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Nachbaranspruch auf Beseitigung eines Oberflächenwasserkanals auf Privatgrundstück

Eigentumsrecht: Gericht stärkt Widerstandsrecht gegen unerlaubte Kanalverlegung

In einem Urteil des OLG Bamberg (Az.: 3 U 305/22 vom 18.10.2023) wurde entschieden, dass die unberechtigte Inanspruchnahme privater Grundstücke durch einen Oberflächenentwässerungskanal eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellt, deren Beseitigung der Grundstückseigentümer nach § 1004 BGB verlangen kann. Die Beklagte wurde verurteilt, den Kanal zu entfernen und die betroffenen Grundstücke in den Zustand vor der Kanalverlegung zurückzuversetzen, da weder eine Einwilligung der Kläger vorlag noch eine Duldungspflicht aus anderen rechtlichen Gründen bestand.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 U 305/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Oberflächenentwässerungskanal, der ohne Einwilligung der Grundstückseigentümer auf deren Grundstück verlegt wurde, stellt eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, die beseitigt werden muss.
  • Die Beklagte wurde zur Beseitigung des Kanals und zur Wiederherstellung der betroffenen Grundstücke in den ursprünglichen Zustand verurteilt, einschließlich der Entfernung des aufgebrachten Schotters und der Wiederherstellung des ursprünglichen Gefälles des Weges.
  • Die Entscheidung basiert auf § 1004 BGB, der einen Anspruch auf Beseitigung jeglicher Beeinträchtigung gewährt, die der Eigentümer nicht zu dulden verpflichtet ist.
  • Die Klage der Grundstückseigentümer war sowohl zulässig als auch begründet, da weder eine Einwilligung zur Kanalverlegung erteilt wurde noch eine rechtliche Grundlage für eine Duldungspflicht bestand.
  • Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
  • Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 € vorläufig vollstreckbar, eine Revision wurde nicht zugelassen.
  • Die Entscheidung berücksichtigt sowohl die gegenwärtige Nutzung der Grundstücke als auch potenzielle zukünftige Beeinträchtigungen, die durch die Kanalverlegung entstehen könnten.
  • Die Argumentation der Beklagten, dass eine Duldungspflicht aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften resultiere, wurde abgelehnt.
  • Eine unterstellte Einwilligung der Kläger wurde wirksam widerrufen, bevor mit der Kanalverlegung begonnen wurde.
  • Die Verlegung des Kanals ohne Zustimmung der Eigentümer und ohne rechtliche Grundlage für eine Duldung wurde als rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung angesehen.

Grundstücke gehören zu den wichtigsten Vermögenswerten

Mit dem Eigentum an einem Grundstück sind beträchtliche Rechte und Pflichten verbunden. Das Eigentumsrecht gewährt dem Eigentümer weitreichende Befugnisse zur Nutzung und Verwaltung seines Grundbesitzes. Gleichzeitig schützt es vor unberechtigten Eingriffen Dritter auf das Grundstück.

In der Praxis kann es jedoch zu Situationen kommen, in denen Nachbarn oder Gemeinden Einrichtungen auf fremde Grundstücke verlegen. Ein Musterfall sind Oberflächenwasserkanäle, die zur Entwässerung angelegt werden. Hier prallen unterschiedliche Interessen aufeinander, die einer rechtlichen Klärung bedürfen.

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➜ Der Fall im Detail


Recht auf Eigentumsfrieden führt zur Beseitigung eines Wasserkanals

In einem aufsehenerregenden Fall vor dem Oberlandesgericht Bamberg, Aktenzeichen 3 U 305/22, urteilte das Gericht am 18. Oktober 2023, dass die Anlage eines Oberflächenwasserkanals auf privatem Grund ohne Zustimmung der Eigentümer eine zulässige Eigentumsbeeinträchtigung darstellt. Dieser Fall betraf mehrere Grundstücke, durch die ein solcher Kanal verlegt wurde, um ein Neubaugebiet vor Überschwemmungen zu schützen. Die Grundstückseigentümer sahen darin eine unzumutbare Inanspruchnahme ihres Eigentums und klagten auf dessen Beseitigung, gestützt auf § 1004 BGB, der die Beseitigung von Eigentumsbeeinträchtigungen regelt.

