AG Erfurt – Az.: 5 C 807/21 – Urteil vom 06.07.2022
Zusammenfassung
Gericht weist Klage von Wohnungsbaugesellschaft gegen ehemaligen Hausverwalter ab
Die Schadensersatzklage einer Wohnungsbaugesellschaft gegen einen ehemaligen Hausverwalter wurde von einem Gericht in Deutschland abgewiesen. Die Wohnungsbaugesellschaft hatte bei Gericht eine Klage eingereicht, in der sie behauptete, der ehemalige Verwalter habe während seiner Zeit als Hausverwalter vorsätzlich eine Zahlung in Höhe von 8 000 Euro vom WEG-Konto der Gesellschaft auf sein persönliches Konto überwiesen. Der ehemalige Verwalter hatte die Haftung bereits in einem früheren Gerichtsverfahren anerkannt. Die Wohnungsbaugesellschaft reichte jedoch eine gesonderte Klage ein und erklärte, sie habe das frühere Urteil nicht vollstrecken können, da der Beklagte inzwischen für insolvent erklärt worden sei. Das Gericht lehnte die neue Klage ab und verwies darauf, dass das frühere Urteil eine angemessene Wiedergutmachung darstelle.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft (Objekt „R “ in E) und beansprucht in dieser Eigenschaft gegenüber dem zwischenzeitlich in Insolvenz befindlichen und als vormaligem Verwalter tätigen Beklagten die Feststellung, dass ein bereits titulierter, zur Insolvenztabelle angemeldeter und festgestellter Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 8.000,00 Euro (zzgl. Zinsen und Kosten) aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt.
Dem liegt zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde: Zur Erfüllung seiner Aufgaben gegenüber der Klägerin führte der Beklagte keine Treuhandkonten, sondern aufgrund einer durch die Klägerin erteilten Alleinverfügungsberechtigung ein „WEG-Konto Instandhaltungsrücklage“ bei der Deutschen Kreditbank AG. Hierauf hatte nur der Beklagte, nicht aber die Klägerin Zugriffsberechtigung.
Mit Schreiben vom 22.09.2020 teilte der nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass Hausgelder und insbesondere die Instandhaltungsrücklage bei oberflächlicher Prüfung nicht mehr vorhanden seien. Dies betrifft insbesondere den als Forderung zur Insolvenztabelle angemeldeten Betrag von 8.000,00 Euro, welcher am 09.04.2020 von dem vorbezeichneten Konto auf das Privatkonto des Beklagten überwiesen wurde.
In einem vor dem Landgericht Erfurt unter dem Az. 10 O 1304/20 geführten Verfahren beanspruchte die Klägerin zum einen Schadensersatz in Höhe des voraufgeführten Betrages sowie darüber hinaus die hier ebenfalls begehrte Feststellung der vorsätzlichen Deliktshaftung. Mit einem am 10.02.2021 beim Landgericht Erfurt eingegangenen Schriftsatz vom 05.02.2021 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Anerkenntnis bezüglich beider Ansprüche (Leistung und Feststellung). Unter dem 11.02.2021 erließ das Landgericht Erfurt entsprechendes Anerkenntnisurteil sowohl über den bezifferten Schadensersatzanspruch als auch über die hier gleichermaßen bzw. nochmals beantragte Feststellung der vorsätzlichen Deliktsbegehung.
Kurz zuvor, nämlich mit Beschluss vom 02.02.2021, hatte das zuständige Amtsgericht Erfurt unter dem Az. 171 IN 281/20 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet. Das landgerichtliche Anerkenntnisurteil wurde nicht angefochten und ist in Rechtskraft erwachsen. In der weiteren Folge widersprach der Beklagte der angemeldeten Forderung, und zwar beschränkt auf den Haftungsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. Diesen Widerspruch hat der Beklagte nicht weitergehend verfolgt.
Mit Schreiben vom 09.03.2021, dessen Zugang bei der Insolvenzverwalterin vom Beklagten bestritten wird, teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Insolvenzverwaltung mit, seine Mandantin werde aus dem Anerkenntnisurteil keine Rechte herleiten.
Die Klägerin vertritt zusammengefasst die Ansicht, die Klage sei zulässig; insbesondere stehe der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis trotz der zuvor erfolgten Titulierung durch Anerkenntnisurteil zur Seite, weil die Durchsetzbarkeit des Titels nicht möglich, jedenfalls Zweifel behaftet sei.
Im Übrigen erfülle das Verhalten des Beklagten den Tatbestand der vorsätzlich begangenen Untreue und des Betruges.
