LG Essen – Az.: 18 O 342/11 – Urteil vom 13.02.2012
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt in H ein Umzugsunternehmen. Am 12.04.2010 schloss sie mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag ab, der eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung umfasst. Diesem Vertrag liegen die allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB), Stand Juli 2009, zu Grunde. Unter der Überschrift „Unfall“ heißt es in Punkt A.2.3.2 „Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Nicht als Unfallschäden gelten insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen z.B. … Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen.“
Am 19.04.2011 hängte ein Mitarbeiter der Klägerin in N einen Anhänger mit dem Kennzeichen … an das Zugfahrzeug mit dem Kennzeichen … an. Dabei befestigte er die Kupplung nicht ordnungsgemäß, sondern legte sie nur auf. Die Kupplung war lediglich mit einem Abrissseil, einer Drahtschlinge befestigt. Während der Fahrt löste sich der Anhänger vom Zugfahrzeug und rutschte auf das ziehende Fahrzeug. Durch den Aufprall mit dem Lkw wurde ein Loch in die Stirnwand des Anhängers gerissen.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus der Vollkaskoversicherung in Anspruch. Sie verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung des Anhängers in Höhe von netto 7.772,90 €. Wegen der einzelnen Schadenspositionen wird auf Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 5 d.A.) verwiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Schaden sei vom Versicherungsschutz umfasst. Die Klausel in A.2.3.2 Satz 4 der AKB, wonach Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen nicht als Unfallschäden gelten, beziehe sich lediglich auf Schäden, die beim Abschleppen entstanden seien.
ie Klägerin hat ursprünglich die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 661,16 € verlangt. Nachdem sie die Klage hinsichtlich der auf die Anwaltsgebühren entfallenden Mehrwertsteuer zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.772,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2011 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, sie von weiteren 555,60 € vorgerichtlichen Anwaltsgebühren freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der entstandene Schaden sei nicht vom Versicherungsschutz der Vollkaskoversicherung umfasst. Es handele sich um einen Schaden zwischen einem ziehenden und einem gezogenen Fahrzeug ohne Einwirkung von außen, für den nach Punkt A.2.3.2 der AKB kein Versicherungsschutz bestehe.
Das Gericht hat den Inhaber der Klägerin persönlich angehört. Hierzu wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.02.2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch aus § 1 S. 1 VVG auf Ersatz des geltend gemachten Schadens zu. Denn es handelt sich dabei nicht um den vereinbarten Versicherungsfall. Nach Punkt A.2.3.2 Satz 1 der Allgemeinen Bedingungen für die KFZ-Versicherung (AKB), Stand Juli 2009, die dem Vertrag zugrundeliegen, sind Unfälle des Fahrzeugs versichert. Gemäß Satz 3 und 4 gelten Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug nicht als Unfallschäden. Diese Ausschlussklausel umfasst nicht nur Schäden beim Abschleppen, sondern auch Kollisionen zwischen einem Anhänger und dem Zugfahrzeug (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2007, 175; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 829; LG Karlsruhe, r + s 2012, 68; Prölss/Martin-Knappmann, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Auflage, AKB 2008 A.2.3 Rdnr. 15; a. A. LG Essen, NJW-RR 2006, 1688). Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (vgl. zuletzt BGH, NJW-RR 2012, 163 m. w. N.). Der Begriff des „Fahrzeugs“ umfasst nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern auch Anhänger (vgl. BGH, NJW-RR 1996, 857, 858; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 861, 862). Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer trotz der Verbindung von PKW und Camping-Anhänger in diesen zwei Fahrzeuge sieht. Dies gilt nach Ansicht des Gerichts auch für die Verbindung zwischen einem LKW und einem Anhänger. Aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt sich, dass der Begriff „Fahrzeug“ weiter ist als der Begriff eines Kraftfahrzeugs. Auch Anhänger werden als Fahrzeuge bezeichnet. Dies ist für den Versicherungsnehmer auch ohne Spezialkenntnisse im Versicherungsrecht verständlich. Wenn sich die Klausel lediglich auf den Ausschluss von Abschleppschäden bezogen hätte, hätte man eine engere Formulierung wählen müssen. Auch der Vergleich mit anderen Klauseln der AKB zeigt, dass der Begriff „Fahrzeug“ als Oberbegriff verwendet worden ist, der neben Kraftfahrzeugen auch Anhänger umfasst (vgl. LG Karlsruhe, a. a. O.). So werden unter Punkt A.1.1.5 die Begriffe „Fahrzeug“, „Kraftfahrzeug“ und „Anhänger“ nebeneinander verwendet. Auch unter A.1.5.5 wird zwischen einem Fahrzeug und einem Kraftfahrzeug differenziert. Daraus ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, dass in den AKB unter einem Fahrzeug nicht nur Kraftfahrzeuge verstanden werden, sondern auch Anhänger, die nicht aus eigener Kraft fortbewegt werden können.
Der geltend gemachte Unfallschaden ist durch einen Zusammenprall von Anhänger und Zugfahrzeug ohne weitere Einwirkung von außen entstanden. Da der Anhänger nicht ordnungsgemäß angekuppelt war, hat er sich während der Fahrt gelöst und ist auf das ziehende Fahrzeug gerutscht. Der Schaden am Anhänger ist durch den Aufprall mit dem ziehenden LKW entstanden. Hierdurch wurde ein Loch in die Stirnwand des Anhängers gerissen. Eine weitere Einwirkung von außen, wie etwa ein Zusammenstoß mit anderen Gegenständen, hat es nicht gegeben.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286, 288 BGB auf Zahlung von Verzugszinsen und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren zu, denn die Beklagte hat sich nicht in Verzug befunden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.