oberlandesgericht hamm
Az: 1 Ss OWi 1037/96
vom 12.11.1996
Vorinstanz: AG Lemgo Az.: 24 a OWi 14 Js 351/96 AK 56/96
Beschluss
Bußgeldsache wegen
Zuwiderhandlung gegen §§ 3 Abs. 3, 49 Abs. l Nr. 3 StVO.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lemgo vom 21. Juni 1996 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12. November 1996 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen mit der Maßgabe verworfen, daß die Geldbuße auf 200,00 DM festgesetzt wird.
Gründe:
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 3 Abs. 3, 49 Abs. l Nr. 3 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 250,- DM verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Es hat dazu festgestellt, daß die Betroffene am 9. August 1995 gegen 11.30 Uhr mit dem PKW, amtliches Kennzeichen XX die X-Strasse in Fahrtrichtung Werl mit einer Geschwindigkeit von 87 km/h befahren habe, obwohl die Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt war. Die Betroffene habe eingeräumt, das Fahrzeug am Tattag geführt zu haben, jedoch den Umfang der ihr zur Last gelegten Geschwindigkeits- überschreitung bestritten. Das Amtsgericht hat diese Einlassung u.a. aufgrund folgender Erwägungen als widerlegt angesehen:
„Aus dem Meßprotokoll geht hervor, daß für den PKW der Betroffenen eine Geschwindigkeit von 90 km/h gemessen wurde, von der zugunsten der Betroffenen 3 km/h als Toleranzwert abgezogen wurden, so daß sich eine vorwerfbare Geschwindig- keit von 87 km/h ergab. An der Richtigkeit dieser Messung bestehen für das Gericht keine Zweifel. Der am Vorfallstag das Gerät bedienende Zeuge hat bekundet, daß ihm Fehlerquellen nicht bekannt seien und das Gerät nach seiner Erfahrung zuverlässig arbeite. Weiter hat er bekundet, daß er an dem Meßgerät ausgebildet worden sei und die Bedienungsvorschrift eingehalten habe, insbesondere vor Beginn der Geschwindigkeitskontrolle eine sogenannte Nullmessung durchgeführt habe. Im übrigen überprüfe sich das Gerät selbsttätig, so daß weitere Maßnahmen durch den Benutzer nicht erforderlich seien. Ein – von dem Verteidiger für notwendig erachteter – Entfernungstest für den Betrieb des Gerätes sei nicht vorgesehen.
Diese Aussage ist überzeugend. Der Zeuge hat zwar bekundet, sich an den konkreten Meßvorgang nicht erinnern zu können, aber glaubhafterweise dargelegt, stets nach der dargestellten Weise zu verfahren.“
Zu der weiteren Einlassung der Betroffenen, daß sie im Zusammenhang mit der Vorbeifahrt an einem parkenden Fahrzeug allenfalls kurzfristig und in geringem Umfang die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten haben könne, hat das Amtsgericht sodann ausgeführt:
„Diese Einlassung vermag sie nicht zu entlasten. Zum einen ist der Vortrag wenig glaubhaft. … Zum anderen hat der Zeuge weiter bekundet, daß kein parkendes Fahrzeug in der Nähe gewesen sei, die Messung insbesondere nicht während eines Überholvorganges stattgefunden habe. Der Zeuge hat dies in einleuchtender Weise damit begründet, daß er stets darauf achte, daß andere Kraftfahrzeuge nicht in dem Umfeld des zu kontrollierenden Kraftfahrzeugs vorhanden seien, da anderenfalls die Gefahr von Fehlmessungen gegeben sei. Angesichts der bereits dargelegten Glaubhaftigkeit des Zeugen muß demgemäß davon ausgegangen werden, daß ein mögliches Vorbeifahren jedenfalls bereits beendet war.“
Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das Rechtsmittel hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch läßt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen erkennen.
