Landesarbeitsgericht Köln
Az.: 8 Sa 698/09
Urteil vom 27.01.2010
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.05.2009 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch vier Kündigungen der Beklagten.
Die Klägerin ist seit dem 05.08.2001 für die Beklagte als Postzustellerin tätig.
Die Klägerin ist verheiratet und verdiente zuletzt Angaben der Klageschrift zufolge rund 2.000,00 € brutto monatlich. Ausgelöst sind die Kündigungen der Beklagten durch folgende Umstände:
Unter dem 20.08.2008 erstattete der Zeuge P B , der wie die Klägerin im Haus M wohnt bei der Kreispolizeibehörde in K Strafanzeige.
Den das Haus M aufsuchenden Polizeibeamten teilte der Zeuge mit, dass er an seiner Wohnanschrift im Keller eine Postkarte und einen Brief mit Adressaten aus H im Hausabfallbehälter für Papierrecycling aufgefunden habe. In der Anzeige heißt es sodann weiter:
Daraufhin wurde der Abfallbehälter (Blaue Tonne) im Keller der Wohnanschrift nach weiteren Beweismittel durchsucht und weitere Briefe gefunden. Bei den Briefen handelt es sich um 16 Postwurfsendungen für den Postzustellbezirk H . Eine Postwurfsendung ist auf M in K adressiert.
Die Postkarte hat eine Adressatin, die in H wohnt.
Der Zeuge B gab zusätzlich an, dass ihm bekannt sei, dass die Klägerin, die mit ihm im Haus M in K wohne, Postzustellerin für den Bezirk H sei.
Der Bruder des Zeugen………, ist wie die Klägerin als Postzusteller bei der Beklagten beschäftigt.
Die gefundenen Postsendungen wurden asserviert.
Von den 16 Postwurfsendungen, die gefunden wurden, waren zwei an eine nicht bekannte Adresse (Hausnummer) adressiert. Die Klägerin war als Postzustellerin des Zustellbezirks in H , an welche 16 der 17 aufgefundenen Postsendungen adressiert waren, in der Zeit 13.-27.08.2008 eingeteilt.
Nach Angaben der Beklagten erhielt diese von der Polizei über die erstattete Anzeige am 12.09.2008 Mitteilung.
Zu den Vorwürfen wurde die Klägerin am 16.09.2008 angehört. Angaben der Beklagten zufolge wurden ihr dabei die Kopien der Aufschriftseiten der aufgefundenen Sendungen vorgelegt. Die Klägerin bestritt, die aufgefundenen Postsendungen im Müll entsorgt zu haben. Die Klägerin gab an, dass ihr wohl jemand etwas unterschieben wolle.
Nach Anhörung der Klägerin informierte die Beklagte den Betriebsrat mit vier zum Tatsächlichen wortgleichen Schreiben über die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Einmal durch außerordentliche Tatkündigung, des Weiteren durch hilfsweise ordentliche Tatkündigung, des Weiteren durch außerordentliche Verdachtskündigung und schließlich hilfsweise durch ordentliche Verdachtskündigung. In den zum Tatsächlichen wortgleichen Anhörungen des Betriebsrats zu der beabsichtigten Kündigung heißt es u. a.:
„Die in der M noch wohnenden 4 Parteien wurden von der Mitarbeiterin Security auf eine Beschäftigung bei der D AG hin überprüft. Keiner der dort wohnenden Namen ist bei der D AG bekannt.“
Zu den hier beabsichtigten Kündigungen hat sich der Betriebsrat mit Schreiben vom 24.09.2008 erklärt und jeweils der beabsichtigten Kündigung nicht zugestimmt. Der Betriebsrat hat dabei jeweils darauf hingewiesen, dass von der Klägerin der Vorwurf der Postunterdrückung vehement abgestritten werde. Die Klägerin sei bisher als gute und zuverlässige Mitarbeiterin geschätzt. Der Betriebsrat bitte, die Kündigungsabsicht aufzugeben und gegebenenfalls bewiesenes Fehlverhalten der Klägerin mit einer Abmahnung zu ahnden.
Mit Schreiben vom 25.09.2008 erklärte die Beklagte die außerordentliche Tatkündigung, die außerordentliche Verdachtskündigung und die hilfsweise ordentliche Tatkündigung und die ordentliche Verdachtskündigung.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 30.09.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 30.09.2008.
