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abakschmuggler müssen auf Schmuggelware entfallende Einfuhrabgaben zahlen

BUNDESFINANZHOF

Az.: VII R 23/04

Urteil vom 07.03.2006


Leitsätze:

Für die Frage, ob unter Verletzung der Gestellungspflicht in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren noch „bei dem vorschriftswidrigen Verbringen“ (Art. 233 Buchst. d ZK) beschlagnahmt worden sind und damit mit der nachfolgenden Einziehung die Zollschuld erloschen ist, kommt es jedenfalls nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs der Waren in den Wirtschaftskreislauf bzw. ihr „Zur-Ruhe-Kommen“ im Anschluss an die grenzüberschreitende Beförderung an. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem die Waren den Ort, an dem sie hätten ordnungsgemäß gestellt werden müssen, wieder verlassen haben, spätestens aber der Zeitpunkt, zu dem sie ihren (ersten) Bestimmungsort im Zollgebiet erreicht haben. Die Beschlagnahme und Einziehung der Waren nach diesem Zeitpunkt führt nicht mehr zu einem Erlöschen der Zollschuld.


Tatbestand:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) reiste am 27. September 1999 als Fahrer eines Sattelzuges von Polen kommend in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein. Hinter einer Tarnladung aus Sägespänen waren in dem Lastzug 4 000 000 Stück unverzollte und unversteuerte Zigaretten verladen, die er nicht zur Einfuhr anmeldete. Ziel der Fahrt war die Werkstatthalle eines J in R. Dort waren beim Eintreffen des LKW neben J auch der M anwesend. Nachdem mit der Entladung des LKW begonnen worden war, wurden der Kläger, J und M von Beamten des Zollfahndungsdienstes festgenommen, die das Betriebsgelände observiert und das Geschehen in der Halle durch ein Fenster von außen verfolgt hatten. Die Zigaretten wurden beschlagnahmt und im weiteren Verlauf des Strafverfahrens eingezogen.

Mit Steuerbescheid vom 4. Oktober 1999 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt –HZA–) gegen den Kläger gesamtschuldnerisch neben J und M Einfuhrabgaben (Zoll; Tabaksteuer; Einfuhrumsatzsteuer) fest. In der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2000, mit der das HZA den Einspruch des Klägers zurückwies, erläuterte das HZA ergänzend, dass es alle namentlich bekannten Abgabenschuldner wegen ihres gleichgewichtigen und arbeitsteiligen Vorgehens als Gesamtschuldner in Anspruch nehme.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Kläger Schuldner der Einfuhrabgaben sei, weil er die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht habe. Die Abgabenschuld sei nicht nach Art. 233 Buchst. d des Zollkodex (ZK) durch die Beschlagnahme und Einziehung der Zigaretten erloschen, weil das vorschriftswidrige Verbringen im Zeitpunkt des Eingreifens der Zollfahndungsbeamten und der Beschlagnahme der Zigaretten bereits beendet gewesen sei. Aus einer Gesamtschau der Art. 202 Abs. 1 Satz 2, Art. 32 Abs. 1 Buchst. e, Art. 37 bis 41 und Art. 177  2. Anstrich ZK ergebe sich, dass der Vorgang des Verbringens allenfalls das Geschehen bis zu dem Zeitpunkt und Ort einer ordnungsgemäßen Gestellung umfasse. Eine Beschlagnahme, die erst erfolge, nachdem die Ware die „Ausgangsgrenze“ des Amtsplatzes der nach Art. 38 ZK bestimmten Zollstelle passiert habe, führe folglich nicht mehr zum Erlöschen der Zollschuld.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er ist mit Witte (Zollkodex, 3. Aufl., Art. 233 Rz. 18) der Auffassung, dass nicht allein die Beschlagnahme während des eigentlichen Verbringens bis zum Ort einer ordnungsgemäßen Gestellung, sondern auch eine Beschlagnahme während der sich anschließenden Beförderung bis zum ersten Bestimmungsort der Ware ein Erlöschensgrund für die Zollschuld sei. Erster Bestimmungsort sei die Werkstatthalle des J in R gewesen. Weil die Beamten des Zollfahndungsdienstes aufgrund einer vertraulichen Mitteilung Kenntnis von dem Eintreffen der Zigaretten gehabt hätten, der LKW von den Beamten vor der Auffahrt auf das Werkstattgelände entdeckt worden sei und man ihn dennoch habe weiterfahren lassen, müsse er so gestellt werden, als sei der Zugriff vor Erreichen der Umfriedung des Werkstattgeländes und damit vor Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens erfolgt.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).

1.

