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Schmerzensgeld wegen Abmahnungen


Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen)

Az: 17 Sa 619/09

Urteil vom 16.07.2009


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 24.03.2009 – 3 Ca 565/08 O – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld.

Sie ist seit dem 01.06.1991 bei der Beklagten als Verkaufsstellenverwalterin in H1 gegen ein Bruttomonatsgehalt von 2.600,00 € tätig und am 18.10.1953 geboren.

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 01.06.1991 (Bl. 174, 175 d.A.) zugrunde.

Wegen der Aufgaben einer Verkaufsstellenverwalterin wird auf den Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.07.2008 (Bl. 140, 141 d.A.) nebst Anlage (Bl. 176, 178 d.A.) Bezug genommen.

In den Jahren 1995, 1999, 2001 bis zum 29.07.2008 wies die Klägerin Arbeitsunfähigkeitszeiten jeweils über sechs Wochen jährlich auf. Wegen der einzelnen Krankheitsperioden wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30.07.2008 (Bl. 151 bis 154 d.A.) verwiesen. Die Krankheitsdiagnosen der Jahre 2001 bis 2007 ergeben sich aus von der Klägerin vorgelegten Auskünften der BKK Achenbach Buschhütten und der DAK (Bl. 112 bis 114 d.A.).

Bis Oktober 2001 verlief das Arbeitsverhältnis konfliktlos.

Im November 2001 erteilte die Beklagte der Klägerin vier Abmahnungen, gegen die sie sich mit anwaltlichem Schreiben vom 18.12.2001 (Bl. 25 bis 27 d.A.) zur Wehr setzte. Mit Schreiben vom 28.12.2001 (Bl. 28 d.A.) erklärte die Verkaufsleiterin des Verkaufsbüros E2, dem die Filiale H1 zugeordnet war, die Abmahnungen wurden ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus der Personalakte entfernt.

Im Jahre 2002 wurden der Klägerin Abmahnungen unter dem 14.05.2002 (Bl. 183 bis 185 d.A.), unter dem 20.06.2002 (Bl. 179 d.A.) und am 13.08.2002 (Bl. 188, 189 d.A.) erteilt. Der Abmahnung vom 20.06.2002 lag der Vorwurf der verspäteten Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 15.06.2002 zugrunde, die erst am 26.06.2002 (Bl. 180 d.A.) bei der Beklagten einging.

Die Klägerin wendete sich gegen alle drei Abmahnungen mit Klagen. Die Parteien einigten sich in Prozessvergleichen vom 17.09.2002 (Bl. 180, 182, 186, 187 d.A.) auf Entfernung der Abmahnung vom 14.05.2002 mit dem 31.12.2002 und der Abmahnung vom 20.06.2002 mit dem 30.11.2002 aus der Personalakte der Klägerin. Die Beklagte verpflichtete sich jeweils, ab dem Entfernungszeitpunkt aus dem zugrunde liegenden Vorfall keine weitere Rechte herzuleiten.

Mit Urteil vom 17.12.2002 verurteilte das Arbeitsgericht Arnsberg die Beklagte in dem Verfahren 3 Ca 1267/02 O, die Abmahnung vom 13.08.2002 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 17.12.2002 hatte der Kammervorsitzende in der Erörterung der Sach- und Rechtslage auf formelle Bedenken hinsichtlich der Abmahnung hingewiesen.

Ab dem 02.09.2002 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 26.09.2002 (Bl. 34 d.A.) bat die Beklagte die Klägerin, bis zum 04.10.2002 folgende Fragen zu ihrer Gesundheit zu beantworten:

1. Können wir in absehbarer Zeit mit Ihrer Arbeitsfähigkeit rechnen?

2. Sind Sie gesundheitlich in der Lage, die Tätigkeit nach Ihrer Genesung in gleichem Umfange wie zuvor auszuüben?

3. Wären Sie mit einer Befreiung Ihres Hausarztes von der ärztlichen Schweigepflicht einverstanden?

4. Wünschen Sie ein persönliches Gespräch?

Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.10.2002 (Bl. 35, 36 d.A.) teilte die Klägerin mit, sich in einer Rehabilitationskur zu befinden und verweigerte die Entbindung ihres Hausarztes von der Schweigepflicht.

In der Zeit vom 03.12.2002 bis zum 28.01.2003 – so die Klägerin – bzw. bis zum 21.01.2003 – so die Beklagte – wurde die Verkaufsstelle H1 insgesamt dreizehnmal von der Verkaufsleiterin H3 besucht. Die Klägerin behauptet, zwei bis drei Besuche monatlich seien üblich und beanstandete die häufigen Kontrollen mit Schreiben vom 17.03.2003 (Bl. 53 bis 56 d.A.). Sie erteilte der Beklagten eine Abmahnung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB.

Mit Schreiben vom 27.03.2003 (Bl. 58, 59 d.A.) wies die Beklagte den erhobenen Vorwurf zurück und erläuterte jeweils die Anlässe der Besuche.

