LG Hildesheim, Az.: 2 O 139/13, Urteil vom 12.06.2013
Die einstweilige Verfügung vom 11.04.2013 wird aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Verfügungskläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand eines Jagdpachtvertrages.
Die Verfügungsbeklagte ist eine Jagdgenossenschaft. Deren Mitglieder sind die Grundeigentümer der Grundflächen, die die gemeinsamen Jagdbezirke „… I“ und „… II“ bilden. Mit schriftlichen Jagdpachtverträgen vom 27.03.2008 verpachtete die Verfügungsbeklagte diese Jagdbezirke an die Herren … und … mit Wirkung vom 01.04.2009 für die Dauer von 9 Jahren (Anlage AST 1, Bl. 13 – 20 d.A.). Mit Schreiben vom 15.03.2011 baten die vorgenannten Jagdpächter gemeinsam mit dem Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte darum, eine Änderung des Pachtvertrages vorzunehmen. Anstelle des Jagdpächters … sollte der Verfügungskläger Mitpächter werden (Anlage AST 2, Bl. 21 d.A.). Anlässlich ihrer Jahreshauptversammlung am 17.02.2012 stimmte die Versammlung der Jagdgenossen der Verfügungsbeklagten einer Verpachtung der gemeinschaftlichen Jagdbezirke an den Verfügungskläger neben Herrn … einstimmig zu. Die Verfügungsbeklagte unterrichtete den Landkreis … als Untere Jagdbehörde unter gleichzeitiger Übersendung des Sitzungsprotokolls hierüber mit Schreiben vom 21.02.2012 (Anlage AST 5, Bl. 27 d.A.). In der Folgezeit übte der Verfügungskläger die Jagd gemeinsam mit Herrn … in beiden Bezirken aus.
Zwischen dem Verfügungskläger und Herr … kam es seit dem Jahr 2012 mehrfach zu Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Jagdausübung. Sie führten mehrere Rechtsstreitigkeiten gegeneinander vor dem Amtsgericht …. Mit Schreiben vom 12.03.2013 kündigte daraufhin Herr … gegenüber der Verfügungsbeklagten die bestehenden Jagdpachtverträge zum 01.04.2013 (Anlage AG 7, Bl. 70 d.A.). Die Verfügungsbeklagte akzeptierte die ausgesprochene Kündigung und kündigte sodann ihrerseits mit Schreiben vom 28.03.2013 gegenüber dem Verfügungskläger „beide Pachtverträge“ zum 31.03.2013 (Anlage AG 8, Bl. 81 d.A.). Für die Zeit ab dem 01.04.2013 schloss sie mit anderen Jagdpächtern Verträge über die vorgenannten gemeinschaftlichen Jagdbezirke.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, zwischen ihm und der Verfügungsbeklagten bestünden wirksame Jagdpachtverträge. Die durch die Verfügungsbeklagte erklärte Kündigung sei unwirksam. Ein Kündigungsrecht habe für die Verfügungsbeklagte nicht bestanden. Soweit es zu Spannungen zwischen ihm und Herrn Schüttler gekommen sei, beruhten diese ausschließlich auf dem Verhalten des Herrn …. Er – der Verfügungskläger – habe seine jagdlichen Pflichten allesamt erfüllt.
Mit Beschluss vom 11.04.2013 (Bl. 48 f. d.A.) hat das Gericht den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stattgegeben und der Verfügungsbeklagten aufgegeben, es zu unterlassen, dem Verfügungskläger die Jagdausübung in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken … I und … II zu untersagen und ihn bei der Jagdausübung zu behindern. Die Verfügungsbeklagte hat hiergegen mit Schriftsatz vom 18.04.2013 (Bl. 55 ff. d.A.) „Beschwerde“ eingelegt.
Der Verfügungskläger beantragt nunmehr, die Beschwerde der Verfügungsbeklagten unter Aufrechterhaltung des Beschlusses vom 11.04.2013 zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, unter Abänderung des Beschlusses vom 11.04.2013 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien überhaupt kein Jagdpachtvertrag zustande gekommen sei. Im Übrigen sei sie allemal aufgrund des Ausscheidens des Mitpächters … berechtigt gewesen, auch gegenüber dem Verfügungskläger eine Kündigung eines etwaig bestehenden Vertragsverhältnisses auszusprechen. Aufgrund des angeblich zerrütteten Verhältnisses zwischen … … und dem Verfügungskläger habe ihr auch das Recht zugestanden, etwaig gegebene Vertragsverhältnisse außerordentlich zu kündigen. Eine ordnungsgemäße Jagdausübung sei nicht (mehr) gewährleistet gewesen.
Entscheidungsgründe
Die als Widerspruch im Sinne der §§ 936, 924 ZPO auszulegende „Beschwerde“ der Verfügungsbeklagten gegen die einstweilige Verfügung vom 11.04.2013 ist begründet, weshalb die einstweilige Verfügung aufzuheben und der Antrag auf deren Erlass zurückzuweisen ist.
