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Sachverständigenvergütung – gedankliche Vorbereitung ist auch zu vergüten

Vergütung für Gedankenarbeit – Erkenntnisse aus dem Saarbrücker Gutachterfall

Die jüngste Entscheidung des OLG Saarbrücken (Az.: 4 W 12/22) aus dem Jahr 2022 befasst sich mit der zentralen Frage, ob und in welchem Ausmaß „gedankliche Vorbereitung“ in der Tätigkeit eines Sachverständigen zu vergüten ist. Der konkrete Sachverhalt dreht sich um den Sachverständigen Dipl.-Ing., der gegen eine Beschwerde Einspruch erhob, dass seine kognitive Vorarbeit nicht entsprechend entlohnt wurde. Dieser Punkt ist besonders relevant, da es oft schwierig ist, die zur Vorbereitung erforderliche Zeit objektiv zu quantifizieren.

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Stundenermittlung und frühere Rechtsprechung

Es besteht die Rechtsauffassung, dass eingehende Überlegungen, die einen signifikanten Teil der Vorarbeit darstellen, zeitlich berücksichtigt werden sollten. Dieser Standpunkt stützt sich auf frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs sowie auf Literaturmeinungen. Eine Methode, die einige Gerichte, insbesondere aus der Sozialgerichtsbarkeit, zur Quantifizierung dieser „nicht messbaren Gedankenarbeit“ nutzen, besteht darin, die Seitenzahl des Gutachtens zu berücksichtigen. Sie gehen davon aus, dass ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung etwa eine Stunde für die gedankliche Erarbeitung und Beurteilung von anderthalb Blättern benötigt.

Anforderungen an die Aufschlüsselung der Arbeitsschritte

Der Sachverständige ist trotz der fehlenden Vorgaben im Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) verpflichtet, eine angemessene Aufschlüsselung seiner Arbeitsschritte vorzulegen. Er muss die für die einzelnen Arbeitsschritte anfallenden Stunden und Minuten angeben. Diese Anforderung unterstreicht die Notwendigkeit der Nachprüfbarkeit seiner Tätigkeit. Der konkrete Fall zeigt allerdings, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, im Detail darzulegen, wann und wie lange er welche sachverhaltsbezogenen Überlegungen angestellt hat.

Grenzen der Detailerwartungen

Trotz dieser Schwierigkeiten ist zu berücksichtigen, dass die Vorbereitung eines Gutachtens ein komplexer intellektueller Vorgang ist und von einem Sachverständigen keine detailliertere Darlegung erwartet werden kann. Besonders bei komplexen Fällen muss der Sachverständige über die zur Vorbereitung des schriftlichen Gutachtens hinaus gehenden Überlegungen hinausgehen und sich mit weiteren, sich erstmalig stellenden und erfahrungsgemäß schwierigen Fragen auseinandersetzen.

Entscheidung im aktuellen Fall

Im aktuellen Fall schien der Zeitaufwand von 1,25 Stunden für diese zusätzlichen Überlegungen plausibel und nicht überhöht. Trotz dieser Anerkennung wurde dem Beschwerdeführer nur ein Stundensatz von 25 Euro gewährt, da er nicht nachweisen konnte, dass aufgrund ihrer Qualifikation eine höhere Vergütung verlangt werden könnte. Die Diskussion um eine potentiell unzulässige fiktive Berechnung des Verdienstausfalls der Begleitperson erübrigte sich, da der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde, in der das Verbot der „reformatio in peius“ gilt, keinen höheren Betrag fordern konnte.


Das vorliegende Urteil

OLG Saarbrücken – Az.: 4 W 12/22 – Beschluss vom 08.08.2022

Auf die Beschwerde des Sachverständigen Dipl.-Ing. ### wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 03.02.2022 (3 O 80/19) dahingehend abgeändert, dass die dem Sachverständigen im vorliegenden Verfahren zu gewährende Vergütung bzw. Entschädigung auf Antrag des Sachverständigen sowie auf Antrag der Staatskasse auf insgesamt 9.905,44 Euro festgesetzt wird und dass hiervon auf die Rechnung vom 28.08.2020 ein Betrag von 3.812,22 Euro, auf die Rechnung von 14.03.2021 ein Betrag von 2.265,82 Euro und auf die Rechnung vom 18.06.2021 ein Betrag von 3.827,40 Euro entfallen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Parteien haben um eine Vergütung für diverse Liefer- und Montageleistungen der Beklagten, eines Fachhändlers für dentale Produkte, im Zusammenhang mit der Ausstattung der Zahnarztpraxis des Klägers im Rahmen eines Umbaus gestritten (Bl. 1 ff d. A.).

Mit Beschluss vom 20.12.2019 (Bl. 167 d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht angeordnet, dass über die Ursächlichkeit der Arbeiten der Beklagten an der Praxis des Klägers ein Sachverständigengutachten eingeholt wurde.

Durch Beschluss vom 14.01.2020 (Bl. 176 d. A.) hat das Landgericht den Beschwerdeführer zum Sachverständigen bestellt.

Dieser hat daraufhin mit Schreiben vom 10.02.2020 (Bl. 182 d. A.) seine Beauftragung bestätigt.

Unter dem 28.08.2020 hat der Beschwerdeführer ein schriftliches Gutachten erstattet (Bl. 219 d. A.) und hierfür mit Rechnung vom 28.08.2020 (Bl. 247 d. A.) eine Vergütung von insgesamt 4.146,30 Euro geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 19.11.2020 (Bl. 363 d. A.) hat das Landgericht angeordnet, dass der Beschwerdeführer ein schriftliches Ergänzungsgutachten erstatten und hierin auf die Einwendungen der Parteien gegen sein Ursprungsgutachten eingehen sollte.