Gerichtliche Feststellungen zur Unzulässigkeit der Kanalverlegung

Das Gericht stellte fest, dass die unberechtigte Nutzung fremden Eigentums ohne Einwilligung der Eigentümer oder eine gesetzliche Grundlage für eine Duldungspflicht, eine klare Verletzung des Eigentumsrechts darstellt. Die Beklagte, die für die Verlegung des Kanals verantwortlich war, konnte keine ausreichende Rechtsgrundlage für ihr Handeln vorweisen. Insbesondere wurde aufgezeigt, dass eine anfänglich möglicherweise erteilte Einwilligung durch die Kläger wirksam widerrufen wurde, bevor die Bauarbeiten begannen. Das Argument, dass die Kläger die Maßnahme aufgrund eines zuvor erteilten Einverständnisses zu dulden hätten, wurde vom Gericht als nicht stichhaltig erachtet.

Gründe für die Entscheidung und deren Auswirkungen

Zentral für die Entscheidung des Gerichts war die Bedeutung des Eigentumsrechts und dessen Schutz vor unzulässigen Eingriffen. Es wurde betont, dass der Schutz des Eigentums ein fundamentales Prinzip des deutschen Rechtssystems ist. Die Beklagte wurde daher zur Beseitigung des Kanals und zur Wiederherstellung der Grundstücke in den Zustand vor der Baumaßnahme verurteilt. Dies umfasst unter anderem die Entfernung des Schotters und die Wiederherstellung des ursprünglichen Gefälles. Darüber hinaus wurde die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

Juristische Begründung der Urteilsfindung

Die juristische Grundlage der Entscheidung lag vor allem in der Auslegung des § 1004 BGB, der den Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung bei Beeinträchtigungen regelt. Das Gericht legte dar, dass nicht die Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern der dem Eigentum widersprechende Zustand maßgeblich für den Anspruch sei. Zudem wurde die Anwendung des § 905 BGB diskutiert, welcher regelt, dass der Eigentümer Einwirkungen auf sein Grundstück grundsätzlich verbieten kann, es sei denn, er kann kein Interesse an der Ausschließung haben. Im vorliegenden Fall wurde ein solches Interesse der Kläger klar bejaht.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Dieses Urteil unterstreicht die Wichtigkeit des Eigentumsschutzes und setzt ein klares Signal gegen die unberechtigte Inanspruchnahme privater Grundstücke. Es zeigt auf, dass Eigentümer nicht zwingend Maßnahmen auf ihrem Grund dulden müssen, selbst wenn diese im öffentlichen Interesse liegen, sofern keine rechtliche Grundlage für eine solche Duldungspflicht besteht oder die Einwilligung der Eigentümer fehlt. Das Urteil betont zudem die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung von Bauvorhaben und der Einholung aller notwendigen Genehmigungen und Zustimmungen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Rechte haben Grundstückseigentümer bei Eingriffen durch Dritte?

Grundstückseigentümer haben umfassende Rechte, um sich gegen unberechtigte Eingriffe Dritter in ihr Eigentum zu wehren:

Das Eigentumsrecht an Grundstücken wird durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützt. Der Eigentümer kann nach § 903 BGB grundsätzlich frei über sein Grundstück verfügen und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen.

Eingriffe Dritter in das Grundstückseigentum, die über eine bloße Belästigung hinausgehen und zu einer dauerhaften Beeinträchtigung führen, muss der Eigentümer nicht dulden. Er kann die Beseitigung der Beeinträchtigung und ggf. Schadensersatz verlangen. Beispiele für unzulässige Eingriffe sind:

  • Das teilweise Überbauen des Grundstücks durch Gebäudeteile des Nachbarn
  • Die unerlaubte Nutzung des Grundstücks durch Dritte, z.B. durch Abstellen von Gegenständen
  • Einwirkungen durch Immissionen wie Gerüche oder Lärm, die das ortsübliche Maß überschreiten

Gegen solche Beeinträchtigungen kann der Grundstückseigentümer gerichtlich mit Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen vorgehen. Zudem stehen ihm ggf. Schadensersatzansprüche zu.

