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Nutzungsausfallschaden für ein defektes Mobilfunktelefon

LG Hagen (Westfalen), Az.: 7 S 70/16, Urteil vom 09.02.2017

Die Berufung der Klägerin gegen das am 08.07.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schwelm (Az.: 20 C 551/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche der Klägerin auf Grund eines defekten Smartphones.

Der Beklagte übereignete der Klägerin am 02.06.2014 ein neues Mobiltelefon der Marke T3, Z2 auf Grund eines zwischen den Parteien am 28.05.2014 abgeschlossenen Kaufvertrags zu einem Kaufpreis von 79,00 EUR. Die Klägerin hatte zudem einen durch den Beklagten vermittelten Mobilfunkvertrag abgeschlossen.

Am 08.09.2014 suchte die Klägerin den Beklagten in dessen Geschäft auf und rügte den Ausfall der Touch-Funktion des Displays des Mobiltelefons, die zwischen den Parteien unstreitig ist. Der Beklagte nahm das Gerät an und füllte einen an die X2 gerichteten Serviceauftrag mit der Fehlerbeschreibung „Display ohne Funktion“ aus. Persönliche Angaben der Klägerin waren in diesem Auftrag nicht enthalten, sondern ausschließlich die Händlerdaten des Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Auftrags wird auf dessen als Anlage K2 zur Klageschrift vom 23.12.2014 zu den Akten gereichten Ablichtung (Bl. 14 d. A.) Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin in der Zwischenzeit mehrfach den Verbleib ihres Gerätes erfragt hatte, holte sie es am 28.10.2014 in unrepariertem Zustand ab, wobei der Beklagte jegliche Reparaturleistung verweigerte. Mit Schreiben vom 15.09.2014 (Anlage B1 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 16.03.2015, Bl. 36 d. A.) hatte die X2 dem Beklagten nämlich mitgeteilt, der Schaden an dem Mobiltelefon sei auf grobe Behandlung zurückzuführen, so dass kein Garantiefall vorliege.

Nutzungsausfallschaden für ein defektes Mobilfunktelefon
Symbolbild: diy13/Bigstock

Zum Zeitpunkt der Rückgabe des Mobiltelefons an die Klägerin wies dieses zahlreiche Beschädigungen am Gehäuse auf. Zudem war neben der aufgehobenen Touch-Funktion auch die Display-Funktion partiell aufgehoben. Inwieweit diese Beschädigungen bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Gerätes von der Klägerin an den Beklagten vorhanden waren, war zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin hat unter Beweisantritt behauptet, zu diesem Zeitpunkt sei lediglich die Touch-Funktion ausgefallen.

Auch in der Folgezeit lehnte der Beklagte jegliche Reparatur des defekten Gerätes oder die Neulieferung eines anderen Gerätes ab. Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe die Reparatur ihres Gerätes im Rahmen der Herstellergarantie begehrt, nicht jedoch ihm gegenüber Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Zudem sei das Gerät zum Zeitpunkt der Übereignung frei von Mängeln gewesen.

Die Parteien vertreten zudem unterschiedliche Auffassungen zu der Frage, ob der Beklagte zum Ersatz eines Nutzungsausfallschadens verpflichtet ist.

Die Klägerin hatte zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrages über das Mobiltelefon auch einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen, der sie gegen Zahlung einer monatlichen Gebühr zur unbegrenzten Telefonie, zum unbegrenzten Austausch von SMS-Nachrichten und zur Nutzung des mobilen Internet mit einem Datenvolumen von maximal zwei Gigabyte im Monat berechtigte. Sie nutzte das Mobiltelefon daher zum Telefonieren, zum Versenden und Empfangen von Nachrichten, zum Aufnehmen von Terminen, zum Betreiben des Online-Bankings, zur generellen Information, insbesondere der Abfrage von Busverbindungen, zur Aufnahme und Speicherung von Fotos und zur Speicherung und zum Abspielen von Musik. Nach dem Ausfall des streitgegenständlichen Gerätes stand ihr ein gebrauchtes Gerät der Marke T3, U zur Verfügung, dessen Display im Vergleich zum streitgegenständlichen Gerät sehr viel kleiner war. Zudem hat die Klägerin behauptet, das Ersatzgerät „hänge sich regelmäßig auf“.