Für die insgesamt 4 000 000 Stück Zigaretten ist unstreitig eine Zollschuld nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK entstanden. Entsprechendes gilt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die Einfuhrumsatzsteuer und nach § 21 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) für die Tabaksteuer. Die Zigaretten wurden vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, weil sie entgegen Art. 38 Abs. 1 Buchst. a, Art. 40 ZK der Zollbehörde nicht gestellt worden sind. Da die Zigaretten hinter einer Tarnladung versteckt waren, wäre für eine ordnungsgemäße Gestellung im Streitfall eine ausdrückliche Mitteilung an die Zollbehörde erforderlich gewesen (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften –EuGH– vom 4. März 2004 Rs. C-238/02 und C-246/02 –Viluckas/Jonusas–, EuGHE 2004, I-2141 Rn. 24; Senatsurteil vom 20. Juli 2004 VII R 38/01, BFHE 207, 81; auch § 8 Satz 2 der Zollverordnung), die nicht erfolgt ist.

2.

Die Abgabenschulden sind nicht erloschen.

a) Ein Erlöschen der Tabaksteuer durch Beschlagnahme und Einziehung der Zigaretten scheidet schon deshalb aus, weil § 21 TabStG diesen Erlöschensgrund von seinem Verweis auf zollrechtliche Vorschriften ausdrücklich ausnimmt (vgl. Senatsurteil in BFHE 207, 81).

b) Zoll und Einfuhrumsatzsteuer sind nach Art. 233 Buchst. d ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 UStG ebenfalls nicht erloschen.

Nach Art. 233 Buchst. d ZK erlischt eine Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gemäß Art. 202 ZK entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Die Beschlagnahme erfolgt nur dann „bei“ dem vorschriftswidrigen Verbringen, wenn das Verbringen im Zeitpunkt der Beschlagnahme noch angedauert hat. Das vorschriftswidrige Verbringen von Waren i.S. des Art. 233 Buchst. d ZK ist nach Auffassung des Senats bereits dann beendet, wenn die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren den Ort, an dem sie den Zollbehörden nach Art. 40 ZK hätten gestellt werden müssen, wieder verlassen haben, ohne dass eine ordnungsgemäße Gestellung erfolgt ist. Denn mit dem Verlassen des Amtsplatzes haben die Waren das „Innere“ des Zollgebiets der Gemeinschaft erreicht: Sie sind vorschriftswidrig verbracht. Eine Beschlagnahme, die –wie im Streitfall– nach diesem Zeitpunkt erfolgt, kann folglich nicht mehr zu einem Erlöschen der Zollschuld gemäß Art. 233 Buchst. d ZK führen.

aa) Der Begriff des Verbringens ist im Gemeinschaftsrecht nicht ausdrücklich definiert. Gewöhnlich wird das Verbringen als ein vom menschlichen Willen getragener Realakt des körperlichen Gelangens in das EG-Zollgebiet verstanden (Senatsurteil vom 20. Juli 2004 VII R 39/01, nicht veröffentlicht; vgl. auch Witte/Kampf, a.a.O., Art. 37 Rz. 3). So bestimmt z.B. Art. 37 ZK, dass Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, vom „Zeitpunkt des Verbringens“ an der zollamtlichen Überwachung unterliegen. Im Sinne dieser Vorschrift ist also das Verbringen mit dem Überschreiten der Zollgrenze der Gemeinschaft beendet, weil die Waren damit in das Zollgebiet der Gemeinschaft gelangt (also verbracht) sind. Mitunter greift der Begriff des Verbringens nach den Regelungen des ZK aber auch über diesen Zeitpunkt hinaus.

bb) Im Zollwertrecht etwa werden dem Transaktionswert einer eingeführten Ware gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. e  a.E. ZK die Beförderungskosten bis zum „Ort des Verbringens“ zugeschlagen. Als diesen Ort definiert Art. 163 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) für im Eisenbahn-, Binnenschiffs- oder Straßenverkehr beförderte Waren den Ort der ersten Zollstelle nach dem Grenzübertritt in das Zollgebiet der Gemeinschaft (Art. 163 Abs. 1 Buchst. c ZKDVO), für im Seeverkehr beförderte Waren den Entlade- oder Umladehafen bzw. den ersten für eine Entladung in Betracht kommenden Hafen an einer Fluss- oder Kanalmündung oder weiter landeinwärts (Art. 163 Abs. 1 Buchst. a und b ZKDVO) und für auf andere Weise beförderte Waren den Ort, an dem die Landgrenze des Zollgebiets der Gemeinschaft überschritten wird. Damit wird der Ort des Verbringens auf einen bestimmten, vergleichsweise nahe an der Zollgrenze der Gemeinschaft gelegenen Punkt fixiert.

