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Luftfrachtführer: Beschränkung durch allgemeine Beförderungsbedingungen unzulässig

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: X ZR 165/03

Urteil vom 05.12.2006

Vorinstanzen:

LG Köln, Az.: 26 O 48/02, Entscheidung vom 04.09.2002

OLG Köln, Az.: 6 U 206/02, Entscheidung vom 11.04.2003


Leitsätze:

Verwendet ein Luftfrachtführer, der eine Betriebsgenehmigung eines Mitgliedsstaats der Europäischen Gemeinschaft besitzt, in seinen Allgemeinen Beförderungsbedingungen folgende Klauseln „Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektronische Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und andere Wertsachen und ferner Geschäftspapiere und Muster nicht enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung als aufzugebendes Gepäck verweigern.“

„Der Luftfrachtführer haftet für Schäden an zerbrechlichen oder verderblichen Gegenständen (Computern oder sonstigen elektronischen Geräten), Schmuck, Silbersachen, Geld, Wertpapieren, Sicherheiten oder anderen Wertsachen, Geschäftspapieren oder Mustern, Reisepässen oder Personalausweisen, welche im aufgegebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind, gleichgültig, ob mit oder ohne Wissen des Luftfrachtführers, nur, wenn er diese grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; die Vorschriften des (Warschauer) Abkommens bleiben unberührt.“ so werden die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben auf unangemessene Weise benachteiligt.


In dem Rechtsstreit hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2006 für Recht erkannt:

Auf die Anschlussrevision des Klägers und unter Zurückweisung der Revision der Beklagten wird das am 11. April 2003 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln im Kostenausspruch aufgehoben und insoweit abgeändert, als in der Sache zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, es bei Meidung der im angefochtenen Urteil angedrohten Ordnungsmittel zu unterlassen, die folgende oder eine dieser inhaltsgleiche Klausel in Bezug auf Luftbeförderungsverträge zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausführung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

„Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektronische Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und andere Wertsachen und ferner Geschäftspapiere und Muster nicht enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung als aufzugebendes Gepäck verweigern.“

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der Verbraucherinteressen wahrnimmt und in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß §§ 4, 16 Abs. 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein Luftfahrtunternehmen und verwendet in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen die folgenden Klauseln:

Art. VIII Nr. 5 c (nachfolgend Klausel 1):

„Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektronische Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und andere Wertsachen und ferner Geschäftspapiere und Muster nicht enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung als aufzugebendes Gepäck verweigern.“

Art. XV Nr. 3 c (nachfolgend Klausel 2):

„Der Luftfrachtführer haftet für Schäden an zerbrechlichen oder verderblichen Gegenständen (Computern oder sonstigen elektronischen Geräten), Schmuck, Silbersachen, Geld, Wertpapieren, Sicherheiten oder anderen Wertsachen, Geschäftspapieren oder Mustern, Reisepässen oder Personalausweisen, welche im aufgegebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind, gleichgültig, ob mit oder ohne Wissen des Luftfrachtführers, nur, wenn er diese grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; die Vorschriften des [Warschauer] Abkommens bleiben unberührt.“

Der Kläger begehrt die Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten, da durch sie die Vertragspartner der Beklagten unangemessen benachteiligt würden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Unterlassung der Verwendung der Klausel 2 verurteilt.

Mit der vom Berufungsgericht für die Beklagte zugelassenen Revision greift diese das angefochtene Urteil (veröffentlicht in RRa 2003, 234 f.) an, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Der Kläger ist der Revision entgegengetreten und greift das Berufungsurteil im Wege der Anschlussrevision an, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist. Die Beklagte ist der Anschlussrevision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:

I.

Revision und Anschlussrevision sind in zulässiger Weise eingelegt. Der Zulässigkeit der Anschlussrevision steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Revision nur für die Beklagte zugelassen hat. Denn die Anschlussrevision ist auch dann statthaft, wenn die Revision für den Revisionsbeklagten nicht zugelassen worden ist, sofern mit der Anschlussrevision ein Anspruch zur Überprüfung gestellt wird, der mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision jedenfalls in unmittelbarem rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang steht (BGHZ 155, 189, 191 f.; BGH, Urt. v. 30.9.2003 – XI ZR 232/02, WM 2003, 2286, 2287). Das ist hier der Fall, da die Anschlussrevision ebenso wie die Hauptrevision eine Klausel über den Gepäcktransport in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der beklagten Luftverkehrsgesellschaft betrifft.