Die Klägerin bestreitet die aufgefundenen Postsendungen im Müll entsorgt zu haben. Jeglicher gegen die Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf sei unbegründet.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die vier jeweils mit Schreiben vom 25.09.2008 ausgesprochenen Kündigungen der Beklagten weder fristlos noch hilfsweise ordentlich beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte sieht nach Maßgabe der im Müll vorgefundenen 16 Postsendungen aus dem Zustellbezirk der Klägerin es als erwiesen an, dass die Klägerin diese Postsendungen im Papiermüll unter ihrer Wohnadresse entsorgt habe. Jedenfalls bestehe diesbezüglich ein dringender gegen die Klägerin gerichteter Tatverdacht.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.05.2009 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten nicht beendet worden ist.
Die tatsächlichen Umstände des Streitfalls und das Vorbringen der Beklagten – dieses als zutreffend unterstellt – führe nicht dazu anzunehmen, dass die Klägerin eine Postunterdrückung begangen habe. Die seitens der Beklagten angenommene Tat sei von niemandem beobachtet worden. Auch werde dies von der Beklagten nicht behauptet. Die festgestellten Umstände des Rechtsstreits ließen auch nicht den Schluss zu, dass die Klägerin eine Postunterdrückung begangen habe. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände möge zwar durchaus gegenüber der Klägerin der Verdacht begründet sein, dass sich diese der Briefsendungen durch Einwerfen in die im Keller ihres Wohnhauses befindliche Mülltonne entledigt habe. Doch seien diese Umstände bei objektiver verständiger Betrachtung nicht geeignet den letzten Zweifeln daran, dass die Klägerin die streitbefangenen Briefsendungen tatsächlich in die Mülltonne getan hat, Schweigen zu gebieten.
Aus denselben Gründen vermöge die Kündigung auch nicht als hilfsweise ordentliche Tatkündigung als sozial gerechtfertigt anerkannt werden.
Auch die außerordentliche hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung hätten das Vertragsverhältnis der Parteien nicht beenden können. Sollten – wie von der Beklagten behauptet – im Keller des Hauses M in K die Briefsendungen aus dem Zustellbezirk der Klägerin aufgefunden worden sein, sollten diese Briefsendungen innerhalb des Zeitraums bei der Post eingeliefert worden sein, in dem die Klägerin für die Zustellung in diesem Bezirk zuständig gewesen ist, rechtfertige sich hieraus nicht ein für die Verdachtskündigung ausreichender Verdacht. Alle vorgetragenen Umstände reichen (noch) nicht aus, um das Erfordernis eines „dringenden“ Tatverdachts für gegeben zu erachten. Aus diesen Gründen scheide die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowohl durch außerordentliche Verdachtskündigung wie durch eine hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung aus, die sich deshalb als sozial nicht gerechtfertigt erweise.
Ob die Kündigung zudem – wie von der Klägerin angenommen – gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam sei, bedürfe keiner weiteren Entscheidung.
Gegen dieses der Beklagten am 03.06.2009 zugestellte Urteil erster Instanz wendet sich die Beklagte mit der Berufung vom 09.06.2009, die sie am 03.08.2009 begründet hat.
Unter Vertiefung ihres Vortrags erster Instanz macht die Beklagte geltend, dass das Vertragsverhältnis schon durch sogenannte außerordentliche Tatkündigung wirksam beendet worden sei. Jedenfalls rechtfertige sich die Kündigung als außerordentliche Verdachtskündigung. Zumindest seien die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Tatkündigung bzw. die ordentliche Verdachtskündigung als wirksam anzusehen.
Das der Klägerin vorgeworfene Fehlverhalten rechtfertige eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch durch sogenannte außerordentliche Kündigung. Jede einzelne Nichtzustellung einer Sendung durch einen Postzusteller erfülle den Straftatbestand des § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB und stelle daher eine gravierende Pflichtverletzung gegenüber der Beklagten und den Postkunden dar. Eine derartige Postunterdrückung sei an sich ohne Weiteres geeignet, einen Kündigungsgrund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.