Zwar hat das Amtsgericht nicht ausdrücklich mitgeteilt, mit welchen Meßverfahren die von der Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit ermittelt wurde. Dies ist aber regelmäßig erforderlich, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung des Tatrichters zu ermöglichen und zwar unabhängig von dem Umstand, ob ein standardisiertes Meßverfahren eingesetzt wurde (BGH NJW 93, 3081). Die Gesamtheit der Urteilsgründe läßt jedoch noch den Schluß zu, daß die von der Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit durch ein Laser-Geschwindigkeits- meßgerät ermittelt wurde, weil mitgeteilt wird, daß der messende Beamte an dem Gerät eine besondere Ausbildung erfahren hat, vor Meßbeginn eine Nullmessung durchgeführt hat und das Gerät sich im übrigen selbst kontrolliert. Die Notwendigkeit eines Entfernungstests vor Beginn der Messung ist zwischen dem Amtsrichter und dem Verteidiger unterschiedlich beurteilt worden. Diese Verfahrensweise ist jedoch nur bei Verwendung eines Lasermeßgerätes üblich.
Unschädlich ist auch, daß das Amtsgericht keine weiteren Feststellungen zur Art und Weise bzw. zum Verlauf des Meßvorgangs im einzelnen getroffen hat, jedenfalls aber hierzu weitere Darlegungen in dem angefochtenen Urteil fehlen.
Dessen bedurfte es im vorliegenden Fall deshalb nicht notwendig, weil es sich bei dem Lasermeßverfahren – jedenfalls was den eigentlichen technischen Meßvorgang anbetrifft – um ein standardisiertes und weitgehend automatisiertes Verfahren i.S. der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in NJW 1993, 3081 handelt. Wie den dem Senat zugänglichen technischen Unterlagen – wie etwa den Zulassungsscheinen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt für die hier gebräuchlichen Lasergeräte XY.
Daraus folgt, daß die Ermittlung der Geschwindigkeit durch ein Lasermeßgerät ein standardisiertes und automatisiertes, menschliche Handhabungsfehler – wie insbesondere Zielungenauigkeiten – zudem erkennendes Meßverfahren ist, bei dem etwaigen systemimmanenten Meßungenauigkeiten durch den vorgeschriebenen und vom Amtsgericht auch vorgenommenen Toleranzabzug ausreichend Rechnung getragen wird und bei dem sich der Tatrichter nur dann von der Zuverlässigkeit der Messung näher überzeugen und dies im Urteil auch darlegen muß, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für Meßfehler gegeben sind (BGH a.a.O.;
Der Tatrichter hat sich insoweit lediglich zu vergewissern, daß das Gerät entsprechend der Bedienungsanleitung eingesetzt wurde. Bei Einhaltung dieser Vorschriften ist sichergestellt, daß vor der Messung ein Anzeigetest bezüglich der Anzeigesegmente und ein Funktionstest durch Anmessen eines unbewegten Zieles (0-Messung) durchgeführt wurde. Außerdem schreibt die Bedienungsanleitung vor, daß möglichst die Kennzeichen, jedenfalls aber das Heck oder die Frontpartie des Fahrzeugs angemessen werden und der jeweils durch den Zulassungsschein der PTB vorgeschriebene Entfernungsbereich eingehalten wird.
Bei Einhaltung dieser Vorschriften bestehen keine durchgreifenden Zweifel an einer zuverlässigen Geschwindigkeitsermittlung durch ein Lasermeßgerät und zwar unabhängig von der Beschaffenheit eines anvisierten Kennzeichens, den Witterungsbedingungen, der Tageszeit und der Verkehrsdichte (BayObLG a.a.O.; a.M. OLG Frankfurt NStZ 95, 457; OLG Hamburg ZfS 95, 276).
Hierzu im einzelnen:
1. Die Beschaffenheit des als Meßpunkt gewählten Kennzeichens eines Fahrzeugs kann sich in keinem Fall zu Ungunsten des Betroffenen auswirken. Zwar ist nicht auszuschließen, daß bei der Messung aus größeren Entfernungen auf nicht reflektierende Kennzeichen die Intensität des reflektierten Impulses für eine Messung zu gering ist. Dieser Mangel führt jedoch zu einer sofortigen Fehlermeldung des Gerätes, weil dann zu wenig Impulse in den Empfangskanal des Gerätes zurückgelangen und damit eine den geräteimmanenten Anforderungen genügende Messung nicht vorgenommen werden kann. Wird aber andererseits dennoch ein Meßergebnis errechnet, so steht seiner Verwertbarkeit nichts entgegen, weil dann die empfangenen Impulse auch unter Berücksichtigung der Empfindlichkeit der Regressionsgeraden für eine Messung ausreichend waren. Die Beschaffenheit des Kennzeichens hat deshalb nur insoweit Bedeutung, ob überhaupt ein Meßergebnis erzielt werden kann, beeinflußt aber nicht die Richtigkeit einer errechneten Geschwindigkeit.