Daraufhin hat der Beschwerdeführer unter dem 14.03.2021 ein Ergänzungsgutachten erstattet (Bl. 340 d. A.) und hierfür mit Rechnung vom 14.03.2021 (Bl. 354 d. A.) eine Vergütung von insgesamt 2.365,30 Euro geltend gemacht.

Mit weiterem Beweisbeschluss vom 22.04.2021 (Bl. 379 d. A.) hat das Landgericht im Hinblick auf verschiedene Einwendungen der Parteien u. a. angeordnet, dass der Beschwerdeführer sein Ursprungsgutachten und sein Ergänzungsgutachten mündlich erläutern sollte.

In der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2021 (Bl. 419 d. A.) hat der Sachverständige sodann seine Gutachten erläutert (Bl. 421 d. A.). Hierfür hat er mit Rechnung vom 18.06.2021 (Bl. 433 d. A.) eine Vergütung von insgesamt 4.704,23 Euro geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 03.02.2022 (Bl. 539 d. A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken – Einzelrichter die dem Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren zu gewährende Vergütung bzw. Entschädigung auf insgesamt 9.771,56 Euro festgesetzt und angeordnet, dass hiervon auf die Rechnung vom 28.08.2020 ein Betrag von 3.812,22 Euro, auf die Rechnung vom 14.03.2021 ein Betrag von 2.265,82 Euro und auf die Rechnung vom 18.06.2021 ein Betrag von 3.693,52 Euro entfallen.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22.02.2022 (Bl. 564 = 574 d. A.) Beschwerde nach § 4 Abs. 3 JVEG eingelegt und beantragt, ihm auf Grund seiner Rechnung Nr. R00079 vom 18.06.2021 den vollen Betrag anzuerkennen und zu erstatten.

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, auch die „gedankliche Vorarbeit“ sei dem Gutachter zeitlich zu vergüten, auch wenn es insoweit kaum objektivierbare Anhaltspunkte gebe, um die erforderliche Stundenzahl zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs sowie nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung seien eingehende Überlegungen anzustellen, die zeitlich berücksichtigt werden müssten (im Einzelnen Bl. 574 d. A.). Einige Gerichte, insbesondere aus der Sozialgerichtsbarkeit, würden die nicht messbare Gedankenarbeit in Bezug auf die Seitenzahl konkretisieren und etwa bei einem medizinischen Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung für die gedankliche Erarbeitung und Beurteilung durchschnittlich eine Stunde für ca. eineinhalb Blatt ausgehen, während es nach der Rechtsprechung des OLG Koblenz keinen Erfahrungssatz dahingehend gebe, dass die zur Beurteilung erforderliche Zeit mit der Seitenzahl des schriftlichen Gutachtens korrespondiere (im Einzelnen Bl. 574 d. A.).

Im technischen Bereich, also auch im vorliegenden Fall, seien gedankliche Überlegungen mit Rückschlüssen auf physikalische, elektrotechnische und hydraulische Gegebenheiten etc. abzugleichen, was nicht durch Arbeit im Büro bzw. am Schreitisch erledigt werde, sondern hinreichende Gedankenarbeit erfordere (Bl. 575 d. A.).

Darüber hinaus seien auch die Kosten für eine Begleitperson zu ersetzen, da eine Begleitung notwendig sei, um die Beweglichkeitseinschränkungen, die bei Behinderten mit einem Rollstuhl vorhanden seien, auszugleichen und Hilfestellung für körperlich notwendige Maßnahmen wie Toilettengänge und anderes zu ermöglichen. Die Streichung dieser Position stelle eine Diskriminierung dar (Bl. 575 d. A.).

Die in den §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besonders genannten baren Auslagen seien gemäß § 7 Abs. 1 JVEG zu ersetzen, soweit sie notwendig seien. Dies gelte insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen (Bl. 575 d. A.).

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Die Parteien haben gemäß § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich durch Einreichung entsprechender Schriftsätze geschlossen, bezüglich dessen Inhalts auf den Beschluss des Landgerichts vom 02.03.2022 (Bl. 576 d. A.) Bezug genommen wird.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 04.03.2022 (Bl. 585 d. A.), auf dessen Gründe ebenfalls Bezug genommen wird, der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Festsetzung einer Vergütung im Beschluss vom 03.02.2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthaft, denn der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 27.10.2021 (Bl. 489 d. A.) gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG die gerichtliche Festsetzung seiner Vergütung gemäß Rechnung vom 18.06.2021 beantragt. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdesumme des § 4 Abs. 3 JVEG von mehr als 200,– Euro erreicht, da die Beschwer 1.010,71 Euro (beantragte 4.704,23 Euro abzüglich festgesetzter 3.693,52 Euro) beträgt.

Über die Beschwerde entscheidet gemäß § 4 Abs. VII Satz 1 Halbsatz 2 JVEG eines der Mitglieder des Senats als Einzelrichter, da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde.

Die Beschwerde, die sich allein auf die mit Rechnung vom 18.06.2021 für die mündliche Erläuterung der Gutachten des Beschwerdeführers geltend gemachte, nicht aber auf die mit den beiden übrigen Rechnungen geltend gemachten Vergütungen bezieht, ist jedoch nur in Höhe von 133,88 Euro (112,50 Euro zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer) begründet.