Allerdings unterliegt das Eigentumsrecht auch Beschränkungen. So muss der Eigentümer Eingriffe dulden, die sich aus dem Gesetz ergeben, z.B. behördliche Maßnahmen. Auch bestimmte geringfügige Einwirkungen durch Nachbarn sind hinzunehmen, wenn sie ortsüblich sind und die Benutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen.

Zusammengefasst gewährt das Eigentumsrecht dem Grundstückseigentümer umfassenden Schutz gegen Fremdeinwirkungen. Er kann sich mit rechtlichen Mitteln gegen unzulässige dauerhafte Beeinträchtigungen seines Eigentums zur Wehr setzen. Lediglich geringfügige Eingriffe und gesetzlich erlaubte Maßnahmen muss er dulden.

Wie kann man gegen eine Eigentumsbeeinträchtigung vorgehen?

Grundstückseigentümer haben verschiedene Möglichkeiten, gegen unberechtigte Eingriffe Dritter in ihr Eigentum vorzugehen:

Zunächst sollte der Eigentümer den Störer direkt zur Unterlassung und Beseitigung der Beeinträchtigung auffordern. Oft lässt sich der Konflikt bereits durch eine klare Kommunikation lösen.

Kommt der Störer der Aufforderung nicht nach, kann der Eigentümer gerichtlich gegen ihn vorgehen. Zentrale Anspruchsgrundlage ist § 1004 BGB. Danach kann der Eigentümer vom Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen, wenn sie noch andauert. Zudem hat er einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gegen künftige Störungen, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht.

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Um diese Ansprüche durchzusetzen, muss der Eigentümer notfalls Klage beim zuständigen Gericht einreichen. Er kann dann im Wege der Zwangsvollstreckung die Beseitigung der Beeinträchtigung und die Unterlassung weiterer Störungen erzwingen. Daneben kommen unter Umständen auch Schadensersatzansprüche in Betracht.

Zu beachten ist, dass nicht jeder Eingriff unzulässig ist. Geringfügige Beeinträchtigungen, die sich im Rahmen nachbarschaftlicher Rücksichtnahme halten, sowie hoheitliche Maßnahmen muss der Eigentümer dulden. Hier scheidet ein Vorgehen aus.

Insgesamt hat der Eigentümer also gute Möglichkeiten, sich gegen Fremdeinwirkungen auf sein Grundstück zu wehren. Neben der außergerichtlichen Kontaktaufnahme stehen ihm mit dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB wirksame Rechtsinstrumente zur Verfügung, um unzulässige dauerhafte Beeinträchtigungen seines Eigentums abzustellen.

Was umfasst der Begriff der Eigentumsbeeinträchtigung?

Der Begriff der Eigentumsbeeinträchtigung umfasst jede Einwirkung auf das Eigentum, die gegen den Willen des Eigentümers erfolgt und nicht durch Gesetz oder Rechte Dritter gedeckt ist. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um eine Substanzverletzung oder Beschädigung handeln. Vielmehr reicht jeder Zustand aus, der mit dem Inhalt des Eigentums nach § 903 BGB nicht im Einklang steht.

Beispiele für Eigentumsbeeinträchtigungen sind:

  • Das unerlaubte Betreten eines Grundstücks
  • Die Einschränkung der Benutzbarkeit eines Grundstücks, z.B. durch einen umgestürzten Baum
  • Das Abstellen von Gegenständen auf fremdem Grund
  • Übermäßige Immissionen wie Gerüche oder Lärm
  • Filmaufnahmen von einem Grundstück aus

Entscheidend ist, dass der Eigentümer die Beeinträchtigung nicht hinnehmen muss. Geringfügige Einwirkungen, die sich im Rahmen der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme halten, stellen daher keine Eigentumsbeeinträchtigung dar.

Auch ist zu beachten, dass nicht jede Beeinträchtigung zu einem Schaden führen muss. Für den Tatbestand des § 1004 BGB kommt es darauf nicht an. Ebenso wenig ist Verschulden erforderlich.

Zusammengefasst liegt eine Eigentumsbeeinträchtigung immer dann vor, wenn in den Herrschaftsbereich des Eigentümers ohne dessen Zustimmung eingegriffen wird und dieser Eingriff eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Der Begriff ist weit zu verstehen und erfasst jede Behinderung der umfassenden Eigentümerbefugnisse.

