicht vor, da die Beklagte weder die eingangs bezeichneten Mängel beziehungsweise konkrete Mängelsymptome arglistig verschwiegen noch das Gegenteil wahrheitswidrig zugesagt hat.

Denn Arglist setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verkäufer den Sachmangel beziehungsweise die den Mangel begründenden Umstände kennt oder zumindest für möglich hält (vgl. BGH NJW 2013, 2182ff. Rd.12 – 14; BGH NJW 2012, 2793 Rd.10; Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl. 2018, § 444 Rd.11). Damit  entspricht der Begriff der Arglist insoweit dem Begriff des Vorsatzes. Ein fahrlässiges Nichterkennen des Sachmangels, selbst ein bewusstes Sichverschließen vor sich dem Verkäufer bei rein objektiver Betrachtungsweise aufdrängenden Tatsachen, reicht folglich nicht aus (BGH NJW 2013, 2182ff. Rd.13 und 14 jeweils m.w.N.). Diese von dem Kläger zu beweisenden (vgl. BGH NJW 2014, 3296f.) subjektiven Voraussetzungen sind weder schlüssig dargetan noch von dem Kläger unter Beweis gestellt worden.

Vielmehr hat die Beklagte den Kläger schon ausweislich § 7 Ziffer 7.4. des Vertrages auf die ihr zum damaligen Zeitpunkt bekannte Problematik der Undichtigkeit und Sanierungsnotwendigkeit des Flachdaches eingehend hingewiesen. Dafür, dass der Beklagten Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die dort avisierten Sanierungsmaßnahmen unzureichend waren und/oder lediglich zu einer provisorischen Eindämmung der Undichtigkeiten führen würden, ist nichts ersichtlich. Der Umstand, dass diese Maßnahmen auf der Grundlage eines Angebotes einer Fachfirma und im Anschluss an eine in der Versammlung vom 19.12.2013 angekündigte Begehung mit Beirat und Handwerkern beschlossen worden sind, spricht für das Gegenteil. Auch die im Jahre 2017 erforderlich gewordene Gesamtsanierung führt zu keiner abweichenden Würdigung. Denn dieser weitergehende Sanierungsbedarf wurde ausweislich des Versammlungsprotokolls vom 04.05.2017 erst durch eine sachverständige Überprüfung der Dachflächen nebst Probeentnahmen festgestellt.

Etwaige weitergehende Erkenntnisse des Dachdeckermeisters E muss sich die Beklagte nicht in arglistbegründender Weise zurechnen lassen. Denn eine derartige Zurechnung über die §§ 166 Abs.1, 278 BGB käme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte Herrn E in die Verkaufsgespräche mit dem Kläger eingeschaltet hätte (vgl. MüKo/Westermann, BGB, 6. Aufl. 2012, § 438 Rd.33). Mit der Durchführung von Sanierungsarbeiten an der Kaufsache war die Firma E indes weder Erklärungs- oder Wissensvertreter der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen mit dem Kläger im Sinne von § 166 Abs.1 BGB noch Erfüllungsgehilfen der Beklagten im Sinne von § 278 BGB für kaufvertragliche Pflichten gegenüber dem Kläger (vgl. BGH DB 1968, 1119 – für Herstellungsfehler der Kaufsache; Faust in Bamberger/Roth, BeckOK BGB, Stand 01.08.2014, § 438 Rd.44; MüKo/Westermann, aaO.; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2013, § 438 Rd.117).  Für eine weitergehende Zurechnung etwaiger Informationen Dritter besteht keine rechtliche Grundlage (vgl. dazu auch BGH NJW 1996, 1339ff.).

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Für die unter § 7 Ziffer 7.5. des Kaufvertrages formulierte Ausnahme für grob fahrlässige Pflichtverletzungen der Beklagten als Verkäuferin gelten die vorstehenden Erwägungen sinngemäß. Denn dafür, dass die Beklagte im Sinne des Rechtsbegriffs der groben Fahrlässigkeit (vgl. dazu nur Palandt/Grüneberg, aaO., § 277 Rd.5) schon einfachste ganz naheliegende Überlegungen in Bezug auf die streitgegenständlichen Mangelursachen und -symptome unterlassen hätte, ist gleichsam nichts ersichtlich.

Schadensersatzansprüche des Klägers wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten scheiden schon wegen der Sperrwirkung der vorrangigen gesetzlichen Ansprüche aus Sachmängelhaftung, die hier wirksam abbedungen worden sind, aus (vgl. Palandt/Weidenkaff, aaO., § 437 Rd.51a und Rd.51b jeweils m.w.N.).

Gleiches gilt für Schadensersatzansprüche aus Deliktsrecht, weil diese von dem Kläger allein auf das von der Gewährleistungshaftung wegen Sachmängeln erfasste Erfüllungsinteresse gestützt werden.

Die Kostenentscheidung beruht § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert: 10.376,00 EUR.

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