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Steinschlag durch vorausfahrendes Fahrzeug – Schadensersatzansprüche

Landgericht Bonn

Az.: 6 S 117/04

Urteil vom 29.07.2004

Vorinstanz: Amtsgericht Bonn, Az.: 12 C 116/03


Leitsätze:

Steht fest, dass durch einen vorausfahrenden LKW Kieselsteine gegen ein nachfolgendes Fahrzeug geschleudert werden, steht aber nicht fest, ob diese etwa von der Ladefläche stammen oder von der Fahrbahn durch die Räder hochgeschleudert worden sind, trifft den Vorausfahrenden die Beweislast dafür, dass es sich um ein unabwendbares Ereignis gehandelt habe, haftet also der Vorausfahrende, der den Beweis nicht führen kann, voll.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.04.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn -12 C 116/03 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.301,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2003 zu zahlen. Der Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.301,93 EUR für die Zeit vom 14.03.2003 bis zum 13.06.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall vom 28.01.2003. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die auf Zahlung von 1.301,93 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Kläger habe nicht bewiesen, dass die Kieselsteinchen von dem vor ihm fahrenden LKW herunter geflogen seien und dass sich die Steinchen nicht schon vorher auf der Straße befunden hätten und lediglich hoch geschleudert worden seien. Bei dieser Sachlage müsse davon ausgegangen werden, dass der Unfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht habe.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 05.05.2004 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 02.06.2004 eingelegte und am 02.07.2004 begründete Berufung mit dem Antrag, die Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Tenor ersichtlich zu verurteilen. Der Kläger meint, das Amtsgericht habe die erhobenen Beweise unzutreffend gewürdigt. Auf Grund der Aussage der Zeugin T sei bewiesen, dass die Steinchen von dem LKW herunter geflogen seien. Dafür spreche im Übrigen auch ein Beweis des ersten Anscheins, da der LKW zuvor unstreitig Füllkies transportiert habe.

Dem treten die Beklagten unter Verteidigung des angefochtenen Urteils entgegen. Sie meinen, auf Grund der unpräzisen Angaben der Zeugin T könne es nicht als erwiesen angesehen werden, dass es sich bei den fraglichen Steinchen um Ladung des LKW gehandelt habe. Im Übrigen habe der Beklagte zu 2) vor dem Amtsgericht persönlich erklärt, dass sich kein Kies mehr auf dem LKW befunden habe, da er den LKW nach der letzten Fahrt gesäubert habe. Diese Erklärung habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt bestritten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Ladefläche des LKW mit einer Plane abgedeckt gewesen sei.

II.

Die zulässige – insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 517, 519 f. ZPO) – Berufung ist begründet, da das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat übersehen, dass die Beklagten für das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG beweisbelastet sind. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist die Klage begründet, da dem Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus den §§ 7 Abs. 1,18 Abs. 1 Satz 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG ein Anspruch auf Zahlung von 1.301,93 EUR zusteht.

Beim Betrieb des vom Beklagten zu 2) geführten und beim Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten LKW-Gespanns ist das Kraftfahrzeug des Klägers beschädigt worden. Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig, dass der Beklagte zu 2) am 28.01.2003 gegen 14:20 Uhr mit dem beim Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten LKW-Gespann die Autobahn vom Autobahndreieck C kommend in Richtung Süden befuhr. Die Beklagten haben auch nicht bestritten, dass der Kläger zum genannten Zeitpunkt mit seinem Fahrzeug unmittelbar hinter dem Beklagten zu 2) fuhr. Auf Grund der Aussage der Zeugin T steht darüber hinaus fest, dass das Fahrzeug des Klägers, während es hinter dem LKW-Gespann fuhr, im vorderen Bereich von mehreren Steinchen getroffen worden ist. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Bekundungen der Zeugin werden von den Beklagten nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Zeugin hat darüber hinaus bekundet, die Steinchen seien „vom LKW runtergeflogen“. Ob ihrer Aussage trotz der von ihr selbst eingeräumten beschränkten Wahrnehmungsmöglichkeiten auch insoweit zu folgen ist, kann offen bleiben. Denn auch wenn die Steinchen nicht von der Ladefläche des LKW-Anhängers herunter gefallen sondern – wie die Beklagten vermuten – durch den LKW von der Fahrbahn aufgewirbelt worden sind, ist die Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers auf den Betrieb des LKW-Gespanns zurückzuführen. Denn auch im Aufwirbeln von auf der Fahrbahn liegenden Gegenständen verwirklicht sich die Betriebsgefahr des überfahrenden Fahrzeugs.