II.

1.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, beide mit der Klage angegriffenen Klauseln seien nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB entzogen. Für der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen verbleibe nach der Rechtsprechung nur der enge Bereich derjenigen Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden könne.

Zu diesem engen Bereich gehörten beide mit der Klage angegriffenen Klauseln nicht. Denn sie modifizierten lediglich die Hauptleistungspflicht der Beklagten (Beförderung des Fluggastes und seines Gepäcks), so dass beide Klauseln nicht notwendig seien, um den wesentlichen Vertragsinhalt zu bestimmen.

2.

Das lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Der Inhaltskontrolle steht weder – wie die Beklagte meint – die weltweite Verwendung der Klausel 2 durch fast alle Fluggesellschaften noch die Genehmigung der Klauseln durch die zuständige Behörde entgegen, denn auch solche Beförderungsbedingungen unterliegen der Inhaltskontrolle auf der Grundlage der §§ 305 ff. BGB (so schon zum AGB-Gesetz BGHZ 86, 284, 288 f., 291; vgl. auch Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht,

Stand Dezember 2004, § 44 LuftVG Rdn. 46 m.w.N.).

Bei den Klauseln handelt es sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht um Leistungsbeschreibungen, die Art und Güte sowie Umfang der Hauptleistungspflicht der Beklagten aus dem in der Regel als Werkvertrag zu qualifizierenden Beförderungsvertrag (BGHZ 62, 71, 75; Giemulla/Schmid, aaO, § 44 LuftVG Rdn. 27 m.w.N.) unmittelbar festlegen und deshalb der Inhaltskontrolle entzogen wären. Die Beklagte schuldet aus dem Beförderungsvertrag den Transport des Passagiers und seines Gepäcks als Erfolg, wobei über die Gepäckbeförderung kein gesonderter Vertag geschlossen wird, sondern bei Vertragsschluss von den Vertragsparteien davon ausgegangen wird, dass der Fluggast Gepäck mitnimmt und dieses zusammen mit ihm befördert wird (vgl. Giemulla/Schmid, aaO, § 44 LuftVG Rdn. 27 m.w.N.). Klausel 1 modifiziert diese Leistungspflicht der Beklagten und gestaltet sie näher dahin aus, dass im aufgegebenen Gepäck bestimmte Gegenstände nicht enthalten sein dürfen; Klausel 2 regelt Haftungsfragen. Beide Klauseln gehören damit nicht zu dem engen Bereich derjenigen Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, NJW 1993, 2369; Urt. v. 30.11.1993 – XI ZR 80/93, NJW 1994, 318 jew. m.w.N.), und unterliegen daher der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB.

III.

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

1.

Das Berufungsgericht hat Klausel 2 als unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagen gewertet und dazu ausgeführt, diese Regelung weiche von den zwingenden Regeln des Warschauer Abkommens 1955 (nachfolgend WA) und des Luftverkehrsgesetzes in der bis zum 28. Juni 2004 geltenden Fassung (nachfolgend LuftVG a.F.) zum Nachteil der Passagiere ab. Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 LuftVG a.F. hafte der Luftfrachtführer für Schäden, die an Sachen entstehen, die der Fluggast an sich trage oder mit sich führe.

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Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 LuftVG a.F. hafte der Luftfrachtführer ferner für den Schaden, der an Frachtgütern und aufgegebenem Reisegepäck entstehe. Die Luftbeförderung umfasse nach § 44 Abs. 2 Satz 2 LuftVG a.F. den Zeitraum, in dem sich die Güter oder das Reisegepäck auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeugs oder sonst in der Obhut des Luftfrachtführers befänden. Diese Regelungen seien gemäß § 49 Abs. 1 LuftVG a.F. durch im Voraus geschlossene Vereinbarungen nicht abdingbar. Die Vorschriften der §§ 44 ff. LuftVG a.F. beinhalteten eine Verschuldenshaftung mit widerlegbarer Verschuldensvermutung.