Daraus folgt, daß auch dann, wenn nicht reflektierende Kennzeichen aus einer Entfernung zwischen 150 und 350 m angemessen werden, einem dabei erzielten Meßergebnis Bedenken nicht entgegenstehen.
2. Ungünstige Witterungsverhältnisse wie z. B. Nebel oder heftige Regenfälle führen gleichfalls nicht zu einem für den Betroffenen nachteiligen Meßergebnis. Auch in diesem Fall ist lediglich damit zu rechnen, daß das Gerät häufiger kein Meßergebnis anzeigt, weil von dem anvisierten Ziel abgewichen wurde oder die reflektierten Impulse zu gering waren (BayObLG a.a.O.).
3. Das gilt auch für Messungen, die bei Dunkelheit durchgeführt werden. Durch diesen Umstand allein wird die Meßwertbildung nicht beeinflußt (BayObLG a.a.O.). Insoweit gelten für die Messung als solche keine anderen Anforderungen als für die bei Tageslicht. Nur die Zuordnung des Fahrzeugs kann bei Dunkelheit erschwert werden.
4 . Bereits aus den genannten Erwägungen ergibt sich, daß auch die Verkehrsdichte sich nicht auf das eigentliche Meßergebnis auswirkt. Hat der messende Beamte die Möglichkeit, für die Dauer von mindestens 0,3 Sekunden bis höchstens eine Sekunde eines der Kennzeichen oder die Heck- bzw. Frontpartie eines Fahrzeugs anzumessen, so wird die Geschwindigkeit zuverlässig errechnet. Das Ergebnis ist verwertbar. Andere – den Meßstrahl durchfahrende – Fahrzeuge führen zu einer Fehlermeldung des Gerätes. Wird das gemessene Fahrzeug überholt oder überholt es seinerseits, so hat auch dieser Umstand an sich keinen Einfluß auf das Meßergebnis, wenn der Meßstrahl nur das anvisierte Fahrzeug trifft, nicht aber (auch) ein daneben befindliches. Das Auftreffen des Meßstrahls gleichzeitig auf 2 Fahrzeuge setzt jedoch eine außergewöhnliche Nähe dieser Fahrzeuge zueinander voraus, denn der Meßstrahl ist selbst bei einer Meßentfernung von 200 m nur ca. 65 cm breit.
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.
Den Feststellungen des Amtsgerichts ist zu entnehmen, daß der die Messung vornehmende Polizeibeamte das Gerät entsprechend der Bedienungsanweisung gehandhabt hat und zuvor an dem Gerät besonders ausgebildet wurde. Danach ist ohne weiteres davon auszugehen, daß die hier genannten Voraussetzungen für den Einsatz eines Lasermeßgerätes – einschließlich des von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vorgegebenen Entfernungsbereichs – beachtet wurden.
Die gegenteiligen Ausführungen der Rechtsbeschwerde zu dem Aussageverhalten des Zeugen widersprechen insoweit den ausdrücklichen Urteilsfeststellungen und sind deshalb im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich. Ein Abweichen von diesen Bedienungsrichtlinien ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sich dieser Umstand aus dem Urteil selbst ergibt oder wenn dies durch eine zulässige Verfahrensrüge beanstandet wird (OLG Saarbrücken NStZ 96, 207).
Soweit die Betroffene weiterhin behauptet, daß sie an einem geparkten Fahrzeug vorbeigefahren sei und sich außerdem ein VW-Bulli unmittelbar vor ihr befunden habe, kann sie damit im Rechtsbeschwerdeverfahren gleichfalls nicht gehört werden, denn auch diese Behauptung widerspricht den ausdrücklichen Urteilsfeststellungen. Danach hat sich im Umfeld der Betroffenen, die zum Zeitpunkt der Messung auch nicht an einem geparkten Fahrzeug vorbeifuhr, kein weiteres Fahrzeug befunden. Unabhängig davon ist auch nicht erkennbar, warum ein in der Nähe des anvisierten Fahrzeugs parkend abgestellter PKW vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der ermittelten Geschwindigkeit begründen sollte, wenn der messende Polizeibeamte die Bedienungsvorschriften eingehalten hat.