Das Landgericht hat die dem Beschwerdeführer für die mündliche Erläuterung seiner Gutachten zustehende Vergütung zu Unrecht durch den angefochtenen Beschluss nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG lediglich auf 3.693,52 Euro festgesetzt. Zutreffend hätte das Landgericht zu Gunsten des Beschwerdeführers insoweit 3.827,40 Euro festsetzen müssen.

1. Mehrere Positionen der Rechnung vom 18.06.2021 hat das Landgericht dem Beschwerdeführer ungekürzt zugesprochen, so dass dieser insoweit von vornherein nicht beschwert ist:

a) Das Landgericht hat die Position 2 der Rechnung „Vorbereitendes Studium der Handakten einschließlich aller Beiakten“ in Höhe von 382,50 Euro netto ungekürzt anerkannt (Bl. 543 d. A.).

b) Ebenso hat das Landgericht die Position 3 „Schriftverkehr mit dem Gericht, Anforderung der Akten bzw. Kopien des Schriftverkehrs der Parteien“ in Höhe von 67,50 Euro netto ungeschmälert anerkannt.

c) Dies gilt auch für die Position 5 „Termin am 14.06.2021 8.00 – 11.30 Uhr“ mit 3,5 Stunden in Höhe von 315,– Euro netto sowie die Position 6 „Rückfahrt 11.30 Uhr – 17.15 Uhr ohne Mittagspause“ mit insgesamt 22,25 Stunden in Höhe von 317,50 Euro.

d) Des Weiteren hat das Landgericht auch die Position 10 „Fahrtkosten Pkw“ zugesprochen und dabei auch die Anzahl der gefahrenen Kilometer anerkannt (Bl. 546 d. A.).

e) Als unstreitig anerkannt hat das Landgericht darüber hinaus die Position 15 „Übernachtungskosten (§ 6 Abs.) Zimmer“ in Höhe von 78,23 Euro netto (Bl. 546 d. A.).

f) Als tatsächlich angefallene Kosten hat das Landgericht schließlich die Positionen 16 „Übernachtungskosten (§ 6 Abs.) Frühstück“ in Höhe von 2,42 und die Position 17 „Telefon, Fax, Internet, Porto“ in Höhe von 5,– Euro zugesprochen.

2. Bezüglich der Nichtberücksichtigung bzw. Kürzung folgender Positionen hat der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde keine substantiierten Einwendungen erhoben, sondern nur pauschal geltend gemacht, die mit der Rechnung vom 18.06.2021 abgerechneten Positionen seien bezüglich des vollen Betrags anzuerkennen und zu erstatten (Bl. 574 d. A.):

a) Der Beschwerdeführer ist der Kürzung der Position 4 „Anreise zum Termin am 13.06.2021 ab 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr“ für 13 Stunden über insgesamt 1.170,– Euro (Bl. 544 d. A.) netto nicht entgegengetreten. Insbesondere hat er nicht dargelegt, weshalb seiner Auffassung nach die vom Landgericht vorgenommene Kürzung der Gesamtzeit auf 11 Stunden à 90,– Euro auf Grund des Umstands, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Reisezeit von 6 Stunden die Fahrt um 13.00 Uhr hätte antreten können, statt bereits um 11 Uhr des Vortags anzureisen, nicht gerechtfertigt ist.

b) Gegen die vollständige Streichung der Position 9 „Fahrtkosten Taxi“ in Höhe von 14,75 Euro netto hat der Beschwerdeführer ebenfalls keine substantiierten Einwendungen erhoben. Insbesondere hat er nicht dargetan, weshalb angesichts des Umstands, dass er zusammen mit einer Begleitperson in deren Pkw angereist ist und für diese bezüglich der gesamten Zeit eine Entschädigung geltend gemacht hat (Bl. 503 und 546 d. A.), zusätzlich die Nutzung eines Taxis notwendig gewesen sein soll.

Die Entscheidung des Landgerichts ist der Sache nach insoweit auch nicht zu beanstanden. Die Bezirksrevisorin hat in ihrer Stellungnahme zutreffend darauf hingewiesen, dass die Begleitperson den Beschwerdeführer zu den aufzusuchenden Örtlichkeiten (Gericht) verbringen konnte (Bl. 503 d. A.) und das Landgericht hat zusätzlich zutreffend damit argumentiert, dass auf dem Parkplatz des Landgerichts im Falle einer Meldung über die Sprechanlage an der Schranke eine kostenlose Parkmöglichkeit bestand (Bl. 546 unter Hinweis auf den Vermerk Bl. 411 d. A.).

3. Die für die gedankliche Vorarbeit zur mündlichen Erläuterung seines Ursprungsgutachtens und seines Ergänzungsgutachtens vom Beschwerdeführer mit Rechnung vom 18.06.2021 (Bl. 433 d. A.) geltend gemachten Kosten in Höhe von netto 112,50 Euro (Position 1 der Rechnung) hat das Landgericht indes zu Unrecht nicht anerkannt.

a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG in der vorliegend maßgeblichen, zwischen dem 15.10.2016 und dem 31.12.2020 geltenden Fassung (im Folgenden als JVEG a. F. bezeichnet) erhält der Sachverständige für jede Stunde ein Honorar. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG a. F. wird das Honorar, soweit es nach Stundensätzen zu bemessen ist, für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt.

