AG Neumünster, Az.: 36 C 1565/04, Urteil vom 14.12.2007
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.130,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2004 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 1.130,78 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche der Klägerin aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag.
Die Klägerin ist Eigentümerin des von ihr bewohnten einstöckigen Einfamilienhauses auf dem Grundstück Eweg … in … N. Sie unterhielt bei der Beklagten seit dem 01.01.1998 eine Wohngebäudeversicherung auf der Grundlage der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88). Der Vertragsschluss wurde durch die in N ansässige Versicherungsagentur H Br & A Ba vermittelt. Wegen des genaueren Inhalts des Versicherungsantrages wird auf die bei der Akte befindliche Ablichtung (Anlage K 1, Bl. 6 – 8 d. A.) Bezug genommen.
An der Innenseite der nördlichen Außenwand des Wohngebäudes Eweg .. verläuft in vertikaler Richtung eine Schmutzwasserfallleitung. Diese führt zu der unterhalb des Gebäudes verlegten Schmutzwassergrundleitung, die ihrerseits an den unter der öffentlichen Straße befindlichen Entwässerungskanal angeschlossen ist. Im Keller, im Erdgeschoss und im Dachgeschoss verläuft die Schmutzwasserfallleitung durch einen ummauerten Rohrschacht. In der im Erdgeschoss befindlichen Küche und im Badezimmer im Dachgeschoss befinden sich Anschlussstellen zur Schmutzwasserfallleitung. Im Keller sind eine Geschirrspülmaschine und die Heizungsanlage des Hauses an die Schmutzwasserfallleitung angeschlossen. Oberhalb der Anschlussstelle im Badezimmer verbindet ein Abluftrohr die Fallleitung mit einer im Dach vorhandenen Öffnung. Im Bereich des Badezimmers befindet sich auch die Entlüftungsleitung in einem ummauerten Rohrschacht. Im Bereich des oberhalb liegenden Spitzbodens ist das Abluftrohr hingegen frei zugänglich.
Um die Jahreswende 2003/2004 wurde das im Bereich des Spitzbodens verlaufende Entlüftungsrohr durch einen Sturm beschädigt. Es löste sich aus der Dachpfanne und rutschte auf den Boden ab, wodurch Regenwasser vom Dachpfannenlauf über die offen liegende Lüftungspfanne in den Rohrleitungsschacht ablaufen konnte. Zur selben Zeit bemerkte man im Badezimmer und der Küche Durchfeuchtungserscheinungen im Mauerwerk, die darauf beruhten, dass im Bereich des Badezimmers über der Abwasseranschlussstelle kondensierte Feuchtigkeit aus einer zum Entlüftungsrohr gehörenden Muffe ausgetreten war.
Am 26.01.2004 erstellte die Firma S Sanitär- und Heizungstechnik im Auftrag der Klägerin einen Kostenvoranschlag über die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Arbeiten, der mit einem Gesamtbetrag von 1.405,78 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer endete (Anlage K 3, Bl. 10, 11 d. A.).
Nachdem die Klägerin der Beklagten den Schadensfall mit der Bitte um Regulierung angezeigt hatte, erbrachte diese zum Ausgleich des Sturmschadens eine Zahlung von 275,00 Euro.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.02.2004 (Anlage K 5, Bl. 14, 15 d. A.) ließ die Klägerin die Beklagte erfolglos auffordern, auch den verbleibenden Nettobetrag von 1.130,78 Euro aus dem Kostenvoranschlag vom 26.01.2004 zu zahlen.
Die Klägerin ist der Ansicht, es handle sich bei dem eingetretenen Durchfeuchtungsschaden um einen Leitungswasserschaden im Sinne der VGB 88. Sie behauptet, das Abluftrohr sei technisch gesehen ein zwingend erforderlicher Teil des Abwassersystems. Das Entlüftungsrohr müsse aus dem Drainage- und Abwassersystem des Hauses Wasserdampf ableiten, der zu einem Überdruck in den Rohren führen würde und auf anderem Wege nicht entweichen könne. Die Durchfeuchtung sei durch Kondensation des Abwasserdampfes aus dem Leitungssystem verursacht worden.
Die Klägerin behauptet weiterhin, zur Beseitigung des in ihrem Haus entstandenen Sturm- und Durchfeuchtungsschadens sei entsprechend dem Kostenvoranschlag vom 26.01.2004 ein Nettobetrag von 1.405,78 Euro aufzuwenden. Zur Schadensbeseitigung müsse die Badewanne entfernt und die dahinter liegende Wand geöffnet werden. Im Anschluss sei die Badewanne zu ersetzen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.130,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wendet ein, bei dem eingetretenen Durchfeuchtungsschaden handle es sich nicht um einen entschädigungspflichtigen Versicherungsfall.
