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Schadensersatz wegen Mängel einer Rundraufe

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 4 U 22/18 – Urteil vom 04.03.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Februar 2018 zum Aktenzeichen 14 O 111/17 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 37.170,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen angeblicher Mängel einer so genannten Rundraufe, einem besonders gestalteten Heureservoir, mit der Behauptung, sein Pferd E… habe sich in der mangelhaft konstruierten Rundraufe verfangen und erheblich verletzt, was Behandlungskosten erforderlich gemacht und eine deutliche Wertminderung verursacht habe.

Der Kläger betreibt eine Pferdepension. Er erwarb im Januar 2015 auf der Messe „…“ in L… eine Rundraufe zum Preis von 399 € von der Beklagten, die unter anderem mit Stall- und Weideprodukten handelt. Die über das Geschäft ausgestellte Rechnung vom 20. Januar 2015 weist die Rundraufe, die die Beklagte zuvor unter der Bezeichnung „Rundraufe“ erworben hat, als „Rundraufe für Rinder und Pferde“ aus.

Der Kläger hat behauptet, die Rundraufe sei nicht für Pferde geeignet. Ihre sich nach oben hin verjüngenden Streben wiesen unten einen Abstand auf, der so groß sei, dass ein Pferd mit einem Huf dazwischen geraten könne, doch zugleich so gering, dass es diesen nicht wieder daraus befreien könne. Das widerspreche den Leitlinien zur Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten und berge eine erhebliche Verletzungsgefahr. Diese habe sich am … Juni 2016 verwirklicht, als sein Pferd E. – unstreitig – einen Hinterlauf zwischen den Streben der Raufe eingeklemmt und die Raufe dann etwa 20 m über die Koppel gezogen hat. Das Pferd habe nur dadurch befreit werden können, dass eine Mittelstrebe der Rundraufe abgesägt worden sei. Durch den Vorfall habe sein Pferd unter anderem eine Teilabrissfraktur der lateralen Fesselbeinsehne samt Schaden am lateralen Kollateralband des Fesselgelenkes und der Gelenkkapsel erlitten. Es sei deshalb am … August 2016 zu Kosten von 4.682,84 € operiert worden und habe Medikamente im Wert von 88,50 € bedurft. Neben dem Ersatz dieser Schäden sei die Beklagte zum Ausgleich des Wertverlustes am Pferd verpflichtet, den er mit 32.000 € beziffere. Zudem habe sie ihm – gegen Rückgabe der Raufe – den Kaufpreis von 399 € zu erstatten.

Das Landgericht hat die auf gesamt 36.771,14 € nebst Zinsen als Schadensersatz sowie weiteren 399 € als Kaufpreisrückzahlung gerichtete Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, den behaupteten Mangel der Rundraufe habe die Beklagte als bloße Verkäuferin nicht zu vertreten; ihr sei auch nicht Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben worden. Das Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, ist dem Kläger am 26. Februar 2018 zugegangen, der am 14. März 2018 Berufung eingelegt und diese am 11. April 2019 begründet hat.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Beklagte habe die Mangelhaftigkeit der Rundraufe zu vertreten. Sie sei Fachhändlerin und habe das Produkt auf einer Pferdemesse und zudem ausdrücklich als für Pferde geeignet angeboten und damit eine dahingehende Zusicherung abgegeben. Er hingegen sei kein Fachmann für Futterraufen, nur Reittierhalter. Die Verhandlungen der Parteien nach dem Unfall hätten die Verjährung seiner Ansprüche gehemmt.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Februar 2018 zum Aktenzeichen 14 O 111/17 die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn 36.771,14 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins ab Rechtshängigkeit;

2. an ihn 399 € zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Rundraufe für Pferde und Rinder mit acht Plätzen Nummer 8…, und

