LANDGERICHT BOCHUM
Az.: 6 0 245/99
Verkündet am 11.10.1999
Die X Zivilkammer des Landgerichts Bochum hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.10.1999 für Recht erkannt,
Die Klage wird abgewiesen.
und
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche für Telefongespräche.
Der Kläger ist Inhaber der Telefonnummer und Kunde bei der Beklagten. Die Beklagte betreibt bundesweit das Telefonnetz.
In dem Zeitraum vom 12.02.1999 bis 12.03.1999 führte der Kläger Telefongespräche über das Netz der Beklagten. Hierüber erhielt er mit Datum 22.03.1999 eine Rechnung. Der Rechnungsbetrag beläuft sich 6.637,04 DM. In der Rechnung sind 180 Verbindungen zum Tele-Info-Service 0190 ausgewiesen. Hierfür weist die Rechnung einen Betrag in Höhe von 5.621,37 DM nebst Mehrwertsteuer aus. Die Zahlung des Gesamtrechnungsbetrages erfolgte durch Abbuchung vom Konto des Klägers.
Ebenfalls in dem Zeitraum vom 13.03.1999 bis zum 13.04.1999 führte der Kläger Telefongespräche über das Netz der Beklagten. Mit Datum vom 26.04.1999 hat die Beklagte für diesen Zeitraum eine Rechnung. ausgestellt. Der Rechnungsbetrag beläuft sich auf 6.325,46 DM. In der Rechung sind enthalten 175 Verbindungen zum Tele-Info-Service 0190 zu einem Betrag in Höhe von 5.312,21 DM zzgl. Mehrwertsteuer. Die Zahlung des Gesamtbetrages der Rechung erfolgte per Abbuchung von dem Konto des Klägers.
Ab dem 19.03.1999 wurde auf Wunsch des Klägers eine Sperre eingebaut, so daß eine Verbindung zum Service 0190 nicht mehr möglich ist.
Der Kläger begehrt Rückzahlung der in den Rechnungen enthaltenen Gesprächsentgelte für die Verbindungen zum Service 0190 und zwar in der Rechnung vom 22.03.1999 in Höhe von 6.512,37 DM und in der Rechnung vom 26.04.1999 in Höhe von 6.162,16 DM, insgesamt 12.683,53 DM.
Der Kläger ist der Ansicht, der Anspruch ergebe sich aus § 812 BGB. Sowohl der Vertrag zwischen der Beklagten und dem Service-Anbieter und auch der Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten seien sittenwidrig. Die Vermittlung der Beklagten sei nicht als bloßes Hilfsgeschäft anzusehen, sondern der gesamte Geschäftsvorgang stelle ein einheitliches Rechtsgeschäft dar.
Der Kläger behauptet, die in Rechnung gestellten Gebühren für die Service 0190-Nummern sei ausschließlich für Anrufe bei Telefonsexanbietern erfolgt.
Der Kläger beantragt, die Beklagte, zu verurteilen, an ihn 12.683,53 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.06.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, sie sei nicht als Leistungsempfängerin anzusehen. Vielmehr bestehe ein Rechtsverhältnis nur zwischen dem Anrufer und dem jeweiligen Leistungsanbieter. Im übrigen seien die Leistungen der Anbieter nicht als sittenwidrig anzusehen. Dies folge bereits daraus, daß die Service 0190-Nummern für eine Vielzahl von unterschiedlichen Leistungsanbietern vergeben worden sei. Selbst wenn es sich dabei um sogenannte Telefonsexanbieter handele, sei ebenfalls nicht von Sittenwidrigkeit auszugehen. Bei einem Teil der Telefondienste würden Leistungen lediglich in dem Vorspielen vorgesprochener Tonbänder angeboten. Auch bei einem Live-Sprechkontakt könne nicht von Sittenwidrigkeit ausgegangen werden. In diesem Fall fehle es an dem Merkmal einer Herabwürdigung einer Frau in menschenunwürdiger Weise zum Objekt. Es sei allein der freie Entschluß der Anbieterinnen, ihre Leistung darzubieten und sie habe die federzeitige Entscheidungsmöglichkeit, das Gespräch zu beenden. Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, die Herstellung der Telefonverbindung sei lediglich als wertneutrales Hilfsgeschäft anzusehen, das selbst nicht sittenwidrig sei. Zur Verfügungstellung des Telefonnetzes und ihrer Netzkapazität an Dritte sei sie gesetzlich verpflichtet.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien auf ihre Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g a g r ü n d e:
Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Telefonkosten aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Variante BGB. Die zur Bejahung dieses Anspruchs erforderlichen Voraussetzungen der Norm sind zum Teil nicht erfüllt.
Zwar hat die Beklagte etwas erlangt, als sie die Abbuchung der Rechnungsbeträge vom Konto des Klägers veranlaßte. Der erlangte Vermögensvorteil besteht in dem Anspruch der Beklagten gegenüber ihrer Bank auf Auszahlung des ihrem Konto durch die Abbuchung gutgeschriebenen Rechnungsbetrages.
