AG Berlin-Mitte, Az.: 107 C 3296/12
Urteil vom 20.08.2013
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin war am 30.05.2011 Haftpflichtversicherer des PKW B-.
Ihre Versicherungsnehmerin war die Beklagte.
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Regressansprüche geltend.
Sie trägt vor, dass die Beklagte beim Ausparken am 30.05.2011 auf dem Parkplatz Ecke Köpenicker Straße/Rudower Straße/Alter Schönefelder Weg gegen den ordnungsgemäß abgestellte PKW B- einer Frau A. B. gestoßen sei. Dabei sei dieser Pkw beschädigt worden.
Den dadurch entstandenen Schaden in Höhe von 1.070,73 EUR habe sie reguliert.
Sie trägt weiter vor, dass die Beklagte bemerkt habe, dass sie den Unfall verursacht habe und sich mit ihrem Fahrzeug unerlaubt vom Unfallort entfernt habe, ohne Feststellung zu ihrer Person und ihrer Beteiligung ermöglicht zu haben.
Die Klägerin macht aufgrund des Verstoßes der Beklagten gegen § 7 I. Abs. 2 Satz 2 AKB ihre Leistungsfreiheit gegenüber der Beklagten gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG i. V. m. § 7 IV. Abs. 1 Satz 1 AKB geltend und begehrt ihre Regulierungsaufwendungen zurück.
Dem Versicherungsvertrag lagen AKB mit Stand vom 01.04.2007 zugrunde.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte bei ihrer Unfallflucht ihr gegenüber arglistig handelte.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.109,73 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.04.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass sie einen Unfall nicht bemerkt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Aufgrund des Beschlusses vom 12.02.2013 (Bl. 45) hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S. K. Die Beklagte wurde gem. § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.06.2013 (Bl. 50f.) verwiesen.
Die Akte 337 Cs 211/11 des Amtsgerichts Tiergarten lag dem Gericht vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Regressanspruch gegen die Beklagte (§§ 116 Abs. 1 Satz 2 VVG, 426 Abs. 2, Satz 1, 823 Abs. 1 BGB).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mag man zwar aufgrund der Aussage des Zeugens Sven Krahl annehmen, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Unfall verursachte und aufgrund der vom Zeugen beschriebenen Anstoßwucht diesen auch bemerkte.
Allerdings hatte die Klägerin gemäß den von ihr eingereichten AKB mit Stand vom 01.04.2007 in ihren AKB keine Leistungskürzung entsprechend § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG vorgesehen. Sie hat nicht vorgetragen, von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gemäß § 1 Abs. 3 EGVVG Gebrauch gemacht zu haben. Da die vereinbarten AKB den Vorschriften des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG widersprechen, kann ein Leistungskürzungsrecht nicht geltend gemacht werden (BGH 12.10.2011, IV. Zr 199/10).
Es besteht auch keine Leistungsfreiheit der Klägerin gem. § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG. In der Unfallflucht der Beklagten lag kein arglistiges Verhalten gegenüber der Klägerin.
Für die Bejahung von Arglist ist es erforderlich, dass – über dem bloßen Vorsatz hinaus – der Versicherungsnehmer bzw. Versicherte einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und weis, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann.
Indizien für die Verfolgung eines solchen Zweckes durch die Beklagte bei ihrer Unfallflucht liegen nicht vor.
Die Absicht, generell die Unfallbeteiligung zu verschleiern, begründet gerade keinen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck, da im Falle der erfolgreichen Verschleierung der Unfallbeteiligung des Versicherer gerade nicht belastet wird.
Die Absicht der Unfallflüchtigen war auch nicht darauf gerichtet, im Falle der durch ihre Handlung gerade zu vermeidenden Aufklärung ihrer Unfallbeteiligung Feststellung zum eingetretenen Schaden zu erschweren. Eine solche Erschwernis im Falle der nicht gewünschten Aufklärung wäre gerade auch gegen die Interessen der Unfallflüchtigen gerichtet. Es ist ebenso anzunehmen, dass die Unfallflucht die Absicht hat ein Ergebnis herbeizuführen, dass gegen die Interessen des Unfallflüchtigen gerichtet ist. Die Möglichkeit, dass der Geschädigte gegen die Interessen des Versicherers gerichtet einen überhöhten Schaden im Falle der Aufklärung des Unfalles geltend machen kann, mag zwar dem Versicherer schaden, ist jedoch durch den Unfallflüchtigen nicht beabsichtigt. Ein gegen die Interessen des Versicherers gerichteter Zweck kann sich bei einer Verkehrsunfallflucht nur daraus ergeben, dass der Versicherungsnehmer Feststellung verhindern wollte, die zu einer auch nur anteiligen Leistungsfreiheit im Verhältnis des Versicherers zum Versicherungsnehmer hätte führen können (siehe LG Bonn, 15.11.2012, 6 S 63/12).
Eine solche Leistungsfreiheit mag aufgrund einer Verkehrsuntüchtigkeit des Fahrers infolge Alkohol- oder Betäubungsmittelkonsum eintreten. Im vorliegenden Fall haben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beklagte beabsichtigte, durch ihre Unfallflucht ein vor dem Unfall erfolgten Alkohol- oder Betäubungsmittelkonsum zu verschleiern.
Nach den Schilderungen des Zeugen handelt es sich um einen nicht ungewöhnlichen durch Unachtsamkeit beim Einparken verursachten Unfall.
Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass etwa eine alkohol- oder betäubungsmittelbedingte Fahrtüchtigkeit der Beklagten die Unfallursache war.
Eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheiten der Beklagten gegenüber der Klägerin ist mithin nicht bewiesen.
Mithin steht der Beklagten der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG offen. Im vorliegenden Fall gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Entfernung vom Unfallort und die erst nachträgliche Vorführung des Fahrzeuges bei der Polizei Einfluss auf die Feststellung bzw. den Umfang der Leistungspflicht der Klägerin hatte. Wie ausgeführt bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte alkohol- bzw. betäubungsmittelbedingt fahrunfähig war. Die Geschädigte hat den Unfall einen Tag nach dem Unfall der Polizei angezeigt. Einige Tage danach wurde das Fahrzeug durch die Polizei besichtigt und die Schäden dokumentiert. Die Klägerin konnte aufgrund der Lichtbilder der Polizei ihre Leistungspflicht jedenfalls nicht erschwerter überprüfen, als dies beim Verbleiben der Beklagten am Unfallort der Fall gewesen wäre.
Mithin verbleibt es bei der Leistungspflicht der Klägerin und die Klage war abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.