Von ihr weiche die in der Klausel 2 getroffene Regelung ab, indem sie die Haftung der Beklagten generell für den Fall ausschließe, dass die Beklagte lediglich leichte Fahrlässigkeit an der Entstehung des Schadens treffe. Diese Abweichung von den zwingenden Regeln der §§ 44 bis 49 LuftVG a.F. benachteilige den Fluggast unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

2.

Diese Ausführungen greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an. Klausel 2 hält der Inhaltskontrolle nicht stand. Ihre Unwirksamkeit ergibt sich, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, aus § 307 Abs. 1 BGB, weil die Klausel gegen zwingendes Recht verstößt und die Vertragspartner der Beklagten aus diesem Grunde unangemessen benachteiligt (BGHZ 118, 194, 198; 152, 121, 133, jew. m.w.N.).

a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob, wie das Berufungsgericht gemeint hat, die Klausel 2 von zwingenden Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes in seiner früheren Fassung abweicht. Denn der Kläger macht mit der Klage ausschließlich in die Zukunft gerichtete Unterlassungsansprüche geltend. Für diese ist das im Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision geltende Recht maßgeblich, so dass der rechtlichen Beurteilung das im Laufe des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Recht zugrunde zu legen ist (BGHZ 9, 101 f.; 141, 329, 336 – Tele-Info-CD m.w.N.).

Für die Bundesrepublik Deutschland ist am 28. Juni 2004 das Übereinkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Abkommen, BGBl. 2004 II, 458, nachfolgend MÜ) in Kraft getreten (BGBl. 2004 II, 1371). Durch Hinterlegung der Ratifikationsurkunde seitens der Europäischen Gemeinschaft ist das Abkommen auch für die Europäische Gemeinschaft in Kraft getreten (vgl. Giemulla/Schmid, aaO, MÜ Einl. Rdn. 35). Es enthält in den Art. 17, 22 und 26 Vorschriften über die Haftung des Luftfrachtführers für die Zerstörung, den Verlust oder die Beschädigung aufgegebenen und nicht aufgegebenen Reisegepäcks, so dass die genannten Vorschriften auf Beförderungsverträge der Beklagten anzuwenden sind, die Flüge zwischen Mitgliedstaaten des Abkommens betreffen.

Die Haftung von Luftfahrtunternehmen ist ferner Gegenstand der Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen (ABl. EG Nr. L 285, 1) in der Fassung der Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Mai 2002 (ABl. EG Nr. L 140, 2).

Diese Verordnung ist für die Gemeinschaft mit dem Inkrafttreten des Montrealer Übereinkommens in Kraft getreten (Art. 2 VO/EG 889/2002). Der Geltungsbereich ihrer Vorschriften über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und ihres Gepäcks im Luftverkehr ist auf Beförderungen im Luftverkehr innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaates erstreckt (Art. 1 Abs. 2 VO/EG 889/2002) und es ist bestimmt worden, dass für die Haftung eines Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft für Fluggäste und deren Gepäck alle einschlägigen Bestimmungen des Montrealer Übereinkommens gelten (Art. 1 Abs. 4 VO/EG 889/2002). Bei der Beklagten handelt es sich, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, um ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft.

Schließlich ist das Luftverkehrsgesetz durch das Gesetz zur Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr vom 6. April 2004 (BGBl. 2004 I, 550) geändert worden; die Änderung ist am 28. Juni 2004 in Kraft getreten. § 44 LuftVG bestimmt nunmehr, dass die Vorschriften des 2. Unterabschnitts des Luftverkehrsgesetzes (§§ 44 ff. LuftVG) in der seit dem 28. Juni 2004 geltenden Fassung gegenüber den Regelungen in den in § 44 Nr. 1 bis 6 genannten Abkommen und Verordnungen nur subsidiäre Geltung haben.

