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Prozessvortrag – gesetzwidrige Zurückweisung

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Az.: 5 U 265/02

Urteil vom 28.11.2002


In dem Rechtsstreit wegen Maklerlohn hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2002 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. Januar 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache wird, auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klägerin beansprucht von den Beklagten Zahlung von Maklerlohn.

Aufgrund einer Anzeige der „V… Immobilien e.K.“ setzten sich die Beklagten mit dieser Maklerfirma in Verbindung und besichtigten ein Objekt in der Ortschaft V. Später suchten die Beklagten ein anderes von der V… Immobilien e.K. angebotenes Objekt in S… auf und unterschrieben eine dieses Anwesen betreffende Reservierungsvereinbarung. Die Beklagte zu 1) erwarb das Anwesen in S. zum Preis von 460.000 DM.

Die Beklagten bestreiten den Abschluss eines Maklervertrages und wenden Vorkenntnis ein.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme der Klage stattgegeben und hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Mit der Klägerin, Dipl.-Ing. G… G… als Inhaberin der V… Immobilien e.K., sei ein Maklervertrag zustande gekommen. Es könne kein Zweifel bestehen, dass der Mitarbeiter der Immobilienfirma für deren Inhaberin gehandelt habe. Vertragspartner sei auch der Beklagte zu 2) geworden; er habe am Erwerb des Familienheims das gleiche Interesse wie seine Ehefrau, die Beklagte zu 1).

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass schon bei der ersten Kontaktaufnahme auf die Provisionspflicht für den Fall des Erwerbs hingewiesen worden sei. Dem für die Vorkenntnis von den Beklagten angebotenen Zeugenbeweis sei nicht nachzugehen. Der Beweisantritt sei verspätet. Seine Zulassung hätte den Rechtsstreit verzögert. Eine Zuladung der Zeugen sei im Hinblick auf die Terminslage der Kammer nicht in Betracht gekommen.

Die Beklagten rügen mit der Berufung hauptsächlich, die Zurückweisung ihres Vorbringens als verspätet sei zu Unrecht erfolgt, denn eine Verzögerung hätte der Einzelrichter durch vorbereitende Maßnahmen ausgleichen können und müssen. Die Sachbefugnis der Klägerin bleibe bestritten. Weil die Beklagte zu 1) das Anwesen erworben habe, könne die Tätigkeit der Klägerin keinen Maklerlohnanspruch gegen den Beklagten zu 2) begründen.

Dem ist die Klägerin entgegengetreten.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat einen vorläufigen Erfolg.

Auf das Rechtsmittel ist das Urteil des Landgerichts mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufzuheben und die Sache zurück zu verweisen.

Das Verfahren des ersten Rechtszugs leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel (§ 539 ZPO), denn der Einzelrichter hat die Präklusionsvorschriften nicht richtig angewandt.

1.

Das Landgericht durfte, so wie es verfahrensmäßig vorgegangen ist, die Zurückweisung des unter Beweis gestellten Vorbringens der Beklagten nicht mit § 296 Abs. 1 ZPO rechtfertigen.

a) Das Landgericht hat zwar in formell ordnungsgemäßer Weise mit der Verfügung vom 20. Juli 2001 das schriftliche Vorverfahren veranlasst, eine Frist gesetzt und über die Folgen der Fristversäumnis belehrt (§ 272 Abs. 2, 276, 277 Abs. 2 296 ZPO). Es trifft auch zu, dass der Schriftsatz vom 29. Oktober 2001 nach Ablauf der im schriftlichen Vorverfahren gesetzten Frist eingegangen ist.

Die Zurückweisung des Vorbringens ist aber rechtsmissbräuchlich. Ein weiterer Mangel liegt darin, dass den Beklagten kein rechtliches Gehör vor Zurückweisung gewährt worden ist.

Eine Bindung nach § 528 Abs. 3 ZPO für das Berufungsgericht findet daher nicht statt.

b) Dem Anspruch der Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens auf rechtliches Gehör entspricht die Verpflichtung des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Erhebliche Beweisanträge muss das Gericht berücksichtigen (Bundesverfassungsgericht NJW 2000, 945/946).

Die das rechtliche Gehör beschränkenden Präklusionsvorschriften haben strengen Ausnahmecharakter. Eine Präklusion ist insbesondere dann nicht mit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu vereinbaren, wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht die Verzögerung mitverursacht hat (Bundesverfassungsgericht aaO mit weiteren Nachweisen).

So verhält es sich im vorliegenden Fall.

c) Die Einwendung der Vorkenntnis haben die Beklagten noch vor Ablauf der gesetzten Frist mit Schriftsatz vom 23. August 2001 erhoben. Dieses Vorbringen war, wie noch auszuführen ist, erheblich. Mit Verfügung vom 2. Oktober 2001 hat der Einzelrichter Termin auf den 4. Dezember 2001 bestimmt und die Beiladung der von der Klägerin benannten Zeugen G. von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht. Die Ladung der Zeugen erfolgte durch Verfügung vom 29. Oktober 2001.