cc) Für das Zollschuldrecht geht in ähnlicher Weise aus dem in Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK enthaltenen Verweis auf die Art. 38 bis 41 ZK hervor, dass das Verbringen nach dem Überschreiten der Zollgrenze der Gemeinschaft noch bis zum Zeitpunkt und Ort einer ordnungsgemäßen Gestellung, im gewerblichen Landstraßenverkehr also bis zum Amtsplatz bzw. bis zum Passieren der „Ausgangsgrenze“ des Amtsplatzes der jeweils nach Art. 38 ZK bestimmten Zollstelle andauern kann (vgl. auch Witte, a.a.O., Art. 202 Rz. 2). Unter Umständen bewirkt nämlich erst die unterlassene Gestellung, dass das Verbringen der Waren vorschriftswidrig wird.

Darüber hinaus sieht der Senat keinen Grund, das vorschriftswidrige Verbringen noch weiter auszudehnen. Entgegen der Auffassung des Klägers und der in Teilen der Literatur, der Rechtsprechung und der Verwaltung vertretenen Meinungen (vgl. z.B. Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18; Lichtenberg in Dorsch, Zollrecht, Art. 233 Rz. 8; Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Art. 233-234 ZK Rz. 33; Österreichischer Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 24. April 2002 2001/16/0410, 0443, Beilage zur Österreichischen Steuerzeitung –ÖStZB– 2003, 145; FG Düsseldorf, Urteil vom 9. Februar 2005  4 K 5532/03 VTa, Z, EU, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern –ZfZ– 2005, 421; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 1996  11 K 81/95, ZfZ 1997, 91; Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung –VSF– Z 09 01 Abs. 69) ist es nach dem Wortlaut der Vorschrift, aus systematischen und teleologischen Erwägungen und nicht zuletzt auch aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit nicht gerechtfertigt, die Frage des Erlöschens der Zollschuld von völlig unbestimmten Begriffen („Eingang in den Wirtschaftskreislauf“, „Zur-Ruhe-Kommen“) oder subjektiven Vorstellungen der Tatbeteiligten („Bestimmungsort“) abhängig zu machen.

Die in Art. 38 bis 40 ZK geregelten Pflichten sollen die in Art. 37 ZK postulierte zollamtliche Überwachung praktisch ermöglichen. Sie haben den Zweck, den Zollbehörden die verbrachten Waren vor Augen zu führen, damit die tatsächliche zollamtliche Überwachung dieser Waren einsetzen kann. Dementsprechend entsteht die Zollschuld nach Art. 202 ZK zugleich mit der Zuwiderhandlung gegen die Pflichten aus Art. 38 bis 41 ZK, weil dadurch die zollamtliche Überwachung beeinträchtigt wird und mithin die Gefahr besteht, dass eine spätere ordnungsgemäße Zollbehandlung vereitelt wird. Wird bis zu diesem Zeitpunkt die Ware beschlagnahmt, lässt sich ein Erlöschen der Zollschuld durch die nachfolgende Einziehung damit begründen, dass die Ware im Rahmen der zollamtlichen Überwachung an der Grenzzollstelle und damit in direkter Nähe zu der Außengrenze des Zollgebiets der Gemeinschaft abgefangen wurde, ohne dass die innergemeinschaftliche Wirtschaft durch den Schmuggelversuch konkret gefährdet gewesen wäre. Auch kann der Verbringer noch nicht nach Belieben mit der Ware verfahren, solange er sich noch unter den Augen des Zolls befindet, sozusagen noch der zollamtlichen Überwachung im engeren Sinn unterliegt.

Anders liegt es, wenn die Ware den Bereich der intensiven zollamtlichen Überwachung bereits verlassen hat. Ab diesem Zeitpunkt hat der Verbringer faktisch die Verfügungsmacht über die Ware. In diesem Fall sind die Interessen der innergemeinschaftlichen Wirtschaft bereits konkret gefährdet, denn dann ist eine zollamtliche Behandlung der Ware nur im Falle eines späteren Aufgriffs, d.h. selten, möglich. Es besteht demnach ein nachvollziehbarer Grund, die Waren zollschuldrechtlich differenzierend zu behandeln, je nach dem, ob sie während des Verbringens oder danach beschlagnahmt worden sind. Der Zweck der differenzierenden Regelungen lässt sich allerdings nur sinnvoll realisieren, wenn der Begriff des Verbringens, wie oben ausgeführt, auf den unmittelbaren Bereich des Grenzübertritts mit anschließender Beförderung zur ersten zuständigen Zollstelle beschränkt wird.

