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Konkurrentenklage – Stellenbesetzung – einstweilige Anordnung

OBERVERWALTUNGSGERICHTS FOR DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN

Az.: 6 B 1275/01

Beschluss vom 28.01.2002

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen – Az.: 1 L 1256/01


In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Stellenbesetzung; hier: Beschwerde hat der 6. Senat am 28. Januar 2002 auf die Beschwerde des Antragsgegners und des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 11. September 2001 beschlossen:

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt wird, die Stelle des Leiters GS beim Landrat als Kreispolizeibehörde C. mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entschieden worden ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner und der Beigeladene je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.045,64 Euro (4.000,– DM) festgesetzt.

Gründe:

Die zugelassenen Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen haben ganz überwiegend keinen Erfolg.

Dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zu entsprechen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht eine Verletzung des Rechts des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung durch den Antragsgegner angenommen.

Das vorliegende Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass ein „Versetzungsbewerber“ (der Antragsteller) und ein „Beförderungsbewerber“ (der Beigeladene) um die Stelle des Leiters GS bei der Kreispolizeibehörde C. konkurrieren. Für den Antragsteller würde es sich bei dem von ihm angestrebten Wechsel um eine Versetzung handeln, wohingegen der Beigeladene in das entsprechende Amt zu befördern wäre. Der Antragsgegner hat sich für den aus seiner Sicht besser geeigneten Beigeladenen entschieden.

In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Senat Konkurrenzsituationen der vorliegenden Art in folgender Weise gelöst: Die Bewerbung eines Versetzungsbewerbers stelle sich als Versetzungsgesuch dar, über das der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen nach Maßgabe vorrangiger organisatorischer Belange des Personaleinsatzes zu entscheiden habe, gleiches gelte für einen Antrag auf Umsetzung. Der Umstand, dass sich für die frei gewordene Stelle neben einem Versetzungsbewerber auch Beamte beworben hätten, für die ein Erfolg der Bewerbung nicht nur eine Versetzung oder Umsetzung, sondern zugleich eine Beförderung zur Folge hätte, ändere nichts an dem Charakter der aus Sicht des Versetzungsbewerbers zu treffenden Personalentscheidung als einer Versetzung gemäß § 28 LBG NRW. Das dem Dienstherrn eröffnete Ermessen, ob er einem Versetzungsgesuch nach den Erfordernissen zweckmäßigen Personaleinsatzes entspreche, werde nicht im Sinne einer Verpflichtung zur Bestenauslese dadurch eingeschränkt, dass andere Bewerber bei einem Erfolg ihrer Bewerbung befördert würden. Dies gelte auch dann, wenn der Dienstherr den Versetzungsbewerber in eine Auswahl nach dem Prinzip der Bestenauslese einbezogen habe. Denn auch ein solches Auswahlverfahren habe lediglich Bedeutung für die Beförderungsbewerber, erfasse aber nicht als „Reflex“ auch den Versetzungsbewerber. Dessen höherer Status verleihe ihm deshalb keinen regelmäßigen Vorrang vor dem Beförderungsbewerber.

OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Januar 1998 – 6 B 2576/97 -; vom 14. Juni 1994 – 6 B 680/94 -; vom 10. Juni 1992 – 6 B 2134/92 -; vom 26. April 1991 – 6 B 744/91 -, NVwZ-RR 1992, Seite 369 f.; ebenso VGH München, Beschluss vom 26. Februar 1996 – 3 CE 96.64, NVwZ-RR 1997, Seite 368.

Der vorliegende Fall gibt dem Senat Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung weiter zu entwickeln und zu präzisieren. Dabei geht er von folgenden Überlegungen aus: Grundsätzlich steht es im freien – gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbaren – organisatorischen Ermessen des Dienstherrn, ob er eine freie Stelle im Wege der Versetzung, der Umsetzung, der Beförderung oder auf sonstige Weise besetzen will. Er ist insbesondere frei in der Entscheidung darüber, ob er den Teilnehmerkreis auf Versetzungs- oder auf Beförderungsbewerber beschränken oder aber auf beide Bewerbergruppen erstrecken will. Hat er – gewissermaßen auf dieser ersten Stufe des Auswahlverfahrens – eine in die eine oder andere Richtung gehende Entscheidung getroffen, muss er im Folgenden von dieser Entscheidung ausgehen. Zwar ist er noch berechtigt, das Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen, die Stelle gegebenenfalls neu auszuschreiben und in diesem Zusammenhang eine neue Entscheidung auf der ersten Stufe des Auswahlverfahrens zu treffen. Auch mag in Einzelfällen eine nachträgliche Beschränkung des Bewerberkreises noch gerechtfertigt sein, wenn ihr keine sachfremden, willkürlichen Erwägungen zugrundeliegen.

Zu einem solchen Fall vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 3. Juli 2001 – 1 B 670/01 -.