Zu vergüten ist nicht stets die tatsächlich vom Sachverständigen aufgewendete Zeit, sondern nur die gesamte, für den Sachverständigen objektiv erforderliche Zeit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.07.2007 – 1 BvR 55/07; BGH, Beschl. v. 16.12.203 – X ZR 206/98, GRUR 2004, 446 – 447). Erforderlich ist dabei derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit einer durchschnittlichen Fähigkeit und mit durchschnittlichen Kenntnissen braucht, um gerade diese Beweisfrage vollständig und sachgerecht zu beantworten. Das Gericht darf und muss daher nach seinem pflichtgemäßen Ermessen nachprüfen, ob der vom Sachverständigen genannte Zeitaufwand auch wirklich erforderlich war (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.07.2007 – 1 BvR 55/07; BGH, Beschl. v. 16.12.2003 – X ZR 206/98, GRUR 2004, 446 – 447; BGH, Beschl. v. 07.11.2006 – X ZR 65/03, GRUR 2007, 264 m. w. N.; LSG Bayern, Beschl. v. 15.10.2020 – L 12 SF 263/19; Toussaint-Weber, Kostenrecht, 52. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 23 m. w. N.; Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 18 m. w. N.).

Dabei darf es aber grundsätzlich von der Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen ausgehen (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.02.2016 – 1 Ws 365/15, JurBüro 2016, 310 – 312; OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.04.2017 – 4 W 1/16, FamRZ 2018, 380 – 383; LSG Bayern, Beschl. v. 15.10.2020 – L 12 SF 263/19; Toussaint-Weber, Kostenrecht, 52. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 23 m. w. N.). Insoweit findet lediglich eine Plausibilitätsprüfung statt, in deren Rahmen zu fragen ist, ob die vom Sachverständigen abgerechnete Zeit im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (vgl. LSG Bayern, Beschl. v. 15.10.2020 – L 12 SF 263/19 m. w. N.; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.10.2018 – 2 W 13/18, FamRZ 2019, 1884 – 1886; BeckOK(KostR)-Bleutge, 14. Edition, § 8 JVEG, Rdn. 12 m. w. N.).

Hierbei sind insbesondere der Umfang und Schwierigkeitsgrad des dem Sachverständigen unterbreiteten Streitstoffs (vgl. BGH, Beschl. v. 22.09.2009 – Xa ZR 69/06, GRUR-RR 2010, 272; OLG Hamm, Beschl. v. 31.03.2000 – 2 Ws 287/99, JurBüro 2000, 662 – 663; Toussaint-Weber, Kostenrecht, 52. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 24 m. w. N.), die Sachkunde des Sachverständigen und der Umfang des Gutachtens sowie die Bedeutung der Streitsache zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 04.06.1987 – X ZR 27/86, NJW-RR 1987, 1470 – 1471; OLG Hamm, Beschl. v. 31.03.2000 – 2 Ws 287/99, JurBüro 2000, 662 – 663; LG Dortmund, Beschl. v. 08.12.2016 – 9 T 631/16, DS 2017, 230 – 231 m. w. N.; Toussaint-Weber, Kostenrecht, 52. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 24 m. w. N.).

Es ist eine Plausibilitätsprüfung der Kostenrechnung an Hand allgemeiner Erfahrungswerte vorzunehmen (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.02.2016 – 1 Ws 365/15, JurBüro 2016, 310 – 312; OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.04.2017 – 4 W 1/16, FamRZ 2018, 380 – 383; Toussaint-Weber, Kostenrecht, 52. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 24 m. w. N.). Es ist dagegen nicht zulässig, eine Schätzung des tatsächlichen Zeitaufwands vorzunehmen. Für den Zeitumfang muss vielmehr darauf abgestellt werden, ob der angesetzte Aufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung nachvollziehbar ist oder als ungewöhnlich hoch erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.09.2008 – 10 W 60/08, OLGR Düsseldorf 2009, 219 – 220; OLG Brandenburg, Beschl. v. 04.03.2010 – 6 W 168/09, HLBS-Report 2010, 213; Toussaint-Weber, Kostenrecht, 52. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 27 m. w. N.).

Der Sachverständige muss seinerseits wegen des Erfordernisses der Nachprüfbarkeit eine angemessene Aufschlüsslung der einzelnen Arbeitsschritte vornehmen und die jeweils darauf anfallenden Stunden und Minuten angeben, obgleich das JVEG insoweit keine Vorgaben enthält (vgl. Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 15 m. w. N.; Toussaint-Weber, Kostenrecht, 52. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 27 m. w. N.).

b) Neben dem Aktenstudium ist auch die gedankliche Vorbereitung des Gutachtens zeitlich zu vergüten (vgl. LG Dortmund, Beschl. v. 08.12.2016 – 9 T 631/16, DS 2017, 230 – 231; Bleutge, DS 2020, 204 (206)). Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der Erstellung eines Gutachtens um eine geistige Leistung handelt, deren Ausmaß und Bedeutung im Einzelfall von der Schwierigkeit der jeweiligen Aufgabenstellung bestimmt wird. Das entschädigungsfähige Ausmaß der geistigen Leistung des Sachverständigen lässt sich nicht verbindlich an Hand der Seitenanzahl des Gutachtens oder der Zahl der Zitate in Fußnoten, also eines rein quantitativen Faktors bemessen. Der schriftlichen Fixierung der gutachterlichen Stellungnahme gehen nämlich gedanklich Vorarbeiten voraus, die in der Regel keinen Niederschlag in der Stellungnahme finden, gleichwohl aber zu den entschädigungsfähigen Leistungen des Sachverständigen gehören (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.07.2007 – 1 BvR 55/07; BGH, Beschl. v. 16.12.2003 – X ZR 206/98, GRUR 2004, 446 – 447, betreffend die eingehende Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Lehre durch einen technischen Sachverständigen; BGH, Beschl. v. 07.11.2006 – X ZR 65/03, GRUR 2007, 264 m. w. N.; OLG Rostock, Beschl. v. 08.03.2005 – 7 W 22/05, OLGR Rostock 2005, 565 – 566; KG, Beschl. v. 25.03.2003 – 1 W 568/01, KGR Berlin 2005, 567 – 570; LG Dortmund, Beschl. v. 08.12.2016 – 9 T 631/16, DS 2017, 230 – 231 m. w. N.).

