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Rückforderung von Geldgeschenken wegen Verarmung des Schenkers

LG Aachen – Az.: 3 S 127/16 – Urteil vom 14.02.2017

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Eschweiler vom 26.07.2016 – Aktenzeichen 26 C 50/16 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin macht aus übergeleitetem Recht Ansprüche gegen die Beklagte nach § 528 BGB wegen Verarmung des Beschenkten geltend. Der Großvater der Beklagten hatte dieser seit 1998 monatlich 100 DM, bzw. seit 2002 monatlich 51,13 EUR überwiesen.

Der Großvater ist pflegebedürftig und kann seine Pflege nicht mehr (vollumfänglich) bezahlen. Die Klägerin fordert nun nach Überleitung der Ansprüche gemäß § 93 SGB XII in Höhe der Pflegeaufwendungen das Geschenkte von der Beklagten zurück.

Die Beklagte wendet ein, es habe sich um Anstandsschenkungen gehandelt.

Das Amtsgericht hat dies verneint und die Beklagte verurteilt, 3.511,40 EUR zu zahlen. Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung.

Sie beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Eschweiler vom 26.07.2016 – Aktenzeichen 26 C 50/16 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 3.511,40 EUR gegen die Beklagte aus § 528 BGB i.V.m. § 812 BGB i.V.m. § 93 SGB XII.

Der Anspruch ist vorliegend nach § 534 BGB ausgeschlossen. Bei den Zuwendungen des Großvaters an die Beklagte handelte es sich um Anstandsschenkungen.

Anstandsschenkungen beruhen im Vergleich zu den Pflichtschenkungen zwar auf einer geringeren moralischen Verpflichtung, ihr Unterlassen würde jedoch gegen die Anschauungen der sozialen Kreise des Schenkers verstoßen und einen Verlust an Achtung und Ansehen für ihn mit sich bringen (vgl. Staudinger/Tiziana J. Chiusi (2013) BGB § 534, Rn. 15).

Maßstab für die Bestimmung des Anstands und ggf. für die Begrenzung des Umfangs eines Geschenks sind daher die Personen, die aus den sozialen Kreisen des Schenkers stammen; diese lassen sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls an Hand der örtlichen und sozialen und standesgemäßen Verkehrssitte bestimmen. Auch wenn die Anstandsgeschenke im Wert geringer sind als Pflichtschenkungen, müssen sie mit Hinblick auf einen möglichen Ansehensverlust gerade geboten sein (vgl. Staudinger/Tiziana J. Chiusi (2013) BGB § 534, Rn. 15).

Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagten, dass es heute üblich ist, dass Großeltern ihren Enkeln ein monatliches Taschengeld zukommen lassen. Dies war zwischen den Parteien in erster Instanz auch unstreitig.

Es handelt sich bei dem Betrag nach dem von der Klägerin erstinstanzlich nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten auch um einen solchen, der im Bereich des Üblichen an monatlichen Zuwendungen an Enkel liegt.

Bei der Entscheidung ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall bei Beginn der Zuwendungen nicht absehbar war, dass der Großvater der Beklagten einmal pflegebedürftig werden würde. Auch dies wurde von der Klägerin nicht konkret in Abrede gestellt.

Nachdem maßgeblich die Gepflogenheiten sozial Gleichgestellter sind, so ist im vorliegenden Einzelfall davon auszugehen, dass das Ausbleiben der monatlichen Zuwendung für den Großvater einen Ansehensverlust in seinem sozialen Umfeld bedeutet hätte. Soweit trotz uneingeschränkter finanzieller Möglichkeiten ein übliches Taschengeld nicht zugewandt worden wäre, wäre dies im vorliegenden Fall geeignet gewesen, im Bekanntenkreis und sozialen Umfeld des Großvaters ein schlechtes Licht auf diesen zu werfen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in der Literatur als Anstandsschenkungen insbesondere Geburtstags-, Weihnachts- und Hochzeitsgeschenke genannt sind. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass Taschengeldzahlungen der Großeltern jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation den vorgenannten Geschenken gleichzustellen sind.

Dass die Beklagte das Geld nicht unmittelbar ausgegeben, sondern gespart hat, so dass im Laufe der 16 Jahre eine nicht geringe Summe zusammen gekommen ist, lässt nicht darauf schließen, dass es sich nicht um ein monatliches Taschengeld handelte, sondern um eine Art Sparvertrag. Es war der Beklagten freigestellt, über ihr Geld zu verfügen. Dem Großvater war sie hierüber keine Rechenschaft schuldig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.511,40 EUR festgesetzt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere ist das Gericht nicht von der Rechtsprechung anderer Obergerichte oder des Bundesgerichtshofs abgewichen, wirft der Fall keinen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf und bedarf es nicht der Rechtsfortbildung.

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