Die Beklagte bringt vor, das schadensursächliche Kondenswasser stehe in keinem Zusammenhang mit dem üblicherweise im Rohrsystem des Hauses befindlichen Leitungswasser. Die Feuchtigkeit stamme nicht von kondensiertem Abwasser, das durch das streitgegenständliche Rohr bestimmungsgemäß nach oben geleitet worden sei. Sie sei vielmehr ausschließlich durch Temperaturschwankungen im Bereich des Spitzbodens entstanden. Das Abluftrohr selbst sei weder ein Zuleitungs- oder Ableitungsrohr noch eine sonstige Einrichtung der Wasserversorgung im Sinne der VGB 88, da es ausschließlich Entlüftungszwecken diene.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß den Beschlüssen vom 13.01.2006 (Bl. 97, 98 d. A.) und vom 06.08.2007 (Bl. 209, 210 d. A.) durch die Einholung eines schriftlichen Gutachtens sowie eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. T B. Der Sachverständige hat das Ausgangsgutachten durch drei schriftliche Stellungnahmen ergänzt und im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.11.2006 mündlich erläutert.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 19.04.2006 (Bl. 121 – 132 d. A.), die Stellungnahmen vom 20.06.2006 (Bl. 143 d. A.), vom 08.08.2006 (Bl. 153, 154 d. A.) und vom 21.02.2007 (Bl. 185, 186 d. A.) sowie das Ergänzungsgutachten vom 07.09.2007 (Bl. 215 – 218 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.130,78 Euro aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag.
Gemäß § 4 Abs. 1 b) VGB 88 erstreckt sich die Leistungspflicht der Beklagten auf die Entschädigung des Versicherungsnehmers im Falle einer Zerstörung oder Beschädigung versicherter Sachen durch Leitungswasser. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme handelt es sich bei dem eingetretenen Durchfeuchtungsschaden um einen durch Leitungswasser verursachten Schaden.
Gemäß § 6 Abs. 1 VGB 88 ist Leitungswasser Wasser, das aus Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung, mit dem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder Schläuchen der Wasserversorgung, Anlagen der Warmwasser- oder Dampfbeheizung oder Sprinkler- oder Berieselungsanlagen bestimmungswidrig ausgetreten ist. Gemäß § 6 Abs. 2 VGB 88 steht Wasserdampf Wasser gleich.
Im vorliegenden Fall steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass der Durchfeuchtungsschaden durch den Austritt kondensierten Wasserdampfes aus einer Muffe des Lüftungsrohres entstanden ist. Hierbei muss das Entlüftungsrohr bei zutreffender Würdigung sämtlicher Umstände des Falles im Ergebnis als Ableitungsrohr der Wasserversorgung im Sinne des § 6 Abs. 1 a) VGB 88 angesehen werden.
Der Begriff „Zu- oder Ableitungsrohr der Wasserversorgung“ ist bereits mit Blick auf § 305 c Abs. 2 BGB weit auszulegen. Ein Ableitungsrohr der Wasserversorgung liegt immer dann vor, wenn ein Rohr der Wasserversorgung dient, indem es zumindest auch häusliche Abwässer aufnimmt. Dies trifft für die vertikal verlaufende Schmutzwasserfallleitung ohne weiteres zu. Bei dem Entlüftungsrohr selbst handelt es sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T B in seinem Gutachten vom 19.04.2006 und der als Anlage 4 beigefügten Skizze tatsächlich nicht um eine eigenständige Leitung, sondern um die direkte Verlängerung der Schmutzwasserfallleitung. So führt der Sachverständige wörtlich aus, die Schmutzwasserfallleitung werde „über Dach als Lüftungsleitung fortgesetzt“ (Bl. 123 d. A.). Es handelt sich um eine einzige, vom Keller bis zum Dach durchlaufende Leitung, die nicht sinnvoll in verschieden zu behandelnde Abschnitte unterteilt werden kann. Dies gilt um so mehr, als der Sachverständige bestätigt hat, dass Schmutzwasserfallleitungen aus technischer Sicht zwingend über das Dach zu entlüften sind, um Druckschwankungen und Geruchsbelästigungen zu vermeiden (Bl. 123, 124 d. A.