Welche Rolle spielt die Einwilligung des Eigentümers bei Eingriffen in sein Eigentum?

Die Einwilligung des Eigentümers spielt eine zentrale Rolle, wenn Dritte auf sein Eigentum einwirken wollen:

Grundsätzlich kann der Eigentümer nach § 903 BGB frei über sein Eigentum verfügen und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Eingriffe Dritter sind nur mit seiner Zustimmung zulässig.

Die Einwilligung des Eigentümers ist in verschiedenen Konstellationen relevant:

  • Bei Verfügungen über das Eigentum durch Nichtberechtigte wird die Verfügung erst mit Zustimmung des Eigentümers wirksam, § 185 BGB.
  • Soll ein Grundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt werden, ist die Zustimmung von Grundpfandgläubigern entbehrlich. Hier genügt die Einwilligung des Eigentümers.
  • Auch Fotos einer vermieteten Wohnung dürfen nur mit Einwilligung des Mieters angefertigt werden, da sie in dessen Persönlichkeitsrechte eingreifen.

Ausnahmsweise kann auf die Zustimmung des Eigentümers verzichtet werden:

  • Bei ärztlichen Eingriffen reicht eine hypothetische oder mutmaßliche Einwilligung, wenn der Patient selbst nicht einwilligen kann.
  • Zum Schutz lebenswichtiger Interessen dürfen sensible Daten auch ohne Einwilligung verarbeitet werden.
  • Geringfügige Eingriffe durch Nachbarn muss der Eigentümer im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses dulden.

Zusammengefasst ist die Einwilligung des Eigentümers der Regelfall, wenn Dritte auf sein Eigentum einwirken wollen. Sie sichert die umfassende Herrschaftsbefugnis des Eigentümers über seine Sache. Nur in engen Grenzen kann ausnahmsweise auf die Zustimmung verzichtet werden, insbesondere wenn höherrangige Interessen dies erfordern.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 1004 BGB (Beseitigung und Unterlassung): Erklärt, dass bei einer Beeinträchtigung des Eigentums der Eigentümer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann, sofern er diese nicht zu dulden verpflichtet ist. Im Kontext des Falls ist dies die primäre Rechtsgrundlage für die Forderung der Kläger, den Oberflächenwasserkanal zu beseitigen.
  • § 903 BGB (Befugnisse des Eigentümers): Erläutert, dass der Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. Dies unterstreicht das Recht der Grundstückseigentümer, gegen die ungewollte Nutzung ihres Eigentums durch den Kanal vorzugehen.
  • § 905 BGB (Beschränkungen der Oberflächen- und Luftraumnutzung): Gibt an, dass Einwirkungen auf das Grundstück, die in einer solchen Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass der Eigentümer an der Ausschließung kein Interesse hat, nicht verboten werden können. Dieser Paragraph war relevant für die Überlegungen, ob die Kläger den Kanal dulden müssen.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben): Verweist auf den Grundsatz, dass Rechte nicht zum Nachteil anderer in einer Weise ausgeübt werden dürfen, die gegen Treu und Glauben verstößt. Dies wurde im Zusammenhang mit dem widersprüchlichen Verhalten der Kläger diskutiert.
  • Art. 6 Abs. 5 und Art. 22 Abs. 2 BayStrWG (Bayerisches Straßen- und Wegegesetz): Regelt die Nutzung von Feld- und Waldwegen sowie die Sondernutzung öffentlicher Wege, was für die rechtliche Bewertung der Kanalverlegung unter einem solchen Weg relevant war.
  • § 19 Abs. 1 der Entwässerungssatzung (EWS): Spezifiziert die Bedingungen, unter denen Entwässerungsanlagen auf privaten Grundstücken geduldet werden müssen. Im verhandelten Fall fehlten die Voraussetzungen für eine Duldung nach dieser Satzung, da der Kanal nicht an das Entwässerungssystem der Beklagten angeschlossen war.


Das vorliegende Urteil

OLG Bamberg – Az.: 3 U 305/22 – Urteil vom 18.10.2023

Leitsätze:

1. In der unberechtigten Inanspruchnahme privater Grundstücke durch einen Kanal liegt eine Eigentumsbeeinträchtigung, deren Beseitigung der Grundstückseigentümer nach § 1004 BGB verlangen kann. Das Gesetz knüpft die Rechtsfolge des § 1004 BGB an jegliche Beeinträchtigung, die der Eigentümer zu dulden nicht verpflichtet ist; nicht die Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern der dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand begründet den Abwehranspruch.