Ein für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 936, 916 ZPO notwendiger Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte ist nicht vorhanden. Dem Verfügungskläger steht nach § 1004 Abs. 1 BGB gegenüber der Verfügungsbeklagten kein Anspruch darauf zu, an der Jagdausübung in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken … I und … II nicht gehindert zu werden. Denn zwischen den Parteien sind keine Pachtverträge über die Nutzung dieser Jagdbezirke zustande gekommen, aufgrund derer der Verfügungskläger berechtigt wäre, dort die Jagd auszuüben.
Soweit sich die Parteien aufgrund des Schreibens des Verfügungsklägers vom 15.03.2011 sowie durch Beschluss der Verfügungsbeklagten vom 17.02.2012 darauf verständigt haben, dass dem Verfügungskläger gemeinsam mit dem Jagdpächter … die vorgenannten Jagdbezirke verpachtet werden sollten, ist diese Einigung wegen Nichteinhaltung der nach § 11 Abs. 4 S. 1 BJagdG erforderlichen Schriftform gemäß § 11 Abs. 6 S. 1 BJagdG als nichtig anzusehen. In den Fällen gesetzlich vorgeschriebener Schriftform müssen die Vertragsparteien grundsätzlich beide dieselbe Urkunde unterschreiben (§ 126 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Unterzeichnung des Angebots durch die eine Partei und die Annahme in einer weiteren Urkunde durch die andere Partei genügt nicht (BGH NJW-RR 1994, 280). Erforderlich ist, dass sich beide Erklärungen auf demselben Schriftstück befinden (BGH NJW 2004, 2962). Das gilt insbesondere auch für den Abschluss von Änderungsverträgen oder Vereinbarungen über einen Parteiwechsel (vgl. BGHZ 42, 333; BGHZ 52, 25; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl. 2013, § 126 Rdnr. 5). Lediglich bei Aufnahme mehrerer gleichlautender Urkunden reicht es aus, wenn jede Partei die für den anderen Teil bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 Abs. 2 S. 2 BGB); beide Urkunden müssen dann aber den gesamten Vertragsinhalt wiedergeben (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl. 2013, § 126 Rdnr. 13). Diesen Anforderungen genügt die Einigung der Parteien nicht. Sie legten die von ihnen getroffenen Vereinbarungen nicht in schriftlicher Form in einer einheitlichen Urkunde oder in zwei gleichlautenden Urkunden nieder. Der lediglich hierüber geführte Schriftverkehr in Gestalt des Schreibens vom 15.03.2011 und der an den Landkreis … gerichteten Mitteilung vom 21.02.2012 nebst des beigefügt gewesenen Protokolls der Sitzung vom 17.02.2012 erfüllt die Anforderungen der gesetzlichen Schriftform erkennbar nicht. Es ist zu beachten, dass der Formzweck des § 11 Abs. 4 S. 1 BJagdG sich nicht allein darin erschöpft, ein behördliches Beanstandungsverfahren entsprechend § 12 BJagdG zu ermöglichen und der Sicherheit des Rechtsverkehrs zu dienen, indem er den Beweis über Abschluss und Inhalt der getroffenen Vereinbarungen erleichtert. Er soll darüber hinaus auch die Vertragspartner wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestpachtdauer von 9 Jahren (§ 11 Abs. 1 S. 1 BJagdG) von der Eingehung einer übereilten langfristigen Bindung schützen (BGH WM 1978, 846). Mit Rücksicht hierauf ist die Einigung der Parteien nicht wirksam.
Es ist auch nicht im Sinne des § 242 BGB treuwidrig, dass sich die Verfügungsbeklagte auf den Schriftformmangel beruft. Gegenüber der sich aus der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 11 Abs. 4 BJagdG ergebenden Nichtigkeit versagt schon grundsätzlich die Berufung auf Treu und Glauben und auf die Arglisteinrede (vgl. BGH NJW-RR 1994, 778). Unabhängig davon dürfen gesetzliche Formvorschriften im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Ausnahmen sind allenfalls dann zulässig, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Das Ergebnis muss für die betroffene Partei nicht bloß hart, sondern schlechthin untragbar sein (vgl. BGHZ 29, 6; BGHZ 48, 396; BGHZ 138, 339). Derartige Fälle sollen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa vorliegen, wenn eine Vertragspartei die andere von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht ist (vgl. Palandt/ Ellenberger, BGB, 72. Aufl. 2013, § 125 Rdnr. 22 m.w.N.). Es ist vorliegend weder etwas dazu vorgetragen noch ansonsten dafür ersichtlich, dass die Nichtigkeit des Jagdpachtvertrages auf Seiten des Verfügungsklägers zu einem für ihn schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. Allein der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte eine Kündigung der nicht formwirksam geschlossenen Verträge erklärte, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.