Mit Schreiben vom 28.04.2003 erklärte die Klägerin die Abmahnung vom 17.03.2003 nicht zurückzunehmen.

Sie war bei den Besuchen am 03.12.2002 und 04.12.2002 sowie ab dem 22.01.2003 arbeitsunfähig krank.

In der Zeit von April 2003 bis April 2004 ordnete die Beklagte die Verkaufsstelle H1 nicht mehr dem Verkaufsbüro E2 mit der Verkaufsleiterin H3, sondern dem Verkaufsbüro B3 mit der Verkaufsleiterin H4 zu.

Am 20.06.2003 wurde der Klägerin eine Abmahnung wegen Nichtbeachtung von Vorgaben im Info-Ordner erteilt, gegen die sie Gegenvorstellung mit Schreiben vom 15.07.2003 (Bl. 61, 62 d.A.) erhob. Mit Schreiben vom 12.08.2003 (Bl. 63 d.A.) erklärte die Verkaufsleiterin H4, die Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin entfernen zu werden.

Mit Schreiben vom 15.12.2003 (Bl. 194, 195 d.A.) wies die Beklagte die Klägerin auf ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten in den Jahren 2002 und 2003 hin und erklärte:

„Aufgrund unserer gesetzlichen Fürsorgepflicht werden wir bei Fortsetzung Ihrer Krankheit bzw. bei weiteren Neuerkrankungen prüfen müssen, ob Ihr Gesundheitszustand eine Weiterbeschäftigung an Ihrem bisherigen Arbeitsplatz zulässt. Sollten Sie uns bereits heute hierzu entsprechende Angaben machen können, bitten wir um Nachricht.“

Mit Schreiben vom 12.01.2004 (Bl. 64 d.A.) lehnte es die Klägerin ab, der Beklagten Auskunft über die Ursachen der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Vergangenheit zu geben.

Am 26.07.2004 erteilte die stellvertretende Verkaufsleiterin C1 des Verkaufsbüros E2 der Klägerin zwei Abmahnungen sowie zwei Hinweise (Bl. 199 bis 212 d.A.). Unter dem 04.08.2004 erhielt die Klägerin einen Verweis (Bl. 213 bis 218 d.A.), eine Abmahnung (Bl. 219, 220 d.A.) sowie einen Hinweis (Bl. 221, 222 d.A.).

Unter dem 10.08.2004 rügte die stellvertretende Verkaufsleiterin C1 Verletzungen der Preisauszeichnungspflicht (Bl. 223, 224 d.A.).

Die Klägerin wendete sich gegen die Abmahnungen/Hinweise aus Juli und August mit ihrer unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1311/04 O vor dem Arbeitsgericht Arnsberg geführten Klageverfahren. Am 25.01.2005 schlossen die Parteien einen Vergleich (Bl. 225, 226 d.A.), nach dem die Abmahnungen teilweise mit sofortiger Wirkung, teilweise zum 31.01.2005 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen waren. Die Beklagte verpflichtete sich erneut, nach Entfernung aus den zugrunde liegenden Vorfällen keine weiteren Rechte herzuleiten.

Im Jahre 2005 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung unter dem 17.06.2005 (Bl. 227 d.A.).

Im Jahre 2006 erhielt die Klägerin eine Abmahnung am 02.03.2006 (Bl. 229 d.A.). Beide Abmahnungen wurden von der Bezirksleiterin W4 des Verkaufsbüros E2 unterzeichnet.

Gegen diese Abmahnungen wendete sich die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2006 (Bl. 230 bis 232 d.A.). Mit Schreiben vom 20.03.2006 (Bl. 233, 234 d.A.) begründete die Beklagte die Abmahnungen und erklärte, sie nicht aus der Personalakte entfernen zu wollen.

Auch insoweit erhob die Klägerin Klage. Im Gütetermin vom 02.05.2006 (Bl. 235, 236 d.A.) verpflichtete sich die Beklagte, die Abmahnung vom 17.06.2005 mit Ablauf des 30.06.2006 und die Abmahnung vom 02.03.2006 mit Ablauf des 31.07.2006 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen und ab diesem Zeitpunkt keine weiteren Rechte aus den zugrunde liegenden Vorfällen herzuleiten.

Ab 2007 war die Bezirksleiterin K5 für die Filiale H1 zuständig.

Diese führte mit der Klägerin nach Rückkehr aus einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Januar 2007 ein Gespräch, in dem sie nach Vortrag der Klägerin erklärte, sie kenne ihre Vorgeschichte und werde ähnliches nicht hinnehmen. Die Klägerin behauptet, sie sei während des Gespräches beschimpft und ihr sei mitgeteilt worden, das Ladenlokal sei während ihrer Abwesenheit aufgeräumter gewesen. Die Beklagte bestreitet Verunglimpfungen und behauptet, der Klägerin sei nur ein Hinweis gegeben worden.