Den Schriftsatz der Klägerin vom 1. Oktober 2001, in dem die Vorkenntnis bestritten wurde (Seite 3) und wonach es jetzt auf eine weitere Substantiierung und Beweisführung der Beklagten ankam (vgl. BGH NJW 1971, 1133/1135), ist den Beklagten durch Verfügung vom 11. Oktober 2001 – formlos – „zur evtl. Stellungnahme binnen 2 Wochen“ zugeleitet worden. Wann dieser Schriftsatz bei den Beklagten einging, ergibt sich nicht aus den Akten, so dass zugunsten der Beklagten davon auszugehen ist, dass die Erwiderung mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2001 noch fristgerecht war.

Diesen Schriftsatz hat das Gericht nicht zur Kenntnis genommen. Es hat „Durchschrift an den Klägervertreter“ und „zum Termin“ verfügt.

d) Die Verfahrensweise ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft:

aa) Indem den Beklagten unter dem 11. Oktober 2001 eine Erwiderungsfrist von 2 Wochen eingeräumt wurde, war die ursprüngliche im schriftlichen Vorverfahren gesetzte und zwischenzeitlich abgelaufene Frist hinfällig. Die Beklagten durften sich darauf verlassen, dass ihr Vorbringen bei fristgerechter Erwiderung berücksichtigt würde. Selbst wenn der fristgerechte Eingang aber nicht der Fall gewesen wäre, hätte das Landgericht das Vorbringen dennoch zur Kenntnis nehmen und prüfen müssen, da dann zu überlegen gewesen wäre, ob eine Zurückweisung nach den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 ZPO – nicht nach § 296 Abs. 1 ZPO – hätte erfolgen und wie eine solche Zurückweisung hätte vermieden werden können. Das verlangt das Gebot rechtlichen Gehörs (vgl. zu diesem Fall ausdrücklich Bundesverfassungsgericht NJW 1987, 485 linke Spalte).

Das hat das Gericht nicht getan, den Schriftsatz vielmehr abgeheftet und dem über einen Monat später stattfindenden Termin entgegengesehen.

bb) Der Einzelrichter hätte eine Verzögerung durch vorbereitende Maßnahmen abwenden können und müssen. Die Beweisthemen waren eingegrenzt und die Zuladung von 2 oder 3 weiteren Zeugen zumutbar (vgl. Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 296 Rdnr. 15 mit weiteren Nachweisen).

Die im Urteil zum Absehen von vorbereitenden Maßnahmen gegebene Begründung ist nicht plausibel. Es wird nur auf die Sitzung am Vormittag abgestellt, nicht aber darauf eingegangen, warum nicht nach dem Beweisaufnahmetermin von 11.15 Uhr in dem anderen Verfahren die im vorliegenden Rechtsstreit außerdem benannten Zeugen hätten vernommen werden können.

Durch die unzureichende Verfahrensleitung wird die richterliche Mitverantwortung für die Verzögerung begründet. Die Anwendung der Präklusionsvorschrift ist dann rechtsmissbräuchlich (vgl. Musielak aaO mit weiteren Nachweisen).

cc) Kommt eine Zurückweisung wegen verspäteten Vorbringens in Betracht, so hat das Gericht in allen Fällen des § 296 ZPO darauf hinzuweisen (§ 139 ZPO; Artikel 103 Abs. 1 GG) und Gelegenheit zur Äußerung zu geben (Musielak aaO Rdnr. 35).

Auch das ist hier nicht geschehen.

Die Entscheidung des Landgerichts kann daher schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Der Senat ist daran gehindert, den fehlerhaft angenommenen Präklusionsgrund etwa durch einen anderen zu ersetzen (BGH NJW 1992, 1965).

2.

Die von den Beklagten behauptete Vorkenntnis ist ausreichend dargetan und unter Beweis gestellt. Sie haben nicht nur die Kenntnis des Objekts eingewandt, sondern die Kenntnis der „Vertragsangelegenheit“, dass also das Anwesen in S. zum Verkauf anstand (vgl. BGH NJW-RR 1991, 950).

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3.

Der Senat hält es nicht für sachdienlich, selbst zu entscheiden (§ 540 ZPO), denn es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, die erstinstanzlich nicht geschaffenen Entscheidungsgrundlagen im zweiten Rechtszug zu erarbeiten.

Das Landgericht hat auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden. Der Vollstreckbarkeitsausspruch ergeht im Hinblick auf § 775 Nr. 1 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 13.641,27 Euro.

Für die Zulassung der Revision sind die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben.

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