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist überdies davon auszugehen, dass das Abluftrohr im Zuge der Entlüftung der Schmutzwasserfallleitung bestimmungsgemäß auch Wasser in Gestalt von Wasserdampf aufnimmt und ableitet. Der Sachverständige hat zwar ausgeführt, dass bei der Ableitung des Schmutzwassers in die Grundleitung kein Abwasserdampf entstehe, da das Wasser weder durch die Ausstrahlung von Hauswärme noch durch Erdwärme aufgeheizt werde (Bl. 124 d. A.). Eine solche Entstehung von Dampf während und aufgrund der Ableitung im Fallrohr ist indes auch nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass – wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat – beim Ablauf des Schmutzwassers stets auch Luft mit einem schwankenden Prozentsatz an Feuchtigkeit mitgerissen und durch das Entlüftungsrohr abgeleitet wird, wobei sich Kondenswasser bildet, wenn die Taupunkttemperatur in der „kalten Außenwand“ unterschritten wird (Bl. 153 d. A.). Diese Darstellung kann im Ergebnis nur so verstanden werden, dass die bestimmungsgemäße Nutzung des Ableitungssystems durchaus mit der Bildung von Kondensat im Bereich des Entlüftungsrohres einher gehen kann. Angesichts der Tatsache, dass heißes Schmutzwasser erst in der Fallleitung abkühlt, ist die Möglichkeit einer Kondensatbildung im kühleren Abschnitt der Leitung schließlich auch unmittelbar einleuchtend. Dass – wie der Sachverständige weiter angemerkt hat – bei einer funktionsfähigen Entlüftung kein Wasser in der Fallleitung „steht“ (Bl. 154 d. A.) ist für die Beurteilung ohne Belang.
Das Abluftrohr ist nach all dem mit einem Regenfallrohr, bei dem es sich nach zutreffender Ansicht nicht um ein Ableitungsrohr der Wasserversorgung handelt (vgl. OLG Frankfurt VersR 2000, S. 723, 724), nicht zu vergleichen.
Handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Lüftungsrohr indes um ein Ableitungsrohr der Wasserversorgung, weil es als unselbständiger Teil einer Schmutzwasserfallleitung erscheint und überdies bei der Entlüftung des Abwassers selbst Feuchtigkeit aufnimmt, so ist das im Bereich der defekten Muffe bestimmungswidrig ausgetretene Wasser nach der klaren Formulierung der VGB 88 auch Leitungswasser im Sinne des § 4 Abs. 1 b) VGB 88. Die Behauptung der Beklagten, die Kondensation sei erst durch Temperaturschwankungen im Bereich des Spitzbodens entstanden, steht dem nicht entgegen.
Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch die Klägerin von der Leistung frei geworden. Es kann hierbei dahinstehen, ob nach den letzten Ausführungen des Sachverständigen überhaupt mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die streitgegenständliche Durchfeuchtung auf dem Anschluss der Heizungsanlage an die Schmutzwasserfallleitung beruht, denn jedenfalls ein Verstoß gegen technische Vorschriften ist im Ergebnis nicht ersichtlich. Mit Schriftsatz vom 25.01.2007 hat die Klägerin unter Vorlage der Installationsanleitung klargestellt, dass nicht die Entlüftung, sondern die Kondenswasserableitung der Heizung mit dem Abwasseranschluss verbunden sei. Diesen Umstand jedoch, den die Beklagte nicht bestritten hat, hat der Sachverständige im Rahmen seiner Stellungnahme vom 21.02.2007 als grundsätzlich unbedenklich bewertet (Bl. 186 d. A.).
Durch das Ergänzungsgutachten vom 07.09.2007 ist schließlich belegt, dass zur Beseitigung des Durchfeuchtungsschadens Arbeiten zu einem Preis von netto 1.174,98 Euro erforderlich sind. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass die seitens der Firma S im Kostenvoranschlag vom 26.01.2004 angesetzten Material- und Lohnkosten nach den anlässlich der Ortsbesichtigung vom 06.04.2006 getroffenen Feststellungen angemessen seien. Die auf Seite 2 des Kostenvoranschlages genannten Leistungen seien erforderlich, um das Badezimmer wieder in einen benutzbaren Zustand zu versetzen. Die Einheitspreise seien nach dem Preisniveau der Jahre 2003 und 2004 nicht zu beanstanden (Bl. 215, 216 d. A.).
Die unter Berücksichtigung der Regulierungsleistung von 275,00 Euro bezifferte Klagforderung ist mithin auch der Höhe nach gerechtfertigt.
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist bereits mit dem Zugang der anwaltlichen Zahlungsaufforderung vom 23.02.2004 in Verzug geraten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.