Am 05.04.2007 erteilte Frau K5 der Klägerin eine Abmahnung wegen nicht ordnungsgemäßer Bearbeitung eines Warenrückrufes (Bl. 95 d.A.), gegen die sich die Klägerin mit Schreiben vom 16.05.2007 (Bl. 96, 97 d.A.) wendete. In dem gegen diese Abmahnung von ihr geführten Klageverfahren schlossen die Parteien am 11.09.2007 einen Vergleich (Bl. 99, 100 d.A.), in dem sich die Beklagte verpflichtete, die Abmahnung vom 05.04.2007 mit sofortiger Wirkung aus der Personalakte zu entfernen und aus den Vorfällen keine weiteren Rechte mehr herzuleiten.

Am 12.04.2007 fand zwischen der Klägerin und der Bezirksleiterin K5 ein Telefonat statt, in dem die Bezirksleiterin sie mit dem Vorwurf konfrontierte, am 11.04.2007 die Filiale nach Dienstschluss unaufgeräumt verlassen zu haben. Nach Vortrag der Klägerin wurde sie in diesem Gespräch angeschrien.

Mit Schreiben vom 26.07.2007 (Bl. 102, 103 d.A.) wurde ihr eine Abmahnung wegen unentschuldigter Abwesenheit am 19.07.2007 erteilt. Auch gegen diese Abmahnung wendete sie sich mit einer Klage. Am 05.11.2007 legte sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 19.07.2007 vor mit der Folge, dass die Beklagte mit Schreiben vom 07.11.2007 (Bl. 249 d.A.) mitteilte, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das Schreiben vom 26.07.2007 aus der Personalakte entfernen zu werden.

Mit Schreiben vom 19.12.2007 unterbreitete die Beklagte der Klägerin ein Angebot auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der geltenden Kündigungsfrist gegen Zahlung einer Abfindung von 8.000,00 €.

Mit Schreiben vom 20.12.2007 (Bl. 110, 111 d.A.) lehnte die Klägerin das Angebot ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht fort.

Mit Schreiben vom 02.01.2008 (Bl. 116 bis 120 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 15.01.2008 auf, an sie wegen Mobbings ein Schmerzensgeld von 10.000,00 € zu zahlen.

Die Beklagte lehnte die Forderung mit Schreiben vom 10.01.2008 (Bl. 121, 122 d.A.) ab.

Mit ihrer am 23.05.2008 bei dem Arbeitsgericht Arnsberg eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Schmerzensgeldanspruch weiter.

Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Vielzahl der erfolgten Abmahnungen und Ermahnungen zeige, dass die Beklagte sie systematisch habe anfeinden und schikanieren wollen. Die Beklagte habe sich nie zum Ausspruch einer Kündigung entschieden, obwohl diese Reaktion nach Ausspruch der Abmahnungen zu erwarten gewesen sei. Sie habe stattdessen eine Abnutzungsstrategie verfolgt mit dem offenkundigen Ziel, sie zu bewegen, von sich aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden.

Sie habe auch durch die Verkaufsstellenbesuche in kürzesten Abständen Ende 2002/Anfang 2003 eine permanente Drucksituation geschaffen.

Sie – die Klägerin – sei wegen der am Arbeitsplatz erlittenen Diskriminierungen erkrankt. Die Krankheitsursachen Neurasthenie, Kreuzschmerzen, Schmerzen im Oberbauch etc. seien auf die Mobbingmaßnahmen zurückzuführen. Die Ursächlichkeit der Verhältnisse am Arbeitsplatz für ihre Erkrankungen ergebe sich auch aus dem ärztlichen Attest der Ärzte L2 und H2 vom 04.01.2008 (Bl. 115 d.A.).

Im Hinblick darauf, dass sie seit über sechs Jahren schmerzhafte Erkrankungen erdulden müsse, sei ein Schmerzensgeld von 10.000,00 € angemessen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, mit dem Ausspruch von Ermahnungen, Hinweisen und Abmahnungen von ihrem vertraglichen Rügerecht Gebrauch gemacht zu haben. Die Abmahnungen seien auch gerechtfertigt gewesen. Allein aus prozessökonomischen Gründen habe sie sich in den meisten von der Klägerin geführten Prozessen zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte bereit erklärt. Nur einmal habe das Arbeitsgericht Arnsberg sie zur Entfernung verurteilt.

Durch Erteilung von Abmahnungen habe sie das Fehlverhalten der Klägerin mit dem mildesten Mittel geahndet.

Die erhöhte Besuchszahl Ende 2002, Anfang 2003 sei aus sachlichem Grund gerechtfertigt gewesen.

Ein Kausalzusammenhang zwischen ihren Beanstandungen und den Erkrankungen der Klägerin werde bestritten.

Mit Urteil vom 24.03.2009 hat das Arbeitsgericht Arnsberg die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht zu. Die Beklagte habe kein arbeitsvertragliches Fehlverhalten gezeigt, das in seiner Intensität so stark gewesen sei, dass unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen der Vertragsparteien der Klägerin ein Schmerzensgeldanspruch zuzusprechen sei. Das gelte sowohl für die von der Klägerin beanstandeten Einzelakte als auch bei Gesamtschau der beanstandeten Maßnahmen.