dd) Die gegenteilige Meinung widerspricht dem Wortlaut des Art. 233 Buchst. d ZK. Soweit nach dieser Ansicht das vorschriftswidrige Verbringen solange fortbestehen soll, wie die „Beförderung im Anschluss an das Verbringen“ ins Zollgebiet der Gemeinschaft noch andauert (Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18), ist das schon in sich widersprüchlich, denn wenn sich die weitere Beförderung an das Verbringen anschließt, muss das Verbringen bereits beendet sein. Außerdem würde der Kreis der begünstigten Zollschuldner ohne Veranlassung deutlich erweitert werden. Das verstieße gegen den Zweck der Vorschrift, denn durch den Wegfall der Zollschuld sollen nur die Fälle privilegiert werden, in denen der Schmuggel noch während der eigentlichen Tathandlung, d.h. während der Pflichtverletzung, spätestens am Amtsplatz der Grenzzollstelle aufgedeckt wird.

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Dass der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung das Nichterlöschen der Zollschuld gemäß Art. 233 Buchst. d ZK vornehmlich damit begründet hat, dass die betroffenen Waren ihren (ersten) Bestimmungsort erreicht hätten und deshalb die Beschlagnahme nach dem vorschriftswidrigen Verbringen erfolgt sei (Senatsbeschlüsse vom 5. Februar 1998 VII B 192/97, BFH/NV 1998, 1393; vom 21. Dezember 2001 VII S 13/01, BFH/NV 2002, 692; vom 13. Oktober 2005 VII S 13/04 (PKH), BFH/NV 2006, 628, und VII S 46/05 (PKH), BFH/NV 2006, 631), bedeutet nicht, dass das jeweilige Verbringen bis zu diesem Zeitpunkt und Ort tatsächlich angedauert hat. In diesen Fällen kam es auf die genaue Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem das vorschriftswidrige Verbringen beendet war, nicht an. In seinen Beschlüssen in BFH/NV 2006, 628 und 631 hat der Senat zudem darauf hingewiesen, dass das Erreichen des ersten Bestimmungsorts und der Beginn der Entladung der Waren aus dem für den grenzüberschreitenden Transport verwendeten Transportmittel lediglich der späteste in Betracht kommende Zeitpunkt für eine Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens sei.

3.

Der Senat kann über die Revision des Klägers entscheiden, ohne eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu der Frage einzuholen, wann das vorschriftswidrige Verbringen i.S. des Art. 233 Buchst. d ZK beendet ist.

a) Die genaue Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem das vorschriftswidrige Verbringen beendet war, ist im Streitfall nämlich nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn –entgegen der Senatsauffassung– das vorschriftswidrige Verbringen und die grenzüberschreitende Beförderung der Ware als einheitlicher Lebensvorgang anzusehen sein sollte mit der Folge, dass das Verbringen erst dann als beendet anzusehen wäre, wenn der Transport mit der Ware an seinem ersten Bestimmungsort eingetroffen ist (Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18; VSF Z 09 01 Abs. 69; Österreichischer Verwaltungsgerichtshof in ÖStZB 2003, 145), wäre dieser Zeitpunkt im Streitfall spätestens mit dem Beginn der Entladung des für die grenzüberschreitende Beförderung verwendeten LKW erreicht (Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2006, 628 und 631; a.A. Urteil des FG Düsseldorf in ZfZ 2005, 421). Da die Beschlagnahme im Streitfall erst nach dem Beginn der Entladung des LKW erfolgt ist, wäre die Zollschuld auch nach dieser Auffassung nicht nach Art. 233 Buchst. d ZK erloschen. Der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf es daher nicht.

b) Im Übrigen hat der Senat keinen Zweifel daran, dass es bei der Frage des Erlöschens der Zollschuld nach Art. 233 Buchst. d ZK nicht darauf ankommen kann, ob die vorschriftswidrig verbrachten Waren Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft gefunden haben oder ob sie zur Ruhe gekommen sind (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1998, 1393, wonach ein In-Verkehr-Bringen der Waren nicht erforderlich ist und eine Beschlagnahme der Waren bei der Umladung in das Fahrzeug eines Abnehmers nicht zum Erlöschen der Zollschuld führt, obwohl die Ware ersichtlich nicht zur Ruhe gekommen war; auch Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2006, 628 und 631; a.A. Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18; VSF Z 09 01 Abs. 69; Lichtenberg in Dorsch, a.a.O., Art. 233 Rz. 8). Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht daher insoweit ebenfalls nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 –C.I.L.F.I.T.–, EuGHE 1982, 3415 Rn. 16).

