SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT
Az.: l U 62/01-16
Verkündet am 12.09.2001
Vorinstanz: LG Saarbrücken – Az.: 6 O 140/00
In dem Rechtsstreit wegen Unterlassung hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2001 für Recht erkannt:
I. Auf die Erstberufung der Beklagten wird das am 19. Dezember 2000 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken – 6 0 140/00 – teilweise, und zwar dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
II. Die Zweitberufung des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer des Klägers wird auf 14.000,— DM festgesetzt.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. l ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Erstberufung der Beklagten wie auch die Zweitberufung des Klägers sind zulässig.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, wohingegen die Berufung des Klägers in der Sache ohne Erfolg bleibt.
I.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des angefochtenen Urteils näher bezeichneten Mitteilung nicht zu.
Zwar stellt eine durch das Bundesdatenschutzgesetz nicht gedeckte Übermittlung personenbezogener Daten eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes dar, das als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. l BGB auch negatorischen Schutz nach den allgemeinen Vorschriften genießt, soweit nicht spezielle datenschutzrechtliche Ansprüche bestehen (BGH ZIP 1983, 1312; BGH NJW 1984, 436; OLG Gelle NJW-RR 1995, 699). Ein aus den §§ 1004, 823 Abs. l BGB, § 29 BDSD resultierender Unterlassungsanspruch besteht im Streitfall hingegen deshalb nicht, weil die Mitteilung des bei der M. GmbH bestehenden Schuldsaldos wie auch der Kündigung des Telekommunikationskontos noch durch das Bundesdatenschutzgesetz gedeckt sind.
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die von dem Kläger in dem Vertragsexemplar der M GmbH unterzeichnete Einwilligungsklausel (im Einzelnen Bl. 33 d.A.) schon tatbestandlich überhaupt eine Einwilligung im Sinne des § 4 BDSG in die Weitergabe von Daten durch die Beklagte an Dritte – hiergegen wendet sich der Kläger – darstellt und im Übrigen den strengen Bestimmtheitserfordernissen des § 4 Abs. 2 BDSG genügt. Denn die Übermittlung der beanstandeten Daten war und ist im Ergebnis nach § 29 BDSG gerechtfertigt. Bei der Auslegung des § 29 BDSG ist zu berücksichtigen, dass das Bundesdatenschutzgesetz sich grundsätzlich für den Schutz der personenbezogenen Daten entschieden und den Interessen Dritter an ständiger Verbesserung der Beschaffung und Übermittlung von Daten deutliche Grenzen gesetzt hat (BGHZ 80, 311; BGH NJW 84, 436). Die Weitergabe von Daten ist danach nur zulässig, wenn und soweit der Empfänger ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Daten glaubhaft macht und hierdurch schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden (BGHZ 80, 311; BGH NJW 84, 437).
Die übermittelnde Stelle hat in jedem Einzelfall nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Abwägung zwischen ihren berechtigten Interessen bzw. denen des in Betracht kommenden Dritten oder der Allgemeinheit auf der einen Seite und den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen auf der anderen Seite vorzunehmen, bevor es die Daten übermittelt.
Die hiernach gebotene Abwägung fällt im Streitfall zu Ungunsten des Klägers aus. Dabei kann als dem Kläger günstig unterstellt werden, dass er bedingt durch die beanstandete Eintragung zumindest bei zwei Kreditinstituten im Saarland kein (weiteres?) Girokonto eröffnen konnte. Seinen ursprünglichen Sachvortrag, es sei ihm generell nicht möglich, bei einem anderen Kreditinstitut ein Girokonto einzurichten, hat der Kläger zweitinstanzlich nicht mehr aufrechterhalten. Von einer erheblichen Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit kann daher ungeachtet der von der Beklagten aufgezeigten Möglichkeit eines auf Guthabenbasis geführten „Girokontos für jedermann“ nicht ausgegangen werden. Entscheidend ist demnach in die Abwägung mit einzustellen, ob die Mitteilung der konkreten Daten an Kreditinstitute mit der Konsequenz, dass es dem Kläger zumindest erschwert wurde, ein Girokonto zu eröffnen, gerechtfertigt ist. Ferner ist beachtlich das generelle Interesse des Klägers daran, dass eine Kündigung dieses Vertrages mit dem bezeichneten Rückstand nicht an Dritte weitergeleitet wird. Auch wenn es sich vorliegend um ein sog. „weiches“ Negativmerkmal handelt, bei dem die Beklagte eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall vornehmen muss, so war die Weitergabe der Daten zur Wahrung berechtigter Interessen der Beklagten und der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Kreditinformationssystems erforderlich. Die Beklagte könnte kein lückenloses System gewährleisten, mit dem sie Aufschluss über die Kreditwürdigkeit bzw. -unwürdigkeit gibt, wenn sie nicht auch geringfügige Rückstände oder – wie vorliegend – eine ausgesprochene