Die unstreitigen Umstände des Einzelfalles rechtfertigten nur eine Schlussfolgerung, nämlich die, dass der Klägerin zu Recht die Tat der Postunterdrückung vorgehalten werden dürfe. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts für die Annahme einer Täterschaft der Klägerin komme es nicht darauf an, dass die Klägerin beobachtet wurde, „auf frischer Tat“ ertappt worden sei. Vielmehr könne eine Täterschaft auf Indizien gestützt werden. Im vorliegenden Fall gäbe es eine solche lückenlose Indizienkette. Die Klägerin sei im Zeitraum 13.-23.08.2008 die Zustellerin des Zustellungsbezirks der vorgefundenen Postsendungen in H gewesen. Die im Papiermüll der Wohnung der Klägerin vorgefundenen Postsendungen seien damit an einem Ort gefundenen worden, der ca. 30 Autominuten vom Zustellbezirk entfernt sei und der Wohnsitz der Klägerin sei. Die Mülltonnen seien grundsätzlich von außen nicht zugänglich. Die Feststellungen der Beklagten hätten zudem ergeben, dass im Wohnhaus der Klägerin kein sonstiger Bewohner lebe, der bei der P AG beschäftigt sei. Niemand außer der Klägerin habe Zugriff auf die vorgefundenen Sendungen nehmen können. Die einzig plausible Möglichkeit sei die, dass die Klägerin als zuständige Zustellerin die Postsendungen zu Hause entsorgt habe.
Damit rechtfertige sich die Kündigung bereits als Tatkündigung, wobei im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 BGB diese auch nicht zugunsten der Klägerin habe ausfallen könne. Folge man dieser Schlussfolgerung nicht, so ergebe sich aus dem zuvor Gesagten jedenfalls der dringende Tatverdacht gegen die Klägerin, der die außerordentliche Kündigung als sogenannte Verdachtskündigung rechtfertige. Wolle man auch dem nicht folgen, so rechtfertige sich die Kündigung schließlich jedenfalls als ordentliche Tatkündigung oder hilfsweise als ordentliche Verdachtskündigung. Der Betriebsrat sei zu jeder der einzelnen beabsichtigten Kündigungen ordnungsgemäß angehört. Die Gründe für die Kündigungen seien umfassend dargelegt worden. Auch die Ergebnisse der Recherchen zu möglichen entlastenden Umständen seien mitgeteilt worden.
Damit ergäben sich auch insoweit keine Bedenken gegen die streitbefangene Kündigung.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.05.2009 – 1 Ca 7841/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt unter Vertiefung des Sachvortrags erster Instanz das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Klägerin bestreitet nach wie vor, dass sie mit den im Papiermüll ihres Hauses aufgefundenen Sendungen irgendetwas zu tun gehabt habe. Sie habe keinerlei Postsendungen ihres Zustellbezirks dort entsorgt. Sehr wohl seien Zweifel an der Geschichte angezeigt, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgelöst hat. Der die Anzeige erstattende Zeugen B habe offensichtlich allein aufgrund des Auffindens einer Postkarte und eines Briefs im Papiermüll des Hauses die Polizei verständigt. Dies könne nur als ungewöhnlich angesehen werden. Normalerweise interessiere es niemanden, wenn er in der Mülltonne eines Mietshauses entsorgte Post, insbesondere entsorgte Werbesendungen vorfinde. Entgegen der Behauptung der Beklagten seien die Mülltonnen im Hause M als auch die in den umliegenden gleichartigen Mietshäusern tagsüber frei zugänglich. Der Zeuge B selbst sei der Klägerin gegenüber immer unfreundlich und herablassend gegenübergetreten. Im April 2009 hätten diese Verhaltensweisen gegenüber der Klägerin und deren Familienmitgliedern in unzumutbarer Weise zugenommen. So habe der Zeuge die Klägerin, deren Mutter und deren Schwester mit Äußerungen wie „Kanaken“ und „scheiß Marokkaner“ beleidigt, so dass deswegen der Klägerin und ihren Familienmitgliedern der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber dem Zeugen B eingeschaltet worden sei.