Die Beklagte habe der Klägerin zwar in den Jahren 2001 bis 2007 eine Vielzahl von Abmahnungen und schriftlichen Ermahnungen erteilt.

Die Erteilung einer Abmahnung stelle an sich keine Vertragsverletzung dar, da der Arbeitgeber nur von seinem vertraglichen Rügerecht Gebrauch mache.

Auch die Gesamtschau führe nicht zur Annahme einer Arbeitsvertragsverletzung durch die Beklagte.

Zwar sei die Nachhaltigkeit, mit der sie Abmahnungen erteilt habe, außergewöhnlich. Außergewöhnlich sei auch, dass sie nicht irgendwann zu dem strengeren Mittel der Kündigung gegriffen habe.

Andererseits gebe es weder eine rechtliche Untergrenze noch eine Obergrenze für die Zahl der vor Kündigungsausspruch zu erteilenden Abmahnungen. Das der Klägerin vorgeworfene Fehlverhalten sei jeweils auch nicht so gravierend gewesen, dass eine Kündigung als zwingende Konsequenz geboten gewesen wäre.

Aufgrund der zwischen den Parteien jeweils getroffenen gütlichen Einigung hätten die Abmahnungen auch nicht im Rahmen der Prüfung einer Kündigung berücksichtigt werden können.

Die Zahlung eines Schmerzensgeldes sei auch nicht deshalb geboten, weil die Beklagte die Verkaufsstelle H1 im Dezember 2002/Januar 2003 überdurchschnittlich oft besucht habe. Die häufigen Besuche seien nach Beanstandung durch die Klägerin eingestellt worden. Eine Schikane könne die Kammer darin nicht erkennen.

Fraglich sei auch, ob die Beklagte mit ihren Schreiben vom 26.09.2002 und 15.12.2003 anlässlich der Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin gegen Vertragspflichten verstoßen habe, da der Arbeitgeber durchaus ein berechtigtes Interesse an der zukünftigen Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers habe. Selbst wenn aber die Beklagte mit ihren Erkundigungen zu weit gegangen sei, so habe sie auf Vorhalt der Klägerin von weiteren Nachfragen abgesehen.

Habe sich die Verkaufsleiterin K5 in Gesprächen im Januar und April 2007 gegenüber der Klägerin im Ton vergriffen, folge daraus noch keine systematische Schikanierung.

Auch unter Berücksichtigung sämtlicher erörterter Umstände komme die Kammer zu dem Entschluss, ein Schmerzensgeldanspruch sei schon wegen des Fehlens einer ausreichenden Pflichtverletzung der Beklagten zu verneinen.

Die Klägerin sei nicht willkürlich abgemahnt worden. Bei den Nachfragen anlässlich der Arbeitsunfähigkeit, den häufigen Verkaufsstellenbesuchen und der unangemessenen Gesprächsführung im ersten Halbjahr 2007 habe es sich um punktuelle Ereignisse gehandelt, die einen Rückschluss auf ein systematisches Mobbing nicht zuließen.

Es könne deshalb dahinstehen, ob Pflichtverletzungen der Beklagten kausal für die Erkrankungen der Klägerin seien, ob diese ihre Ansprüche innerhalb der Ausschlussfrist des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen geltend gemacht haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 297 bis 310 d.A Bezug genommen.

Gegen das ihr am 03.04.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.04.2009 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 03.06.2009 eingehend begründet.

Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus: Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht Arnsberg nur deliktische Ansprüche, nicht aber Ansprüche aus Verletzung des § 280 BGB geprüft.

Für die Prüfung, ob die Beklagte oder ihre Repräsentanten Verhaltensweisen an den Tag gelegt hätten, mit denen bezweckt und bewirkt worden sei, ihre Würde zu verletzen und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen, seien die zahlreichen Abmahnungen in den Vordergrund zu stellen. Die Beklagte habe mit den wiederholten Abmahnungen notwendigerweise das einheitliche Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfolgt. Aus ihnen ergebe sich denknotwendig die Zielrichtung, sie „loszuwerden“.

Unerheblich sei, ob die Abmahnungen jeweils zu Recht ausgesprochen worden seien.

Sie sei durch jede einzelne Abmahnung in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet gewesen. Das sei der Beklagten nicht verborgen geblieben, sei von ihr beabsichtigt gewesen.

Die Beklagte habe bewusst von dem Ausspruch einer Kündigung abgesehen, um nicht in einem Kündigungsschutzprozess eine höhere als die angebotene Abfindung zahlen zu müssen.

Die zahlreichen Kontrollen der Verkaufsstelle H1 Ende 2002/Anfang 2003 hätten ebenfalls ihrer Einschüchterung gedient.

