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Standardsoftwarebestellung und Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäft

Landgericht Memmingen

Az: 1H O 2319/03

Urteil vom 10.12.2003


In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Memmingen – 1. Kammer für Handelssachen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2003 für Recht erkannt:

I. Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, im

geschäftlichen Verkehr mit Endverbrauchern bei Fernabsatzverträgen in der Rechnung ein Widerrufsrecht auszuschließen, sofern dieser Ausschluß nicht nach § 312 a Abs. 4 BGB zulässig ist.

II. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der

Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR (i.W. zweihundertfünfzigtausend Euro), ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft von 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer, angedroht.

III. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Verfahren der einstweiligen Verfügung um Unterlassungsansprüche des Klägers im Hinblick auf einen angeblich wettbewerbswidrigen Ausschluß des Rückgaberechtes standardmäßiger Software bei Fernabsatzverträgen durch die Beklagte.

Der Kläger bestellte bei der Beklagten am 07.10.2003 telefonisch zur Lieferung im Fernabsatz zu seinem privaten Gebrauch ein Stück „XXX Win deutsch“ und erhielt diese Ware unter dem 13.10.2003 durch die Beklagte ausgeliefert und berechnet. Obwohl es sich bei dieser Ware um handeslübliche, nicht für besondere Belange des Klägers spezifizierte Software handelte, enthielt die Rechnung, ohne daß dies zuvor von den Parteien vereinbart gewesen wäre, folgende Passage: „Dieser Artikel wird speziell für Sie bestellt und kann nicht storniert oder zurückgegeben werden.“

Für die weitere Gestaltung der Rechnung wird auf die Anlage A 2 Bezug genommen.

Auf eine zunächst außergerichtliche Aufforderung des Klägers, für deren Inhalt auf die Anlage A 3 Bezug genommen wird, gab die Beklagte die geforderte Unterlassungserklärung schließlich nicht ab (vgl. Anlagen A 4 und A 5).

Der Kläger, der behauptet, er handle ebenso – dies ist unbestritten – wie die Beklagte mit Hard- und Software insbesondere auch im Bereich des Fernabsatzes, vertritt die Auffassung, die Beklagte schließe durch die beanstandete Rechnungsklausel zu unrecht für Private auch bei standardisierter Software ein Rückgaberecht bei Fernabsatzgeschäften aus und verschaffe sich so ihm gegenüber wettbewerbswidrige Vorteile.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, im geschäftlichem Verkehr mit Endverbrauchern bei Fernabsatzverträgen in der Rechnung ein Widerrufsrecht auszuschließen, sofern dieser Ausschluß nicht nach § 312 a Abs. 4 BGB zulässig ist.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung. Die Beklagte trägt vor, es fehle an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. Denn der Kläger vertreibe keinerlei Software über das Internet und handle allenfalls mit wenigen Artikeln privat bei dem Internet-Forum „Ebay„. Beruflich betätige er sich als kaufmännischer Angestellter und Schüler eines Abendgymnasiums; im Internet trete er als „misteriöser Affenmensch“ und Polygamist in Erscheinung. Insoweit wird für die näheren Einzelheiten dieses Vorbringens auf die Anlagen B 1 und B 2 Bezug genommen.

Der Kläger erwidert hierauf, er betreibe ernsthaft und in wirtschaftlich bedeutendem Umfang einen Internet-Versandhandel mit Hard- und Software. Die von der Beklagten dargestellten Internetseiten hätten mit ihm nichts zu tun.

Insofern verweise er auch auf die von ihm im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Buchhaltungsunterlagen, die in Augenschein genommen wurden (vgl. Bl. 16 d.A.) und stelle die von ihm tatsächlich betriebene Internetseite in Ablichtung dar. Insoweit wird auf die Unterlage A 8 Bezug genommen.

Im übrigen wird für das Vorbringen der Parteien Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Ausführungen im mündlichen Verhandlungstermin vom 10. Dezember 2003.

Entscheidungsgründe :

A)

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung erweist sich als in vollem Umfang begründet, da sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund gegeben sind:

I.