Die Klägerin hat daher in erster Instanz die Auffassung vertreten, ihr stehe der Ersatz eines Nutzungsausfallschadens in Höhe von 1,00 EUR täglich zu. Hierzu hat sie behauptet, ein dem streitgegenständlichen vergleichbares Gerät sei auf dem Markt, beispielsweise bei dem Anbieter „G“ bei längerer Anmietdauer eines Einzelgeräts zu einem Preis von 2,69 EUR täglich zu erhalten. Insoweit wird auf die Anlage K4 zur Klageschrift (Bl. 18 d. A.) Bezug genommen.

Neben der Übereignung eines neuen, intakten Mobiltelefons, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des alten Gerätes, der begehrten Feststellung, dass sich der Beklagte insoweit im Annahmeverzug befinde und der Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin daher ursprünglich beantragt, den Beklagten zu einer Zahlung von 107,00 EUR nebst Zinsen für Nutzungsausfall vom 08.09.2014 bis zum 23.12.2014 zu verurteilen, sowie festzustellen, dass der Beklagte für den Zeitraum danach täglich 1,00 EUR an die Klägerin zu zahlen hat, und zwar bis zur Neulieferung eines intakten Gerätes.

Im Verlauf des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Klägerin behauptet, am 29.03.2016 ein adäquates Mobiltelefon angeschafft zu haben. Daher hat sie ihren Antrag dahingehend umgestellt, der Beklagte möge zur Zahlung von 568,00 EUR verurteilt werden.

Das Amtsgericht hat der Klage im Hinblick auf die begehrte Neulieferung eines Mobiltelefons stattgegeben, hinsichtlich des Nutzungsausfalls hat es die Klage jedoch abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, der Beklagte habe den ihm obliegenden Beweis der Mangelfreiheit des Mobiltelefons zum Zeitpunkt der Übergabe an die Klägerin nicht erbracht. Vielmehr sei das Gericht nach den Angaben des Zeugen W davon überzeugt, dass Sturzschäden an dem Gerät nicht vorhanden waren, als die Klägerin es dem Beklagten zum Zwecke der Reparatur übergeben habe.

Eine Nutzungsausfallentschädigung stehe der Klägerin nicht zu, da ihr ein Ersatzgerät zur Verfügung gestanden habe, wodurch ihre stete telefonische Erreichbarkeit gewährleistet gewesen sei. Zudem habe die Klägerin auf die Anmietung eines Ersatzgerätes verzichtet und auf ihren Festnetzanschluss zurückgreifen können. Eine fühlbare Beeinträchtigung der Klägerin sei nicht erkennbar, weil eine empfundene Unverzichtbarkeit allein nicht dazu führe, dass ein eigenwirtschaftlicher, erfassbarer Einsatz des Mobiltelefons gegeben sei.

Gegen das am 14.07.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin und Berufungsklägerin unter dem 11.08.2016, beim Landgericht Hagen an diesem Tage eingegangen, Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages hat sie das Rechtsmittel begründet.

Sie behauptet, das Ersatzgerät, welches ihr zwischenzeitlich zur Verfügung gestanden habe, habe die Möglichkeit der Nutzung nur beschränkt zugelassen. Da sich das Gerät regelmäßig aufgehängt habe, könne nicht von einer Alternative die Rede sein. Sie ist der Auffassung, es könne nicht allein auf die telefonische Erreichbarkeit abgestellt werden. Ein Hauptteil der Nutzung liege bei aktuellen Smartphones in der Nutzung mobiler Internetdienste. Die Anmietung eines Ersatzgerätes sei im Hinblick auf das damit verbundene Kostenrisiko gerade nicht erforderlich gewesen. Die stationäre Internetnutzung zuhause sei kein Ersatz für die mobile Internetnutzung.

