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Realofferte eines Versorgers – an wen richtet sich diese

Energieversorgung und Vertragsrecht: OLG Rostock klärt Zuständigkeiten bei Stromlieferungen

In einem kürzlich ergangenen Urteil des Oberlandesgerichts Rostock (Az.: 3 U 3/22) wurde ein komplexer Fall im Bereich der Energieversorgung und des Vertragsrechts behandelt. Im Kern ging es um die Frage, wer für die Bezahlung von Stromlieferungen verantwortlich ist, wenn kein schriftlicher Vertrag zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Verbraucher existiert. Das Gericht hat entschieden, dass die Klägerin, ein Energieversorger, keinen Anspruch auf Bezahlung von Stromlieferungen gegenüber der Beklagten hat. Das Hauptproblem lag in der Identifizierung des Vertragspartners, der die Energie tatsächlich entnimmt.

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Realofferte und konkludente Vertragsannahme

Realofferte eines Versorgers - an wen richtet sich diese
Energieversorgung und Vertragsrecht: Ein Fall von Verantwortlichkeit bei Stromlieferungen ohne schriftlichen Vertrag. (Symbolfoto: Seneline /Shutterstock.com)

Das Gericht erklärte, dass in der Energieversorgung oft kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird. Stattdessen wird ein Vertragsangebot in Form einer sogenannten Realofferte durch die Bereitstellung der Energie im öffentlichen Netz gemacht. Diese Realofferte wird konkludent angenommen, wenn jemand aus dem Netz des Versorgers Energie entnimmt. Das Gericht betonte, dass die Verfügungsgewalt über den Anschluss entscheidend ist, um den Vertragspartner zu identifizieren.

Wer ist der Empfänger der Realofferte?

In der Regel richtet sich die Realofferte an den Grundstückseigentümer, es sei denn, ein Mieter oder Pächter hat die Verfügungsgewalt über den Anschluss. Im vorliegenden Fall behauptete die Klägerin, dass die Beklagte als Eigentümerin von zwei Grundstücken der Empfänger der Realofferte sei. Die Beklagte bestritt dies und gab an, dass mehrere Gebäude über den betreffenden Zähler versorgt worden seien.

Beweislast und fehlende Beweise

Das Gericht stellte fest, dass die Beweislast für die Identifizierung des Empfängers der Realofferte beim Versorgungsunternehmen liegt. Die Klägerin konnte jedoch nicht beweisen, dass nur die Gebäude der Beklagten über den streitgegenständlichen Zähler versorgt worden waren. Daher wurde die Klage abgewiesen.

Abrechnungsprobleme und Verbrauch

Zusätzlich zur Frage der Vertragspartnerschaft gab es auch Unklarheiten bei der Abrechnung des Verbrauchs. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass die abgerechneten Verbräuche den tatsächlichen Verbräuchen entsprochen haben. Dies führte ebenfalls zur Abweisung der Klage.

Das Urteil des OLG Rostock bringt wichtige Klarstellungen im Bereich der Energieversorgung und des Vertragsrechts. Es betont die Bedeutung der Verfügungsgewalt über den Anschluss und die Beweislast des Versorgungsunternehmens bei der Identifizierung des Vertragspartners.

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Das vorliegende Urteil

OLG Rostock – Az.: 3 U 3/22 – Urteil vom 08.06.2023

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 16.06.2021 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.440,53 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes sieht der Senat gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO ab.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann nicht mit Erfolg gegenüber der Beklagten die Bezahlung von Stromlieferungen gem. § 433 Abs. 2 BGB verlangen.

Auf einen schriftlichen Stromlieferungsvertrag kann die Klägerin ihre Ansprüche nicht stützen, denn ein solcher ist zwischen den Parteien nicht geschlossen worden.

Ein die Forderung der Klägerin begründender (Kauf-) Vertrag ist auch nicht durch die konkludente Annahme einer Realofferte der Klägerin durch die Beklagte zustande gekommen.

Die Realofferte des Versorgers liegt in der Zurverfügungstellung der Energie im öffentlichen Netz. Grundsätzlich ist in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ein Vertragsangebot in Form einer sogenannten Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages zu sehen, das von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt (BGH, Urt. v. 15.02.2006, VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 = WuM 2006, 207). Durch diesen Rechtsgrundsatz wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Dabei soll ein vertragsloser Zustand bei Energielieferungen vermieden werden (BGH, Urt. v. 17.03.2004, VIII ZR 95/03, NJW-?RR 2004, 92; BGH, Urt. v. 15.02.2006, VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 = WuM 2006, 207; BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 165/18, NJW-?RR 2020, 201 = NZM 2020, 213 = ZMR 2020, 348).