Maßgebend für die Inhaltskontrolle der umstrittenen Klauseln sind daher nunmehr die Vorschriften des Montrealer Übereinkommens.

b) Nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ hat der Luftfrachtführer im Rahmen der Höchstbetragshaftung nach Art. 22 Abs. 2 MÜ den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Zerstörung, der Verlust oder die Beschädigung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder während eines Zeitraums eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Reisegepäck in der Obhut des Luftfrachtführers befand. Wie sich aus der Erwägung 7 der Verordnung (EG) 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Mai 2002 ergibt, mit der diese Regelung in das Gemeinschaftsrecht übernommen worden ist (Art. 1 Nr. 4 der Verordnung), dient die Regelung der Verstärkung des Schutzes der Fluggäste und ihrer Angehörigen; sie ist daher eine Gefährdungshaftung (vgl. Littger/Kirsch, ZLW 2003, 563, 572) oder eine der Gefährdungshaftung angenäherte Erfolgshaftung (Giemulla/Schmid, aaO, § 44 LuftVG Rdn. 4) und nicht mehr eine Haftung für vermutetes Verschulden wie nach Art. 20 WA. Sie unterscheidet sich von der Haftung des Luftfrachtführers für nicht aufgegebenes Reisegepäck (sog. Handgepäck). Nach der Regelung des Art. 17 Abs. 2 Satz 3 MÜ haftet der Luftfrachtführer bei nicht aufgegebenem Reisegepäck einschließlich persönlicher Gegenstände nur dann, wenn der Schaden auf sein Verschulden oder das Verschulden seiner Leute zurückzuführen ist. Im Unterschied zur Haftung für aufgegebenes Reisegepäck ist die Haftung für das sog. Handgepäck daher als Verschuldenshaftung ausgebildet.

Die Haftung nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ ist zwingend. Eine Bestimmung in Beförderungsverträgen, durch welche die Haftung des Luftfrachtführers ganz oder teilweise ausgeschlossen oder der in dem Montrealer Übereinkommen festgesetzte Haftungshöchstbetrag herabgesetzt werden soll, ist gemäß Art. 26 MÜ nichtig.

c) Die angegriffene Klausel bestimmt, dass die Beklagte für Schäden an bestimmten Gegenständen im aufgegebenen Reisegepäck nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften will, gleichgültig, ob diese Gegenstände mit oder ohne Wissen der Beklagten im aufgegebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind. Das soll auch für schädigende Ereignisse gelten, die an Bord des Flugzeugs oder während der Zeit eintreten, in der das aufgegebene Gepäck sich in der Obhut des Luftfrachtführers befindet. Diese Regelung bedingt die Haftung des Luftfrachtführers für aufgegebenes Reisegepäck nach der zwingenden Vorschrift des Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ für die in Klausel 2 genannten Gegenstände ab, indem an deren Stelle eine Haftung für Verschulden des Luftfrachtführers in der Form von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gesetzt wird. Dies widerspricht Art. 17 Abs. 2 MÜ, da die Vorschrift das aufgegebene Reisegepäck erfasst und die in Klausel 2 genannten Gegenstände nicht von der verschuldensunabhängigen Haftung des Luftfrachtführers für die Zerstörung, den Verlust oder die Beschädigung an Bord des Luftfahrzeugs oder während der Zeit, in der es sich in der Obhut des Luftfrachtführers befand, ausnimmt.

Indem durch die Klausel 2 von den zwingenden Vorgaben des Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ abgewichen und eine im Montrealer Übereinkommen nicht vorgesehene, der Verschuldenshaftung für nicht aufgegebenes Reisegepäck nachgebildete Haftung für Teile des aufgegebenen Reisegepäcks begründet werden soll, bewirkt diese Klausel eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten und ist mithin unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB).

Daher kommt es nicht darauf an, ob – wie die Revision meint – aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Obhutshaftung folgt, der Luftfrachtführer habe nur dann Obhut an den von ihm beförderten Gütern, wenn es sich um mit seinem Willen in seinem Einflussbereich befindliche Gegenstände handle, weil Gegenstand der Haftungsbeschränkung nach Klausel 2 lediglich Schäden an solchen Sachen seien, die gegen den Willen der Beklagten in ihren Einflussbereich gelangt seien. Die Revision verkennt insoweit bereits, dass die Klausel die Haftung der Beklagten auch für solche Gegenstände im aufgegebenen Reisegepäck regelt, von denen die Beklagte Kenntnis hat und die sie daher mit ihrem Willen in ihre Obhut genommen hat.