3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der Rundraufe in Verzug befinde.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ergänzt mit Blick auf das Berufungsvorbringen des Klägers: Sie sei nicht Herstellerin der Rundraufe. Das widerlege die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 BGB. Ihr sei der angebliche Mangel nicht bekannt und sie zur Untersuchung nicht verpflichtet gewesen. Die Rundraufe sei ein völlig marktgängiges und weit verbreitetes Produkt gewesen, deren Konstruktion gewissermaßen die Norm darstelle. Jedenfalls müsse der Kläger sich die Tiergefahr anspruchsmindernd ebenso zurechnen lassen wie sein eigenes Fachwissen als Pferdehalter, Reitsportler und Inhaber einer Pferdepension. Ihm sei behördlich ausdrücklich aufgegeben worden, die von ihm nun herangezogenen Leitlinien zur Pferdehaltung einzuhalten. Der Anspruch sei zudem verjährt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen L… vom 9. April 2019, das dieser am 12. Februar 2020 mündlich erläutert hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten weder Schadensersatz wegen der Verletzung seines Pferdes noch die Erstattung des Kaufpreises für die Rundraufe verlangen.

1.

Die Beklagte ist dem Kläger wegen der Verletzung seines Pferdes nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Als Grundlage für einen entsprechenden Anspruch kommen nur §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Kaufvertrag vom 20. Januar 2015 in Betracht. Nach diesen Vorschriften kann der Käufer, wenn die von ihm gekaufte Sache mangelhaft ist, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Verkäufer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar ist die Rundraufe wohl mangelhaft. Das hat die Beklagte aber nicht zu vertreten.

a)

Eine Kaufsache ist nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB mangelhaft dann, wenn sie bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache nach Satz 2 der Vorschrift dann mangelhaft, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung nicht eignet (Nr. 1), oder wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2).

Nach diesen Maßstäben sprechen gute Gründe für die Annahme, die Rundraufe sei mangelhaft. Zwar haben die Parteien keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, die über die bloße Eignung der Raufe für ihren Einsatz im Kontakt mit Pferden hinausging. Die Raufe eignet sich aber wohl nicht für die somit nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB. Sie wurde als „Rundraufe für Pferde und Rinder“ verkauft und musste daher – auch – geeignet sein, gefahrlos auf einer Pferdekoppel zur Fütterung der Pferde eingesetzt zu werden. Das erfordert nach den vom Kläger in Bezug genommenen Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten vom 9. Juni 2009, die nach den Angaben des Sachverständigen noch heute die zutreffenden Maßstäbe zur tierschutzgerechten Pferdehaltung wiedergeben, eine Gestaltung der Raufe, die es ausschließt, dass Pferde hineinsteigen oder mit den Hufen durch die Stäbe schlagen und hängen bleiben können. Dem entsprechend muss der Stababstand von Senkrechtstäben für Raufen, die nur bei ausgewachsenen Pferden zum Einsatz kommen, kleiner oder gleich 5 cm sein.

Zwar unterfallen diesen Vorgaben der Leitlinie ihrem Wortlaut nach zunächst nur Raufen, die in Pferdestallungen installiert sind. Für diejenigen, die im Freien aufgestellt werden, gilt aber nichts anderes. Der Sachverständige erläuterte ausführlich, dass es für Weideraufen keine gesonderten Leitlinien oder Normen gebe, wegen der insoweit gleichen Anforderungen des Tierschutzes die Leitlinien vielmehr in gleicher Weise oder wenigstens entsprechend zu beachten seien. Das ist plausibel. Denn auch auf der Weide müssen die Raufen darauf eingerichtet sein, dass Pferde mit ihren Hufen zwischen die Stäbe geraten und hängenbleiben können, und zwar auch mit ihren Hinterläufen. Dass Pferde einige Schritte rückwärts gehen, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ein typisches Tierverhalten.

Dem entsprach die streitgegenständliche Raufe nach den sachverständigen Feststellungen nicht. Sie wies bei den Senkrechtstäben lichte Weiten von 9 bis 10 cm oben bzw. 10 bis 12 cm unten auf. Angesichts der üblichen Breite von Pferdehufen von 8,2 cm bis 16,5 cm vorn und 8,1 cm bis 16,2 cm hinten ist mit der Raufe die Gefahr verbunden, dass Pferdehufe zwischen die Stäbe geraten aber nicht zurückgezogen werden können.

b)

Diesen Mangel hat die Beklagte aber jedenfalls nicht zu vertreten.

