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Mietminderung wegen Gerüchen aus Shisha-Bar im Erdgeschoss

LG Berlin, Az.: 63 S 223/15, Urteil vom 15.04.2016

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.07.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 102 C 32/15 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 513,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 60,00 € seit dem 06.08., dem 06.09. und 06.10.2014, aus jeweils 79,80 € seit dem 06.11. und 06.12.2014, sowie aus jeweils 57,80 € seit dem 06.01., dem 06.02. und 06.03.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Klägerin 49% und die Beklagten 51% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 513,00 € aus § 535 Abs. 2 BGB zu.

Die Miete war in streitgegenständlichen Zeitraum wegen der von den Geräuschen der Lüftungsanlage der Shisha-Lounge ausgehenden Gebrauchsbeeinträchtigung gemäß § 536 BGB um 10% gemindert.

In der Geräuschimmission liegt ein Mangel der Mietsache i.S.d. § 536 BGB, den die Beklagten auch unstreitig angezeigt haben.

Der Einwand der Berufung, auch das unstreitig vorhandene Geräusch der Belüftungsanlage sei mangels Beschaffenheitsvereinbarung hinzunehmen, geht fehl. Auch ohne Beschaffenheitsvereinbarung schuldet der Vermieter die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen (BGH, Urteil vom 05. Juni 2013 – VIII ZR 287/12 –, juris). Bei der TA-Lärm handelt es sich um eine solche.

Mietminderung wegen Gerüchen aus Shisha-Bar im Erdgeschoss
Symbolfoto: Parilov/Bigstock

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dem Gutachten des BA-Tempelhof-Schöneberg auch, dass es sich um eine permanente Immission handelte. Die Klägerin trägt nicht vor, dass es sich um einen nur kurzzeitigen technischen Defekt o.ä. gehandelt habe. Angesichts der diesbezüglichen Behauptung der Beklagten, die Geräuschsintensität sei über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum unverändert, ist das pauschale Bestreiten der Beklagten, das Gutachten beweise lediglich die Überschreitung anlässlich des Messungszeitraumes, unbeachtlich.

Unzutreffend rügt die Berufung, dass das Amtsgericht grundsätzlich gehindert war, für den Mangel bzgl. der Lüftungsanlage 20% Minderung zuzuerkennen, weil die Beklagten selbst nur 13% veranschlagt hatten. Die konkrete Minderung tritt von Gesetzes wegen ein und ist von einer Einschätzung des Mieters unabhängig.

Gleichwohl erscheint die durch das Amtsgericht angenommene Minderungsquote für die aus der lauten Belüftungsanlage folgende Gebrauchsbeeinträchtigung unangemessen hoch.

Die Kammer schätzt die mit der Lärmbelästigung verbundene Gebrauchsbeeinträchtigung auf 10%. Lediglich im Schlafzimmer wurden die Richtwerte der TA-Lärm überschritten, so dass sich die Gebrauchsbeeinträchtigung nur auf den Gebrauch diese Zimmers beschränkt. Angesichts der Größe der Wohnung und des mangels abweichenden Vortrags unterstellten Gebrauchs des Schlafzimmers lediglich zur Nachtzeit zum Schlafen, erscheint eine Minderungsquote von 10% wegen der Beeinträchtigung als angemessen, aber auch ausreichend.

Den Beklagten steht jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum kein weitergehendes Minderungsrecht zu.

Insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus etwaigen, mit dem Betrieb der Shisha-Lounge einhergehenden, anderen Geräuschs- und Geruchsimmissionen.

Wegen der von der Bar ausgehenden Lärmbelästigung fehlt es bereits an konkretem Vortrag zu der daraus folgenden Beeinträchtigung des Mietgebrauchs. Die Beklagten tragen lediglich vor, es sei „laut, im Sommer mehr als im Winter“ und beschreiben die Zustände der Lärmquelle, nicht jedoch die Auswirkung auf den Gebrauch der Mietsache. Es fehlt auch nach Hinweis der Kammer vom 08.03.2016 an jedweder Darlegung einer Gebrauchsbeeinträchtigung. Erforderlich ist jedoch, dass der Mieter zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs eine Beschreibung abgibt, aus der sich ergibt, um welche Art der Beeinträchtigung in welcher Laustärke es sich handelt, zu welchen Tageszeiten und über welche Zeitdauer diese vorliegt (BGH Urt. v. 29.02.2012 – VIII ZR 155/11). Zu der Art der Beeinträchtigung haben die Beklagten nichts vorgetragen.

