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Sichtschutzzaun – Anspruch auf Beseitigung oder Änderung

AG Bergisch Gladbach – Az.: 63 C 146/17 – Urteil vom 14.05.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen von den Beklagten errichteten Sichtschutzzaun.

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten befindet sich ein Trafohäuschen, welches schräg zur Grundstücksgrenze steht. Der Abstand von der Spitze des Trafohäuschens bis zur Grundstücksgrenze beträgt 3 m. Die Garage der Beklagten ist 3 m breit. Sie befindet sich unterhalb des Trafohäuschens. Mit Datum vom 29.06.2015 wurde über die streitgegenständlichen Grundstücke mitsamt Grundstücksgrenze ein Lageplan zum Bauantrag von einem Vermessungsingenieur erstellt. Hinsichtlich des Inhalts wird auf Bl. 94 d. A. Bezug genommen. Beim Katasteramt ist ein Katasternachweis, gemessen am 10.02.2014 und 29.06.2015 hinterlegt. Hinsichtlich des Inhalts wird auf Bl. 93 d. A. Bezug genommen. Ende des Jahres 2015 errichteten die Beklagten im vorderen Bereich ihres Grundstückes im Bereich der Grenze zum Grundstück der Klägerin neben ihrer Garagenauffahrt mit Verlauf zur Straße hin einen ca. 1,8 m hohen Stabgitterzaun, den sie anschließend durch Anbringung von Kunststoffstreifen blickdicht gestalteten. Der Stabgitterzaun verläuft bis an den Rand des öffentlichen Gehwegs. Für die Gestaltung des Zauns und dessen Standort wird auf die Fotos, Anlage zur Klageschrift, Bl. 4 f. d. A., Bezug genommen.

Sichtschutzzaun – Anspruch auf Beseitigung oder Änderung
(Symbolfoto: Petair/Shutterstock.com)

Die Klägerin behauptet, dass der Zaun auf der Grundstücksgrenze stehe und die Fundamente des Zauns auf ihr Grundstück ragen würden. Sie behauptet, dass sie und ihr Ehemann bei der Ausfahrt von ihrem Grundstück keine Sicht auf den Straßenverkehr bzw. vorbeigehende Fußgänger hätten bzw. die Sicht erheblich eingeschränkt sei. Zudem ist sie der Auffassung, dass der Sichtschutzzaun in Form eines Stabgitterzauns nicht ortsüblich im Sinne von § 35 Abs. 1 NachbG NRW sei, da lediglich eine ca. 1,2 m hohe Einfriedung zulässig sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, den von ihnen im Bereich der Garagenauffahrt des Hauses XXX, errichteten Sichtschutzzaun nach ihrer Wahl entweder auf 1,2 m Höhe zu reduzieren oder aber eine „Durchsichtbarkeit“ wieder herzustellen oder den Sichtschutzzaun vollständig zu entfernen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass der Zaun vollständig auf ihrem Grundstück stehe. Zudem behaupten sie, dass die nähere und weitergehende Nachbarschaft durch verschiedene Einfriedungen, die überwiegend blickdicht seien und eine Höhe von 1,8 m aufwiesen, geprägt sei. Sie legen hierzu Fotos als Anlage CBH 1, Bl. 36 ff. d. A. vor, auf die Bezug genommen wird. Sie sind der Ansicht, dass ihr Zaun sich innerhalb der ortsüblichen Einfriedungen halte. Sie behaupten, dass der Zaun für die Klägerin kein unzumutbares Hindernis bei der Ausfahrt von ihrem Grundstück darstelle.

Die Parteien führten erfolglos ein Schlichtungsverfahren vor dem Kölner Anwaltverein e.V. durch.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 21.12.2017 (Bl. 77 ff. d. A.) und auf das Terminsprotokoll vom 14.05.2018 (Bl. 95 ff. d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Terminsprotokoll vom 16.08.2017 und auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Umgestaltung des Zauns oder dessen Entfernung.

Ein Anspruch entsprechend des Klageantrags gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus, denn es fehlt bereits an einer Störung des Eigentums, weil der streitgegenständliche Zaun vollständig auf dem Grundstück der Beklagten steht und eine anderweitige Beeinträchtigung des Eigentums nicht dargelegt ist.

Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der streitgegenständliche Zaun vollständig auf dem Grundstück der Beklagten steht. Der Sachverständige hat bereits im Rahmen seiner schriftlichen Ausführungen nachvollziehbar erläutert, dass sich der streitgegenständliche Zaun mit Abstand zur Grundstücksgrenze befindet und wie er zu diesem Ergebnis gelangt ist. Diese Ausführungen hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung bestätigt und mögliche Zweifel an dem Ergebnis des Gutachtens ausgeräumt. Denn der Sachverständige hat überzeugend erläutert, wie er die Grundstücksgrenze nachgebildet hat. Dabei war es nach seinen nachvollziehbaren Ausführungen unschädlich, dass er nicht alle Abmarkungen vor Ort wiederfinden konnte. Denn auch ohne das Vorfinden solcher Abmarkungen ist es nach Auskunft des Sachverständigen möglich und üblich, eine Grundstücksgrenze unter Berücksichtigung der im Katasternachweis eingezeichneten Grenzmarkierungen zu bestimmen. Dem steht der Einwand der Klägerseite, dass zwischen dem Trafohäuschen und der Grundstücksgrenze laut dem vorgelegten Lageplan zum Bauantrag bereits 3 m Abstand bestehe und es dann nicht denkbar sei, dass zwischen dem Zaun und der Grundstücksgrenze noch ein Abstand wie der Sachverständige auf seiner Skizze zum Gutachten (Bl. 78 d. A.) eingezeichnet habe, bestehe, nicht entgegen. Denn der hat Sachverständige diesen Umstand damit erklärt, dass das Trafohäuschen schräg zur Grundstücksgrenze stehe und damit der in dem Plan eingezeichnete Abstand von 3 m lediglich an der Spitze bestehe und größer werde, je schräger sich das Trafohäuschen zu der Grundstücksgrenze befinde. Diese Erläuterung ist logisch und nachvollziehbar. Zudem betragen die Abstände des Zauns zur Grundstücksgrenze ausweislich der dem Gutachten beigefügten Skizze des Sachverständigen (Bl. 78 d. A.) lediglich höchstens 18,5 cm. Ein solcher Abstand lässt sich mit der dargelegten Schräglage des Trafohäuschens erklären.