Die Beklagte muss für durch die Fehlerhaftigkeit der Kaufsache verursachten Schäden nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB nur dann einstehen, wenn ihr wenigstens Fahrlässigkeit hinsichtlich der Mangelhaftigkeit der von ihr gelieferten Raufe vorzuwerfen ist.

aa)

Ein anderer Maßstab ist vorliegend nicht anzulegen. Insbesondere hat die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers die Eignung der Raufe für den Einsatz bei Pferden nicht derart „zugesichert“, dass sie das Vorliegen dieser Eigenschaft garantieren wollte in dem Sinne, dass sie bei ihrem Fehlen verschuldensunabhängig hafte. Die Übernahme einer Garantie setzt – wie früher die Zusicherung einer Eigenschaft – voraus, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit einzustehen. Diese Einstandspflicht erstreckt sich bei der Garantieübernahme – ebenso wie ehemals bei der Eigenschaftszusicherung – auf die Verpflichtung zum Schadensersatz, wobei Schadensersatz selbst dann zu leisten ist, wenn den Verkäufer hinsichtlich des Fehlens der garantierten Beschaffenheit kein Verschulden trifft oder dem Käufer der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist (BGH, Urteil vom 29. November 2006 – VIII ZR 92/06 –, BGHZ 170, 86, Rdnr. 20 bei juris). Ob der Schuldner eine unselbständige Garantie in diesem Sinne übernommen hat, und gegebenenfalls ihr genauer Umfang, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (BGH ebd.; Riehm, in: Beck-Online Großkommentar mit Stand 1. Februar 2020, § 280 BGB Rdnr. 193). Mit Rücksicht auf die genannten weitreichenden Folgen ist insbesondere bei der Annahme einer – grundsätzlich möglichen – stillschweigenden Übernahme einer solchen Einstandspflicht Zurückhaltung geboten (vgl. BGH ebd.). Üblicherweise gibt der Verkäufer auch mit dem bloßen Hinweis auf die Eignung der Sache für den vertragsgemäß vorausgesetzten Gebrauch noch nicht seine Bereitschaft zu erkennen, für alle Folgen einzustehen, wenn diese Eigenschaft fehlt (BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 – VIII ZR 32/83 –, WM 1984, 1098).

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Angesichts dieser Maßstäbe kann den Erklärungen der Beklagten keine Garantie in diesem Sinne entnommen werden. Zwar hat die Beklagte die Raufe auf einer Pferdemesse angeboten und zudem vor oder bei Vertragsschluss als „Rundraufe für Pferde und Rinder“ beschrieben. Auch wird ein Käufer der Beklagten, die ihre Tätigkeit unter anderem mit den Begriffen „Weidetechnik und Stallbedarf“ beschreibt, besondere Fachkunde gerade im Umgang mit Futtergeräten auf der Weide zuschreiben. Das allein genügt freilich nicht, um annehmen zu können, sie wolle mit ihrer Erklärung zur Beschaffenheit der von ihr vertriebenen Gegenstände die verschuldensunabhängige Haftung für deren Richtigkeit übernehmen. Zwar hat der Bundesgerichtshof entsprechendes für Erklärungen des gewerblichen Händlers zur Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens gegenüber einem Privatkäufer angenommen. Denn in diesem Verhältnis sei die Interessenlage typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass der Käufer sich auf die besondere, ihm in aller Regel fehlende Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt und darauf vertraut, dass der Händler für Erklärungen zur Beschaffenheit des Fahrzeuges, die er in Kenntnis dieses Umstandes abgibt, die Richtigkeitsgewähr übernimmt (vgl. die Nachweise in BGH, Urteil vom 29. November 2006 – VIII ZR 92/06 –, BGHZ 170, 86, Rdnr. 23). Ob hieran angesichts der Stärkung der Verbraucherrechte durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz uneingeschränkt festzuhalten ist, ist bereits zweifelhaft (BGH ebd. Rdnr. 24). Das ist auch hier nicht zu entscheiden. Denn schon die genannten Voraussetzungen für diese Annahme liegen nicht vor: Der Kläger war kein Privatkäufer, dem die erforderliche Erfahrung und Sachkunde fehlte und der sich deshalb auf die Sachkunde des Händlers verließ und verlassen musste. Er ist vielmehr als Inhaber einer Pferdepension und Vorsitzender eines Reitvereins sachkundig, was die Haltung von Pferden angeht. Er ist verpflichtet, sich mit den erwähnten Leitlinien vertraut zu machen und sie zu beachten; das betrifft auch die darin näher ausgeführten Anforderungen an die Gestaltung der Stall- und Weideausstattung. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass die Beklagte bei der Abgabe ihrer Erklärungen zu den Eigenschaften der Kaufsache irrigerweise von dem Fehlen einer besonderen Sachkunde bei ihrem Vertragspartner ausging und deshalb annehmen musste, der Kläger werde ihre Erklärung als Garantie für das Vorliegen der Eigenschaft auffassen. Näher liegt vielmehr angesichts dessen das Verständnis dahingehend, damit solle nur der Kaufgegenstand näher beschrieben und seine Eignung angegeben werden, ohne die kaufrechtliche Haftung der Beklagten zu modifizieren.