Die Beklagten beschränken sich vielmehr darauf, den vermeintlichen Mangel als solchen zu beschreiben, ohne einen Bezug zum Gebrauch der Mietsache herzustellen.

Voraussetzung für ein Minderungsrecht ist jedoch eine konkrete Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Mangel, sofern dieser nicht auf der Hand liegt.

Jedenfalls aber stellt der von der Bar ausgehende Lärm im vorliegenden Fall – auch zugunsten der Beklagten hinreichenden Vortrag unterstellt – im vorliegenden Fall keinen Mangel dar.

Soweit konkrete Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, beantwortet sich die Frage, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden Wohnung gehört, den der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB während der Mietzeit zu erhalten hat, nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in – gegebenenfalls ergänzender – Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 197/14 –, BGHZ 205, 177-195, Rn. 23vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 2006 – XII ZR 34/04, NZM 2006, 626 Rn. 13; vom 16. Mai 2007 – VIII ZR 207/04, WuM 2007, 381 Rn. 8; vom 23. September 2009 – VIII ZR 300/08, aaO Rn. 11; vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 152/12, aaO Rn. 8; jeweils mwN).

Der Mieter einer Wohnung in der Innenstadt hat damit zu rechnen, dass es im weiteren und näheren Umfeld seiner Wohnung – etwa durch Neubau, Umbau oder Sanierung von Gebäuden, Straßen o.ä., durch Wechsel oder Zuzug von neuen (gewerbetreibenden) Nachbarn etc. – zu Veränderungen kommt, die sich auf die Mietsache nachteilig auswirken können (LG Berlin, Urteil vom 27. September 2011 – 63 S 641/10 –, Rn. 26, juris). Die Rheinstraße, in der die streitgegenständliche Wohnung gelegen ist, ist eine innerstädtische Hauptstraße. Kurz nach dem Haus, in dem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet, beginnt die große durch Gewerbe geprägte Einkaufsstraße, die Schlossstraße. Dort befindet sich – wie auch an dem Ende der Straße, in der die streitgegenständliche Wohnung liegt, gerichtsbekannt nahezu lückenlos im Erdgeschoss Gewerbe, von welchem Immissionen ausgehen. Dies wird auch aus den durch die Beklagten eingereichten Bilder deutlich.

Unstreitig war auch bereits bei Abschluss des Mietvertrags im Erdgeschoss des streitgegenständlichen Hauses ein anderer Gewerbebetrieb vorhanden.

Auch ergibt sich nach dem Vortrag der Beklagten auch auf den Hinweis der Kammer vom 08.03.2016 nach Maßgabe der vorstehenden Rechtsprechung kein ausreichend substantiierter Vortrag zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung durch den Shisha-Dampf.

Eine Gesundheitsgefährdung durch den Shisha-Dampf im Freien ist nicht anzunehmen (BGH, Urt.v. 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, juris) und wird von den Beklagten auch gar nicht geltend gemacht.

Soweit die Beklagten eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Shisha-Dampf geltend machen, beschränken sie sich erneut auf eine Beschreibung des Zustandes des Bar-Betriebs, tragen jedoch nichts durch die dadurch verursachte Gebrauchsbeeinträchtigung vor, was der Kammer die Schätzung einer Minderungsquote nach § 287 ZPO unmöglich macht. Zum einen fehlt es bereits an konkretem Vortrag zu Zeiträumen. Es ist nicht ersichtlich, welcher Zeitraum genau mit „Sommer“ und „Winter“ gemeint sein sollte, bzw. inwiefern eine veränderte Gebrauchsbeeinträchtigung aufgrund welcher veränderter Gebrauchsformen der Mietsache gegeben sein sollte, noch wann z.B. der Bar-Betrieb beginnt oder welche konkrete Gebrauchsbeeinträchtigung welcher Räume wann dadurch eintritt.

Der Anspruch auf Zinsen folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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