Hessisches Landesarbeitsgericht
Az: 4 Ta 24/10
Urteil vom 28.01.2010
In dem Beschwerdeverfahren hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 4, am 28. Januar 2010 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Dezember 2009 – 10/3 Ca 3680/09 – aufgehoben.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250 €.
Der Beschwerdeführer macht im Ausgangsfahren klageweise seine vertragsgemäße Beschäftigung geltend. Das Arbeitsgericht bestimmte Kammertermin auf den 17. November 2009, 11.30 Uhr, und ordnete unter anderem das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers an. Gemäß einem ärztlichen Attest erkrankte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers vom 17. bis zum 23. November 2009 an einem A/H1N1-Virus. Da die Sozien des Prozessbevollmächtigten an diesem Tag verhindert waren, beantragte ein Mitglied der Sozietät des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am Vormittag des 17. November 2009, diesen Termin aufzuheben. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer von der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, er müsse in dem Termin nicht erscheinen, da er keine anwaltliche Vertretung habe. In dem Termin erschien lediglich der Bevollmächtigte der Beklagten des Ausgangsverfahrens. Das Arbeitsgericht setzte einen Verkündungstermin fest und gab dem Beschwerdeführer auf, die Säumnis ordnungsgemäß zu entschuldigen. In dem Verkündungstermin verkündete das Arbeitsgericht einen Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung.
In dem angefochtenen Beschluss führte das Arbeitsgericht aus, ein Erscheinen des Beschwerdeführers hätte den weiteren Verfahrensablauf abkürzen können. Die Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers seien zur Aufhebung der Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht befugt gewesen. Der Beschwerdeführer hat gegen den am 04. Januar 2010 zugestellten Beschluss am 18. Januar 2010 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Das Ordnungsgeld konnte gegen den Beschwerdeführer wegen dessen Nichterscheinen in dem Termin vom 17. November 2009 nach §§ 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG, 141 Abs. 3 S. 2, 380 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht festgesetzt werden, da sich der Beschwerdeführer nicht rechtwidrig verhalten hat.
Zutreffend ist allerdings, dass eine Partei in der Regel nicht deshalb davon ausgehen darf, dass sie trotz der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens zu einem Gerichtstermin nicht erscheinen muss, weil ihr Bevollmächtigter ihr dies mitgeteilt hat (vgl. Hess. LAG 30 November 1995 – 4 Ta 292/95 – LAGE ZPO § 141 Nr. 7). Darüber, dass die Entscheidung über die Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens in der Kompetenz des Gerichts liegt, wird die Partei persönlich in ihrer Ladung gemäß § 141 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 3 ZPO belehrt.
Der Beschwerdeführer musste jedoch wegen der Verhinderung seiner Prozessbevollmächtigten im Termin vom 17. November 2009 nicht erscheinen. Diese Verhinderung hätte gemäß § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO die Verlegung des Termins veranlasst. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht allerdings ein Ermessen, ob es im Fall des Vorliegens eines Verlegungsgrundes einem Antrag auf Terminsverlegung stattgibt oder nicht. Dieses Ermessen reduziert sich indessen auf Null, wenn andernfalls der Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht mehr gewahrt ist (BVerwG 22. Mai 2001 – 8 B 69/01 – NJW 2001/2735, zu 2 a; Stein/Jonas-Roth ZPO 22. Aufl. § 227 Rn. 4). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Prozessbevollmächtigte der Partei unvorhergesehen erkrankt und deshalb eine anwaltliche Vertretung der Partei in dem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht gewährleistet ist. Das Verfahrensrecht (hier § 11 Abs. 2 S. 1 ArbGG) gewährt den Parteien die Möglichkeit, sich anwaltlich vertreten zu lassen. Kann dieses Recht nicht ausgeübt werden, ohne dass die Partei oder ihr Bevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) dies zu vertreten hat, gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör, den Termin zu verlegen. Die Partei muss sich dann nicht auf eine Verhandlung ohne anwaltliche Vertretung einlassen (BVerwG 09. Dezember 1983 – 4 C 44/83 – NJW 1984/882, zu II; 22. Mai 2001 a. a. O., zu 2 a; vgl. auf BFH 28. November 1990 – I R 71/90 – BFH/NV 1991/756, zu II 1 b dd, ee). Da der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers am 17. November 2009 wegen seiner plötzlichen und unerwarteten Erkrankung nicht verhandlungsfähig war und eine anderweitige anwaltliche Vertretung des Beschwerdeführers nicht gewährleistet war, traf dies an diesem Tag auf den Beschwerdeführer zu. Daher besteht kein Raum für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes.
Die Kostenentscheidung ergibt sich gemäß der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 46 OWiG, 467 StPO (vgl. mit näherer Begründung Hess. LAG 15. Februar 2008 – 4 Ta 39/08 – BeckRS 2008 54676, zu B III).
Rechtsmittelbelehrung: Dieser Beschluss ist unanfechtbar.