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Sachverständigen – Anweisungserteilung durch Partei?

OLG Rostock – Az.: 4 W 19/22 – Beschluss vom 09.12.2022

In der Beschwerdesache hat das Oberlandesgericht Rostock – 4. Zivilsenat – am 09.12.2022 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 01.09.2022, Az. 3 OH 18118, in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 18.10.2022 wird verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin führt, u.a. gegen die Antragsgegnerin zu 1) als ausführende Bauunternehmerin und den Antragsgegner zu 3) als planenden Ingenieur, ein selbständiges Beweisverfahren über die Behauptung, die in den Kalt- und Warmwasserleitungen des in dem von ihr betriebenen Wohnheims für behinderte Menschen eingebauten Pressfittings, Rohrleitungen und Aggregate (Ventile, Armaturen usw.) wiesen von innen nach außen wachsende Korrosionen („Lochfraß“) auf. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 08.06.2020 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens dazu sowie u.a. zu der Frage angeordnet, welche Ursachen die behaupteten Mängel hätten, sofern diese vorlägen.

Sachverständigen – Anweisungserteilung durch Partei?
(Symbolfoto: FotoDuets/Shutterstock.com)

Die gerichtlich bestellte Sachverständige hat ihr Gutachten unter dem 20.04.2022 vorgelegt. Darin stellt sie gewisse Korrosionserscheinungen fest. Ob diese zur Annahme eines Mangels führten, sei ebenso wie die Frage nach der Ursache u.a. von der Qualität des verwendeten Wassers abhängig. Deshalb habe sie, die Sachverständige, von den Parteien Trinkwasseranalysen und weitere Informationen gefordert, die jedoch nicht beigebracht worden seien. Die in den Akten vorhandene Analyse des Wasserversorgers sei nicht verwertbar, da die Antragstellerin eine eigene Wasseraufbereitungsanlage betreibe, deren Werte entscheidend seien.

Die Antragstellerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 19.05.2022 eine Stellungnahme abgegeben und verschiedene Ergänzungsfragen („Frage a) – Frage j)“) formuliert, die das Landgericht an die Sachverständige weitergeleitet hat. Diese hat mit Schreiben vom 13.06.2022 darauf hingewiesen, dass ihr für einige Fragen Anknüpfungstatsachen fehlten, etwa eine aktuelle Wasseranalyse, wobei sie davon ausgehe, eine solche nicht selbst durchführen zu sollen. Das Landgericht hat letzteres mit Antwortschreiben vom 20.06.2022 bestätigt. Beide Schreiben sind den Parteien Bekannt gemacht worden.

In ihrem Ergänzungsgutachten vom 20.07.2022 hat die Sachverständige die Fragen e) und h) aus näher dargelegten Gründen nicht inhaltlich beantwortet.

Insbesondere läge keine, für die Beantwortung der Fragen aber erforderliche aktuelle Wasseranalyse vor.

Mit Schriftsatz vom 26.08.2022 hat die Antragstellerin dies moniert und beantragt, die Sachverständige anzuhalten, zu Frage e) die aktuellen Wasserwerte (nach Aufbereitung) zu ermitteln und sodann diese Frage wie auch die Frage h) zu beantworten. Das Landgericht hat dies mit dem angefochtenen, am 21.09.2022 zugestellten Beschluss abgelehnt, weil es – zu Frage e) – nicht Aufgabe der Sachverständigen sei, Ermittlungen über die aktuellen Wasserwerte anzustellen.

Diese beizubringen sei vielmehr Sache der Antragstellerin. Die Frage h) sei nach den Ausführungen der Sachverständigen abstrakt und daher nicht zu beantworten.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 21.09.2022, mit der sie an ihrem Begehren nach Beantwortung auch dieser beiden Ergänzungsfragen und der Ermittlung der Werte durch die Sachverständige festhält. Entgegen der Auffassung des Landgerichts betreffe Frage e) keinen Ausforschungsbeweis. Für die Feststellung der Ursache der Mängel sei die Wasserqualität von zentraler Bedeutung. Die Sachverständige müsse diese daher bestimmen. Die Frage h) habe die Sachverständige offenbar missverstanden und deshalb nicht beantwortet. Es handele sich um eine konkrete Frage und zwar danach, ob die Planung und Verwendung anderer Materialien als Kupfer die Korrosion bzw. das Korrosionsrisiko vermieden hätte.

Die Antragsgegnerin zu 1) sowie eine Streithelferin treten der sofortigen Beschwerde entgegen, das Landgericht hat ihr mit Beschluss vom 18.10.2022 nicht abgeholfen. Im Beschwerdeverfahren haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1) weiter Stellung genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist bereits nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen, § 572 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

1. Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt u.a. gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Landgerichte, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Nr. 1) oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (Nr. 2).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

2. Eine ausdrückliche Bestimmung, wonach die sofortige Beschwerde in vorliegender Konstellation statthaft ist, findet sich im Gesetz nicht, weder in §§ 402 ff. ZPO noch in §§ 485 ff. ZPO.