In der Rechtsprechung sei bisher Nutzungsausfall für Kühlschrank, Herd, Fernseher oder auch Computer zugesprochen worden. Ein Smartphone sei ohne weiteres vergleichbar und sogar von herausgestellter zentraler Bedeutung.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt, das am 08.07.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schwelm, Az. 20 C 55/14, dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, über den erstinstanzlich zuerkannten Liefer- und Übereignungsanspruch hinsichtlich des T3 Z2 und die zuerkannten Rechtsanwaltskosten hinaus weitere 568,00 EUR Nutzungsausfall nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 107,00 EUR seit dem 26.01.2015 und aus 461,00 EUR seit dem 29.04.2016 an die Klägerin zu zahlen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auch er hat seine im Rahmen der ersten Instanz geäußerten Rechtsauffassungen wiederholt und vertieft. Insbesondere hat er bestritten, dass das Ersatzgerät der Klägerin nur beschränkt und nicht durchgehend nutzbar war. Darüber hinaus sei es der Klägerin zumutbar, die Nutzung des Mobiltelefons auf das Telefonieren zu beschränken und auf mobile Internetdienste vorübergehend zu verzichten. Eine fühlbare Beeinträchtigung sei hier nicht erkennbar.

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Entscheidungsgründe

Die Berufung ist durch das Gericht des ersten Rechtszugs zugelassen worden und daher statthaft. Sie ist darüber hinaus zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Die Berufung beschränkt sich auf den abgewiesenen Teil der Klageforderungen, mithin den geltend gemachten Ersatz des Nutzungsausfallschadens. Die Kammer ist gemäß § 528 ZPO an diesen Antrag gebunden mit der Folge, dass eine Abänderung von vornherein nur im Hinblick auf den abgewiesenen Teil der Klage in Betracht kommt.

I.

Die Klage ist zulässig.

Es kann dahinstehen, ob die Änderung der ursprünglichen Klageanträge zu 3.) und zu 4.) zu einem neu formulierten Klageantrag zu 3.) eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO darstellen, wovon wegen des Wechsels von einem Feststellungsantrag auf einen Leistungsantrag auszugehen ist (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO-Kommentar, 31. Auflage 2016, § 264 Rn. 3b, mit weiterem Nachweis). Denn die Klageänderung ist als sachdienlich einzustufen und daher zulässig.

Eine Änderung des Streitgegenstandes ist nicht mit der Umstellung der Anträge verbunden. Für beide Parteien ist die endgültige Beendigung der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit einer rechtskräftigen Entscheidung über den Leistungsantrag eher zu erreichen, als mit einer solchen über einen Feststellungsantrag. Denn eine Feststellung birgt immer die Gefahr weiterer rechtlicher Auseinandersetzungen bei der Bestimmung der konkreten Forderungshöhe. Dies ist bereits an dem Umstand erkennbar, dass der Beklagte die klägerische Behauptung, sie habe sich am 29.03.2016 ein adäquates Ersatzgerät beschafft, bestritten hat. Im Falle der Feststellung der Zahlungspflicht des Beklagten bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses droht also weiterer Streit im Hinblick auf den Zeitpunkt seines Eintritts.

II.

Der Klägerin steht jedoch kein weiterer Anspruch auf Erstattung eines Nutzungsausfalls zu.

1. Voraussetzung für einen entsprechenden Anspruch der Klägerin gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB ist zunächst das bei Gefahrübergang ein Sachmangel am streitgegenständlichen Smartphone vorgelegen hat.

Wenngleich die hierzu durch das Amtsgericht Schwelm getroffenen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen nicht ausdrücklich mit der Berufung angegriffen wurden, handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende rechtliche Voraussetzung des Anspruchs der Klägerin auf Nutzungsausfallentschädigung.

Bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag handelt es sich im rechtlichen Sinne um einen Verbrauchsgüterkauf mit der Folge, dass zu Gunsten der Klägerin die Vermutung des § 476 BGB streitet, nach der bei Vorliegen eines Sachmangels innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang vermutet wird, dass der Sachmangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestanden hat.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2016, Az.: VIII ZR 103/15) gebietet die Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die zur Umsetzung dieser Bestimmung geschaffene Regelung des § 476 BGB im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Vorschrift schon dann eingreifen zu lassen, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand gezeigt hat, der die Haftung des Verkäufers zur Folge hätte, wobei unterstellt wird, dass dieser den Umstand der Mangelhaftigkeit zu vertreten hat. Der Käufer muss nicht darlegen und beweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist und in wessen Verantwortungsbereich er fällt. Dem Käufer kommt die Vermutungswirkung des § 476 BGB auch dahingehend zu Gute, dass im Falle eines binnen sechs Monaten zu Tage getretenen Mangels dieser auch zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Display des Smartphones eine Fehlfunktion hatte. Der Beklagte hat insoweit lediglich behauptet, diese sei auf eine Gewalteinwirkung zurückzuführen. Gemessen an den zuvor dargestellten Voraussetzungen greift zu Gunsten der Klägerin die Vermutung, dass der bestehende Sachmangel auch bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Diese Vermutung hat der Beklagte, wie das Amtsgericht Schwelm in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, auch nicht widerlegt. Insoweit wird die Beweiswürdigung des Amtsgerichts Schwelm mit der Berufung nicht beanstandet. Außerdem weist sie auch in tatsächlicher Hinsicht keine Rechtsfehler auf. Denn sowohl die zeugenschaftlichen Angaben des Zeugen W als auch die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens wurden in der angefochtenen Entscheidung zumindest vertretbar bewertet.

2. Weitere Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin auf Nutzungsausfallentschädigung wäre insbesondere, dass die Klägerin auf die ständige Verfügbarkeit des streitgegenständlichen Mobiltelefons zur eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung angewiesen war. In diesem Fall verlangt ein gerechter und vollständiger Ausgleich der Vermögensschäden, derartige Einbußen nicht entschädigungslos hinzunehmen (vgl. BGH, Großer Senat in Zivilsachen, Beschluss vom 09.07.1986 – GSZ 1/86, NJW 1986, 2037).

Der Große Senat in Zivilsachen des Bundesgerichtshofs hat in der vorstehend zitierten Entscheidung zudem ausgeführt, eine auf den Ausgleich von Vermögensschäden ausgerichtete Differenzrechnung könne nicht außer Acht lassen, dass Wesen und Bedeutung des Vermögens sich nicht in dessen Bestand erschöpften, sondern dass sie auch die im Vermögen verkörperten Möglichkeiten für den Vermögensträger umfassen, es zur Verwirklichung seiner Lebensziele zu nutzen. Diese funktionale Zuweisung sei im vermögenswerten Recht mitgeschützt. Eine derartige Ergänzung des Gesetzes müsse jedoch auf Sachen beschränkt bleiben, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen sei. Der Ersatz für Verluste des eigenen Gebrauchs in einer gruppenbezogenen Ausformung müsse grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirke. Hierzu könne auf die Verkehrsanschauung abgehoben werden (vgl. BGH, a.a.O.).

Die Erstreckung des Schadensersatzanspruchs auf den (immateriellen) Nutzungsausfallschaden kann daher lediglich unter den vorgenannten, sehr hohen Anforderungen an die mit dem Nutzungsausfall einhergehende Beeinträchtigung in der Lebensführung erfolgen. Dabei ist grundsätzlich darauf abzustellen, ob mit dem Nutzungsausfall typischerweise eine derart gravierende Beeinträchtigung verbunden ist. Andererseits ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der geschädigten Klägerin selbst ein fühlbarer Schaden entstanden ist. Daher sind ebenfalls die Möglichkeiten der Klägerin zur ersatzweisen Befriedigung ihrer Bedürfnisse in Betracht zu ziehen.

Hier ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin unstreitig ein Smartphone der Marke T3, Typ U zur Verfügung stand. Soweit die Klägerin vorträgt, das Gerät habe sich wiederholt aufgehängt, unterstellt die Kammer zunächst zu Gunsten der Klägerin, dass ihr ein Ersatzgerät zur Verfügung stand, mit dem sie lediglich telefonieren konnte.

Unstreitig stand der Klägerin zudem ein Internetanschluss auf Basis des Festnetzes zur Verfügung. Im Ergebnis stellt sich also die Frage, ob sich der Ausfall der Nutzungsmöglichkeit des mobilen Internet in Folge des Ausfalls des hierzu erforderlichen Endgerätes typischerweise als solcher auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.