Eine anderweitige unzumutbare Einschränkung des Eigentums ist von der Klägerseite nicht ausreichend dargelegt. Die Tatsache, dass die Klägerin bei der Ausfahrt von ihrem Grundstück keine ausreichende Sicht auf den Straßenverkehr habe oder diese Sicht jedenfalls stark eingeschränkt sei, stellt keine Beeinträchtigung ihres Eigentums dar. Dies könnte allenfalls im Rahmen eines Anspruchs aus nachbarschaftlichem Gemeinschaftsrecht Berücksichtigung finden.

Ein Anspruch der Klägerin auf Umgestaltung oder Entfernung des Zauns ergibt sich auch nicht aus §§ 1004, 921, 922, 985 BGB wegen einer auch auf dem Grundstück der Klägerin errichteten Grenzeinrichtung, welche dieser nach § 912 BGB nicht zu dulden hätte. Denn es handelt sich nicht um eine Grenzeinrichtung nach § 921 BGB, weil der Zaun entsprechend der obigen Ausführungen mit Abstand zur Grundstücksgrenze auf dem Grundstück der Beklagten steht.

Mangels Vorliegen eines Grenzzauns kommt ebenso wenig ein Anspruch auf Umgestaltung oder Entfernung nach § 923 Abs. 2 BGB in Betracht.

Ebenso wenig besteht ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Umgestaltung oder Entfernung des Zauns gemäß §§ 1004 BGB iVm §§ 35, 50 NachbG NRW, denn es fehlt bereits nach dem Verlangen der Einfriedung nach § 32 NachbG NRW. Grundsätzlich sieht § 35 NachbG NRW vor, dass eine Einfriedung des Grundstückes ortsüblich sein muss. Diese Vorschrift greift allerdings nur ein, wenn einer der Nachbarn vom anderen die Einfriedung nach § 32 NachbG NRW verlangt (BGH, Urt. v. 11.10.1996, V ZR 3/96, NJW-RR 1997, 16). Ohne Verlangen besteht die Beschränkung auf ortsübliche Einfriedungen nicht und es verbleibt bei dem aus dem Eigentumsrecht nach § 903 BGB abgeleiteten Recht sein Grundstück nach seinem freien Ermessen einzufrieden (vgl. AG Köln, Urt. v. 29.02.2016, 142 C 360/17, juris, Rn. 25).

Die Klägerseite hat nicht dargelegt, dass sie eine Einfriedung gemäß § 32 NachbG NRW von den Beklagten in schriftlicher Form verlangt hätte. Unabhängig davon bestehen ernstliche Zweifel daran, dass der streitgegenständliche Zaun, insbesondere auf Grund seiner Höhe, nicht ortsüblich sei.

Ortsüblichkeit liegt vor, wenn sie in einem zuvor definierten Vergleichsgebiet häufiger vorkommt. Das bedeutet, dass auch Einfriedungen unterschiedlicher Beschaffenheit ortsüblich sein können (vgl. AG Köln, Urt. v. 29.02.2016, 142 C 360/17, juris, Rn. 25).

Die Beklagtenseite hat mit Schriftsatz vom 07.06.2017 unter Vorlage von Fotos substantiiert vorgetragen, dass in der näheren Umgebung verschieden Einfriedungen von bis zu 1,80 m mitsamt blickdichter Ausgestaltung vorhanden seien. Dies hat die Klägerseite nicht ausreichend bestritten. Der Einwand, dass es sich bei den von der Beklagtenseite vorgetragenen Vergleichsobjekten nicht um einen Stabgitterzaun handeln würde, geht fehl, denn entsprechend der obigen Rechtsausführungen spricht eine unterschiedliche Beschaffenheit nicht gegen die Ortsüblichkeit.

Der Klägerin steht ebenso wenig ein Anspruch auf Umgestaltung oder Entfernung des Zauns nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm einem Schutzgesetz zu, denn es ist kein Verstoß gegen ein Schutzgesetz ersichtlich.

Ein Anspruch der Klägerin auf Entfernung des streitgegenständlichen Zauns oder jedenfalls auf eine durchsichtige Gestaltung des Zauns kann auch nicht aus den Grundsätzen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsrechts gemäß § 242 BGB folgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt für die Nachbarn aus § 242 BGB eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfasst. Eine solche Pflicht ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte aber ganz oder teilweise unzulässig werden (vgl. BGH, Urt. v. 31. 01. 2003 – V ZR 143/02, NJW 2003, 1392; BGH, Urt. v. 11. 7. 2003, V ZR 199/02; NJW-RR 2003, 1313).

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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die Klägerin legt keine übermäßige Beeinträchtigung in der Form nicht dar. Dass die Klägerin sich langsam vortasten muss, um ohne Gefahr aus ihrer Ausfahrt zu fahren, ist für sie nicht unzumutbar. Es verbleibt die Möglichkeit, einen entsprechenden Spiegel aufzubringen oder sich von jemanden herauswinken zu lassen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis zu 1.000,00 EUR EUR festgesetzt.

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