Im übrigen ist nach den vorstehenden Ausführungen zum technischen Ablauf des Meßverfahrens und zur geräteeigenen Fehlererkennung nicht ersichtlich, inwieweit andere in der Nähe befindliche Fahrzeuge Einfluß auf die Geschwindigkeitsermittlung gehabt haben könnten.
Derartige Umstände wie auch ganz allgemein eine hohe Verkehrsdichte, oder aber auch ungünstige Lichtverhältnisse können allenfalls Bedeutung für die richtige Zuordnung der Meßwerte haben. Da das Lasermeßverfahren bisher nicht mit einer fotografischen Dokumentation verbunden ist, bedarf es deshalb unmittelbar nach Abschluß der Messung der Weitergabe des Meßergebnisses und des Kennzeichens durch den Messenden an den Anhalteposten und der Aufnahme dieser Daten in das Meßprotokoll. Insoweit ist das Meßverfahren deshalb nicht als standardisiert anzusehen, weil in diesem Bereich menschliche Fehlerquellen, insbesondere Zuordnungsprobleme auftreten können (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.1996 – 3 Ss OWi 194/96).
Ungünstige Lichtverhältnissen und hohe Verkehrsdichte können die zweifelsfreie Zuordnung des gemessenen Fahrzeugs zu dem schließlich vom Anhalteposten überprüften erschweren. Es bedarf deshalb in diesem Fall einer vom Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbaren Darlegung des Tatrichters, warum – trotz widriger Verhältnisse – vernünftige Zweifel an der Zuordnung des Fahrzeugs nicht bestehen.
Da nach den Feststellungen des Amtsgerichts der Verkehrsverstoß bei Tageslicht begangen wurde, die Messung entsprechend den Bedienungsvorschriften und damit im zulässigen Meßbereich erfolgt ist und Anhaltspunkte für eine zu hohe Verkehrsdichte nicht vorhanden sind, waren weitere Ausführungen zur Zuordnung des Fahrzeugs nicht geboten.
Dem Rechtsfolgenausspruch begegnen dagegen Bedenken. Das Amtsgericht ist ersichtlich von fahrlässiger Begehungsweise ausgegangen und beabsichtigte, den Regelsatz des Bußgeldkataloges für den festgestellten Verkehrsverstoß zu verhängen. Dieser beträgt jedoch – anders als vom Amtsgericht erkannt – lediglich 200,- DM. Der Senat hat auf eine Geldbuße in dieser Höhe erkannt, weil auszuschließen ist, daß das Amtsgericht im Falle der Zurückverweisung die Geldbuße anderweitig festgesetzt hätte (§ 79 Abs. 6 OWiG). Dies gilt auch, sofern die in dem angefochtenen Urteil erwähnte Voreintragung noch verwertbar wäre.
Das Amtsgericht hat diese Vorbelastung zwar im Ergebnis nicht zum Nachteil der Betroffenen berücksichtigt, andererseits aber versäumt, Art, Zeitpunkt und Rechtskraft der Voreintragung darzulegen. Damit ist dem Senat insbesondere die Prüfung verwehrt, ob diese schon tilgungsreif oder noch verwertbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. l StPO i.V.m. § 46 Abs. l OWiG. Angesichts der ganz überwiegenden Erfolglosigkeit des Rechtsmittels erschien eine Quotelung der Kosten oder Auslagen nicht als angemessen.
Das Amtsgericht hat diese Vorbelastung zwar im Ergebnis nicht zum Nachteil der Betroffenen berücksichtigt, andererseits aber versäumt, Art, Zeitpunkt und Rechtskraft der Voreintragung darzulegen. Damit ist dem Senat insbesondere die Prüfung verwehrt, ob diese schon tilgungsreif oder noch verwertbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Angesichts der ganz überwiegenden Erfolglosigkeit des Rechtsmittels erschien eine Quotelung der Kosten oder Auslagen nicht als angemessen.