Der konkrete Fall des Ausfalls der Nutzung eines Smartphones ist in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang nicht entschieden worden.

Der Ausfall des Internetzugangs kann nach Auffassung des BGH zu einem erstattungsfähigen Vermögensschaden führen (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2013 – III ZR 98/12, MMR 2013, 611). In dieser Entscheidung wird zudem ausgeführt, dass der Bundesgerichtshof den Ersatz für den Ausfall der Nutzung von Wohnmobilen, Motorsportbooten, Wohnwagen, privaten Schwimmbädern und Pelzmänteln verneint, den Ersatz für den Ausfall der Nutzung von Kraftfahrzeugen, Wohnhäusern und Ferienwohnungen hingegen zugesprochen hat. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte sei darüber hinaus ein Nutzungsausfallersatz für Kücheneinrichtungen, Fahrräder sowie Fernsehgeräte zuerkannt und für einen PC und einen Laptop für möglich gehalten worden (vgl. BGH, a.a.O.).

Zur Nutzbarkeit des Internet hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung ausgeführt, es handle sich um ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung sei. Das Internet habe sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Mediums entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar mache. Die Unterbrechung des Internetzugangs habe typischerweise Auswirkungen, die in ihrer Intensität mit dem Fortfall der Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu benutzen, ohne weiteres vergleichbar sei.

Das OLG München hat in seinem Beschluss vom 23.03.2010 (Az.: 1 W 2689/09) zur Frage der Strafverfolgungsentschädigung für die Beschlagnahme eines Laptops und eines PCs ausgeführt, der Senat halte es zumindest für diskutabel, dass die ständige Verfügbarkeit solcher Geräte mittlerweile zum notwendigen Lebensbedarf gehöre. Maßgebliche Aspekte seien hierbei der hohe Grad der Verbreitung, vor allem aber die ständig zunehmende Internetnutzung im privaten Alltag, sei es zur Informationsbeschaffung, zur Kommunikation, zur Abwicklung von Geschäften oder als Unterhaltungsmedium, die in aller Regel einen Computer erfordere.

In seinem Urteil vom 22.04.2010 (Az.: 1 U 5045/09) hat das OLG München eine Nutzungsausfallentschädigung für einen beschlagnahmten Farbfernseher zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Fernsehgerät sei für viele Menschen die zentrale Informationsquelle, die ihnen insbesondere die Teilnahme am demokratischen Meinungsbildungsprozess und die Mitsprache im sozialen Umfeld ermögliche. Daher gehöre es zu den Lebensgütern, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung sei.

Werden die aus den vorstehend zitierten Entscheidungen zu entnehmenden Voraussetzungen für eine Nutzungsausfallentschädigung auf die Ausgangsfrage bezogen, so wirkt sich der Ausfall der Nutzung des mobilen Internet mittels eines Smartphones nicht typischerweise auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus.

Hier kann es nicht entscheidend auf die Teilnahme am demokratischen Meinungsbildungsprozess, die Informationsbeschaffung, die Kommunikation, die Abwicklung von Geschäften und die Unterhaltung als solche ankommen, sondern vielmehr auf den Umstand, ob die mobile, also jederzeit und überall mögliche Nutzung dieser Möglichkeiten so verbreitet ist, dass sie als eine die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägende Möglichkeit zu gelten hat, deren Ausfall Auswirkungen auf die materielle Lebenshaltung hat.

Die Kammer verkennt nicht die Allgegenwärtigkeit von Smartphones und den nicht zu bestreitenden Umstand, dass ein großer Teil der Bevölkerung die Nutzung des mobilen Internet zum Standard seiner Lebenshaltung gemacht hat. Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Unterschied besteht zwischen der Nutzbarkeit eines Smartphones als Standard der Lebenshaltung und der Frage, ob es sich dabei um einen so elementaren Bestandteil der Lebensführung ist, dass sein Ausfall die Eigenwirtschaftlichkeit der Lebensführung beeinträchtigt. Fällt die Nutzbarkeit des mobilen Internet aus, bleiben nämlich sämtliche anderweitigen Möglichkeiten zur Befriedigung der damit erfüllten Bedürfnisse bestehen, insbesondere die Nutzbarkeit eines Internetanschlusses oder die Nutzung anderer Informationsquellen.