Eine weitere Eskalationsstufe habe die Beschimpfung durch die Bezirksleiterin K5 im Jahre 2007 dargestellt. Diese seien in Gegenwart anderer Mitarbeiterinnen erfolgt.

Der Vorfall zeige auch die Planmäßigkeit des Vorgehens, weil Frau K5 darauf hingewiesen habe, sie kenne ihre – der Klägerin – Vorgeschichte.

Die Beklagte habe sich das Verhalten ihrer Verkaufs- und Bezirksleitung zuzurechnen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 24.03.2009 die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit habe sie bewogen, von dem Ausspruch einer verhaltens- oder leistungsbedingten ordentlichen Kündigung abzusehen.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin seien nicht auf eine von ihr erzeugte Drucksituation zurückzuführen.

Im Übrigen verweise sie darauf, dass die Klägerin gem. § 24 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen mit ihrem Anspruch ausgeschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.

Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 24.03.2009 ist unbegründet. Das erstinstanzliche Gericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen.

1. Ein Anspruch der Klägerin auf eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) rechtfertigt sich nicht aus §§ 241 Abs. 2, 253 Abs. 2, 278, 280 Abs. 1 BGB.

Im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB hat der Arbeitgeber auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Bei der Frage, was die vertragliche Rücksichtnahmepflicht im Einzelnen gebietet, ist insbesondere auf die in den Grundrechten zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidungen des Grundgesetzes abzustellen. Danach dürfen der Arbeitgeber und seine Repräsentanten das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht verletzen. Im Falle der Verletzung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Beseitigung der fortwährenden Beeinträchtigung und auf Unterlassung weiterer Verletzungshandlungen. Auch hat der Arbeitgeber die Pflicht, seine Arbeitnehmer vor Belästigungen durch Vorgesetzte, Mitarbeiter oder Dritte, auf die er Einfluss hat, zu schützen und ihnen einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen (vgl. BAG 13.03.2008 a.a.O.; 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6).

Repräsentanten des Arbeitgebers in diesem Sinne sind Arbeitnehmer, die von ihm als Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB eingesetzt sind. Dabei haftet der Arbeitgeber dann, wenn die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe eingesetzten Mitarbeiters in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert bzw. wenn er ihm gegenüber Weisungsrechte hat (vgl. BAG 25.10.2007 a.a.O.).

Hier hat die Klägerin eine eigene Pflichtverletzung des Inhabers der Beklagten nicht behauptet. Sie hat aber auch nicht hinreichend dargelegt, dass Erfüllungsgehilfen dessen Verpflichtung zum Schutze und zur Rücksichtnahme durch positives Tun oder durch Unterlassen gebotener Schutzmaßnahmen verletzt haben. Sie ist entgegen ihrer Auffassung nicht durch Repräsentanten der Beklagten gemobbt worden.

Mobbing ist kein Rechtsbegriff. Vielmehr ist zur Feststellung von Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes des Arbeitnehmers durch Belästigungen ausgehend von der Definition des Begriffs der Belästigung in § 3 Abs. 3 AGG festzustellen, dass unerwünschte Verhaltensweisen – unabhängig von den Gründen nach § 1 AGG – bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (vgl. BAG 25.10.2007 a.a.O.). Grundsätzlich kommt es auf die Zusammenschau der Einzelnen „unerwünschten“ Verhaltensweisen an. Ein Umfeld wird grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen. Damit sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Deshalb dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/Verhaltensweisen nicht bei der Beurteilung unberücksichtigt gelassen werden. Für sich allein betrachtet kommt einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen oft keine rechtliche Bedeutung zu (vgl. BAG 25.10.2007 a.a.O.; 16.05.2007 – 8 ARZ 709/06, NZA 2007, 1154).

Ob Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, muss aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BAG 25.10.2007 a.a.O.). Nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers hat Angriffsqualität und ist schon eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht. Nicht jede unberechtigte Kritik, überzogene Abmahnung oder unwirksame Kündigung stellt gleichzeitig eine Persönlichkeitsrechtverletzung dar und führt zu einer Verletzung der Rücksichtnahmepflicht (vgl. BAG 13.03.2008 a.a.O.). Auch die Menge der Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der Umstand, dass Sachstreitigkeiten von dem Arbeitgeber aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur und des Rollenverständnisses in unangemessener Weise, in intoleranter Form ausgetragen werden, lässt sich nicht per se den Schluss auf eine verwerfliche Motivation zu (vgl. HWK-Thüsing, Arbeitsrecht-Kommentar, 3. Aufl. § 611 BGB Rdnr. 256). Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, haben keine Bedeutung für die Feststellung einer rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn es um sozial- und rechtsadäquate Verhaltensweisen des Arbeitgebers und seiner Repräsentanten geht. Sie sind aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise und ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers zu bewerten (vgl. BAG 16.05.2007 a.a.O.). Das gilt auch für das Verhältnis von Vorgesetzten zu Mitarbeitern. Da die Kunst der Personalführung von vielen Personalvorgesetzten nicht fehlerfrei beherrscht wird, kann von Fehlern in der Führung des zugeordneten Personals nicht ohne weiteres auf eine feindliche Einstellung gegenüber den Beschäftigten geschlossen werden. In Weisungen, die sich im Rahmen des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts bewegen und denen sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lässt, liegt nur ausnahmsweise eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Weisungen, die den Rahmen des Direktionsrechts überschreiten, sind umgekehrt nicht von vornherein Anzeichen für Verletzungen des Persönlichkeitsrechts. Denn Weisungen, denen sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zugrunde liegen, können auch dann, wenn der Arbeitgeber sein Weisungsrecht überschreitet, im Regelfall nicht als Ausdruck einer feindlichen Einstellung gewertet werden. An der notwendigen Systematik des Vorgehens kann es auch fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird. Ebenfalls können Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten nicht in die Prüfung einbezogen werden, die lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich in seinen Rechten verletzten Arbeitnehmer darstellen. Insoweit fehlt es an der notwendigen eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation (vgl. BAG 16.05.2007 a.a.O.; 25.10.2007 a.a.O.; LAG Mecklenburg-Vorpommern 13.01.2009 – 5 Sa 86/08).