IV.

Die Anschlussrevision des Klägers ist begründet.

1.

Hinsichtlich der Klausel 1 hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, diese Bestimmung benachteilige die Vertragspartner nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil der Luftfrachtführer ein legitimes Interesse daran habe, dass zerbrechliche oder verderbliche, insbesondere aber wertvolle und nur schwer wiederzubeschaffende Gegenstände nicht in das aufzugebende Gepäck gelangten.

2.

Diese Ausführungen greift die Anschlussrevision mit Erfolg an, da die Klausel 1 im Zusammenwirken mit Klausel 2 die Vertragspartner der Beklagten entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB).

Bei der Entscheidung kann dahinstehen, ob Klausel 1 für sich betrachtet nicht beanstandet werden könnte, weil das Verbot des ersten Halbsatzes nur der Wahrnehmung des Zurückweisungsrechts des zweiten Halbsatzes dienen und ein berechtigtes Interesse der Beklagten anzuerkennen sein könnte, aufzugebendes Reisegepäck von Flugpassagieren dann zurückzuweisen und nicht zu befördern, wenn dieses die in der Klausel genannten zerbrechlichen, verderblichen oder wertvollen Gegenstände enthält. Denn Klausel 1 beschränkt sich nicht darauf, der Beklagten ein Recht zur Zurückweisung von Reisegepäck vorzubehalten, das den Beförderungsbedingungen widersprechende Gegenstände enthält, sondern steht im Zusammenhang mit der Klausel 2, die die Haftung der Beklagten für aufgegebenes Reisegepäck betrifft, das die in Klausel 1 genannten Gegenstände enthält und unabhängig davon gelten soll, ob der Flugpassagier diese Gegenstände bei der Aufgabe des Reisegepäcks deklariert.

Indem Klausel 1 die Gegenstände benennt, die im aufzugebenden Reisegepäck nicht enthalten sein dürfen, und Klausel 2 die Haftung der Beklagten für aufgegebenes Reisegepäck unabhängig davon beschränken will, ob die Beklagte von dem nach Klausel 1 ihr vorbehaltenen Recht Gebrauch gemacht hat, die Beförderung von Reisegepäck, das derartige Gegenstände enthält, zu verweigern, dient Klausel 1 der Durchsetzung der mit der Klausel 2 angestrebten Haftungsbeschränkung.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die belastende Wirkung einer Klausel, die für sich betrachtet noch hinnehmbar sein mag, durch eine oder mehrere andere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden kann, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Stehen zwei Klauseln in Wechselwirkung, von denen eine schon isoliert betrachtet eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders enthält, während die andere für sich gesehen nicht zu beanstanden ist, kann sich die Unwirksamkeit auf beide Klauseln erstrecken (BGH, Urt. v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, NJW 2003, 2234 m.w.N.; vgl. auch Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 Rdn. 155). Eine solche Wechselwirkung weisen die Klauseln 1 und 2 auf, denn die Beklagte will auch dann nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit für Schäden am aufgegebenen Reisegepäck des Flugpassagiers haften, wenn sie Kenntnis davon hat, dass dieses Gegenstände enthält, die den Beförderungsbedingungen widersprechen, und sie das Gepäck gleichwohl bei der Aufgabe zur Beförderung entgegengenommen hat, statt es in Ausübung des in Klausel 1 vorbehaltenen

Rechts zurückzuweisen. Klausel 1 stellt demzufolge zusammen mit Klausel 2 eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten dar und ist wegen ihres Zusammenwirkens mit Klausel 2 unwirksam. Im Falle eines derartigen Zusammenwirkens zweier Klauseln sind beide Klauseln unwirksam, weil es nicht Sache des Gerichts ist auszusuchen, welche der Klauseln bestehen bleiben soll (BGHZ 127, 245, 253). Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Klausel 1 in Allgemeinen Beförderungsbedingungen, die Klausel 2 nicht enthalten, der Inhaltskontrolle standhalten würde.

Die Beklagte ist daher auf die Anschlussrevision dem auf Klausel 1 bezogenen Unterlassungsbegehren entsprechend zu verurteilen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO.

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