Insoweit ist herauszustellen, dass die Klägerin während der Dauer des Nutzungsausfalls nicht von der Möglichkeit der Internetnutzung abgeschnitten war. Soweit also für einen Großteil der Bevölkerung – wohl sogar für nahezu die Gesamtheit der Bevölkerung – die jederzeitige Möglichkeit der mobilen Kommunikation typischerweise Gegenstand der eigenwirtschaftlichen Lebensführung ist, lag für die Klägerin kein durch den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit ihres Smartphones verursachter fühlbarer Schaden vor. Denn ihre telefonische Erreichbarkeit war durch die Nutzung des Ersatzgerätes gegeben. Insoweit bestand für sie auch durchgängig die Möglichkeit der mobilen Kommunikation. Hiervon abweichende Tatsachen hat die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.

In der Folge konnte die Klägerin auf Grund der vorhandenen Möglichkeit der Internetnutzung über ihren Festnetzanschluss sicherstellen, dass ihre Kommunikationspartner auch über den Ausfall ihrer Möglichkeit zur Nutzung des mobilen Internet informiert waren. Unterstellt, die Klägerin wäre darauf angewiesen, Nachrichten binnen weniger Minuten empfangen und beantworten zu können, so wäre sie in der Lage gewesen, ihre Kommunikationspartner – gegebenenfalls auch automatisiert, etwa durch Nutzung gängiger automatischer Abwesenheitsassistenten – darüber zu informieren, dass sie kurzfristig erforderliche Reaktionen auf eingehende Nachrichten lediglich telefonisch erklären kann.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Umsetzung dieser Möglichkeiten einigen Aufwand erfordert hätten und sich ihr Lebensalltag hierdurch möglicherweise weniger bequem gestaltet hätte. Das entscheidende Kriterium jedoch, nämlich die signifikante Einschränkung in der eigenwirtschaftlichen Lebensführung, wird durch das Vorhandensein der aufgezeigten Ausweichmöglichkeiten gerade nicht erfüllt.

Denn es ist für die Kammer jedenfalls nicht erkennbar, dass ein Großteil der Bevölkerung von seinen Mitmenschen die Kommunikation unter Nutzung des mobilen Internet, etwa durch ständige Kontrolle des Eingangs von E-Mails, erwartet. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Nutzung des mobilen Internet als Informationsquelle für den Großteil der Bevölkerung einen derart entscheidenden Umfang angenommen hätte, dass sich der Ausfall und die damit möglicherweise verbundene Verzögerung bei der Informationsbeschaffung nachteilig auswirken würden. Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Zugriff auf einen serverbasierten Kalender oder die Durchführung von Bankgeschäften unter Nutzung des mobilen Internet für einen Großteil der Bevölkerung typischerweise zur alltäglichen Lebenshaltung gehörte.

Damit stellt die Nutzung des mobilen Internet mittels eines Smartphones bei isolierter Betrachtung keinen zentralen Bestandteil der eigenwirtschaftlichen Lebensführung dar, soweit ein Mobiltelefon die telefonische Erreichbarkeit und ein Festnetzanschluss die Nutzbarkeit des Internet über den Festnetzanschluss gewährleisten.

Entsprechendes gilt für die weiteren von der Klägerin genannten Nutzungsmöglichkeiten wie die Aufnahme und Speicherung von Fotos sowie das Speichern und Abspielen von Musik.

III.

Im Ergebnis war die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen.

Insbesondere liegen die Voraussetzung des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall. Denn die von der Kammer zur Anwendung gebrachten und vorstehend zitierten Grundsätze der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung sind sämtlich gefestigt und auch nicht uneinheitlich. Insofern war lediglich der streitgegenständliche Einzelfall, dessen Tatsachenfeststellung alleinige Aufgabe der Instanzgerichte ist, auf diese Grundsätze anzuwenden.

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