Kündigung mitteilen dürfte. Bedenken, die möglicherweise dann anzumelden wären, wenn es sich um solche Negativmerkmale handelte, denen einseitig die Meinung des Gläubigers zu Grunde liegt, sind im Streitfall nicht angebracht. Der mitgeteilte Rückstand ist unstreitig, irgendwelche Einwendungen hat der Kläger nicht erhoben, darüber hinaus sind die übermittelten Daten vollständig und richtig. Dem Kläger mag zugegeben werden, dass die Nichtzahlung einer Forderung in Höhe von 233,— DM keine sicheren Rückschlüsse auf eine Zahlungsunfähigkeit erlaubt, wohl aber ist ihr ein gewisser Informationsgehalt über die Zahlungswilligkeit und Zahlungsmoral eines Schuldners zu entnehmen. Kreditwürdigkeit umfasst beide Komponenten, Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit. Ein Aussagegehalt hinsichtlich letzterer Komponente ist der trotz mehrmaliger Aufforderung nicht erfolgten Zahlung eines derartigen Minimalbetrages nicht abzusprechen. Die von der Beklagten selbst gewählte Bagatellgrenze von 100 Euro ist, wenn auch nur unwesentlich, überschritten. Die Bestimmung einer Wesentlichkeitsgrenze im Bereich der Forderungsrückstände unter dem Aspekt der Aussagekraft der übermittelten Daten müsste dabei mehr oder minder willkürlich erfolgen. Denn der Argumentation des Klägers folgend, vermag auch ein Schuldsaldo von 1.300,— DM keinen „seriösen“ Aufschluss über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsmoral eines Schuldners geben. Der Senat sieht jedenfalls bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden – unstreitiger Forderungsrückstand, vergebliche Zahlungsaufforderungen – die Praxis der Beklagten nicht als korrekturbedürftig an. Hinzu kommt, dass anzunehmen ist, dass der Empfänger der Daten im jeweiligen Falle ein derartiges „weiches Negativmerkmal“ ohnehin einer relativierenden Betrachtung unterziehen wird.
Nach alledem war auf die Erstberufung der Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern.
II.
Das Begehren des Klägers, wie es mit den Berufungsanträgen zu 2. und 3. geringfügig modifiziert weiterverfolgt wird, ist unbegründet.
l. Der Sache nach begehrt der Kläger mit dem Klageantrag zu 2. eine Unterlassung von Auskünften über Forderungsrückstände bis zu einem Betrag von 1.200,— DM, soweit diese nicht rechtskräftig festgestellt sind. Zwar ist dem Antrag nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen, weil der Kläger konkrete Forderungsrückstände, bezüglich derer ihm eine Auskunftserteilung droht, nicht dargelegt hat. Denn der Kläger wäre klaglos gestellt, wenn ihm nicht die Möglichkeit offen stünde, zukünftigen Mitteilungen, wie sie in Ansehung der Praxis der Beklagten nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegen, rechtzeitig und effektiv entgegen zu treten.
Der Antrag ist jedoch sachlich unbegründet. Zwar fehlt es nicht an der im Rahmen der vorbeugenden Unterlassungsklage zu prüfenden materiellen Anspruchsvoraussetzung einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr (Palandt-Thomas, BGB, 60. Aufl., § 823 Einf. 18, 24 ff m.w.N.). Die Besorgnis weiterer Eingriffe muss noch zur Zeit der dem Erlass des Urteils vorausgehenden mündlichen Verhandlung bestehen (RGZ 60, 8; 84, 148; OLG München NJW 1956, 1075). Eine vorausgegangene Verletzung, wie sie nach dem Rechtsstandpunkt des Klägers in den bereits erteilten Auskünften an Kreditinstitute liegt, begründet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (BGHZ 14, 163, 167; BGH WM 1961, 1023, 1024). Dem Kläger steht jedoch in der Sache ein Unterlassungsanspruch entsprechend des Darlegungen des Senates zur Unbegründetheit des Klageantrages zu l, auf die vollumfänglich zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hinsichtlich unstreitiger und angemahnter Forderungsrückstände, soweit diese die von der Beklagten selbst gewählte Bagatellgrenze übersteigen, nicht zu.
2. Dem Unterlassungsbegehren entsprechend dem Klageantrag zu 3., der sich auf „angebliche“ Forderungsrückstände bezieht, konnte bereits deshalb nicht entsprochen werden, weil die als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung zu begreifende Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr nicht gegeben ist. Dem Sachvortrag des Klägers ist weder zu entnehmen, dass ihm seitens der Beklagten eine Auskunftserteilung über streitige Forderungsrückstände in Höhe eines unter 1.200,— DM liegenden Betrages droht, noch dass die Beklagte bereits entsprechende Auskünfte über streitige Forderungsrückstände erteilt hat. In Ansehung der von der Beklagten geschilderten Praxis, ist dies auch nicht zu besorgen.
Die Berufung des Klägers erweist sich nach alledem als unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. l, 91 Abs. l ZPO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Hinsichtlich der Streitwertbemessung wird auf den Senatsbeschluss vom 22. August 2001 (Bl. 131 d.A.) verwiesen.
Der Ausspruch zur Beschwer erfolgte im Hinblick auf § 546 Abs. 2 ZPO.