OLG Celle – Az.: 2 Ss 91/22 – Beschluss vom 29.07.2022
In der Strafsache wegen Sachbeschädigung hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle am 29.07.2022 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 12.04.2022 (Az.: 15 Ds 186/21) wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen (§ 349 Abs.2 StPO)
Gründe:
I.
Mit Urteil vom 12.04.2022 verwarnte das Amtsgericht Lüneburg (Az.: 15 Ds 186/21) den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen. Die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je € 5,- blieb vorbehalten.
Ausweislich der Feststellungen des Amtsgerichts habe der Angeklagte am 10.06.2021 und 07.07.2021 jeweils absichtlich die Fassade des Zentralgebäudes der XXX Universität in XXX mit Wandfarbe verunstaltet. Am 10.06.2021 habe er zudem folgende Worte auf die Fassade gesprüht: „XXX divest: Kohle aus Nord/LB“. Hiermit habe der Angeklagte auf den womöglich unumkehrbaren Klimawandel aufmerksam machen und zu sofortigem Handeln appellieren wollen. Der XXX Universität sei hierdurch ein Schaden in Höhe von € 1.640,25 bzw. € 11.377,89 für die Beseitigung der Verunstaltungen entstanden.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zurecht den Angeklagten der Sachbeschädigung in zwei Fällen für schuldig befunden, ihn verwarnt und eine Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen vorbehalten.
Ein näheres Eingehen auf die Urteilsgründe ist allein insoweit veranlasst, als das Amtsgericht ebenfalls zurecht angenommen hat, dass die tatbestandlich begangenen Sachbeschädigungen nicht gerechtfertigt waren.
1. Eine Rechtfertigung aufgrund Notstands gemäß § 34 StGB scheidet aufgrund einer fehlenden Geeignetheit des Handelns des Angeklagten für die von ihm bezweckte Abwehr der Gefahr eines möglicherweise unumkehrbaren Klimawandels aus. Denn die Beschädigung der Fassade der XXX Universität ist nicht in der Lage, dem Klimawandel entgegen zu wirken. Soweit die Revision hierzu sinngemäß der Auffassung ist, eine derartige einzelne Handlung könne zwar allein die Abwehr der Gefahr nicht herbeiführen, wohl aber eine Vielzahl einzelner Bemühungen, so dass die Geeignetheit dieser Vielzahl der Bemühungen auch für jede einzelne Handlung angenommen werden müsse, geht dies fehl. Denn es ist offenkundig, dass auch eine Vielzahl von Beschädigungen der Fassade von Universitätsgebäuden ebenso wenig wie eine einzelne Beschädigung durch den Angeklagten Auswirkungen auf den Klimawandel haben können. Es handelt sich stattdessen bei dem Verhalten des Angeklagten jeweils um rein politisch motivierte Symboltaten.
Zudem ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass die Gefahr eines Klimawandels nicht anders als durch die Begehung die Begehung von Straftaten abgewendet werden könnte.
2. Die Beschädigung des Universitätsgebäudes wird auch nicht durch „zivilen Ungehorsam“ gerechtfertigt.
Unter zivilem Ungehorsam wird gemeinhin ein Verhalten verstanden, mit dem ein Bürger durch demonstrativen, zeichenhaften Protest bis hin zu aufsehenerregenden Regelverletzungen einer als verhängnisvoll oder ethisch illegitim angesehenen Entscheidung entgegentritt bzw. in einer Angelegenheit von wesentlicher allgemeiner Bedeutung, insbesondere zur Abwendung schwerer Gefahren für das Allgemeinwesen in dramatischer Weise auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einwirken möchte (vgl. BVerfGE 73, 206, Rn 91).
Eine Rechtfertigung tatbestandlichen Verhaltens vor dem Hintergrund eines zivilen Ungehorsams ist jedoch ausgeschlossen.
Niemand ist berechtigt, in die Rechte anderer einzugreifen, um auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen und eigenen Auffassungen Geltung zu verschaffen (vgl. BGHSt 23, 46, Rn 16; LK-Rönnau, Vor § 32 Rn 142; S/S-Lenckner/Perron, § 34 Rn 41a; jeweils m.w.N.). Dies ergibt sich bereits aus Art. 20 Abs.4 GG. Denn durch die Beschränkung des Rechts zum Widerstand auf eine Situation, in der die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik im Ganzen bedroht ist, besteht im Umkehrschluss eine Friedenspflicht zu allen anderen Zeiten. Wer auf den politischen Meinungsbildungsprozess einwirken möchte, kann dies daher in Wahrnehmung seiner Grundrechte aus Art.5 GG (Meinungsfreiheit), Art.8 GG (Versammlungsfreiheit), Art.17 GG (Petitionsrecht) und Art.21 Abs.1 GG (Freiheit der Bildung politischer Parteien), nicht aber durch die Begehung von Straftaten tun.
Würde die Rechtsordnung insoweit einen Rechtfertigungsgrund akzeptieren, der allein auf der Überzeugung des Handelnden von der Überlegenheit seiner eigenen Ansicht beruht, so liefe dies auf eine grundsätzliche Legalisierung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele hinaus, wodurch eine Selbstaufgabe von Demokratie und Rechtsfrieden durch die Rechtsordnung selbst verbunden wäre und die mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung schlechthin unverträglich ist (BGHSt a.a.O; LK-Rönnau a.a.O.).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.