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Versicherungsvertretervertrag – außerordentliche Kündigung

Oberlandesgericht Celle

Az: 11 U 82/08

Urteil vom 02.10.2008

Vorinstanz: Landgericht Verden, Az.: 5 O 393/07


In dem Rechtsstreit hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 9. April 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass durch die von der Beklagten zum 14. Juli 2007 ausgesprochene außerordentliche Vertragskündigung des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertreterverhältnisses das Vertragsverhältnis nicht beendet worden ist. Die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist unwirksam.

Richtig hat das Landgericht die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 89a Abs. 1 S. 1 HGB verneint. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass sich der Kläger vertragswidrig verhalten hat. Eine nach § 4 Nr. 1 des Vertrags vom 7./14. Juli 1997 notwendige schriftliche Zustimmungserklärung der Beklagten (dazu K1; Bl. 14 d. A.) zur Beschäftigung des Untervertreters H… lag nicht vor. Zudem hat er, worauf das Landgericht gleichfalls zutreffend hingewiesen hat (S. 7 LGU), der Beklagten durch seine Unterschrift auf den Vertragsformularen wider besseres Wissen vorgespiegelt, die Unterschrift der vermittelten Versicherungsnehmer sei in seiner Gegenwart erfolgt.

Diese Vertragsverstöße rechtfertigen eine außerordentliche Vertragskündigung nicht. Für die Frage, ob das etwaige schuldhafte Verhalten des Klägers auch als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung angesehen werden kann, ist entscheidend, ob der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine ordentliche Kündigung wirksam geworden wäre, nicht zumutbar gewesen wäre. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, zu denen auch die Vertragsdauer und die bis dahin aufgetretenen Störungen gehören können, zu berücksichtigen (vgl. BGH VersR 1986, 1072).

Wenn ein Versicherungsvertreter trotz entgegenstehender Weisung und erfolgter Abmahnung durch den Versicherer wiederholt Versicherungsanträge und Schadenmeldungen eigenhändig mit dem Namen des jeweiligen Versicherungsnehmers unterschreibt, statt diesen selbst unterschreiben zu lassen, verstößt er nach der Rechtsprechung damit zwar gegen die ihm gegenüber dem Versicherer obliegenden vertraglichen Pflichten, den Weisungen des Versicherers zu folgen, jedoch liegt darin kein wichtiger Grund im Sinne des HGB § 89a, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte (OLG Frankfurt VersR 1992, 492; strenger OLG München VersR 2004, 470). Hier unterschrieb der Kläger nicht die Vertragsformulare selbst, sondern bestätigte lediglich – inhaltlich unrichtig -, dass die Unterschriften unter den Vertragsformularen in seiner Gegenwart geleistet worden sind. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils (S. 5 ff. LGU) wird Bezug genommen. Darauf, dass der Kläger vorsätzlich handelte, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 326 d. A.) allein nicht an, weil nicht jeder vorsätzliche Pflichtverstoß eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag.

Ob die Kündigung auch dann unwirksam wäre, wenn der Kläger wegen eines gleichartigen oder jedenfalls im Kern ähnlichen Verhaltens berechtigterweise abgemahnt worden wäre, kann offen bleiben. Dem Vortrag der Beklagten kann eine Abmahnung, welche den an sie gestellten Anforderungen genügen würde, nicht entnommen werden. Wegen der gegenseitigen vertraglichen Treuepflichten sowie im Hinblick darauf, dass die außerordentliche fristlose Kündigung das unausweislich letzte Mittel sein muss, nachdem es ein milderes Mittel nicht mehr gibt, kann ein wichtiger Grund, welcher in einem von dem zu Kündigenden zu beeinflussenden Umstand liegt, grundsätzlich erst nach einer Abmahnung die fristlose Kündigung rechtfertigen (BGH NJW-RR 1999, 539; BGH WM 2003, 2103). Grundsätzlich bedarf es vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung einer Abmahnung, die nur dann entbehrlich ist, wenn das Fehlverhalten des Vertragspartners die Vertrauensgrundlage in so schwerwiegender Weise erschüttert hat, dass diese auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wieder hergestellt werden könnte (BGH a.a.O.). Dem zu Kündigenden muss durch die Abmahnung unzweideutig, unmissverständlich und ernsthaft vor Augen geführt werden, dass die beanstandete und genau zu bezeichnende Vertragsstörung den Bestand des Vertragsverhältnisses gefährdet und abgestellt werden muss, um eine andernfalls unausweisliche Kündigung zu vermeiden (Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, HGB, 2. Aufl. 2008, § 89a Rn. 16 m.w.N.). Eine derartige Abmahnung ergibt sich weder aus den Stellungnahmen des Klägers zu den seinerzeitigen Vorwürfen (B20, Bl. 407 ff. d. A.) noch aus dem bisherigen Vortrag der Beklagten (insbesondere Bl. 77, 405 d. A.). Auch setzt eine wirksame Abmahnung des Klägers eine spezifische Handlung durch ihn voraus, die vertragswidrig gewesen sein muss. Dass die seinerzeitigen Vorgänge hinsichtlich der Vermittlung von Verträgen durch den Untervertreter R… eine Abmahnung gerechtfertigt hätten, wurde vom Kläger bestritten (etwa Bl. 189, 377 f. d. A.).

Damit ist die außerordentliche Kündigung unwirksam und die Berufung gegen das klagestattgebende Urteil unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision kann durch einen Einzelrichter nicht zugelassen werden.

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