Beide Kriterien sind so unbestimmt, dass sie nicht geeignet sind, einen konkreten Zeitpunkt festzulegen, zu dem das vorschriftswidrige Verbringen beendet sein soll. Es bleibt unklar, wann konkret eine Ware Eingang in den Wirtschaftskreislauf gefunden haben soll oder wann eine Ware zur Ruhe gekommen ist. Überdies wird insbesondere das Kriterium des Zur-Ruhe-Kommens der Ware überwiegend floskelhaft und gewissermaßen als Synonym für die Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens gebraucht, ohne dass deutlich wird, ob ihm tatsächlich eine eigenständige Bedeutung zukommen soll. Erkennbar wird das insbesondere daran, dass das vorschriftswidrige Verbringen beispielsweise auch an einem Weiterverteilungs- oder Übernahmeort soll beendet sein können (vgl. Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18; VSF Z 09 01 Abs. 69), mithin an einem Ort, an dem die Ware typischerweise gerade nicht zur Ruhe kommt.

Art. 233 Buchst. d ZK macht nach seinem klaren Wortlaut das Erlöschen der Zollschuld allein davon abhängig, dass die Waren „bei“ dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Was mit den Waren nach der Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens geschieht, ist für die Frage des Erlöschens der Zollschuld ohne Bedeutung. Daher macht es keinen Unterschied, ob die Waren im Anschluss an das Verbringen zunächst in einem Versteck bleiben, in ein Zwischenlager eingelagert werden und dort zur Ruhe kommen oder ob sie unmittelbar entladen, umgeladen, an Zwischenhändler bzw. Endabnehmer übergeben und von diesen weiter befördert werden. Selbst ein unmittelbarer Weitertransport der verbrachten Waren durch andere Personen und/oder mit einem anderen Beförderungsmittel wäre ein bloßer Binnentransport, dem es an dem erforderlichen engen Bezug zu der ursprünglichen Verbringungshandlung, d.h. der grenzüberschreitenden Beförderung, fehlt.

Auch das Erkenntnis des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs in ÖStZB 2003, 145 ist nicht geeignet, den Senat insoweit zu Zweifeln an seiner Rechtsauffassung zu veranlassen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die von Witte (a.a.O., Art. 233 Rz. 18) geprägte Formel aufgegriffen, dass das vorschriftswidrige Verbringen erst dann beendet sei, wenn die Ware „am ersten Bestimmungsort eingetroffen und mithin zur Ruhe gekommen“ sei. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Zur-Ruhe-Kommen der Ware eine eigenständige (tragende) Bedeutung zugemessen hat. In dem dort entschiedenen Fall hatte nämlich der Transport mit der Ware seinen ersten Bestimmungsort noch nicht erreicht; auf das Zur-Ruhe-Kommen der Ware kam es nicht an.

4.

Der Umstand, dass im Streitfall gegebenenfalls ein früheres Eingreifen der Zollfahndung und damit eine frühere Beschlagnahme der Zigaretten möglich gewesen wäre, führt ebenfalls nicht zu einem Erlöschen der Abgabenschuld. Für ein Anknüpfen an bloße Möglichkeiten und hypothetische Geschehensabläufe im Rahmen des Art. 233 Buchst. d ZK ist kein Raum. Dass das Erlöschen der Einfuhrabgaben auch von dem Ausgang ermittlungstaktischer Überlegungen der Zollbehörden über den Zeitpunkt des Zugriffs abhängt, ist hinzunehmen. Die Zollbehörden sind nicht verpflichtet, ein vorschriftswidriges Verbringen von Waren zum frühest möglichen Zeitpunkt zu beenden und damit die Entstehung von Einfuhrabgaben zu verhindern bzw. die Voraussetzungen für das Erlöschen der Abgaben zu schaffen, wenn ermittlungs- oder einsatztaktische Gründe ein anderes Vorgehen nahe legen (vgl. EuGH-Urteile vom 7. September 1999 Rs. C-61/98 –De Haan–, EuGHE 1999, I 5003 Rz. 32 ff.; vom 14. Dezember 2004 Rs. T-332/02 –Nordspedizionieri–, Rz. 51, ZfZ 2005, 53).

5.

Als Fahrer des Lastzuges ist der Kläger Verbringer der Ware und damit Abgabenschuldner nach Art. 202 Abs. 3  1. Anstrich ZK (vgl. EuGH-Urteil in EuGHE 2004, I-2141 Rn. 23 f.; Urteil des Bundesfinanzhofs in BFHE 207, 81). Gegen die Höhe der festgesetzten Einfuhrabgaben hat der Kläger keine Einwände erhoben.

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