Die Klägerin beantragt, es wird festgestellt, dass der im o. a. Insolvenzverfahren zur Tabelle festgestellte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 8.000,00 Euro zzgl. Zinsen Kosten (insgesamt 8.985,97 Euro) eine Verbindlichkeit aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung darstellt.
Der Beklagte beantragt, die Klage wird abgewiesen.
Er hält die Klage für unzulässig und im Weiteren für unbegründet, im Wesentlichen deshalb, weil noch nicht abschließend geklärt sei, ob der Beklagte oder seine Mitarbeiterin als Täter feststehe.
Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig.
Ihr steht die Rechtskraft der Entscheidung des Landgerichts Erfurt (Anerkenntnisurteil vom 11.02.2021) entgegen. Insbesondere liegt nach Ansicht des erkennenden Gerichts kein Fall vor, in welchem ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis für eine erneute Klage mit identischem Antragsinhalt gerechtfertigt wäre.
Vom Ausgangspunkt her ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass das Anerkenntnisurteil vom 11.02.2021 nicht hätte erlassen werden können, wenn dem Landgericht Erfurt bekannt gewesen wäre, dass das Amtsgericht Erfurt kurz zuvor (= am 02.02.2021) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet hatte.
Ein dennoch unter Verstoß gegen § 249 Abs. 2 ZPO ergangenes Urteil ist nach allgemeiner Auffassung nicht nichtig, sondern muss – wie hier jedoch nicht – mit Rechtsmitteln angefochten werden, andernfalls es rechtskräftig wird (vgl. hierzu Zöller, 34. Aufl., § 249 ZPO, Rn. 10 sowie Wieczorek/ Schütze, 4. Aufl., § 249 ZPO, Rn. 22 m.w.N.).
Demgemäß steht die eingetretene anderweitige Rechtskraft einer erneuten Klageerhebung mit gleichem Antrag(-sziel) grundsätzlich entgegen (BGH NJW 2008, S. 1227; Zöller, a.a.O., § 322 ZPO, Rn. 17).
Soweit die Klägerin unter Berufung auf die dortige Kommentierung (Zöller, a.a.O., Rn. 19 und vor § 253 ZPO, Rn. 18a) die Auffassung vertritt, es bestehe im vorliegenden Fall ein Rechtsschutzbedürfnis für die vom Antrag und Rechtsschutzziel her identische Klage, folgt das Gericht dem nicht.
Wegen des bereits eingangs benannten Ausnahmecharakters sind Fälle, die das Rechtsschutzbedürfnis trotz bereits erfolgter Titulierung begründen sollen, nach Ansicht des erkennenden Gerichts grundsätzlich restriktiv zu handhaben (vgl. hierzu nochmals die bei Zöller [a.a.O.] aufgeführten Einzeltatbestände, insbesondere: unersetzbar verloren gegangener Titel, zweifelhafte Durchsetzbarkeit oder streitige Auslegung eines Titels).
Unter Berücksichtigung dessen hält das Gericht das Rechtsschutzbedürfnis für nicht darstellbar.
Im Einzelnen: Soweit die Klägerin sich zunächst auf die gegenüber dem Insolvenzverwalter (im Zugang bestrittene) Verzichtserklärung vom 09.03. 2021 beruft, vermag dies ein Rechtsschutzbedürfnis bereits deswegen nicht zu begründen, weil Rechtskraft und Rechtsschutzbedürfnis als objektive Prozessvoraussetzungen in keinem Fall der Parteidisposition unterliegen können, denn dies widerspräche grundlegend dem Zweck des Rechtsschutzbedürfnisses. Soweit die Klägerin ergänzend auf Kostenrisiken wegen einer damals etwa einzulegenden Berufung Bezug nimmt, muss auch dies unbeachtlich bleiben (zumal die Vermögenslage des Beklagten unabhängig vom Ausgang des vormaligen oder dieses Rechtsstreits aufgrund der Insolvenz unverändert sein dürfte).
Vorsorglich: Soweit die Klägerin vorbringt, die Klage hätte erhoben werden müssen, weil nicht absehbar gewesen sei, inwieweit der Insolvenzverwalter das Anerkenntnisurteil anfechten werde, weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass hiesige Klage am 03.06.2021 anhängig gemacht worden ist, die Rechtsmittelfrist jedoch bereits im März 2021 gelaufen war.
