LG Berlin, Az.: 55 S 119/10 WEG, Urteil vom 30.11.2010
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.2. 2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln – 70 C 145/09 WEG – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen hinsichtlich der Kostenentscheidung teilweise geändert:
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben zu tragen:
Die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) sowie 63/100 der eigenen außergerichtlichen Kosten und der Gerichtskosten, die Beklagte zu 2) ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 37/100 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Gerichtskosten.
2. Von den Kosten der Berufung haben zu tragen:
Die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) sowie 3/4 der eigenen außergerichtlichen Kosten und der Gerichtskosten, die Beklagte zu 2) ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Gerichtskosten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511 ff ZPO; sie ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet, denn die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen insoweit eine andere von der erstinstanzlichen abweichende Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
Berufung gegenüber dem Beklagten zu 1):
Es bestehen keine Bedenken gegenüber einem Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) der Klägerin, obwohl zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durch den – wenn auch angefochtenen – Beschluss vom 19.3.2010 eine Kostenregelung für die Sanierung der Terrasse von der Wohnungseigentümergemeinschaft getroffen worden ist. Denn der Feststellungsantrag ist zu einem Zeitpunkt – am 11.1.2010 – gestellt worden, als noch kein Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung (vom 19.3. 2010) vorlag. Das Feststellungsinteresse ist auch nicht entfallen, da auch nach dem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 19.3.2010 am Ende die Zahlungsverpflichtung beim Beklagten zu 1) hätte liegen können.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 1) einen Teil der Kosten der Terrassensanierung allein zu tragen hat.
Aus § 5 der GO folgt keine bestimmte Pflicht zur Kostentragung hinsichtlich Instandhaltung und Instandsetzung für Sondereigentum. § 2 Abs. 6 GO betrifft Balkone – vorliegend handelt es sich um einen Terrasse. Zwar folgt aus § 1 Abs. 3 k der Miteigentumsordnung, dass die Terrasse im Sondereigentum steht, soweit es sich um die Teile handelt, die über den tragenden Platten beziehungsweise Bauteilen liegen. Sondereigentum konnte insoweit nicht wirksam begründet werden, denn es besteht zwingend gemeinschaftliches Eigentum bei Schichten zur Isolierung gegen Feuchtigkeit, Trittschall und Wärmdämmung bei einer Dachterrasse (Niedenführ /Kümmel) Vandenhouten WEG, 9. Auflage, Rdnr. 26 zu § 5 WEG). Bei einer Dachterrasse gehört nur der oberste Belag zum Sondereigentum eines Wohnungseigentümers (Bayerisches ObLG WE 1999, 25 – 26).
Auch aus der Regelung in § 7 Abs. 9 a GO, in denen die Kosten der Instandhaltung und -setzung gemeinschaftlichen Eigentums, dessen Nutzung ausschließlich einzelnen Wohnungseigentümern zusteht, diesen Eigentümern übertragen wird, folgt keine andere Beurteilung. Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, dass damit eine einem Sondereigentümer auferlegte Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung ausschließlich von ihm genutzten Teile des Gemeinschaftseigentums wirksam begründet worden wäre, führt dies vorliegend nicht dazu, dass der Beklagte zu 1) allein die Kosten für die Maßnahmen zu tragen hat, für die die Klägerin diese Feststellung begehrt. Denn aus dem im Beweissicherungsverfahren (Amtsgericht Neukölln – 70 H 2/08 WEG) eingeholten Sachverständigengutachten folgt, dass die Ursache der Feuchtigkeitsschäden in Fehlern der Planung, Bau- und Ausführungsplanung zu finden ist. Aufgrund der Rechtsprechung des Kammergerichts (Beschluss vom 30.10.2006 – 24 W 65/06), der sich die Kammer anschließt, umfasst eine in der Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung) einem Sondereigentümer auferlegte Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung ausschließlich von ihm genutzter Teile des Gemeinschaftseigentums nicht auch die Verpflichtung des Sondereigentümers, erstmalig einen ordnungsmäßigen Zustand des Gemeinschaftseigentums herzustellen. Dem einzelnen Sondereigentümer steht vielmehr gegen die übrigen ein Anspruch auf erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Gemeinschaftseigentums gemäß §§ 21 Abs. 4, Abs.5 Nr. 3 WEG zu. Die Kosten der ordnungsgemäßen erstmaligen Herstellung sind demnach von der Gemeinschaft zu tragen.
Berufung gegenüber der Beklagten zu 2):
Maßgeblich für die Kostenentscheidung im Rahmen des § 93 ZPO ist, ob die Beklagte zu 2) Veranlassung zur Klage gegeben hat. Im Rahmen dessen ist das Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und die materielle Rechtslage zu beurteilen, wobei von einer Veranlassung zur Klageerhebung ausgegangen werden kann, wenn der Kläger hatte annehmen müssen, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (Zöller – Herget ZPO, 27. Aufl., Rdnr. 3 zu § 93 ZPO).
Im Rahmen dieser Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass die Klageerhebung aufgrund des von der Klägerin eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahrens erfolgt ist, welches die Frage von konkreten Maßnahmen zur Ausführung der von der Eigentümergemeinschaft beschlossenen Sanierung der Dachterrasse zum Gegenstand hatte. Entscheidend ist, dass die Klägerin nach Abschluss des Beweisverfahrens mit der vorliegenden Klage nicht lediglich die von der Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Beschluss vom 27.5.2008 beschlossene Instandsetzung der Terrasse begehrt hat, denn dieser Beschluss hat sich lediglich mit der Frage des „Ob“ der Instandsetzung befasst und keine konkreten Maßnahmen – das so genannte „Wie“ der Instandsetzung – bestimmt. Als direkt von der Sanierung betroffene Miteigentümerin bestand aufgrund dessen ein Interesse der Klägerin daran, vor der Ausführung der Arbeiten deren Umfang übersehen zu können. Die Beklagte zu 2) hätte sich nicht damit begnügen dürfen, einen Beschluss lediglich über das „Ob“ der Sanierung zu fassen mit der Folge, dass davon auszugehen ist, dass die Beklagte zu 2) Veranlassung zur Klage gegeben hat. Die Klägerin hat durch die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens letztlich eine der Beklagten zu 2) obliegende Verpflichtung wahrgenommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 93, 100 ZPO.
Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf § 708 Nr. 10 und § 713 ZPO.