bb)

Die Beklagte handelte nicht fahrlässig.

Zwar wird bei Vorliegen einer Pflichtverletzung das Vertretenmüssen der Beklagten aufgrund der Pflichtverletzung vermutet, § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat sich allerdings entlastet. Sie hat nachgewiesen, dass sie selbst sorgfältig und nicht sorgfaltswidrig gehandelt hat.

Der Schuldner handelt sorgfältig zum einen dann, wenn er sämtliche Anforderungen der verkehrserforderlichen Sorgfalt eingehalten hat. Zum anderen aber fällt ihm ein Sorgfaltsverstoß dann nicht zur Last, wenn ihn überhaupt keine leistungsbezogenen Sorgfaltspflichten getroffen haben. Das gilt etwa für den bloßen Zwischenhändler von Waren, den typischerweise keine Untersuchungspflicht auf Mängel trifft (vgl. Riehm ebd. Rdnr. 182 und 186).

Die Beklagte traf keine besondere Sorgfaltspflicht. Sie war nicht zur besonderen Prüfung der Raufe auf ihre Eignung verpflichtet.

Händler sind – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann verpflichtet, die von ihnen vertriebenen Waren auf gefahrenfreie Beschaffenheit zu untersuchen, wenn aus besonderen Gründen Anlass dazu besteht, weil ihnen etwa bereits Schadensfälle bei der Produktverwendung bekanntgeworden sind, oder wenn die Umstände des Falles eine Überprüfung nahelegen. Diese Verpflichtung beschränkt sich zudem im Wesentlichen auf Fabrikationsfehler. Eine Pflicht zur Überprüfung der Waren auf Konstruktionsfehler besteht in noch geringerem Maße. Überprüfungspflichten in dieser Beziehung obliegen einem Händler grundsätzlich überhaupt nicht (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1979 – VI ZR 141/78 –, Rdnr. 13 bei juris; Urteil vom 18. Februar 1981 – VIII ZR 14/80 –, NJW 1981, 1269, Rdnr. 22 bei juris). Auch trifft den Verkäufer einer Gattungssache hinsichtlich der Brauchbarkeit der Ware zu einem bestimmten Zweck selbst dann keine Untersuchungspflicht, wenn dieser Zweck vorher zur Sprache gekommen ist (BGH, Urteil vom 25. September 1968 – VIII ZR 108/66 –, NJW 1968, 2238, Rdnr. 8 bei juris). Ein Vertretenmüssen des Händlers ist allenfalls dann anzunehmen, wenn ihm der Mangel auch ohne besondere Untersuchung auffallen musste (vgl. Faust, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 52. Edition mit Stand 1. November 2019, § 437 BGB Rdnr. 103), etwa aufgrund einer fachmännischen äußeren Besichtigung im Sinne einer „Sichtprüfung“ (BGH, Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rdnr. 14; Urteil vom 19. Juni 2013 – VIII ZR 183/12, NJW 2014, 211, jeweils zum Gebrauchtwagenhändler).