3. Mit der angefochtenen Entscheidung wurde auch kein das selbständige Beweisverfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen.

a) Allerdings wird die sofortige Beschwerde nach dieser Vorschrift als statthaft angesehen, wenn ein Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren zurückgewiesen wird, weil es sich dabei um eine Entscheidung handele, die das Verfahren weitgehend abschließe und die deshalb nicht erst in einem möglicherweise folgenden Rechtsstreit zur Hauptsache geklärt werden könne (BGH, Beschluss vom 13.09.2005 – VI ZB 84104; OLG Stuttgart, Beschluss vorn 02.01.2014 – 10 W 34/13; Herget in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 490 Rn. 4).

Ein solcher Antrag ist vorliegend aber weder gestellt noch abschlägig beschieden worden.

b) Das Landgericht hat auch nicht ein das selbständige Beweisverfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen, indem es abgelehnt hat, dem Sachverständigen eine Weisung zu erteilen.

Ein „Gesuch“, bei dessen Ablehnung die Beschwerde statthaft ist, liegt vor, wenn die abgelehnte Entscheidung nur auf Antrag ergehen konnte. Ist dagegen die Entscheidung von Amts wegen zu treffen, liegt in dem „Gesuch“ einer Partei inhaltlich eine bloße Anregung, die das Rechtsmittel der Beschwerde nicht eröffnet. Nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO hat das Gericht von Amts wegen die Pflicht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und in diesem Rahmen ihm gegebenenfalls für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen zu erteilen. Damit ist klargestellt, dass der Gutachter Gehilfe des Gerichts ist und ihm vom Gericht vorgegeben werden kann, was rechtlich bedeutsam ist. Um diesem Weisungsrecht nachzukommen, bedarf es für das Gericht keines Antrags. Der „Antrag“ des Antragstellers, dem Sachverständigen Weisungen zu erteilen, ist deshalb prozessual eine bloße Anregung, von Amts wegen nach § 404a Abs. 4 ZPO tätig zu werden (BGH, Beschluss vom 15.01.2020 – VII ZB 96/17; OLG Naumburg, Beschluss vom 05.11.2019 – 12 W 30/19; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.08.2019 – 8 W 29/19; OLG Schleswig, Beschluss vom 14.12.2017 – 16 W 152/17; OLG Köln, Beschluss vom 15.03.2010 – 11 W 14/10; Herget, a.a.O., jeweils m.w.N.).

c) Letzteres ist hier der Fall.

aa) Die Antragstellerin beantragt die Beantwortung ihrer Ergänzungsfragen auf der Grundlage der aktuellen, unter Berücksichtigung der Wasseraufbereitungsanlage tatsächlich vorhandenen Wasserwerte. Dazu solle das Landgericht die Sachverständige „anhalten“, diese Werte selbst zu ermitteln. In der Sache begehrt die Antragstellerin hinsichtlich der Wasserwerte damit das Erteilen einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO und nicht eine – weitere – Ergänzung oder Erläuterung der bisher vorgelegten Gutachten.

bb) Eine solche Weisung hat die Antragstellerin bezüglich der Ergänzungsfrage e) („Welche Prognose für die Korrosionserscheinungen ergibt sich aus der Einbeziehung der aktuellen Wasserwerte?“) mit ihrem „Antrag“ vom 26.08.2022 ausdrücklich erbeten, weil andernfalls eine Beantwortung nicht möglich sei.

Dort heißt es u.a.:

„Die Sachverständige kann diese Frage (i.e. Frage e], Anm. des Senats) nicht beantworten, weil sie die aktuellen Wasserwerte nicht kennt. Das Gericht wird gebeten, die Sachverständige anzuhalten, die aktuellen Wasserwerte (nach Aufbereitung) zu ermitteln und die Frage zu beantworten. Wir meinen, dass die Sachverständige eine eigene Analyse vornehmen muss.

Aber auch für die Beantwortung der Ergänzungsfrage h) sind die aktuellen Wasserwerte und deshalb eine entsprechende Analyse erforderlich. Zwar lautet die Frage:

„Der Beweisbeschluss fragt nach den Ursachen für den Mangel. Zur Beantwortung dieser Frage gehört auch die Frage: Wären die Korrosionserscheinungen mit einem Risiko für einen Lochfraß bei Wahl anderer Materialien (Fittings ohne Materialmix aus edlen und unedlen Metallen) vermeidbar gewesen?“

Erläuternd hat die Antragstellerin aber angemerkt, das aus der öffentlichen Wasserversorgung kommende Wasser werde in der von ihr, der Antragstellerin betriebenen Wasseraufbereitungsanlage stark enthärtet.