Dem Sachvortrag der Parteien lässt sich entnehmen, dass es ab Oktober 2001 zunehmend zu Konflikten in ihrem Arbeitsverhältnis kam, die eine gedeihliche Zusammenarbeit erschwert haben. Die Klägerin ist jedoch bei Gesamtwürdigung aller einzelnen Konfliktsituationen nicht mit dem Ziel oder gar nur dem Ergebnis einer Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung schikaniert worden.

a. Ihr ist zuzugestehen, dass die Vielzahl der seit November 2001 erteilten Abmahnungen und Vertragsrügen (17 schriftliche Maßnahmen) auf den ersten Blick den Schluss nahelegen könnte, die Beklagte habe zielgerichtet ein Umfeld der ständigen Verunsicherung und Einschüchterung schaffen wollen, um die Klägerin – möglicherweise vor dem Hintergrund erheblicher krankheitsbedingter Fehlzeiten – zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bewegen. Bei Würdigung aller Umstände des Falls lässt sich jedoch eine klare Täter-/Opfer-Konstellation nicht feststellen.

Grundsätzlich steht jedem Arbeitgeber unmittelbar aus seiner Stellung als Gläubiger der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung das Recht zu, ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu beanstanden oder abzumahnen. Er übt damit ein allgemeines vertragliches Rügerecht aus, das jedem Vertragspartner zusteht und ihm erlaubt, den anderen Teil auf Vertragsverletzungen und sich daraus ergebende Rechtsfolgen hinzuweisen (vgl. BAG 17.01.1991 – 2 AZR 375/90, EzA § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung Nr. 37; KR-Fischermeier, 9. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 253).

Nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur ist der Arbeitgeber schon dann berechtigt, eine Abmahnung zu erteilen, wenn objektiv ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt, unabhängig davon, ob ihm das Fehlverhalten vorzuwerfen ist oder nicht (vgl. BAG 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, EzA § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 6; KR-Fischermeier a.a.O. § 626 BGB Rdnr. 254; ErfK/Müller-Glöge, 9. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 34).

Vertragsrügen bzw. Abmahnungen sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon an sich Anfeindungen, selbst wenn der Arbeitnehmer diese subjektiv z.B. aufgrund der fehlenden Vorwerfbarkeit im Einzelfall als ungerecht und verunsichernd empfindet.

Eine Schikane liegt auch nicht schon in dem Ausspruch mehrerer Abmahnungen innerhalb kurzer Zeit, wie hier im November 2001 und im Juli/August 2004. Die Klägerin berücksichtigt bei ihrer Würdigung nicht, dass, werden in einer Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen gerügt, alle Vorwürfe berechtigt sein müssen. Ansonsten kann der Arbeitnehmer erfolgreich auf ihre Entfernung aus der Personalakte klagen (vgl. BAG 13.03.1991 – 5 AZR 133/90, EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 20). Es empfiehlt sich daher, mehrere gleichzeitig oder zeitlich unmittelbar aufeinander folgende Pflichtenverstöße des Arbeitnehmers jeweils gesondert abzumahnen.

So hat die Beklagte in zulässiger Weise z.B. unter dem 26.07.2004 zwei ausdrücklich als solche bezeichnete Abmahnungen aufgrund von ihrer Auffassung nach am 22.07.2004 festgestellten Vertragsverstößen erteilt und die Klägerin gleichzeitig mit zwei weiteren Schreiben auf Pflichten hingewiesen, deren Nichtbeachtung sie gerügt hat.