Angesichts dieser Maßstäbe traf die Beklagte keine besondere Sorgfaltspflicht. Die Ungeeignetheit der Raufe war nicht ohne weiteres offenbar; diese Feststellung bedurfte vielmehr der Auseinandersetzung mit den besonderen Anforderungen an Raufen für Pferde auf der einen Seite und den konkreten Eigenschaften der in Rede stehenden Raufe auf der anderen Seite, und damit einer „Untersuchung“ der Kaufsache, die über eine fachmännische äußere Besichtigung im Sinne einer „Sichtprüfung“ im erwähnten Sinne hinausgeht. Zu einer solchen Untersuchung war die Beklagte aber nicht verpflichtet. Besondere Umstände, die sie hierzu verpflichtet hätten, sind nicht ersichtlich. Dass ihr bereits vor dem Verkauf Schadensfälle oder auch nur Gefährdungen bekannt geworden wären, ist nicht konkret vorgetragen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte die von ihr allgemein als „Raufe“ erworbene Sache als geeignet „für Rinder und Pferde“ und gerade auf einer „Pferdemesse“ angeboten und vertrieben hat. Zwar erscheint es naheliegend, dass der Verkäufer eine Ware nur dann ohne weiteres für einen Einsatzbereich als geeignet bezeichnen kann, wenn dies den Angaben des Herstellers entspricht. Geht er darüber hinaus, muss er sich dessen zuvor versichert haben.

So liegt der Fall hier aber auch mit Blick darauf nicht, dass nicht der Hersteller, wohl aber die Beklagte die besondere Eignung der Raufe für Pferde bejaht hat. Denn wie der Sachverständige in seinem Gutachten, insbesondere aber in seiner mündlichen Anhörung durch den Senat näher ausgeführt hat, entsprechen Raufen genau der streitgegenständlichen Konstruktionsart dem, was allgemein und auch durch namhafte Hersteller unterschiedslos für Rinder und Pferde angeboten wird. Zwar ist das bloße – auch häufige – Angebot gefahrenträchtiger Waren noch kein Beweis dafür, dass solche von den maßgeblichen Verkehrskreisen auch gekauft werden, wenn ihnen die Gefahr bewusst ist und sie auf sicherere Konstruktionen ausweichen können, und damit kein Hinweis auf die Verkehrserwartung (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1989 – VI ZR 258/88, NJW 1990, 906). Vorliegend besteht aber nach den Angaben des Sachverständigen die Besonderheit, dass nicht nur die Anbieter – Hersteller und Händler –, sondern auch zahlreiche Pferdehalter nicht hinreichend für die besonderen Anforderungen in der Pferdehaltung sensibilisiert sind, sondern vielmehr eher unbekümmert und sorglos gegenüber der besonderen Gefährdung erscheinen. Raufen dieser Art werden daher nicht nur durch Rinderhalter erworben und eingesetzt. Sie kommen vielmehr auch auf Mischweiden und weitgehend in der reinen Pferdehaltung zum Einsatz. Das Angebot dieser Raufe „für Rinder und Pferde“ durch die Beklagte erweiterte ihren Anwendungsbereich daher nicht über das Übliche hinaus und löste folglich für sich keine besondere Prüfpflicht aus.

2.

Die Beklagte ist dem Kläger auch nicht zur Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Rundraufe verpflichtet. Weder liegen die Voraussetzungen des ebenfalls ein Vertretenmüssen der Beklagten voraussetzenden Anspruchs auf „großen“ Schadenersatz gemäß § 437 Nr. 3, 280, 281 BGB vor, noch kann der Kläger vom Kaufvertrag zurücktreten gemäß §§ 437 Nr. 2, 323, 346 BGB. Die in jedem Fall grundsätzlich erforderliche Nachfristsetzung ist nicht erfolgt. Sie war auch nicht entbehrlich. Die Nachbesserung war nicht erkennbar grundsätzlich unmöglich (§§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder dem Kläger unzumutbar (§ 440 BGB). Die Beklagte hat auch nicht eine Mängelgewährleistung insgesamt und einschließlich einer – so nicht verlangten – Nachbesserung zurückgewiesen (§§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB), sondern nur ihre Haftung für den konkreten Unfall verneint.

Angesichts dessen kann die Beklagte sich auch nicht in Annahmeverzug mit der ihr angebotenen Raufe befinden.

3.

Die Nebenentscheidungen folgen §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht. Die Streitwertbemessung beruht auf §§ 39 Abs. 1, 43, 47 GKG. Dem Feststellungsantrag zu 3 kommt ebenso wie der im Antrag zu 2 angebotenen Gegenleistung selbst kein eigenständiger Wert zu (Senat, Urteil vom 13. November 2019 – 4 U 7/19 –, Rdnr. 77).

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