Für die Frage, wer bei einem konkludenten Vertragsschluss durch tatsächlichen Bezug von Fernwärme, Strom oder Gas Vertragspartner des Versorgungsunternehmens wird, ist in erster Linie die Verfügungsgewalt über den Anschluss maßgeblich (BGH, Urt. v. 16.07.2003, VIII ZR 30/03, NJW 2003, 2902; BGH, Urt. v. 15.02.2006, VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 = WuM 2006, 207). Die Realofferte richtet sich in der Regel typischerweise an den Grundstückseigentümer, wenn dieser auch die Verfügungsgewalt über den Stromanschluss inne hat (BGH, Beschl. v. 15.01.2008, VIII ZR 351/06, WuM 2008, 139; BGH, Urt. v. 30.04.2003, VIII ZR 279/02, WM 2003, 1730). Empfänger der Realofferte kann aber auch ein Mieter oder Pächter sein, wenn diesem die Verfügungsgewalt über die Mietsache überlassen worden ist (BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 165/18, NJW-?RR 2020, 201 = NZM 2020, 213 = ZMR 2020, 348, m.w.N.). Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich die Abnahmestelle in dem Mietobjekt des Mieters befindet und von dort aus andere Mietobjekte oder Untermieter mitversorgt werden. Wird der Stromverbrauch einer in einem Mehrparteienhaus gelegenen und vermieteten Wohnung über einen Zähler erfasst, der ausschließlich dieser Wohnung zugeordnet ist, richtet sich die in der Bereitstellung von Strom liegende Realofferte des Versorgungsunternehmens regelmäßig nicht an den Hauseigentümer, sondern an den Mieter, welcher durch die seinerseits erfolgte Stromentnahme das Angebot konkludent annimmt (BGH, Urt. v. 02.07.2014, VIII ZR 316/13, BGHZ 202, 17; BGH, Urt. v. 22.07.2014, VIII ZR 313/13, BGHZ 202, 158; BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 165/18, NJW-?RR 2020, 201 = NZM 2020, 213 = ZMR 2020, 348). Es ist unerheblich, ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist, er also etwa weiß, dass das zu versorgende Objekt sich im Besitz eines Mieters oder Pächters befindet und dieser die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss ausübt. Bei der Bestimmung des Angebotsadressaten kommt es somit durchaus maßgebend darauf an, wer den Strom verbraucht, da der Vertrag regelmäßig gerade mit der Person begründet werden soll, die aufgrund ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt in der Lage ist, die offerierte Energie auch zu entnehmen, mithin hierdurch das Angebot (konkludent) anzunehmen (BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 165/18, NJW-?RR 2020, 201 = NZM 2020, 213 = ZMR 2020, 348). Wird der Verbrauch durch separate Zähler erfasst, wird dem Versorger die Möglichkeit eröffnet, dem jeweiligen Mieter den Verbrauch zuzuordnen und ihm gegenüber abzurechnen. Erfolgt eine separate Erfassung nicht, kommt als Vertragspartner des Versorgungsunternehmens nur der Eigentümer des Grundstücks in Betracht, auf dem sich die Übergabestation befindet, weil nur dieser für die Anbringung oder Änderung von Abzweigleitungen hinter der Übergabestelle sorgen kann (BGH, Urt. v. 15.02.2006, VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 = WuM 2006, 207).

Die Beweislast für die Person des Empfängers und seine Verfügungsgewalt trifft den Versorger (BGH, Beschl. v. 05.06.2018, VIII ZR 253/17, NJW-?RR 2018, 1105 = NZM 2018, 81 = ZMR 2019, 165).

Die Klägerin hat zuletzt in der Berufungsinstanz unter Bezugnahme auf die von der Beklagten vorgelegten Mietverträge vorgetragen, dass die Beklagte Eigentümerin zweier Grundstücke mit Musterhäusern gewesen sei, die über einen Zähler versorgt worden seien. Somit hat sie schlüssig vorgetragen, dass ein Wohnhaus und ein Bungalow, die im Eigentum der Beklagten während des Abrechnungszeitraums gestanden haben, über den streitgegenständlichen Zähler versorgt worden seien. Dann wäre die Beklagte als Eigentümerin Empfängerin der Realofferte. Die Beklagte hat diesen Vortrag zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 20.04.2023 bestritten und behauptet, es seien mehr als zwei Häuser über den Zähler versorgt worden. Vielmehr hätten sich unter der betreffenden Postadresse eine Gaststätte und drei Musterhäuser befunden, wobei die Gaststätte bereits 2008 verkauft worden sei und sich dort ein Stromzähler befunden habe. Somit hätte der Klägerin der Beweis oblegen, dass nur die beiden Häuser der Beklagten über den streitgegenständlichen Zähler versorgt worden seien. Einen solchen hat sie nicht angeboten.

Nach dem Vortrag der Beklagten wäre vielmehr der Eigentümer oder Betreiber der Gaststätte der Empfänger der Realofferte gewesen, da nach dem in der mündlichen Verhandlung unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten der Zähler sich in der Gaststätte befunden hat.

Auch die Ummeldung des Zählers durch Herrn S. vom 10.01.2017 hilft der Klägerin nicht weiter. Zwar weist sie als bisherigen Mieter die Beklagte aus und ist unter den Abschnitten Eigentümer und neuer Eigentümer unterschrieben. Gleichwohl handelt es sich nur um eine Privaturkunde, die lediglich den Nachweis erbringt, dass derjenige, der sie unterschrieben hat, ihren textlichen Inhalt dort niedergelegt hat. Dass die dortigen Angaben auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, belegt sie als Beweismittel nicht.

Auch beweist die Ummeldung vom 10.01.2017 nicht, dass an den Zähler zwei Häuser angeschlossen waren. Vielmehr spricht der Umstand, dass Herr S. zu diesem Zeitpunkt nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten erst eines der Musterhäuser erworben hatte, dafür, dass der Zähler nur ein Haus versorgt hat. Auch das bestätigt den Vortrag der Klägerin, dass über den Zähler zwei Häuser im Eigentum der Beklagten versorgt worden seien, nicht. Vielmehr war dieses Haus vermietet, so dass bei einer alleinigen Versorgung desselben der Mieter Empfänger der Realofferte gewesen wäre.

Schließlich hat die Beklagte die abgerechneten Verbräuche bestritten. Die Klägerin hat lediglich Beweis dafür angeboten, dass durch Eigenablesung oder den örtlichen Netzbetreiber regelmäßig die Zählerstände abgelesen und protokolliert würden. Einen Beweisantritt dafür, dass die für die jeweiligen Abrechnungszeiträume berechneten Verbräuche auch den tatsächlichen Verbräuchen entsprochen haben, enthält dieser Vortrag nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, sieht der Senat nicht.

 

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