Die Klägerin vermutet hinter der Kündigung den Versuch der Beklagten die Klägerin loszuwerden. Die Klägerin sieht einen Zusammenhang damit, dass sie ihre unbefristete Beschäftigung erst durch Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.06.2007 im Wege einer sogenannten Entfristungsklage erstritten habe. Danach sei es zu drei, im Wesentlichen unberechtigten, Abmahnungen der Klägerin gekommen, bei denen die Beklagte wohl selbst festgestellt habe, dass sie sich mit einer Kündigung basierend auf derartigen Vorwürfen, wie den abgemahnten, allenfalls „blamieren“ könne. Nachdem auf dem vorgenannten Weg (Abmahnungen) wohl keine greifbare Möglichkeit bestanden habe, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden, hat dann ein „massiverer“ Vorwurf herhalten müssen, um das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos beenden zu können.
Nach alledem sei das Urteil des Arbeitsgerichts zu bestätigen.
Wegen des sonstigen Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Akten sowie die gewechselten Schriftsätze beider Instanzen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sein, verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist zulässig.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 03.06.2009 zugestellte Urteil erster Instanz fristwahrend am 09.06.2009 Berufung eingelegt und sodann die Berufung fristwahrend am 03.08.2009 begründet.
Die Berufungsbegründung setzt sich im Einzelnen mit dem Urteil erster Instanz auseinander und erweist sich damit als ein ordnungsgemäß eingelegtes und begründetes Rechtsmittel.
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
Die Kündigungen der Beklagten haben das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin weder als außerordentliche Tatkündigung noch als außerordentliche Verdachtskündigung beenden können. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Tatkündigung bzw. die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Verdachtskündigung geendet.
Die Kündigung erweist sich als unwirksam, weil es für die Kündigung bereits an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats fehlt und im Übrigen keinerlei Tatumstände gegeben sind, die annehmen lassen, die Klägerin habe Postsendungen unterdrückt oder stehe diesbezüglich in einem für die Verdachtskündigung erforderlichen dringenden Tatverdacht. Ob darüber hinaus die Kündigung soweit es um Verdachtskündigungen geht auch deshalb sich als unwirksam erweisen, weil es an einer ausreichend ordentlichen Anhörung der Klägerin zu den Verdachtsmomenten, die die Kündigung tragen sollen, fehlt, kann dahinstehen.
1. Die wortgleichen Anhörungen des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin durch außerordentliche bzw. ordentliche Kündigungen als Tat- bzw. Verdachtskündigungen erfüllen nicht die Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat zu stellen sind.
Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, d. h. der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich den Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers, die Art und den Zeitpunkt der Kündigungen und die nach seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAG, Urteil vom 23.10.2008 – 2 AZR 363/07 – zitiert nach juris; Urteil vom 15.11.1995 – 2 AZR 1974/94 – EzA BetrVG 1972 § 102 Rn. 89; BAG, Urteil vom 23.06.2009 – 2 AZR 474/07 – NZA 2009, 1136-1143).
Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist dabei unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (BAG, Urteil vom 06.02.1997 – 2 AZR 265/96 – EzA BetrVG 1972 § 102 Rn. 96). Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam (BAG, Urteil vom 27.06.1985 – 2 AZR 412/84 – BAGE 49, 136, 142).
Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es müssen dem Betriebsrat nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber für die Kündigung als ausschlaggebenden Umstände mitgeteilt werden (BAG, Urteil vom 23.10.2008 – 2 AZR 163/07 – zitiert nach juris; BAG, Urteil vom 06.07.2006 – 2 AZR 520/05 – EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Rn. 68). Dagegen führt eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG, Urteil vom 06.10.2005 – 2 AZR 316/04 – EzA BetrVG 2001 § 102 Rn. 16; BAG, Urteil vom 22.09.1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39, 47 f.; BAG, Urteil vom 13.05.2004 – 2 AZR 349/03 – BAGE 110, 331, 334).
Eine bewusst unvollständige und irreführende Darstellung, die zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, ist sämtlichen Anhörungsschreiben an den Betriebsrat zu entnehmen.
