LG Osnabrück – Az.: 4 S 106/19 – Beschluss vom 26.04.2019
Gründe
I.
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch nicht anfechtbaren einstimmigen Beschluss nach §§ 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweisbeschluss binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
Der Beklagte wird ferner um Klarstellung seines Vornamens gebeten.
II.
Der Beklagte wendet sich gegen seine erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung einer Stromkostenrechnung der Klägerin betreffend den Zeitraum 2017 und 01.01.2018 bis 14.03.2018. Das Amtsgericht hat das entsprechende Versäumnisurteil aufrechterhalten mit der Begründung, Einwendungen gegen die streitgegenständliche Stromkostenrechnung könne der Beklagte nach §§ 17 Abs. 1 S. 2 StromGVV nicht erheben. Zwar überstiegen die Stromkosten für das Jahr 2017 die des Jahres 2016 um das 6,67fache. Die übrigen Voraussetzungen des §§ 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV lägen aber nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der geltend macht, er sei nicht verpflichtet, zur Richtigkeit der Rechnung aus dem Jahr 2016 vorzutragen. Entscheidend sei einzig die Steigerung um das 6,67fache im Jahre 2017 und seine Forderung nach Überprüfung des am 22.5.2017 ausgebauten Messgeräts.
Mit den gegen das amtsgerichtliche Urteil erhobenen Einwendungen dringt der Beklagte nicht durch. Insbesondere sind ihm Einwände gegen die streitgegenständliche Rechnung vom 16.4.2018 gemäß §§ 17 Abs. 1 S. 2 StromGVV verwehrt. Danach berechtigen Einwände gegen Rechnungen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder sofern der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
Entscheidend ist, dass der Beklagte den der zunächst für den Vorjahreszeitraum 1.1.2016 bis 31.12.2016 ergangenen Rechnung der Klägerin zugrunde gelegten Verbrauch durch Eigenablesung mitgeteilt hat. Der Stromzähler soll nach seinen am 31.12.2016 gemachten Angaben einen Stand von 123.954 kWh aufgewiesen haben. Beim Zählerwechsel am 22.5.2017 wurde übereinstimmend ein Zählerstand von 135.103 kWh festgestellt.
Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers im Sinne des §§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV besteht dann nicht, wenn der Stromkunde die Angaben zum Verbrauch selbst gemacht hat und eine entsprechende Überprüfung des Versorgers vor Rechnungslegung nicht stattgefunden hat. Dementsprechend hat auch das Amtsgericht richtigerweise ausgeführt, dass der Beklagte den Nachweis dafür zu erbringen gehabt hätte, dass die Rechnung des Vorjahreszeitraums den tatsächlichen Stromverbrauch für 2016 richtig wiedergibt. Solange insoweit die Möglichkeit im Raum steht, dass vom Beklagten falsche Angaben gemacht wurden, kann die Rechnung des Vorjahreszeitraums kein Vergleichsmaßstab im Sinne des §§ 17 Abs. 1 S. 2 StromGVV sein. Dies widerspräche der hinter der gesetzlichen Regelung stehenden Wertung, dass die Richtigkeit eines unstreitigen Zählerstandes, der Grundlage für Rechnungen des Versorgers ist, von diesem nicht nachgewiesen werden muss, sondern stattdessen dem Kunden die Beweislast für die Unrichtigkeit der gemessenen Verbrauchsmenge obliegt. Diese Beweislastumkehr soll nur dann nicht gelten, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen Fehler der abgerechneten Verbrauchsmenge vorliegen. Wollte man hierfür ausreichen lassen, dass eine Rechnung aufgrund vom Kunden selbst mitgeteilten Verbrauchs im Widerspruch zu einem erheblich höheren Verbrauch eines Folgejahres steht, würde die gesetzliche Wertung unterlaufen. Der Kunde hätte es dann in der Hand, die Voraussetzungen für die Beweislastumkehr selbst zu schaffen. Dies ist jedenfalls dann, wenn der vom Kunden mitgeteilte Zählerstand vom Versorger nachträglich bestritten wird, mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.
Dementsprechend ist der in der Jahresrechnung 2017 angegebene Verbrauch auch nicht „ohne ersichtlichen Grund“ 6,67fach höher als der des Jahres 2016. Der Grund ist vielmehr darin zu sehen, dass der Zählerstand vom Beklagten am 31.12.2016 unrichtig mitgeteilt wurde. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Unrichtigkeit im Prozess festgestellt bzw. von dem Versorger nachgewiesen wird. Entscheidend ist, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der vom Kunden mitgeteilten Verbrauchsstände besteht. Dafür spricht bereits die erhebliche Abweichung des Zählerstandes vom 22.5.2017, der von den Parteien bei Ausbau des Altzählers übereinstimmend festgestellt wurde, gegenüber dem mitgeteilten Zählerstand per 31.12.2016.
Die zur Entscheidung stehende Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Urteilsentscheidung ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsbrechung geboten. Ein rechtlich relevanter neuer Tatsachenvortrag im Sinne des §§ 531 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil beruht aus den genannten Gründen nicht auf einer falschen Rechtsanwendung. Eine mündliche Verhandlung im Sinne von §§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO ist nicht geboten.