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Mündliche Vereinbarung der Verlängerung eines Pachtvertrages wirksam?

OLG Frankfurt – Az.: 2 U 48/17 – Urteil vom 27.09.2019

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen – 2. Zivilkammer – vom 28.2.2017 (Az.: 2 O 540/16) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.660,64 € festgesetzt.

Gründe

I. § 313 a Abs. 1 S. 1, § 540 Abs. 2, § 541 ff. ZPO:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht statthaft ist.

II. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden (§§ 511, 517, 519 f. ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist insgesamt einschließlich sämtlicher Hilfsanträge unbegründet. Der Pachtvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten endete weder mit Ablauf des 31.10.2016 noch mit Ablauf des 31.3.2017. Es war auch nicht festzustellen, dass der Beklagte aus dem am 31.3.2006 abgeschlossenen Pachtvertrag gegenüber der Klägerin keine Rechte herleiten kann. Vielmehr dauert der Pachtvertrag gemäß der Verlängerungsvereinbarung des vormaligen Verpächters A mit dem Beklagten bis zum 31.10.2032 fort, so dass der Beklagte aus dem Vertrag weiterhin Rechte gegenüber der Klägerin, die als Erbin des Herrn A in den Vertrag eingetreten ist (§ 1922 BGB), geltend machen kann.

Der vormalige Verpächter und der Beklagte haben den Vertrag vom 31.3.2006, der zunächst lediglich bis zum 31.10.2016 lief, wirksam verlängert. Herr A und der Beklagte haben diese Verlängerung noch während der Laufzeit des Vertrages mündlich vereinbart (§§ 145, 147 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Verlängerung des Pachtvertrages konnte mündlich vereinbart werden, ein gesetzliches Schriftformerfordernis besteht insoweit nicht. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform eines Landpachtvertrages hat lediglich die Folge, dass der Vertrag für unbestimmte Zeit gälte und daher ordentlich mit der gesetzlichen Frist kündbar wäre (§§ 585 a, 594 a Abs. 1 BGB). An der Wirksamkeit der Verlängerungsvereinbarung an sich ändert sie nichts. Die Vereinbarung der Verlängerung erfolgte bei dem Zusammentreffen des Beklagten mit Herrn A in den Räumen des Beklagten etwa im Jahre 2011. Auf den genauen oder auch nur ungefähren Zeitpunkt kommt es nicht an; jedenfalls stand Herr A zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter Betreuung, so dass die von ihm abgegebenen Willenserklärungen wirksam sind; das Gespräch fand also deutlich vor dem 14.2.2012 statt. Dafür, dass es erst nach diesem Zeitpunkt stattgefunden hätte, gab es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder aus sonstigen Gründen keinerlei Anhaltspunkte, vielmehr gab der Zeuge B ausdrücklich an, dass ihm Herr A damals noch als gesund erschien. Er habe laufen und stehen sowie Autofahren können.