Eine feindliche Einstellung, eine schikanöse Tendenz zeigt sich auch nicht in den einzelnen Abmahnungen und Rügen. Ihnen liegen durchweg sachlich nachvollziehbare Erwägungen der Beklagten zugrunde, mag auch jeweils die Berechtigung der Rüge bzw. der Abmahnung zwischen den Parteien streitig gewesen sein. Dass sie willkürlich, ohne jeden vertretbaren Anlass erteilt wurden, folgt aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht. So hat sie z.B. nicht in Abrede gestellt, dass sie – wie von der Beklagten am 20.06.2002 abgemahnt – Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 15.06.2002 bis zum 20.06.2002 nicht vorgelegt hatte. Ebenso wenig hat sie durch entsprechenden Sachvortrag die Behauptung der Beklagten bestritten, die Abmahnung vom 26.07.2007 wegen unentschuldigten Fehlens sei berechtigt, da sie – die Klägerin – eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 19.07.2007 erst am 07.11.2007 vorgelegt habe.

Den Abmahnungen und Rügen ist auch nicht deshalb eine schikanöse Tendenz zu entnehmen, weil sie stets wieder aus der Personalakte der Klägerin entfernt wurden. Zum einen haben unberechtigte oder überzogene Abmahnungen nicht per se Angriffsqualität. Zum anderen haben sich die Parteien in fast allen Fällen einvernehmlich auf die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte geeinigt, und zwar nicht undifferenziert, sondern offenkundig unter Einschätzung der Prozessrisiken beider Parteien zu einem Zeitpunkt sofort mit Vergleichsschluss oder zu einem Monate später liegenden Zeitpunkt. Die Beklagte ist nur ein einziges Mal zur Entfernung der Abmahnung verurteilt worden.

Gegen einen systematischen Prozess der Schaffung eines feindlichen Umfeldes durch Erteilung einer Vielzahl von R1 und Abmahnungen spricht, dass nicht allein die Verkaufsleiterin H3 des Verkaufsbüros E2 sich veranlasst sah, die Klägerin zu rügen. Auch nach Zuordnung der Filiale H1 zu dem Verkaufsbüro B3 in der Zeit von April 2003 bis April 2004 ist der Klägerin eine Abmahnung am 20.06.2003 von der Verkaufsleiterin H4 erteilt worden.

Die Rügen und Abmahnungen aus Juli und August 2004 wurden von der stellvertretenden Verkaufsleiterin des Verkaufsbüros E2 G1, die Abmahnungen vom 17.06.2005 und 02.03.2006 von der Bezirksleiterin W4 und die Abmahnungen vom 05.04.2007 und 26.07.2007 von der Bezirksleiterin K5 unterzeichnet. Dass die verschiedenen Vorgesetzten der Klägerin mit dem Ziel, sie zu schikanieren, zusammengearbeitet haben, ist nicht ersichtlich, ergibt sich auch nicht aus der Behauptung der Klägerin, die Bezirksleiterin K5 habe im Januar 2007 erklärt, sie kenne ihre Vorgeschichte und werde ähnliches nicht hinnehmen. Der Bemerkung lässt sich allenfalls entnehmen, dass sie die zahlreichen Rügen und Abmahnungen gekannt hat und Pflichtverletzungen der Klägerin nicht ohne Reaktion belassen würde. Lautstarke Beschimpfungen im Rahmen des Gespräches hat die Klägerin nicht einer Beweisaufnahme zugänglich geschildert. Der Begriff „Beschimpfung“ ist ein wertender Begriff. Die zugrunde liegenden Tatsachen hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Selbst wenn die Bezirksleiterin in diesem Gespräch wie in dem Telefonat vom 12.04.2007 lautstark und unangemessen agiert haben sollte, weist dies auf einen unausgereiften Führungsstil, aber noch auf eine Mobbingabsicht hin.

Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung, der Klägerin, die schikanöse Tendenz zeige sich in der Tatsache, dass die Beklagte nicht nach einer bestimmten Anzahl von Abmahnungen das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Ob es zutrifft, dass die Beklagte Kündigungen aus Sorge vor Abfindungszahlungen vermeidet, vermag die Kammer nicht zu beurteilen. Jeweils ist ein Arbeitgeber nicht gehalten, nach einer oder nach mehreren Abmahnungen das Arbeitsverhältnis bei der nächsten Pflichtverletzung zu kündigen. Er nimmt nur die „Entwertung“ seiner Abmahnungen in Kauf. Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich in den Prozessvergleichen vom 17.09.2002, 25.01.2005, 02.05.2006 und 11.09.2007 jeweils verpflichtet hat, nach Entfernung der Abmahnungen/Ermahnungen aus der Personalakte aus den zugrunde liegenden Beanstandungen keine Rechte herzuleiten.

Im Übrigen war im Rahmen der Gesamtwürdigung auch zu bedenken, dass sich die Abmahnungsfrequenz nicht seit November 2002 fortlaufend erhöht hat. Das wäre aber bei der von der Klägerin angenommenen Mobbingabsicht zu erwarten gewesen. In den Jahren 2003, 2005 und 2006 hat es jeweils nur eine Abmahnung/Ermahnung gegeben.

b. Eine feindliche Gesinnung der Vorgesetzten der Klägerin zeigt sich nicht in den dreizehn Besuchen ihrer Verkaufsstelle in der Zeit vom 03.12.2002 bis zum 21.01. bzw. 28.01.2003. Die Beklagte hat diese Besuche mit Sachgründen gerechtfertigt, denen die Klägerin nicht entgegengetreten ist.