Allerdings gibt es insoweit kaum objektivierbare Anhaltspunkte, um die erforderliche Stundenzahl zu ermitteln (vgl. Bleutge, DS 2020, 204 (206)). Einige Gerichte aus der Sozialgerichtsbarkeit versuchen daher, die nicht messbare Gedankenarbeit mit Bezug auf die Seitenzahl zu konkretisieren. So wird etwa bei medizinischen Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung angenommen, sie benötigten für die gedankliche Erarbeitung der Beurteilung durchschnittlich eine Stunde für ca. eineinhalb Gutachtenseiten (vgl. LSG Thüringen, Beschl. v. 03.04.2012 – L 6 SF 306/12 B m. w. N.; LSG Bayern, Beschl. v. 30.11.2011 – L 15 SF 97/11; Bleutge, DS 2020, 204 (206) m. w. N.).

Dem kann indes jedenfalls für den Bereich der Zivilgerichtsbarkeit nicht gefolgt werden. Es gibt nämlich keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass die zum Durchdenken und zur Beurteilung erforderliche Zeit mit der Seitenzahl des schriftlichen Gutachtens korrespondiert. Vielmehr kann auch hinter der Erstellung von Gutachten mit einer geringen Seitenzahl in gedanklicher Hinsichtlich ein hoher zeitlicher Vorbereitungsbedarf stehen. Dies gilt namentlich bei der Klärung von physikalischen oder statistischen Fragen (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 13.11.2012 – 14 W 620/12; KG, Beschl. v. 25.03.2003 – 1 W 568/01, KGR Berlin 2005, 567 – 570). Umgekehrt kann auch hinter einem – bezüglich der allgemeinen Ausführungen unter Verwendung von Textbausteinen erstellten – Gutachten ein geringer Zeitaufwand stehen (vgl. OLG München, Beschl. v. 02.12.1994 – 11 WF 1015/94, FamRZ 1995, 1598 – 1599 m. w. N.; Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 19 m. w. N.).

Richtigerweise ist eine Einzelfallbetrachtung unter Anwendung der oben dargestellten Kriterien erforderlich.

d) Im streitgegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer in Position 1 seiner Rechnung vom 18.06.2021 für die gedankliche Vorarbeit einen Zeitaufwand von 1,25 Stunden mit einem Vergütungssatz von 90,– Euro angesetzt und hieraus eine Vergütung von 112,50 Euro netto errechnet (Bl. 433 d. A.).

Zu Unrecht hat das Landgericht diese Position nicht anerkannt und dies damit begründet, dass der Beschwerdeführer die diesbezügliche Tätigkeit nicht näher erläutert habe (angefochtener Beschluss Bl. 541 d. A. unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin Bl. 505 f d. A. und Nichtabhilfebeschluss Bl. 586 d. A.). Zwar trifft es zu, dass der Beschwerdeführer nicht in allen Einzelheiten dargelegt hat, wann und wie lange er welche konkreten sachverhaltsbezogenen Überlegungen angestellt hat, die über die Position „vorbereitendes Aktenstudium“ hinausgingen (Bl. 586 d. A.).

Dies zu fordern, wäre jedoch eine Überspannung der den Sachverständigen treffenden Darlegungsobliegenheiten. Vielmehr muss es ausreichen, wenn er einerseits den auf diese spezielle Position entfallenden Zeitaufwand angibt und andererseits die erforderliche gedankliche Durchdringung der Gutachtenfrage allgemein beschreibt. Bei einem komplexen intellektuellen Vorgang wie der Vorbereitung eines Gutachtens kann vom Gutachter keine detailliertere Darlegung erwartet werden. Insbesondere kann weder gefordert werden, dass der Sachverständige aus dem Gedächtnis den genauen Zeitaufwand detailliert angeben kann, noch, dass er insoweit die einzelnen Zeiten in eine Liste einträgt, um auf dieser Grundlage sein Honorar berechnen und geltend machen zu können. Es muss ausreichen, wenn er in summarischer Form die Art der notwendigen Vorüberlegungen darlegt.

Dies hat der Beschwerdeführer jedenfalls im Rahmen seiner Beschwerde getan, indem er dargelegt hat, dass er gedankliche Überlegungen mit Rückschlüssen auf physikalische, elektrotechnische und hydraulische Gegebenheiten auf den vorliegenden Fall anzuwenden und abzugleichen hatte. Das sei nicht in jedem Fall durch Arbeit im Büro bzw. am Schreibtisch erledigt worden, sondern durch hinreichende Gedankenarbeit (Bl. 575 d. A.).