Herr A und der Beklagte haben sich bei ihrem Gespräch bereits mündlich verbindlich über die Verlängerung des Pachtvertrages sowie die Höhe des von 2017 an zu zahlenden Pachtzinses geeinigt. Dies ergibt sich aus dem Ergebnis der Verhandlung und der Beweisaufnahme (§ 286 ZPO). Die Zeugin C, die Mutter des Beklagten, hat in ihrer Aussage insgesamt glaubhaft angegeben, Herr A und ihr Sohn seien sich über die Verlängerung einig gewesen. Gerade aus diesem Grunde habe Herr A die Verlängerungsklausel handschriftlich auf den beiden Vertragsexemplaren vermerkt und diese unterschrieben. Beide seien sich bereits in ihren beiderseitigen mündlichen Erklärungen unabhängig von der schriftlichen Niederlegung ihrer Vereinbarung einig gewesen. Irgendein Aufschub der Wirksamkeit des Vereinbarten, insbesondere im Hinblick darauf, dass der Beklagte den Vertrag noch nicht unterzeichnet hatte, ergab sich für sie aus den Äußerungen beider nicht. Dass die Zeugin sich möglicherweise nicht an weitere konkrete Einzelheiten erinnerte oder keine genauere Erinnerung an den lange zurückliegenden Vorgang hatte, möglicherweise auch in ihrer Aussage vor dem Landgericht, beeinträchtigt die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben nicht. Deren Richtigkeit wird vielmehr durch weitere Umstände bestätigt. Der Zeuge B hat im Einklang mit seiner Aussage vor dem Landgericht angegeben, Herr A habe ihm gegenüber geäußert, er habe den Pachtvertrag bereits verlängert. Auch Herr A ging hiernach seinerzeit davon aus, er habe mit dem Beklagten verbindlich die Verlängerung des Vertrages vereinbart. Die Angaben des Zeugen B erschienen ebenfalls als insgesamt glaubhaft. Sie sind auch im Gesamtzusammenhang plausibel. Sie sind nicht widersprüchlich oder sonst unglaubhaft, weil sich auch dieser Zeuge nicht mehr an alle Vorgänge im Einzelnen präzise erinnerte. Dies von einem Zeugen zu verlangen, würde das menschliche Erinnerungsvermögen, das ohnehin unterschiedlich ausgeprägt ist, deutlich überspannen. Sowohl die Zeugin C als auch der Zeuge B haben die wesentlichen Vorgänge, auf die es ankam, klar in Erinnerung. Sie mussten nicht zwangsläufig auch zahlreiche Einzelheiten deutlich in Erinnerung haben, die letztlich kaum von Bedeutung waren. Dass beide Zeugen das von ihnen geschilderte Kerngeschehen erfunden hätten, schließt das Gericht aus. Solche Einwände gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen hat auch die Klägerin nicht geäußert. Der Zeuge B erschien auch nach seinem persönlichen Eindruck als glaubwürdig. Dass die erkennende Richterin keinen persönlichen Eindruck von der Zeugin C gewonnen hat, sondern insofern lediglich das Sitzungsprotokoll zur Verfügung hatte, hindert die Entscheidung demzufolge nicht, da es auf den persönlichen Eindruck nicht ankam.

Mündliche Verlängerung Pachtvertrag -  wirksam?
Ein mündlich getroffener Pachtvertrag sollte nicht länger als ein Jahr gültig sein. (Symbolfoto: Pormezz/Shutterstock.com)

Die Annahme des Einverständnisses des Herrn A steht im Übrigen im Einklang mit der Schilderung der Klägerin selbst, nach deren Angaben Herr A sie und ihren Ehemann, den Zeugen D, ausdrücklich gebeten hatte, das Land weiterhin an den Beklagten zu verpachten. Nach den Angaben aller Beteiligten war es das ausdrückliche Anliegen der Herrn A, dass der Beklagte, an dessen Betrieb er auch regen Anteil nahm, weiterhin dauerhaft sein Land pachten kann. Dass er die Beklagte und ihren Ehemann ausdrücklich hierum bat, was der Zeuge D bestätigt hat, belegt nicht, dass er mit dem Beklagte noch keine Verlängerung vereinbart hätte. Es ist denkbar, dass er über die schriftliche Vereinbarung hinaus, die dem Beklagten bereits entsprechende Rechte verschafft hatte, auch die Klägerin als künftige Erbin hierfür positiv stimmen und damit die tatsächliche Durchführung des Vertrages zusätzlich sichern wollte.

Etwas Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Beklagte den Vertrag anders als Herr A nicht gleich unterzeichnete, sondern dies erst später tat. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass Herr A persönlich den handschriftlichen Zusatz zum Pachtvertrag geschrieben und ihn selbst unterschrieben hat. Zwar hat die Klägerin diese Behauptung des Beklagten bestritten. Sie geht allerdings selbst davon aus, dass es sich um das Schriftbild des Herrn A handelt. Dass er den Zusatz selbst geschrieben und unterschrieben hat, steht nach der auch insoweit glaubhaften Aussage der Zeugin C fest, die das insgesamt bestätigt hat. Diese reicht aus, um die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit dieser Behauptung zu begründen. Die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens ist darüberhinaus nicht erforderlich. Die Klägerin musste daher nicht nochmals aufgefordert werden, vergleichendes Schriftmaterial vorzulegen, was ihr bereits das Landgericht mit Verfügung vom 12.1.2019 aufgegeben hatte, ohne dass sie dem nachgekommen war.

