LG Flensburg – Az.: 1 T 69/10 – Beschluss vom 03.01.2011
Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 19.11.2010 wird der Beschluss des Amtsgerichts Husum vom 11.11.2010, durch den ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, abgeändert:
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie auf Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000 € anträgt.
Ihr wird Rechtsanwalt Dr. H. aus S. beigeordnet.
Sie braucht keine Raten zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin die Hälfte; eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Der Antragstellerin ist unter Abänderung der Ausgangsentscheidung Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil sie die Prozesskosten nicht aus dem eigenen Einkommen oder Vermögen aufbringen kann (§ 114 ZPO) und ihre angekündigte Klage wenigstens teilweise Aussicht auf Erfolg hat.
1. Die beabsichtigte Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ist nicht unzulässig. Die erfolglose Durchführung eines obligatorischen Güteverfahrens nach § 15a EG ZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 Landesschlichtungsgesetz als besondere Prozessvoraussetzung ist nicht erforderlich.
Die Antragstellerin beabsichtigt zwar, einen Schmerzensgeldanspruch wegen Ehrverletzung einzuklagen. Für solche Klagen ist unabhängig von dem Streitwert nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Landesschlichtungsgesetz (LSchliG) die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens notwendig, weil es um einen Anspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, geht. Dieser Regelung unterfallen alle Ansprüche, die sich inhaltlich auf eine Ehrverletzung im Sinne der strafrechtlichen Bedingungen stützen, ohne dass es auf die zivilrechtliche Anspruchgrundlage ankommt (Saarländisches OLG, Urteil vom 26.11.2003, 1 U 146/03, zitiert JURIS Rn. 23; LG Kiel, Urteil vom 27.04.2006, 1 S 278/05, zitiert JURIS Rn. 14; AG St. Wendel, Urteil vom 25.04.2005, 13 C 52/05, zitiert JURIS Rn. 15). Erfasst werden alle Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf, Schmerzensgeld und Schadenersatz, unabhängig vom Streitwert und der Zuständigkeit von Amts- oder Landgericht (Gruber, in: Münchner Kommentar zur ZPO, 3. Auflage [2008] § 15 a EGZPO Rn. 24).
Gleichwohl bedarf es hier keines erfolglos vorangegangenen Schlichtungsverfahrens, weil der streitgegenständliche Sachverhalt, auf den der Schmerzensgeldanspruch gestützt wird, nicht nur die von der Antragstellerin behaupteten ehrverletzenden Äußerungen des Antragsgegners betrifft. Die Antragstellerin macht darüber hinaus geltend, der Antragsgegner stelle ihr nach, was unter Umständen den Straftatbestand der Nachstellung gemäß § 238 StGB verwirklichen könnte. Schutzgut des Tatbestandes der Nachstellung ist die Handlungs- und Entschlussfreiheit des Opfers hinsichtlich seiner persönlichen Lebensgestaltung und damit nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Auflage [2010] § 238 Rn. 4). Ferner trägt die Antragstellerin zur Begründung ihres Schadenersatzanspruches vor, der Antragsgegner mache unberechtigt dritten Personen intime Filmaufnahmen von ihr zugänglich, was den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nach Art. 1 i.V.m. Art. 2 GG betreffen dürfte, der über den Schutz der persönlichen Ehre hinausgeht.
2. Der Schmerzensgeldanspruch besteht aber allenfalls in Höhe von 1.000 €. Ein darüber hinausgehender Antrag wird voraussichtlich keinen Erfolg haben.
a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Straftatbestand der Beleidigung kann ein Schmerzensgeld von mindestens 2.000,00 € nicht begründen.
Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen, der Antragsgegner habe sie am 12.02.2010 als „hässlich“ und „fett, wie eine Kuh“ bezeichnet. Weitere ehrverletzende Beleidigungen hat die Antragsgegnerin nicht konkret vorgetragen. Für die konkrete Darlegung von ehrverletzenden Äußerungen genügt es nicht, auf die „Liste der Begegnungen seit März 2010“ (Anlagen K2, Bl. 43/44 d.A.) zu verweisen. Darin ist lediglich für den 03.06.2010 vermerkt, der Antragsgegner „spricht Beleidigungen aus“. Das genügt den Anforderungen an den Vortag für eine schmerzensgeldwürdige Beleidigung nicht. Die Antragstellerin schildert insbesondere nicht, mit welchen Äußerungen der Antragsgegner hervorgetreten ist und wie groß der Adressatenkreis war.
b) Die von der Antragstellerin dargelegten Nachstellungen (§ 238 StGB) rechtfertigen ebenfalls kein darüber hinausgehendes Schmerzensgeld.
(1) §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB scheiden als Anspruchsgrundlagen für ein Schmerzensgeld aus, soweit durch die Nachstellungen nur die körperliche Fortbewegungsfreiheit der Antragstellerin beeinträchtigt wird. Eine Einschränkung der durch § 238 StGB geschützten Handlungs- und Entschließungsfreiheit reicht dagegen nicht aus.
(2) Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass die Nachstelllungen des Antragsgegners zu einem Gesundheitsschaden im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB geführt haben. Ihre Behauptung, sie sei psychisch total instabil gewesen (Seite 6 des Schriftsatzes vom 12.10.2010, Bl. 38 d.A.), ist nicht hinreichend substantiiert. Im Übrigen ha sie zu einem Ursachenzusammenhang zwischen den Nachstellungen durch den Antragsgegner und ihrer psychischen Instabilität ebenso wenig vorgetragen wie zur Frage, ob die psychische Instabilität so stark wiegt, dass sie als (ausgleichspflichtige) Gesundheitsbeeinträchtigung zu bewerten ist.
(3) Die angeblichen Nachstellungen durch den Antragsgegner könnten damit allenfalls als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu einem Schmerzensgeldanspruch führen. Wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes kann aufgrund von § 823 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG ein Schmerzensgeld nur zugesprochen werden, wenn es sich um eine schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes handelt, die nicht anders abgewehrt oder ausgeglichen werden kann. Die von der Antragstellerin in ihren beiden Listen zusammengestellten Begegnungen mit dem Antragsgegner in dem Zeitraum von Januar 2010 bis August 2010 erfolgten aber regelmäßig im öffentlichen Raum und in der Mehrheit der Fälle ist die Antragstellerin von dem Antragsgegner nicht angesprochen worden. Damit kann das Recht der Antragstellerin auf örtliche Abgeschiedenheit und ihr Recht, in Ruhe gelassen zu werden, nur verletzt sein, wenn sie beweisen kann, dass der Antragsgegner sie systematisch verfolgt und damit ihr Recht auf selbstbestimmte Lebensgestaltung beeinträchtigt hat.
c) Bei der abschließenden Gesamtwürdigung dürfte schmerzensgeldmindernd zu berücksichtigen sein, dass die von der Antragstellerin dargestellten Vorfälle jeweils nicht von erheblichem Gewicht sind. Andererseits könnte sich aus der Summe der von der Antragstellerin dargelegten Belästigungen – sollten diese bewiesen werden können – ergeben, dass eine Erfolgsaussicht für eine schmerzensgeldwürdige Persönlichkeitsverletzung besteht. Zu einem Schmerzensgeldanspruch könnte es auch führen, wenn die Antragstellerin ihre Behauptung beweisen kann, der Antragsgegner mache unberechtigt dritten Personen intime Filmaufnahmen von ihr zugänglich. Insgesamt dürfte aber kein höheres Schmerzensgeld als 1.000,00 € zu erwarten sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.