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Rodelhang – Haftung der Betreiber aus Verkehrssicherungspflicht

Oberlandesgericht Hamm

Az.: 13 U 120/98

Urteil vom 27.01.1999

Vorinstanz: Landgericht Arnsberg, Az.: 4 O 510/97


Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. April 1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin um 17.870,50 DM.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin kann von den Beklagten als den Betreibern des Rodelhanges C mit Aufzugshilfe weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld beanspruchen. Eine Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner folgt weder aus einer schuldhaften Vertragspflichtverletzung noch aus unerlaubter Handlung wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung.

I.

Mit zutreffenden Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht in dem angegriffenen Urteil eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten verneint.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz kann eine schuldhafte Verletzung von Vertragspflichten aus einem Beförderungsvertrag oder von Verkehrssicherungspflichten nicht festgestellt werden.

Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1985, 620 = VersR 1985, 64) trifft den Bergbahn- und Schleppliftunternehmer wegen Eröffnung und Unterhaltung zur Abfahrt für Skiläufer geeigneter Pisten grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht. Dies gilt entsprechend für die Eröffnung und Unterhaltung eines Rodelhanges. Die Verantwortung des Verkehrssicherungspflichtigen erstreckt sich dabei in erster Linie auf verdeckte und atypische Gefahren. Als atypische Gefahr ist eine solche anzusehen, mit der im Hinblick auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Skipiste bzw. des Rodelhanges auch ein verantwortungsbewußter Benutzer nicht rechnet, die also nicht „pistenkonform“ ist. Dies trifft zu auf tiefe Löcher, Betonsockel, Abbrüche oder Steilkanten am Rande eines Ski- oder Rodelhanges.

Die gem. § 276 BGB im Verkehr erforderliche Sorgfalt bestimmt sich danach, welche Rücksichtnahme gegenüber der Schutzsphäre vom Verkehr gefordert und erwartet werden kann. Grundsätzlich muss sich die Verkehrspflicht an den schutzbedürftigsten Personen ausrichten. Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden (BGH NJW 1985, 1076).

Die Verkehrssicherungspflichten des Schleppliftunternehmers dürfen nicht überspannt werden. Eine vollkommene Verkehrssicherheit ist auch auf Ski- und Rodelhängen nicht zu erreichen. Der Verkehrspflicht des Liftbetreibers steht die Eigenverantwortlichkeit des Ski- und Rodelsportlers gegenüber. Er trägt in erster Linie selbst die Verantwortung dafür, welche Gefahren er bei der Abfahrt eingehen will und entsprechend seinem Können eingehen kann. Er hat daher in der Regel

eigenverantwortlich für seine Sicherheit zu sorgen. Die mit dem betriebenen Wintersport typischerweise verbundenen Gefahren nimmt der Wintersportler bewusst in Kauf, also insbesondere Geländeschwierigkeiten, eisige oder verharrschte Stellen, Buckel und Mulden, schlechte Schneequalität etc.

Schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin bestand zur Unfallzeit keine über die dem Rodelsport typischerweise eigenen Gefahren hinausgehende Gefährlichkeit des von ihr benutzten Rodelhanges. Nach ihrem Vorbringen in der Klageschrift war die Klägerin eine geübte Schlittenfahrerin. Sie hat sich ihre Verletzungen dadurch zugezogen, dass sie wegen starker Vereisung und Verharrschung der unteren Hälfte des Rodelhanges nicht mehr bremsen konnte und dann durch die folgenden Buckel auf dem Hang mehrfach mit dem Schlitten hoch geschleudert wurde. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelte es sich bei den von ihr als unfallursächlich geschilderten Umständen nicht um versteckte, atypische, sondern um typische Gefahren einer Rodelpiste, mit denen ein Rodler rechnen muss und auf die er sich einzustellen hat. Dass es bei schlechten Schneeverhältnissen und durch beim Rodeln typischerweise entstehende Wellen und Buckel zu gefährlichen Situationen und Unfällen kommen kann, ist dem Rodelsport immanent und nicht vom Schleppliftunternehmer zu verantworten.

Die Klägerin hat auch nicht dargetan, dass ausnahmsweise eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten deshalb bestand, weil eine besondere Schutzbedürftigkeit der den Rodelhang benutzenden Personen bestand. Dies hat der BGH (NJW 1985, 620) bejaht für den Fall eines sichtbaren Hindernisses auf einem stark frequentierten Übungshang, und zwar mit der Begründung, es habe sich hierbei um eine sog. Schlüsselstelle gehandelt (vgl. auch BGH NJW 1973, 1381). Entgegen der Auffassung der Klägerin stellte der untere Teil des Rodelhanges trotz der von ihr bemerkten starken Vereisung und Verharrschung sowie der vorhandenen Buckel keine derartige besondere Schlüsselstelle im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar, die den Liftbetreiber zum Ergreifen weitergehender Maßnahmen hätte veranlassen müssen. Wie oben schon ausgeführt, gehören schlechte Schneequalität, vereiste Stellen und Buckel zu den

typischen Gefahren, die ein Ski- und Rodelsportler bewusst in Kauf nimmt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn auf einer Abfahrt auch für einen aufmerksamen und erfahrenen Wintersportler eine außergewöhnliche, nicht ohne weiteres erkennbare Gefahr vorhanden ist. Dies hat der BGH (NJW 1973, 1379) hinsichtlich einer vereisten Stelle einer Skiabfahrt für den Fall bejaht, dass ein Sportler auf dieser vereisten Stelle auf einer Strecke von mehreren 100 m abrutschen und dabei zu Tode kommen kann. Wie sich aus den von den Parteien überreichten Fotos des Rodelhanges eindeutig ergibt, lag unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der Neigung und des Auslaufs des Hanges, auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin behaupteten Vereisung sowie der vorhandenen Buckel keine derartig außergewöhnliche Gefährlichkeit vor, die die Beklagten zu weiteren Verkehrssicherungsmaßnahmen hätte Veranlassung geben müssen. Insbesondere war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht eine Sperrung des Rodelhanges erforderlich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin, am Unfalltage seien mehrere Schlitten zu Bruch gegangen. Unstreitig hatten ihre Schüler und ihr Kollege am Unfalltage bereits längere Zeit gerodelt, ohne dass es vorher oder nachher zu weiteren Unfällen gekommen war. Dass weitere Schlitten zu Bruch gegangen sind, ist ebenfalls als typisch für das Betreiben des Rodelsports anzusehen, jedenfalls soweit er mit privaten Schlitten als Freizeitsport betrieben wird.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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