Dadurch entstehe ein stark korrosiv wirkendes Wasser, was den Antragsgegnern zu 1) und 3) hätte bekannt sein müssen. Sie, die Antragstellerin, gehe davon aus, dass die Kombination von stark korrosiv wirkendem Wasser und Materialmix bei den Fittings (edles / unedles Metall) die Korrosionserscheinungen und den Lochfraß verursacht hätten.

Die Sachverständige hat dazu in ihrem Ergänzungsgutachten ausgeführt, ohne Trinkwasseranalysen über einen längeren Zeitraum sei es ihr nicht möglich, eine Risikoabschätzung abzugeben. Da die Antragstellerin eine eigene Wasseraufbereitungsanlage betreibe, seien die vorhandenen Daten des Wasserversorgers nicht verwertbar. Die Qualität des aufbereiteten Wassers sei stark vom eingesetzten Verfahren abhängig.

Unterlagen dazu habe die Antragstellerin aber trotz mehrfacher Anfragen der Sachverständigen nicht vorgelegt. Die Aussage, das Wasser sei „stark korrosiv“, sei ohne nähere Angaben nicht nachvollziehbar. Im Übrigen berücksichtigten die einschlägigen Grenzwerte auch die Korrosion der Trinkwasserinstallation, sodass „stark korrosives Wasser“ nicht mehr als Trinkwasser verwendbar wäre. Auch sei der Sachverständigen eine rein theoretische Betrachtung nicht möglich. Darüber hinaus sei nicht erkennbar, dass unedle Metalle bzw. ein Materialmix eingesetzt worden seien, wobei die Sachverständige auch auf die Antwort auf die folgende Ergänzungsfrage i) verweist.

Auch die Frage h) kann daher aus Sicht der Sachverständigen ohne die aktuellen Wasserwerte nicht konkret beantwortet werden. Nachdem die Antragstellerin auf der Frage beharrt, bedürfte es daher auch hier zunächst der Erstellung einer entsprechenden Analyse – und damit, soll diese von der Sachverständigen durchgeführt werden, einer entsprechenden Anordnung des Gerichts.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Sachverständige, wie die Antragstellerin meint, die Frage missverstanden hat, weil es darum gehe, ob das Korrosionsrisiko bei der Verwendung anderer Materialien als Kupfer hätte vermieden werden können. Auch in dieser Gestaltung ist die Beantwortung der Frage von der jeweiligen Wasserqualität abhängig, die jedoch zunächst ermittelt werden müsste.

d) Der angefochtene Beschluss vom 01.09.2022, mit dem das Landgericht den „Antrag“ der Antragstellerin vom 22.08.2022 zurückgewiesen hat, stellt sich daher als Weigerung dar, eine Anordnung nach § 404a ZPO zu treffen. Die Entscheidung des Gerichts, ob und welche Anweisungen an der Sachverständigen erteilt werden, unterliegt aus den oben (b) dargestellten Gründen jedoch nicht der sofortigen Beschwerde (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 7 ff.; OLG Naumburg, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Schleswig, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; a.A. – jeweils ohne Begründung – OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.01.2018 – 19 W 41/17; OLG Celle, Beschluss vom 01.12.2016 – 5 W 49/16).

e) Gründe, die es rechtfertigen könnten, eine selbständige Anfechtung der Verweigerung einer Weisung nach § 404a Abs.4 ZPO ausnahmsweise zuzulassen (vgl. BGH, a.a.O., Beschluss vom 18.12.2008 – 1 ZB 118107; OLG Naumburg, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.), sind nicht gegeben. Die Ablehnung hat keinen bleibenden rechtlichen Nachteil für die Antragstellerin zur Folge, der sich im weiteren Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben ließe. Weder führt sie zum Stillstand des Verfahrens noch lässt sie sich ihrem qualitativen Gewicht nach einer Zurückweisung des Beweissicherungsantrages gleichstellen. Der Antragstellerin bleibt vielmehr unbenommen, die Wasserqualität selbst bestimmen zu lassen und die Werte sodann der Sachverständigen zur Verfügung zu stellen oder die von der Sachverständigen bereits angeforderten Unterlagen vorzulegen. Das ist ihr auch zumutbar.

Eine von ihr befürchtete „fehlende Beweiskraft“ steht dem nicht entgegen. Sollten die Antragsgegner die von der Antragstellerin gelieferten Werte bestreiten, wird vielmehr eine Bestimmung nach § 404a Abs. 3 ZPO in Betracht kommen und ggf. in einem Hauptsacheverfahren weiter Beweis hierüber zu erheben sein.

Gleiches gilt für die weitere Behauptung der Antragstellerin, die – noch festzustellenden – aktuellen Wasserwerte entsprächen denjenigen bei Einbau der Fittings bzw. bei Abnahme der Werkleistungen der Antragsgegner, die Werte seien seither unverändert geblieben.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO (Herget, a.a.O., § 490 Rn. 5).

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