Gerade und insbesondere im Hinblick auf Kündigungen, die aus Indizumständen ableiten sollen – wie die Beklagte in Anspruch nimmt sogar einen Tatvorwurf gegen einen Arbeitnehmer begründen sollen, jedenfalls aber als ausreichend angesehen werden sollen, um einen dringenden Tatverdacht zu rechtfertigen, der die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedingt – ist auch denkbaren entlastenden Umständen nachzugehen und deshalb im Rahmen des Anhörungsverfahrens das ermittelte Ergebnis, das die beabsichtigte Kündigung tragen soll, dem Betriebsrat gegenüber vollständig und korrekt darzustellen. Eine erkennbar bewusste Abweichung von diesem Ergebnis ist als irreführend zu bewerten. Dies führt zur Fehlerhaftigkeit der Anhörung des Betriebsrats und zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Die Beklagte hat sich veranlasst gesehen, im Zusammenhang mit den Umständen, die festgestellt waren und die Kündigungsüberlegungen ausgelöst haben, die Mitbewohner der Klägerin durch eine Mitarbeiterin der Abteilung Security zu überprüfen.
Als Ergebnis dieser Überprüfung ist dem Betriebsrat mitgeteilt worden, keiner der dort wohnenden Namen ist der D AG bekannt.
Diese Mitteilung ist irreführend. Anzeigeerstatter war Herr P B , der mit der Klägerin im Haus M in K wohnt. Der Name B ist der Beklagten sehr wohl bekannt. Der Bruder des Zeugen B ist nämlich wie die Klägerin bei der Beklagten als Postzusteller beschäftigt.
Dies ist eine Mitteilung, die als wesentlich angesehen werden muss und die nicht mit dem Hinweis in der Anhörung des Betriebsrats „keiner der dort wohnenden Namen ist der D AG bekannt“ hätte verschleiert werden dürfen.
Eine derartige irreführende Darstellung führt dazu, das Anhörungsverfahren insgesamt als fehlerhaft anzusehen, so dass sich die Kündigung bereits deshalb als unwirksam erweist.
2. Die Kündigung erweist sich allerdings auch deshalb als unwirksam, weil es an einem die Kündigung tragenden Kündigungsgrund fehlt. Es kann der gesamte Sachvortrag der Beklagten als richtig unterstellt werden. Die danach anzunehmenden tatsächlichen Umstände rechtfertigen bereits nicht einen dringenden gegen die Klägerin sprechenden Tatverdacht, der die Kündigung als Verdachtskündigung rechtfertigten könnte, so dass die Kündigung jedenfalls auch als Tatkündigung auszuscheiden hat und sich als jeweils hilfsweise ordentliche Kündigung als Sozial nicht gerechtfertigt erweist.
Zutreffend weist die Beklagte grundsätzlich darauf hin, dass nicht nur eine erhebliche Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Eine Verdachtskündigung ist nur dann zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen begründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG, Urteil vom 13.03.2008 – 2 AZR 961/06 – EzA-BGB 2002 § 626 Verdacht strafbare Handlung Nr. 6). Dabei ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung dieser Verdachtskündigung. Die Kündigung verstieße andernfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie wäre nicht ultima ratio (BAG, Urteil vom 13.09.1995 – 2 AZR 587/94 – BAGE 81, 27, 34). Für die ordentliche Verdachtskündigung gelten keine abweichenden Maßstäbe (BAG, Urteil vom 27.11.2008 – 2 AZR 98/94 – NZA 2009, 27, 34).
Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ist mit der Beklagten zwar grundsätzlich zuzugestehen, dass der dringende Tatverdacht der Unterdrückung von Postsendungen einen Grund darstellt, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auch durch sogenannte außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag. Allerdings lassen die tatsächlichen Umstände des Falles bereits die Schlussfolgerung der Beklagten nicht zu, zulasten der Klägerin zumindest von einem solchen dringenden Tatverdacht ausgehen zu können.
Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass bereits die Anzeigeerstattung des Mitbewohners der Klägerin durch den Zeugen B , der im selben Haus wie die Klägerin wohnt, ungewöhnlich erscheint. Dies gilt zunächst für den Umstand, dass der Zeuge, wie er behauptet, bei der Entsorgung von Papiermüll eine Postkarte und einen Brief mit Adressat gesehen haben will, die er sich sodann genauer angesehen haben muss, um dabei festzustellen, dass diese Postsendungen nicht an die Wohnadresse M in K adressiert waren. Ungewöhnlich ist des Weiteren, dass der Zeuge dies sodann zum Anlass genommen hat, die Polizei zu informieren. Ein weiterer Umstand der ungewöhnlich ist und gegen den dringenden Tatverdacht spricht, ist der Umstand, dass nach Maßgabe der weiteren Ermittlungen, die Klägerin die insgesamt unterdrückten Postsendungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten entsorgt haben muss, weil ansonsten – bei gleichzeitiger Entsorgung – nicht nur die beiden Postsendungen, sondern auch die 15 anderen Postwurfsendungen, die im Postzustellungsbezirk der Klägerin zu verteilen waren, mit den beiden vom Zeugen aufgefundenen Postsendungen oben aufliegend hätten aufgefunden werden müssen und nicht erst beim Durchsuchen des Hausabfallbehälters für Papierrecycling aufgefunden worden wären. Berücksichtigt man darüber hinaus die Einlassung der Klägerin schon in ihrer Anhörung zu den Vorwürfen, dass ihr etwas untergeschoben worden sein müsse und des Weiteren den Umstand, dass nach unwidersprochenen Behauptungen der Klägerin, der Zeuge sowohl vor wie auch nach den Vorfällen, die die Kündigung gegen die Klägerin ausgelöst haben, dieser gegenüber und deren Familienmitgliedern gegenüber durch abfällige und beleidigende Äußerungen aufgetreten ist, so verbleiben bereits hiernach so erhebliche Zweifel, dass bereits nicht von den für eine Verdachtskündigung erforderlichen starken Verdachtsmomenten, gestützt auf objektive Tatsachen, ausgegangen werden kann. Jedenfalls hätte die Beklagte Anlass nehmen müssen, gerade auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagten der Name B sehr wohl bekannt war, weil der Bruder des die Strafanzeige erstattenden P B H B ebenfalls als Postzusteller bei der Beklagten beschäftigt ist, die Klägerin mit dem Namen des Anzeigeerstatters zu konfrontieren. Nachdem die Klägerin bereits von sich aus mitgeteilt hatte, es müsse ihr etwas untergeschoben worden sein, wäre mit diesem Hinweis an die Klägerin zum Namen des die Anzeige erstattenden P B die Möglichkeit eröffnet gewesen, sich zu dieser ihrer Vermutung, dass ihr etwas untergeschoben worden sein müsse, näher zu äußern, etwa durch den Hinweis, dass der Zeuge B der Klägerin und ihrer Familie gegenüber Vorbehalte hege und sich ihr gegenüber bereits in der Vergangenheit herablassend geäußert hat.
Da die Beklagte dies unterlassen hat, ist nach den Umständen des Einzelfalles davon auszugehen, dass die Beklagte nicht alle ihr zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des zur Kündigung herangezogenen Sachverhalts unternommen hat.
Damit bleibt festzuhalten, dass neben dem Fehlen starker Verdachtsmomente gestützt auf objektive Tatsachen sich die Kündigung als Verdachtskündigung schon deshalb nicht rechtfertigt, weil der Beklagten vorzuwerfen ist, nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des zur Kündigung herangezogenen Sachverhalts unternommen zu haben.
Ist die Kündigung hiernach unwirksam, weil es bereits an den für eine Verdachtskündigung erforderlichen starken Verdachtsmomenten fehlt, erweisen sich erst recht die ausgesprochene außerordentliche Tatkündigung und die ausgesprochene hilfsweise ordentliche Tatkündigung als unwirksam.
3. Ob aus dem fehlenden Hinweis an die Klägerin zur Person des Anzeigeerstatters P B sich auch die Anhörung der Klägerin zu den Verdachtsmomenten, die die Kündigung rechtfertigen sollen, als nicht ordnungsgemäß erweist kann für die zur Entscheidung anstehenden Verdachtskündigungen daneben dahinstehen.
4. Damit bleibt festzustellen, dass das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, dass die Kündigungen der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet haben.
Die Berufung der Beklagten führt somit nicht zu einer Abänderung des Urteils erster Instanz.
III. Die Beklagte ist mit dem Rechtsmittel der Berufung unterlegen und hat deshalb die Kosten der Berufung zu tragen, § 97 ZPO.
IV. Die Entscheidung des Rechtsstreits beruht auf den Umständen des Einzelfalles. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Kammer hat aus diesen Gründen die Revision nicht zugelassen.