Abgesehen davon hat die vorgelagerte, nach Maßgabe organisatorischer Belange zu treffende Entscheidung, aus welchem Bewerberkreis die Stelle besetzt werden soll, jedoch Konsequenzen für die sich anschließende zweite Stufe des Auswahlverfahrens: Soll die Stelle mit einem Versetzungsbewerber besetzt werden, ist die Entscheidung des Dienstherrn als Ermessensentscheidung im Rahmen des § 28 LBG NRW einzuordnen. Beförderungsgrundsätze finden Anwendung, wenn eine Auswahl allein unter Beförderungsbewerbern stattfinden soll. Gleiches muss gelten, wenn der Dienstherr sein organisatorisches Ermessen dahin ausgeübt hat, neben Beförderungsbewerbern auch Versetzungsbewerber mit dem Ziel der Bestenauslese in das Personalauswahlverfahren einzubeziehen. Auch in diesem Fall hat sich der Dienstherr dahin gebunden, die Auswahlentscheidung ausschließlich nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung aller Bewerber zu treffen. Das schließt die Pflicht ein, diesen Maßstab uneingeschränkt auch auf den Versetzungsbewerber anzuwenden. Seine Einbeziehung in das Stellenbesetzungsverfahren enthält der Sache nach zugleich eine Vorentscheidung zugunsten seiner eventuell erforderlich werdenden Versetzung. Stellt er sich als der Bestgeeignete heraus, können seinem Begehren mithin organisatorische Belange, die gegen eine Versetzung sprechen, nicht mehr entgegen gehalten werden.

Vgl. zum Ganzen auch OVG Koblenz, Beschluss vom 19. Dezember 1996 – 10 B 13120/96.OVG -, ZBR 1998 Seite 61 ff.; VGH Kassel, Beschluss vom 23. April 1996 – 1 TG 298/96 -, NVwZ-RR 1998, Seite 121 f.; vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25. September 1998 – 3 M 36/98 _, DÖD 1999, Seite 94 ff.

Im vorliegenden Verfahren ist eine ausdrückliche Entscheidung des Antragsgegners über den Kreis der in das Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber den vorgelegten Verwaltungsvorgängen zwar nicht zu entnehmen. Fest steht lediglich, dass er weder ausdrücklich noch konkludent zu erkennen gegeben hat, die Auswahlentscheidung sei auf Grund seiner organisatorischen Ermessensfreiheit auf Beförderungsbewerber zu beschränken. Im Gegenteil hat er die Bewerbungen eines Beförderungs- sowie zweier Versetzungsbewerber gleichermaßen entgegengenommen, ohne Vorbehalt ausgewertet und sämtliche Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Das lässt sich in der Sache nur dahin deuten, dass der Antragsgegner eine Beschränkung des Teilnehmerkreises nicht vornehmen wollte. Die vorbehaltlose Einbeziehung von Versetzungs- und Beförderungsbewerbern erfolgte mit dem erkennbaren Ziel der Auswahl des bestgeeigneten Bewerbers. Das hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt. Die Einwände des Antragsgegners hiergegen gehen auch im Beschwerdeverfahren daran vorbei.

Dem hieraus resultierenden Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung anhand der Prinzipien der Bestenauslese ist durch die getroffene Auswahlentscheidung des Antragsgegners bislang nicht Genüge getan. Der Antragsgegner hat seine Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen ausschließlich auf Grund des Votums einer Auswahlkommission getroffen. Die Auswahlkommission hat entscheidend auf den Eindruck abgestellt, den die Bewerber in dem Vorstellungsgespräch – unter Einbeziehung einer Arbeitsprobe sowie eines Interviews – hinterlassen haben. Dieses Vorgehen ist fehlerhaft. Der Senat lässt offen, ob einem Vorstellungs- bzw. Auswahlgespräch im Einzelfall eine größere Bedeutung zukommen kann, als dies das Verwaltungsgericht angenommen hat. Im vorliegenden Fall scheitert eine ausschlaggebende Gewichtung des Vorstellungsgespräches, wie sie der Antragsgegner anstrebt, jedenfalls daran, dass sie mit dem für die streitige Personalmaßnahme geltenden Beurteilungssystem nicht in Einklang zu bringen ist. Die hier heranzuziehenden Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen sehen bei Personalentscheidungen der vorliegenden Art weder eine Bedarfsbeurteilung noch die Berücksichtigung eines Auswahlgespräches, etwa in Form eines von der Auswahlkommission abzugebenden Beurteilungsbeitrages, vor. Maßgebliches Gewicht kommt ausschließlich den – alle drei Jahre stattfindenden – Regelbeurteilungen zu. Deren Betrachtung führt zu einem Beurteilungsvorsprung des Antragstellers mit dem Amt eines Polizeidirektors vor dem Beigeladenen, der das Amt eines Polizeioberrats bekleidet. Die dienstliche Beurteilung des Inhabers eines höherwertigen Amtes hat im Allgemeinen größeres Gewicht als die in der Notenstufe gleich lautende Beurteilung des Mitbewerbers. Zwar kann das größere Gewicht der dienstlichen Beurteilung des Inhabers des höherwertigen Amtes gegenüber dem Mitbewerber im Einzelfall durch eine gemessen am Anforderungsprofil des Dienstpostens sich ergebende besondere Eignung des Mitbewerbers für das angestrebte Amt ausgeglichen werden. Derartige Überlegungen führen im vorliegenden Fall jedoch schon deshalb nicht weiter, weil der Antragsteller zudem um eine Notenstufe besser beurteilt ist als der Beigeladene.

Die aus der Beschlussformel ersichtliche zeitliche Begrenzung der einstweiligen Anordnung findet ihren Grund in Inhalt und Umfang des Rechtsschutzanspruches des Antragstellers. Diesem ist ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass die Wirkungsdauer der einstweiligen Anordnung bis zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts reicht. Der Antragsteller kann erneut um Rechtsschutz nachsuchen, falls er auch die neue Auswahlentscheidung für fehlerhaft hält.

Die Kostenentscheidung, bei der die Neufassung des Tenors nicht ins Gewicht fällt, folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 3, 20 Abs. 3, 73 Abs. 1 GKG.

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