Legt man dies zu Grunde, so ist im Rahmen der lediglich noch anzustellenden Plausibilitätsprüfung der diesbezüglich angesetzte Zeitaufwand von 1,25 Stunden als plausibel und nicht ungewöhnlich lange anzusehen. Die zu Grunde liegenden schriftlichen Gutachten (Ausgangsgutachten und Ergänzungsgutachten) bezogen sich auf eine Vergütung für dentale Produkte im Zusammenhang mit der Ausstattung einer Zahnarztpraxis des Klägers im Rahmen eines Umbaus. Hierbei waren ausweislich des Inhalts der beiden Gutachten (Bl. 219 und 340 d. A.) komplexe Ausführungen zu aus mehreren Teilgebieten der Physik stammenden Fragen, insbesondere der Elektrotechnik und der Hydraulik erforderlich, da die entsprechenden Mechanismen beim Betrieb einer Zahnarztpraxis auf komplexe Weise zusammenwirken.

Die Kostenrechnung vom 18.06.2021 bezieht sich zwar auf die mündliche Erläuterung der beiden zuvor schriftlich erstellten Gutachten, so dass der Beschwerdeführer grundsätzlich auf die zu deren Vorbereitung bereits angestellten Vorüberlegungen zurückgreifen konnte. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass er im Rahmen der sodann vom Landgericht angeordneten mündlichen Erläuterung dieser beiden Gutachten ausweislich des Beweisbeschlusses vom 22.04.2021 (Bl. 379 d. A.) auf beide Gutachten betreffende Einwendungen bzw. Behauptungen sowohl des Klägers als auch der Beklagten einzugehen hatte, was er ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2021 auch getan hat (Bl. 419 f d. A.).

Die erforderliche Vorbereitungszeit für die mündliche Erläuterung eines Gutachtens ist vergütungsfähig, was für jeden Auftrag unterschiedlich bewertet werden muss. Dabei ist es zu berücksichtigen, wenn der Sachverständige zu weiteren Fragen oder Einwendungen der Parteien gegen sein Gutachten in dem Termin Stellung nehmen soll (vgl. Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4. Auflage, § 8 JVEG, Rdn. 50). In diesem Fall muss sich der Sachverständige über die bereits zur Vorbereitung der schriftlichen Gutachten angestellten Vorüberlegungen hinaus mit weiteren, sich nun erstmals stellenden und angesichts der Art der von den Parteien regelmäßig erhobenen Einwendungen erfahrungsgemäß schwierigen Fragen befassen.

Letzteres war vorliegend der Fall, so dass der diesbezüglich abrechnete Zeitaufwand von 1,25 Stunden plausibel erscheint und nicht überhöht ist. Mithin ist dem Beschwerdeführer ein weiterer Betrag von 133,88 Euro brutto zu erstatten.

4. Dagegen hat der Beschwerdeführer über den vom Landgericht zuerkannten Betrag von 506,25 Euro hinaus keinen Anspruch auf die Erstattung weiterer Kosten einer Begleitperson.

a) Dies gilt zum einen für die Position 7 „Aufwendungen für Hilfskraft und Begleitperson“ für 22,25 Stunden à 49,50 Euro, insgesamt also 1.101,38 Euro. Insoweit hat das Landgericht auf nicht zu beanstandende Weise festgestellt, dass dem Beschwerdeführer lediglich 20,25 Stunden à 25,– Euro zu vergüten sind (Bl. 546 d. A.).

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG a. F. werden auch die in §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besondere genannten baren Auslagen ersetzt, soweit sie notwendig sind. Dies gilt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG a. F. insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen.

aa) Erforderlich ist, dass die Kosten für eine Begleitperson aus Anlass der Heranziehung entstanden sind, hierfür notwendig waren und dem Sachverständigen dadurch Aufwendungen entstanden sind (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 23.11.1990 – 1 Ws 486/90, NStZ 1991, 345, zitiert nach Beck Online; Toussaint-Weber, Kostengesetze, 52. Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 15 m. w. N.; Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4. Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 39).

Ob die Notwendigkeit vorliegt, ist eine Tatfrage und durch die Anweisungsstelle oder das Gericht nach freiem Ermessen zu bestimmen (vgl. LG Meiningen, Beschl. v. 01.09.2009 – 2 Qs 138/09; LSG Thüringen Beschl. v. 29.11.2012 – L 6 SF 1257/12 E m. w. N.; Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4. Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 40 m. w N.). Es sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Maßgeblich ist, ob der als Sachverständiger Herangezogene auf Grund tatsächlicher Gründe, z. B. gesundheitlicher Einschränkungen kranker oder behinderter Menschen oder starker Belastungen auf Grund der Heranziehung, einer Begleitung bedarf. Ein begleitungsbedürftiger Berechtigter ist dabei frei in der Wahl der Begleitperson (vgl. LSG Bayern, Beschl. v. 09.12.2014 – L 15 SF 313/14; Toussaint- Weber, Kostengesetze, 52. Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 15 m. w. N.; Schneider- Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4. Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 40).

bb) Im streitgegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27.10.2021 (Bl. 489 d. A.) darauf hingewiesen, dass er an einen Rollstuhl gebunden ist und daher eine Begleitperson nach § 7 Abs. 1 JVEG a. F. benötigt. Hierauf habe er schon in seiner Auftragsbestätigung vom 28.03.2020 hingewiesen.

Zum Nachweis hat der Beschwerdeführer seinen ab dem 17.08.1977 gültigen Behindertenausweis in Kopie zur Akte gereicht (Bl. 522 VS. d. A.). Dass ein Rollstuhlfahrer wie der Beschwerdeführer bei der Wahrnehmung von Gerichtsterminen, bei denen wegen seiner Bewegungseinschränkungen vielfache Hilfestellungen, etwa bei Toilettengängen oder ansonsten durchzuführenden Tätigkeiten, erforderlich sind, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist (Bl. 575 d. A.), ist ohne Weiteres nachvollziehbar und erscheint nicht ernsthaft fraglich.