Der Umstand, dass der Beklagte den Vertragstext nicht sofort gleichfalls unterschrieb, sondern dies erst später tun wollte, hatte für keinen der damaligen Vertragspartner die Bedeutung, dass der Beklagte nicht schon sein Einverständnis mündlich erklärt hätte. Ob ein persönlich übergebener verkörperter Antrag eine Annahmefrist im Sinne des § 147 Abs. 2 BGB in Gang setzte, die zum Zeitpunkt des Zugangs eines auch von dem Beklagten unterzeichneten Vertragsexemplars abgelaufen gewesen sein könnte, da Herr A mit der Annahme seines Antrags unter regelmäßigen Umständen nicht mehr rechnen durfte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 147, Rdnr. 5 m.w.N.). Nach den Umständen des Falles lag aber für beide Vertragsparteien ersichtlich bereits das Einverständnis beider, insbesondere des Beklagten vor, der an der Verlängerung des Vertrages ein besonderes Interesse hatte. Dieses besondere Interesse ergibt sich aus seinen insgesamt völlig plausiblen Angaben bereits beispielsweise im Schriftsatz vom 5.2.2018 (Blatt 219 ff. der Akte) sowie in der mündlichen Verhandlung. Der Beklagte hatte ein besonderes Interesse an einem möglichst langfristigen Mietvertrag, insbesondere da er als Landwirt seinen Betrieb nicht ohne weiteres verlegen konnte und da unter anderem ein langfristiger Pachtvertrag Voraussetzung für weitere von ihm geplante Darlehensgewährungen seitens eines Finanzierungsinstituts war. Die Angaben des Beklagten hat auch der Zeuge B, dem die Umstände im Einzelnen bekannt waren, insgesamt glaubhaft bestätigt. Gleiches gilt für den Zeugen E. Nach seinen Unterlagen besteht tatsächlich eine ganz erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Bank tatsächlich die Verlängerungsvereinbarung der damaligen Vertragsparteien in von beiden Seiten unterzeichneter Form vorlag. Demgegenüber hat keiner der Zeugen irgendwelche Umstände geschildert, aus denen sich der Sinn einer möglichen Erklärungsfrist für den Beklagten hätte ergeben können. Auch aus den Angaben der Klägerin ergibt sich eine solche Möglichkeit nicht. Der Umstand, dass bereits bei der mündlichen Vereinbarung ihre schriftliche Niederlegung und beiderseitige Unterzeichnung beabsichtigt war, reicht allein hierfür nicht aus. Nachdem die Vertragsparteien sich mündlich bereits endgültig und verbindlich geeinigt hatten, hatte die beabsichtigte schriftliche Niederlegung allein Beweisfunktion im Rahmen des langfristigen Vertrages sowie die Funktion, die gesetzliche Schriftform des § 585 a BGB zu wahren, die aber wie oben dargelegt gerade kein Wirksamkeitserfordernis ist, sondern lediglich die Kündbarkeit des Vertrages ausschließen soll.

Da nach dem Ergebnis der Verhandlung und der Beweisaufnahme mithin feststeht, dass sich Herr A und der Beklagte bereits über die Verlängerung des Vertrages und deren Bedingungen einig waren, ist für die Vermutungsregelung des § 154 Abs. 2 BGB, nach welcher im Falle der Vereinbarung der Beurkundung eines beabsichtigten Vertrages dieser im Zweifel nicht geschlossen ist, bis die Beurkundung erfolgt ist, kein Raum, da ein solcher Zweifel gerade nicht besteht.

Der Vertrag der Parteien ist auch nicht deshalb nach den gesetzlichen Vorschriften ordentlich kündbar, weil er nicht die gesetzliche Schriftform wahrte (§ 585 a BGB). Er ist vielmehr in der gesetzlichen Schriftform gefasst, indem er den vollständigen Text der getroffenen Vereinbarung enthält und dieser Zusatz von beiden Vertragsparteien unterzeichnet ist (§ 126 Abs. 1, 2 BGB). Es reicht aus, dass die äußere Form durch das Vorhandensein der beiderseitigen Unterschriften eingehalten ist, dass darüber hinaus der Vertrag gerade auch durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen gemäß den §§ 145, 147 Abs. 2 BGB zustandegekommen ist, ist nicht erforderlich (vgl. BGH, NJW 2010, 1518 ff., m.w.N.; Guhling/Günter/Schweitzer, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, § 550, Rdnr. 18). Damit reicht es aus, dass der Beklagte über ein von beiden Seiten unterzeichnetes Vertragsexemplar verfügt.

Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).

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