2. Nach § 905 S. 2 BGB kann der Eigentümer nur solche Einwirkungen auf das Grundstück nicht verbieten, die in einer solchen Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat oder haben kann. Dabei ist nicht nur die gegenwärtige Nutzung maßgebend, es sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die erst in Zukunft eine Behinderung besorgen lassen. Versorgungsleitungen in einer Tiefe von 2 bis 3 m berühren grundsätzlich die bauliche Nutzbarkeit eines innerstädtischen Grundstücks und können einer späteren Bebauung hinderlich sein.

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bayreuth vom 21.11.2022, Aktenzeichen 23 O 868/20, abgeändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, den Oberflächenentwässerungskanal, der auf der als Flur-Nr. 374/1 bezeichneten Teilfläche durch die Grundstücke mit den Flur-Nr.: 339/1 (Imkersteig 25a, 9… K1.), 339 (Imkersteig 25, 9… K1.) und 379 (Pressecklein) verläuft, vollständig und fachgerecht zu beseitigen und die vorgenannten Grundstücke fachgerecht in den Zustand vor der Kanalverlegung zurückzuversetzen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.192,86 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 30.12.2020 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklage.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt – ohne Tatbestand – nach § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Die zulässige Berufung der Kläger hat Erfolg und führt unter Abänderung des angegriffenen Ersturteils zur Klagestattgabe.

I.

Die Klage ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig. Der Senat ist nach § 17 a Abs. 5 GVG an die Entscheidung des Landgerichts, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten sei eröffnet, gebunden. Eine inhaltliche Überprüfung dieser Entscheidung findet im Berufungsverfahren daher nicht mehr statt.

II.

Die Klage ist auch vollumfänglich begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht einen Anspruch der Kläger auf Beseitigung des Kanals nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog verneint.

1. Rechtsgrundlage für das Begehren der Kläger, den Oberflächenwasserkanal aus ihren Grundstücken zu entfernen, ist § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, der bei Eigentumsstörungen durch (schlicht) hoheitliche Tätigkeit entsprechend anzuwenden ist (BayVGH BayVBl 2010, 629 Rn. 19 m.w.N.; BayVGH BayVBl 2007, 307 Rn. 12). Die Verlegung des Kanals diente dem Schutz des Neubaugebiets „Schieferberg III“ vor der Überschwemmung mit Oberflächenwasser und ist daher als hoheitliche Maßnahme zu qualifizieren. In der unberechtigten Inanspruchnahme privater Grundstücke durch einen Kanal liegt eine Eigentumsbeeinträchtigung, deren Beseitigung der Grundstückseigentümer nach § 1004 BGB verlangen kann (vgl. BGH NJW 1994, 999 Rn. 19). Das Gesetz knüpft die Rechtsfolge des § 1004 BGB an jegliche Beeinträchtigung, die der Eigentümer zu dulden nicht verpflichtet ist; nicht die Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern der dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand begründet den Abwehranspruch.

2. Der Anspruch der Kläger auf Beseitigung des Kanals ist nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, denn die Kläger sind nicht verpflichtet, den Kanal nebst Nebenanlagen auf ihren Grundstücken zu dulden.

a) Insoweit noch zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Kläger nicht ihre Einwilligung zur Verlegung des Oberflächenabwasserkanals erteilt haben.

Eine Einwilligung der Kläger lässt sich, anders als die Beklagte meint, nicht der Anlage B 5 entnehmen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts, die durch das Vorbringen in der Berufungserwiderung nicht entkräftet werden, kann der Senat daher zunächst Bezug nehmen. Schon dem Wortlaut der Anlage lässt sich eine Einwilligung nicht entnehmen, wenn es dort heißt, dass alle Anwesenden „prinzipiell mit der Maßnahme unter folgenden Voraussetzungen einverstanden“ seien. Die dann aufgezählten (drei) Voraussetzungen sind unstreitig nicht von der Beklagten erfüllt worden.