Auch stand es dem Beschwerdeführer frei, als Begleitperson seine eigene Ehefrau auszuwählen.

Das Landgericht hat daher die Erstattungsfähigkeit der Position 7 „Aufwendungen für Hilfskraft und Begleitperson“ dem Grunde nach anerkannt (angefochtener Beschluss Bl. 544 d. A. und Nichtabhilfebeschluss Bl. 586 d. A.). Obgleich das Landgericht in dem Beschluss vom 03.02.2022 zunächst nicht ohne Weiteres nachvollziehbare Bedenken im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Begleitperson für einen Rollstuhlfahrer am Gerichtsort artikuliert hat (Bl. 544 f d. A.), hat es letztlich gleichwohl den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zeitaufwand von 22,25 Stunden als notwendig im Sinne des § 7 Abs. 1 JVEG a. F. anerkannt und die mit Position 7 geltend gemachte Vergütung lediglich bezüglich der Stundensatzhöhe gekürzt (Bl. 545 d. A.).

Aus diesem Grund stellt der angefochtene Beschluss entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers (Bl. 575 d. A.) jedenfalls im Ergebnis keine Diskriminierung eines Behinderten dar.

cc) Da es sich auch bei der Erstattung von Begleiterkosten um einen Auslagenersatz handelt, setzt eine Erstattung grundsätzlich voraus, dass der Berechtigte an die Begleitperson tatsächlich Zahlungen vorgenommen hat. Ein Erstattungsanspruch kann folglich nur in Höhe der tatsächlich vom Berechtigten vorgenommenen Zahlung bestehen und die Begleitkosten sind auf Verlangen der Anweisungsstelle oder des Gerichts darzulegen und nachzuweisen (Rechnung, Quittung) (vgl. LSG Sachsen, Beschl. v. 08.09.2014 – L 8 SF 144/13 E m. w. N.; LSG Bayern, Beschl. v. 21.10.2015 – L 15 RF 38/15; Toussaint-Weber, Kostengesetze, 52. Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 16 m. w. N.; Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4 Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 45).

Der Beschwerdeführer hat diesen Nachweis durch die Vorlage einer Quittung seiner Ehefrau vom 12.06.2021 über die Zahlung von 1.113,38 Euro geführt (Bl. 522 RS. d. A.).

Erfolgt die Begleitung jedoch – wie im streitgegenständlichen Fall – durch einen Ehegatten, ein Elternteil oder ein Kind, bedarf es nicht zwingend einer Zahlung durch den Berechtigten, da in diesen Fällen üblicherweise keine Zahlungen erfolgen. Weil in diesen Fällen der eingetretene Verdienstausfall das gemeinsame Haushaltseinkommen per se mindert, wäre es eine bloße Förmelei, vom Antragsteller zu verlangen, dem weiteren Haushaltsangehörigen dessen Verdienstausfall – pro forma – bar zu erstatten, um erst dann einen Anspruch gegen die Staatskasse geltend machen zu können (vgl. LSG Bayern, Beschl. v. 09.12.2014 – L 15 SF 313/14; LSG Sachsen, Beschl. v. 08.09.2014 – L 8 SF 144/13 E m. w. N.; LSG Bayern, Beschl. v. 21.10.2015 – L 15 RF 38/15; Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4 Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 45 m. w. N.).

dd) Der Höhe nach gilt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG a. F. der Grundsatz der vollen Kostenerstattung, da die Vorschrift eine Begrenzung nicht vorsieht. Die Begleitperson ist deshalb insbesondere wegen eines eingetretenen Bruttoverdienstausfalls nicht an die Höchstsätze des JVEG gebunden. Der eingetretene Verdienstausfall ist jedoch nachzuweisen, eine pauschale oder fiktive Entschädigung findet nicht statt (vgl. LSG Thüringen, Beschl. v. 25.05.2011 – L 6 SF 152/11 E; LSG Bayern, Beschl. v. 03.06.2014 – L 15 SF 402/13 E m. w. N.; Toussaint-Weber, Kostengesetze, 52. Auflage, 3 7 JVEG, Rdn. 16; Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4 Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 43). Aus diesem Grund ist die Höhe des Verdienstausfalls – sowohl im Fall einer tatsächlichen Zahlung durch den Sachverständigen als auch ohne eine solche – durch einen Nachweis des Arbeitgebers des Ehegatten nachzuweisen. Es muss sich nämlich um einen echten Einkommensverlust handeln, während für anderweitige Entschädigungen nach dem JVEG kein Raum ist (vgl. LSG Bayern, Beschl. v. 21.10.2015 – L 15 RF 38/15; Toussaint-Weber, Kostengesetze, 52. Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 17 m. w. N.).

ee) Im streitgegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer zwar eine tatsächliche Zahlung an seine Ehefrau sowie die Höhe des gezahlten Betrags durch Vorlage der oben erwähnten Quittung geführt, obwohl dies nicht erforderlich gewesen wäre. Jedoch hat er weder in erster Instanz noch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die Höhe des Verdienstausfalls, insbesondere des geltend gemachten Stundensatzes von 49,50 Euro, nachgewiesen. Hierzu hätte aber spätestens im Beschwerdeverfahren Anlass bestanden, da das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss den fehlenden Nachweis ausdrücklich moniert hat (Bl. 545 f d. A.).