Der Verfügungskläger hat zunächst für die Kammer glaubhaft gemacht, daß ihm nach §§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 1 UWG für das geltend gemachte Unterlassungsbegehren ein Verfügungsanspruch zusteht:

1.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist für die Kammer glaubhaft gemacht worden, daß der Verfügungskläger in eine gewerbliche Tätigkeit tragenden Umfang in Deutschland Hard- und Software vertreibt und somit als Gewerbetreibender gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG anzusehen ist. Denn der Verfügungskläger hat sowohl substantiiert in Abrede gestellt, daß die von der

Verfügungsbeklagten dargestellten Internetseiten von ihm stammten als ihm auch die Darstellung und Glaubhaftmachung dahingehend gelungen ist, daß er als Gewerbetreibender im Bereich des Handels mit Hard- und Software tätig ist. Die entsprechende Glaubhaftmachung ist nach Auffassung der Kammer insbesondere durch die Darstellung seines Internetportals und die von ihm vorgelegten Buchhaltungsunterlagen erfolgt.

2.

Da der Verfügungskläger als Gewerbetreibender in dem entsprechenden Bereich anzusehen ist, besteht zwischen ihm und der Verfügungsbeklagten, die unstreitig Hard- und Software ebenfalls gewerblich vertreibt, ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis auf gleicher Stufe.

3 .

Das Verhalten der Verfügungsbeklagten, bei Lieferung an Private im Fernabsatz wie anlässlich des in der Rechnung Anlage A 2 getätigten Geschäfts geschehen auch bei standardisierter Ware ein Rückgaberecht auszuschließen, verstößt gegen eine gesetzliche Bestimmung, nämlich gegen § 312 d Abs. 1 BGB. Denn diese gemäß § 312 f Satz 1 BGB gegenüber Endverbrauchern unabdingbare Regelung greift gerade auch beim Vertrieb standardisierter Software im Fernabsatz sein, da insoweit die Ausnahmevorschrift des § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB gerade nicht eingreift-

4.

Diese von der Verfügungsbeklagten verletzte Bestimmung ist auch eine im Sinne des § 1 UWG wertbezogene Vorschrift (vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 1 UWG Rdnrn. 613 ff.). Denn wertbezogen sind u.a. auch Vorschriften des Wettbewerbsrechtes, die den Wettbewerb gerade im Sinne der Durchsetzung eines wichtigen sittlich-rechtlichen Anliegens und Empfindens der Allgemeinheit sichern sollen.

Es bedarf nach Auffassung der Kammer, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die vom Deutschen Bundestag selbst gegebene Begründung der entsprechenden Gesetzgebung, keiner weiteren Ausführungen mehr dahingehend, daß der Schutz von Verbrauchern vor übereilten Entscheidungen im Fernabsatz, der gerade durch ein Widerrufs- oder Rückgaberecht gesichert werden soll, Ausdruck eines solch wichtigen sittlich-rechtlichen Empfindens ist.

Damit aber verstößt, wer sich durch die Mißachtung dieses Widerrufs- bzw. Rückgaberechtes Vorteile im Wettbewerb verschafft, gegen eine wertbezogene Norm und verletzt so mit der Folge eines Unterlassungsanspruches für seinen jeweiligen Wettbewerber die Bestimmung des § 1 UWG.

II.

Ein Verfügungsgrund liegt ebenfalls vor:

Im Wettbewerbsrecht wird nach § 25 UWG ein Verfügungsgrund regelmäßig vermutet (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 UWG Rdnr. 9) , wenn und soweit ein Verletzter innerhalb einer angemessenen Zeitspanne seit Kenntnis von einem Wettbewerbsverstoß einen Verfügungsantrag stellt.

Auch die in dieser Hinsicht nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Mühchen, der sich die Kammer ständig anschließt, zu wahrende Frist von einem Monat ist seitens des Verfügungsklägers beachtet worden:

Der Verfügungskläger hat durch die Vorlage der Rechnung der Verfügungsbeklagten vom 13.10.2003 (Anlage A 2) gleichzeitig dargestellt, daß der frühestens ab 14.10.2 003 von einem entsprechenden Wettbewerbsverstoß Kenntnis erlangt hat.

Nachdem sein Versuch einer außergerichtlichen Abmahnung erfolglos war, hat er unter dem Datum vom 13. November 2003, am 14. November 2003 bei Gericht eingegangen (vgl. Bl. 1 d.A.) den Verfügungsantrag gestellt, so daß die Monatsfrist gewahrt ist.

B)

Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.

C)

Der Streitwert wurde auf 10.000,00 EUR festgesetzt. Dies erscheint angesichts des Umstandes, daß die gewerbliche Tätigkeit des Klägers nach dessen eigenen Angaben noch einen verhältnismäßig geringen Umfang hat und angesichts der Tatsache, daß die angegriffene Wettbewerbshandlung nur für einen Teil der Verkaufsmöglichkeiten zu einer Beeinträchtigung der Belange des Klägers geeignet ist, angemessen.

 

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