Dafür, dass die von der Zeugin bekundeten Steinschläge auf eine andere Ursache zurückzuführen sind, die mit dem Betrieb des LKW-Gespanns nicht in Zusammenhang steht, ist hingegen nichts ersichtlich.

Die Ersatzpflicht der Beklagten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Schaden nicht durch ein Verschulden des Beklagten zu 2) verursacht worden ist (§ 18 Abs. 1 Satz 2 StVG). Der Beklagte zu 2) war im Interesse der Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer gehalten, vor Fahrtantritt dafür Sorge zu tragen, dass sich auf dem Anhänger des LKW entweder keine Kieselsteinchen mehr befanden oder dass vorhandene Kieselsteinchen zuverlässig gegen ein Herabfallen gesichert waren (§ 22 Abs. 1 StVO). Dass er dies getan hat und dass die Steinchen, die das Fahrzeug des Klägers getroffen haben, demzufolge nicht vom Anhänger herabgefallen sein können, haben die insoweit beweisbelasteten Beklagten nicht bewiesen.

Zwar hat der Beklagte zu 2) vor dem Amtsgericht persönlich erklärt, er habe vor Fahrtantritt sämtlichen Füllkies von der Ladefläche des Anhängers entfernt und er könne sich auch nicht vorstellen, dass in den Reifen noch Steine dringesteckt haben. Gleichwohl erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass sich an oder auf anderen Teilen des Anhängers noch Kieselsteinchen befunden haben und dass solche Steinchen trotz der Plane, auf die die Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz hinweisen, vom LKW-Anhänger herabfallen konnten. Im Übrigen ist der Sachvortrag der Beklagten hinsichtlich der Reinigung des LKW-Anhängers von Kieselsteinchen auch nicht in tauglicher Weise unter Beweis gestellt, nachdem der Kläger die Klage auch gegen den zunächst als Zeugen benannten Beklagten zu 2) gerichtet hat. Der Kläger hat den Vortrag spätestens in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 29.05.2003 – dort Seite 2 – wirksam bestritten.

Dass die Steinchen nicht vom Anhänger herabgefallen sind, wäre allerdings auch dann bewiesen, wenn feststünde, dass das Fahrzeug des Klägers von Steinchen getroffen worden ist, die der LKW von der Fahrbahn aufgewirbelt hatte. Eine solche Feststellung kann jedoch ebenfalls nicht getroffen werden. Allein aus dem Umstand, dass Zweifel an den Wahrnehmungsmöglichkeiten der Zeugin T bestehen, folgt nicht, dass ihre Bekundungen unzutreffend sein müssen. Aus diesem Grund kann die von den Beklagten beantragte Einholung eines augenärztlichen Sachverständigengutachtens unterbleiben.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Haftung der Beklagten nicht nach § 7 Abs. 2 oder nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen ist. Auch für das Vorliegen dieser ihnen günstigen Ausschlusstatbestände haben die Beklagten den ihnen obliegenden Beweis nicht geführt.

Eine Aufteilung des dem Kläger entstandenen Schadens gemäß § 17 Abs. 1 StVG ist nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, da nicht ersichtlich ist, wie der Kläger den Steinschlag hätte verhindern können.

Die Höhe des Schadens steht zwischen den Parteien außer Streit. Die Beklagten müssen dem Kläger die für die Fahrzeugreparatur erforderlichen Kosten in Höhe von 1.276,93 EUR netto und eine Auslagenpauschale in Höhe von 25,- EUR ersetzen.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 708 Nr. 10 ZPO; von Anordnungen nach § 711 ZPO wird nach § 713 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 543 Abs. 1, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Streitwert für beide Instanzen: 1.301,93 EUR

 

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