Soweit die Klägerin den o. a. Verzicht auf die Rechte aus dem landgerichtlichen Titel letztlich als nachrangig anführt (Schriftsatz vom 14.04.2022) und ihr Rechtsschutzbedürfnis maßgeblich aus dem Umstand herleiten möchte, dass das landgerichtliche Anerkenntnisurteil nach § 184 Abs. 2 InsO keine Bindungswirkung entfalte, weil darin der deliktische Rechtsgrund nicht hinreichend festgestellt werde, vertritt das Gericht andere Auffassung.
Die Frage, ob ein Deliktsgrund durch Anerkenntnisurteil bindend festgestellt werden kann, wird uneinheitlich beurteilt. Vom Ausgangspunkt her besteht Einigkeit, dass eine solche Bindungswirkung nicht gegeben ist und eine nochmalige Klage erforderlich ist, soweit über die deliktische Forderung lediglich ein Vollstreckungsbescheid ergangen ist (vgl. hierzu insbes. BGH NJW 2006, S. 2922).
Dies zugrunde gelegt, geht das Gericht mit der herrschenden Meinung davon aus, dass die Situation bei Erlass eines den Deliktsgrund ausdrücklich feststellenden Anerkenntnisurteils davon abweichend zu beurteilen ist (so OLG Brandenburg NZI 2008, S. 319; Beck-OK, 27. Edit., Rn. 15 zu § 184 InsO; BK-InsO, 3. Aufl., § 184 InsO, Rn. 38; Karsten Schmidt, 19. Aufl., § 184 InsO, Rn. 15; MünchKomm, 4. Aufl., § 184 InsO, Rn 8c; Uhlenbruck, 15. Aufl., § 184, Rn. 22; Sinz / Hiebert / Wegener, 3. Aufl., § 184 InsO, Rn. 362; Jaeger, 5. Aufl., § 184 InsO, Rn. 32; Kahlert ZInsO 2006, S. 409).
Der Vollstreckungsbescheid wird sowohl ohne richterliche Vorbefassung als auch ohne Einlassung des Prozessgegners erlassen. Mahn- und Vollstreckungsbescheid unterliegen des Weiteren nur dem nach §§ 691, 699 Abs. 1 ZPO eingeschränkten (formellen) Prüfungsumfang, regelmäßig zudem im Wege der maschinellen Bearbeitung (§ 689 ZPO). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass durch Vollstreckungsbescheid allein eine auf Geldleistung gerichtete Forderung tituliert wird (§ 688 Abs. 1 ZPO), mithin der Deliktsgrund im Tenor desselben nicht festgestellt werden darf.
All dies ist auf den hier zu beurteilenden Fall nicht übertragbar. Vielmehr erfolgte richterliche Befassung bereits mit Eingang der Klagebegründung. Weiterhin wurde über den Feststellungsantrag – abweichend vom Mahn- / Vollstreckungsbescheidsverfahren – ausdrücklich im Tenor entschieden.
Das Anerkenntnis ist hier nach entsprechender gerichtlicher Verfügung und Belehrung – zudem durch den anwaltlichen Vertreter des Beklagten – erklärt worden. Dadurch ist die klageweise begehrte Leistung und Feststellung des Deliktsattributs aufgrund allseitiger Beteiligung und Mitwirkung außer Streit und prozessual bindend festgestellt gestellt worden.
Der zum Teil anderweitig vertretenen Auffassung (so Hamburger Komm., 9. Aufl., § 184 InsO, Rn 16a) ist aus den voraufgeführten Gründen nicht zu folgen. Vorsorglich: Soweit die Klägerin auf eine weitere Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (NZI 2010, S. 266) abstellt, ist zu berücksichtigen, dass der tragende Grund für fehlende (bzw. aus den Gründen lediglich analog abzuleitende) Bindungswirkung dort – gerade anders als im vorliegenden Fall – die nicht tenorierte Feststellung des Deliktscharakters war; vielmehr lag lediglich eine Verurteilung zur Leistung zugrunde.
Es kann nach allem auch dahingestellt bleiben, dass der Beklagte – wie von ihm eingewandt – den Widerspruch ohnehin nicht gemäß § 184 Abs. 2 InsO weiter verfolgt hat (vgl. auch hierzu OLG Brandenburg NZI 2010, S. 266 zu 2. b); Graf-Schlicker, 6. Aufl., § 184 InsO, Rn. 13: Ziel des Schuldners muss die binnen Monatsfrist begonnene „Verfolgung“, d. h. Beseitigung des Titels sein, andernfalls der Widerspruch als nicht erhoben gilt).
Prozessuale Nebenentscheidungen
– § 91 Abs. 1 ZPO (Kosten),
– §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO(vorläufige Vollstreckbarkeit).