Es mag sein, dass üblicherweise Filialen nur zwei- bis dreimal monatlich kontrolliert werden. In der streitgegenständlichen Zeit war der Ablauf der Filiale aber von besonderen Umständen geprägt. Zum einen war die Klägerin vom 26.11.2002 bis zum 07.12.2002 und vom 22.01. bis zum 22.02.2003 arbeitsunfähig krank, konnte durch die Besuche am 03.12.2002, 04.12.2002 jedenfalls nicht unmittelbar unter Druck gesetzt werden. Ihre Fehlzeit hat einen Vertretungsbedarf ausgelöst, dessen Organisation an diesen Tagen Besuchsgrund war. Weitere vier Besuche hat die Beklagte nachvollziehbar mit der Umlegung von Weihnachtsware und Feuerwerk sowie der Kontrolle der Lagerung von Feuerwerk gerechtfertigt, Besuchsanlässe, die es in anderen Monaten nicht gibt. Das zum Jahresende bzw. – beginn eine Bewertungsinventur stattfindet, ist ebenfalls nicht ungewöhnlich.

Zu berücksichtigen war im Übrigen, dass die Besuche nicht zu Rügen, Ermahnungen oder Abmahnungen geführt haben, über die Kontrolle hinaus kein besonderer Druck auf die Klägerin ausgeübt wurde.

c. Die Anfragen der Beklagten vom 26.09.2002 und 15.12.2003 betreffen die objektiv außergewöhnlich hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin.

Die im Schreiben vom 26.09.2002 formulierten Fragen begegnen keinen Bedenken. Der Arbeitnehmer wird nicht schon unzulässig unter Druck gesetzt, wenn der Arbeitgeber anfragt, ob der behandelnde Arzt von der Schweigepflicht entbunden wird. Dem Ansinnen kann der Arbeitnehmer ein schlichtes „Nein“ entgegensetzen, das hier auch sanktionslos geblieben ist.

Mit Schreiben vom 15.12.2003, das von der Verkaufsleiterin B3, nicht der Verkaufsleiterin E2 erstellt wurde, sind der Klägerin zwar ihre Fehlzeiten vorgehalten worden. Ihr wurde jedoch keine (personenbedingte) Kündigung in Aussicht gestellt. Die angekündigte Prüfung einer Versetzung auf einen gegebenenfalls leidensgerechten Arbeitsplatz war als mildere Maßnahme vor Ausspruch einer Kündigung geboten.

Seit 2004 sind im Übrigen die hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht mehr zum Anlass genommen worden, in irgendeiner Weise auf die Klägerin einzuwirken.

d. Sollte sie das Angebot der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses vom 19.12.2007 als Teil der systematischen Anfeindung ansehen, so ist darauf hinzuweisen, dass ihre in den Jahren 1995, 1999, 2001 bis 2008 aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten für einen vernünftigen und besonnenen Arbeitgeber durchaus Anlass für ein derartiges Angebot sein könnten, das im Übrigen mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung verbunden war, die zwar deutlich unter einem halben Bruttogehalt pro Beschäftigungsjahr lag, aber nicht „unanständig“ gering war.

e. Bei der Gesamtwürdigung aller das Arbeitsverhältnis der Klägerin betreffenden, von ihr als schikanös bezeichneten Maßnahmen hat die Kammer auch berücksichtigt, dass hier kein klares Täter-/Opfer-Verhältnis vorliegt. Die Klägerin hat die Verkaufsstellenbesuche im Dezember 2002/Januar 2003 zum Anlass genommen, der Beklagten ihrerseits mit Schreiben vom 17.03.2003 eine Abmahnung zu erteilen, ohne sich in dieser mit den Gründen der Filialbesuche auseinanderzusetzen, die ihr im Wesentlichen aufgrund ihrer Anwesenheit in der Filiale bekannt gewesen sein dürften. Die Berechtigung dieser Abmahnung ist so zweifelhaft wie die Berechtigung von Abmahnungen der Beklagten.

2. Aus den dargestellten Gründen rechtfertigt sich ein Schmerzensgeldanspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsrechtsverletzung aus § 823 Abs. 1, 831 BGB, Art. 1, 2 GG (vgl. zur Anspruchsgrundlage ErfK/Preis a.a.O. § 619 a BGB Rdnr. 71) noch unter dem Gesichtspunkt der Gesundheits- und Körperverletzung aus §§ 253 Abs. 2, 278, 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2, 831 BGB i.V.m. § 223 Abs. 1 StGB bzw. § 229 StGB.

Entsprechend kommt es auf die Frage, ob die Klägerin zur Einhaltung von Ausschlussfristen verpflichtet war, nicht an.

II.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 ZPO.

Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.


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