Mithin ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Beschwerdeführer ausgehend von allgemeinen Überlegungen zu den Verdienstmöglichkeiten von Alltagsbegleitpersonen, die keine fachlichen Hilfskräfte sind, im Fall der Ehefrau des Beschwerdeführers lediglich 25,– Euro pro Stunde zuerkannt hat, weil dieser auch nicht dargelegt und nachgewiesen hat, dass seine Ehefrau im Hinblick auf ihre Qualifikation eine höhere Vergütung verlangen könnte.

In diesem Zusammenhang bedarf die Frage keiner weiteren Erörterung, ob nicht bereits dies eine unzulässige fiktive Berechnung des Verdienstausfalls der Begleitperson darstellt, denn jedenfalls kann der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde, im Rahmen deren das Verbot der reformatio in peius gilt, begründeterweise keinen höheren Betrag verlangen.

b) Aber auch die Position 11) „Tagegeld 8 bis 14 Stunden 13.06.2021“ in Höhe von 2 * 6,– Euro, insgesamt 12,– Euro netto und die Position 12) „Tagegeld 8 bis 14 Stunden 14.06.2021“ in Höhe von 2 * 6,– Euro, insgesamt 12,– Euro netto sind nur zur Hälfte zu erstatten.

aa) Das Landgericht hat diese beiden Positionen auf nicht zu beanstandende Weise nur im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer selbst entstandenen Kosten, nicht aber im Hinblick auf die Kosten der Begleitperson anerkannt.

Zu erstatten sind der Begleitperson auch entstandene Auslagen wie etwa Reise- und Übernachtungskosten (§§ 5 und 6 JVEG a. F.), da es sich bei der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG a. F. um eine Vorschrift zur Erstattung von aufgewendeten baren Aufwendungen handelt. Da nur die tatsächlich angefallenen Kosten für die Begleitung zu ersetzen sind, scheidet dagegen eine Erstattung von Zeitversäumnis nach §§ 20 und 21 JVEG a. F. oder Entschädigung für die Haushaltsführung für die Begleitperson aus (vgl. LSG Bayern, Beschl. v. 02.03.2010 – L 15 SF 50/10 m. w. N.; Toussaint-Weber, Kostengesetze, 52. Auflage, 3 7 JVEG, Rdn. 16 m. w. N.; Schneider-Schneider, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, 4 Auflage, § 7 JVEG, Rdn. 44).

bb) Ausgehend hiervon hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen hat, dass seiner Ehefrau die beiden Beträge in Höhe von jeweils 6,– Euro tatsächlich als Auslagen entstanden sind, denn auch insoweit hat er keinen konkreten Nachweis zur Akte gereicht, sondern berechnet diese beiden Positionen lediglich auf der Grundlage fiktiver Überlegungen als „Tagegeld“.

III.

Der Kostenausspruch beruht auf § 4 Abs. 8 GKG. Es findet danach keine Kostenentscheidung statt (vgl. Toussaint-Weber, Kostengesetze, 52 Auflage, § 4 JVEG, Rdn. 55 m. w. N.; BeckOK(Kostenrecht)-Bleutge, 14. Edition, § 4 JVEG, Rdn. 37 m. w. N.)).

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 JVEG kein Rechtsmittel gegeben.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) Das JVEG regelt die Vergütung und Entschädigung für Zeugen, Sachverständige und ehrenamtliche Richter, die in Gerichtsverfahren eingeschaltet werden. Im vorliegenden Fall scheint der Beschwerdeführer ein Gutachter zu sein, der eine Vergütung für seine Arbeit beansprucht. Aus dem Kontext ist zu entnehmen, dass er der Meinung ist, auch die „gedankliche Vorarbeit“ sollte vergütet werden. Diese Vorarbeit ist oft schwierig zu quantifizieren und kann daher in der Abrechnung zu Problemen führen. Es wird auf das JVEG verwiesen, insbesondere auf die Bestimmungen des § 8 und § 7.
  2. Bundesverfassungsgerichts- und Bundesgerichtshofsrechtsprechung Diese Rechtsprechung spielt eine wichtige Rolle, da sie Grundsätze und Präzedenzfälle setzt, die von unteren Gerichten bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müssen. Der Beschwerdeführer stützt seine Argumentation auf die bisherige Rechtsprechung beider Gerichte, insbesondere im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Überlegungen bei der Vergütung von Sachverständigen. Auch werden Urteile des BVerfG direkt zitiert.
  3. Sozialgerichtsbarkeit Die Sozialgerichtsbarkeit ist ein eigenständiges Rechtsgebiet innerhalb des deutschen Rechtssystems, das sich mit Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Sozialversicherung, der Arbeitsförderung und dem Schwerbehindertenrecht befasst. Im vorliegenden Fall wird die Praxis einiger Sozialgerichte in Bezug auf die Vergütung der „nicht messbaren Gedankenarbeit“ von Sachverständigen diskutiert. Es scheint eine Debatte darüber zu geben, ob und wie diese immaterielle Arbeit vergütet werden sollte.
  4. Diskriminierungsverbot und Behindertenrecht Das allgemeine Diskriminierungsverbot und das speziellere Behindertenrecht sind ebenfalls relevante Rechtsgebiete in diesem Fall. Es wird die Frage aufgeworfen, ob die Nicht-Berücksichtigung bestimmter Aspekte in der Abrechnung (insbesondere im Hinblick auf den Rollstuhlfahrer-Beschwerdeführer) eine Diskriminierung darstellt. Dies könnte in direktem Bezug zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stehen, das Diskriminierung aufgrund einer Behinderung verbietet.

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