Soweit die Beklagte – losgelöst von der Anlage B 5 – eine (weitergehende) mündliche Einwilligung der Kläger behauptet, kann der Senat zu Gunsten der Beklagten unterstellen, dass eine solche zunächst erteilt wurde. Allerdings haben die Kläger die – unterstellte – Einwilligung jedenfalls mit Schreiben vom 20.11.2019, das am 22.11.2019 bei der Beklagten eingegangen ist, widerrufen. In dem Schreiben heißt es ausdrücklich: „Wir als Grundstückseigentümer ziehen bis zur offiziellen Klärung unsere Zustimmung für den Baubeginn zurück!!!“. Weshalb die Beklagte gleichwohl am 25.11.2019 mit dem Bau des Kanals begonnen hat, obwohl weder eine Einwilligung der Kläger vorlag noch eine vertragliche Übereinkunft mit diesen erzielt worden war, erschließt sich dem Senat nicht.

Der Widerruf der – unterstellten – Einwilligung war auch wirksam, denn eine einmal erteilte Einwilligung ist frei widerruflich (BGH NJW-RR 2014, 1043 Rn. 21). Der Senat kann insoweit auch nicht der Argumentation der Beklagten folgen, das Verhalten der Kläger, insbesondere der Widerruf ihrer Einwilligung, sei widersprüchlich und daher nach Treu und Glauben unbeachtlich (§ 242 BGB), weil zunächst der Verlegung des Kanals zugestimmt worden sei, später dann dessen Beseitigung verlangt werde. Dieser Vortrag liegt schon deshalb neben der Sache, weil die Kläger ihre – unterstellte – Einwilligung bereits am 22.11.2019 und damit vor Beginn der Bauarbeiten widerrufen haben. Es ist daher nicht ersichtlich, wie auf Seiten der Beklagten ein Vertrauenstatbestand dafür geschaffen worden sein soll, dass der einmal verlegte Kanal nicht wieder beseitigt werden müsse.

b) Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht in seiner Annahme, die Kläger hätten den Oberflächenwasserkanal nach § 905 Satz 2 BGB zu dulden, da kein Ausschließungsinteresse erkennbar sei. Richtig ist zwar, dass wegen der Widmung des „Schieferbergwegs“ als Feld- und Waldweg die Nutzung dieser Teilfläche für die Kläger bereits erheblich eingeschränkt ist. Nach § 905 Satz 2 BGB kann der Eigentümer jedoch nur solche Einwirkungen auf das Grundstück nicht verbieten, die in einer solchen Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat oder haben kann. Dabei ist nicht nur die gegenwärtige Nutzung maßgebend, vielmehr sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die erst in Zukunft eine Behinderung besorgen lassen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Versorgungsleitungen in einer Tiefe zwischen 2 und 3 m grundsätzlich die bauliche Nutzbarkeit eines innerstädtischen Grundstücks berühren und daher einer späteren Bebauung hinderlich sein können (BayVGH BayVBl 2010, 629 Rn. 25 m.w.N.).

Das Landgericht hat – neben diesen grundsätzlichen Erwägungen – nicht in den Blick genommen, dass die Kläger unter Bezugnahme auf das Privatgutachten des Privatsachverständigen Sch… (Anlage K 13, dort Seite 21) vorgetragen haben, durch die Verlegung des Kanals sei das Gefälle des „Schieferbergwegs“ verändert worden. Während das Gefälle früher in Richtung des nicht zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks Flur-Nr. 379 gelaufen sei, verlaufe es nun in Richtung der mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke. Durch die gleichzeitige Schotterung des Weges erhöhe sich die Gefahr von Wassereintritten auf den Grundstücken erheblich (vgl. Bl. 64). Diesen qualifizierten Parteivortrag hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten. Hinzu kommt, dass sich die Beklagte einen Schutzstreifen von 1,50 Meter links und rechts der Kanalmitte zusichern lassen möchte, der nicht bebaut und indem nichts angepflanzt werden darf (vgl. Anlage K 5, K 6). Diese Auswirkungen der Kanalverlegung, die sich bis zur Oberfläche der Fläche Flur-Nr. 374/1 erstrecken, hat das Landgericht nicht berücksichtigt. Bereits unter diesen Gesichtspunkten lässt sich ein Ausschließungsinteresse nicht verneinen, ohne dass der Senat die tatsächliche Verlegungstiefe des Kanals weiter aufklären müsste.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten, der sich das Landgericht wohl mit seinen Überlegungen zu einer „öffentlich-rechtlichen Versorgungsaufgabe“ angeschlossen hat, ergibt sich eine Duldungspflicht auch nicht aus Art. 6 Abs. 5, 22 Abs. 2 BayStrWG. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist, dass die Verlegung eines Oberflächenwasserkanals unter einem Feld- und Waldweg eine Sondernutzung dieses Weges darstellt. Diese Wertung zieht keine der Parteien in Zweifel. Wenn es sich aber um eine Sondernutzung des Wegs handelt, kann die Beklagte aus der öffentlichen Widmung des Weges an sich nichts zu ihren Gunsten herleiten. Die öffentliche Widmung als Feld- und Waldweg berechtigt die Beklagte gerade nicht zur Verlegung eines Kanals unter dem Weg.

Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass die Voraussetzungen des Art. 22 Abs. 2 BayStrWG vorliegen, denn aus der Vorschrift lässt sich ebenfalls keine Duldungspflicht herleiten. Aus ihr folgt nur, dass für die in der Verlegung des Kanals liegende Sondernutzung des Wegs keine öffentlich-rechtliche Genehmigung erforderlich ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, wie offenbar die Beklagte annimmt, dass damit jegliche Sondernutzung zulässig wäre. Vielmehr verweist die Vorschrift auf das bürgerliche Recht, setzt also eine Einwilligung des Eigentümers oder eine vertragliche Vereinbarung mit diesem voraus. An beidem fehlt es im Streitfall.

d) Weiter ist auch die Annahme des Landgerichts, die Kläger seien „aus § 242 BGB“ zur Duldung verpflichtet, nicht tragfähig. Dies ist zwar grundsätzlich denkbar (vgl. BayVGH BayVBl 2010, 629 Rn. 28). Schon aufgrund der vorstehend dargestellten Beeinträchtigungen der Grundstücke der Kläger kann das Beseitigungsverlangen jedoch nicht als von vornherein rechtsmissbräuchlich oder schikanös angesehen werden.

e) Eine Duldungsverpflichtung ergibt sich schließlich nicht aus § 19 Abs. 1 der Entwässerungssatzung (EWS) der Beklagten. Dies kommt zwar theoretisch in Betracht (vgl. BayVGH BayVBl 2007, 307 Rn. 22). Die in der Satzung genannten Voraussetzungen liegen allerdings nicht vor. Der verfahrensgegenständliche Kanal ist unstreitig nicht an die Grundstücke der Kläger oder das sonstige Entwässerungs- und Abwassersystem der Beklagten angeschlossen. Vielmehr verläuft er direkt vom Grundstück Flur-Nr. 342 zu einem Vorfluter. Daher liegen die in § 19 Abs. 1 Satz 2 EWS genannten Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor.

Abweichender tatsächlicher Vortrag der Beklagten – sollte ihr Vorbringen insbesondere im Schriftsatz vom 13.10.2023 so zu verstehen sein – wäre jedenfalls präkludiert (§ 530, § 296 Abs. 1 ZPO).

3. Die Kläger können nach alledem von der Beklagten verlangen, dass der Oberflächenentwässerungskanal, der auf der als Flur-Nr. 374/1 bezeichneten Teilfläche durch die Grundstücke mit den Flur-Nr.: 339/1, 339 und 379 verläuft, vollständig und fachgerecht beseitigt wird. Zudem hat die Beklagte die vorgenannten Grundstücke fachgerecht in den Zustand vor der Kanalverlegung zurückzuversetzen (vgl. hierzu das Lichtbild Anlage K 12, Seite 26), insbesondere den aufgebrachten Schotter zu entfernen und das Gefälle des Weges wieder in Richtung des Grundstücks Nr. 379 herzustellen.

4. Gegen Grund und Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren bringt die Beklagte nichts Durchgreifendes vor.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts ab. Zudem ist der Streitfall von den tatsächlichen Besonderheiten im konkreten Einzelfall geprägt, etwa dem Wortlaut der Anlage B 5 und den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort (Kanal, Feldweg, Gefälle etc.).

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