Die Zahlung der Rechnungsbeträge mittels Abbuchung stellt auch eine Leistung an die Beklagte dar. Die Beklagte ist nicht lediglich in der Position als Inkassostelle anzusehen, sondern sie ist selbst Leistungsempfängerin. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die Beklagte selbst zunächst den Vermögensvorteil erhält. Auch Beträge, die sie an Anbieter weiterleitet, werden von ihr selbst in Rechnung gestellt. Aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, zu dem Service 0190 ergibt sich in Ziffer 7, daß die Beklagte für den Dienstanbieter eine eigene Abrechnung vornimmt. Daraus folgt, daß sie die empfangenen Beträge nicht lediglich weiterleitet wie beispielsweise eine Bank. Die Art der Rechnungstellung und des Inkassos sprechen dafür, daß die Leistung einheitlich zu beurteilen ist. Dabei ist unerheblich, daß die Geschäftgebühr pro Einheit sich aus einem Teil als Vergütung des Dienstanbieters, einem Teil als normale Telefongebühren und einem Teil als Vergütung für das Inkasso zusammensetzt. Diese Aufteilung einer Gesamtgebühr, in Teilbeträge erscheint in der Rechnung nicht. Aus der Sicht eines verständigen Empfängers stellt sich die Gesamtgebühr als Abrechnung einer einheitlichen Leistung dar. Insoweit ist aufgrund der einheitlichen Abrechnung die Beklagte als Leistungsempfängerin der gezahlten Telefongebühren anzusehen.
Die Leistung an die Beklagte erfolgte jedoch nicht ohne Rechtsgrund. Rechtsgrund ist einmal der Vertrag über die Einrichtung eines Telefonanschlusses sowie der jeweilige Auftrag des Kunden für die Vermittlung eines jeden einzelnen Gesprächs. Diese Rechtsbeziehungen sind auch wirksam. Die einzelnen Aufträge zur Vermittlung eines Gesprächs sind nicht gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
Zunächst ist die Wirksamkeit im Hinblick auf den Vertrag zwischen dem Dienstanbieter und der Beklagten zu beurteilen. Dieses Rechtsgeschäft ist als sittenwidrig gemäß § 138 BGB anzusehen. Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Der Bundesgerichtshof sieht Telefonsexverträge als sittenwidrig an, da die jeweilige Mitarbeiterin des Anbieters als Person zum Objekt herabgewürdigt wird und ein bestimmtes Sexualverhalten der Kunden in verwerflicher Weise kommerziell ausgenutzt wird. Damit stellt sich der vertragsgemäß verfolgte Geschäftszweck selbst als sittenwidrig dar (vgl. BGH NJW 1998, 2895). Entsprechend dieser Wertung sind Verträge von Dienstanbietern, in denen Telefonsex angeboten, wird, als sittenwidrig zu beurteilen. Mithin ist die vertragliche Einigung zwischen der Beklagten und einem Dienstanbieter der über die Service 0190-Nummer Telefonsexgespräche anbieten möchte, gemäß § 138 BGB unwirksam.
Diese Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit in der Rechtsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Dienstanbieter führt jedoch nicht zu einer Sittenwidrigkeit im Hinblick auf die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten. Inhalt des jeweiligen Auftragsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten ist die Herstellung einer Verbindung zu, einem anderen Telefonkunden. Die von der Beklagten geschuldete Leistung beschränkt sich darauf, die technischen Einrichtungen für das Zustandekommen des Gesprächs zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich lediglich um einen rein technischen Vorgang. Die Leistung der Beklagten stellt sich als neutral dar. Sie ist unabhängig von dem Inhalt des zwischen den Kunden geführten Gesprächs. Die Beklagte stellt lediglich die Möglichkeit zur Verfügung, über eine größere Entfernung zwischen zwei Personen ein Gespräch zu führen. Für den Inhalt des Gesprächs trägt die Beklagte als Netzbetreiber keine Verantwortung. Dies ergibt sich bereits daraus, daß sie keine Möglichkeit hat, auf den Inhalt des Gesprächs Einfluß zu nehmen. Ein Anspruch der Beklagten auf Vergütung ergibt sich aus der Herstellung der Verbindung unabhängig von dem Inhalt des Telefonats. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, daß die Beklagte gleichzeitig eine Inkassotätigkeit für den Dienstanbieter übernimmt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Inkassogebühr für alle Servive 0190-Nummern gleich ist, unabhängig davon, ob der Dienstanbieter ein Telefonsexgespräch anbietet oder eine sonstige telefonische Beratung, Musik oder Wertpapiernachrichten. Die Inkassotätigkeit der Beklagten stellt lediglich ein bloßes Hilfsgeschäft dar. Hierauf sind die Grundsätze anzuwenden, die der Bundesgerichtshof für Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Prostitution aufgestellt hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht davon aus, daß Rechtsgeschäfte, die lediglich im Zusammenhang mit der Prostitution stehen, wegen einer im Interesse der Allgemeinheit wünschenswerten gewissen, Ordnung der Prostitution nicht als unwirksam gemäß § 138 BGB anzusehen sind (vgl. BGH NJW 1970, 1179; vgl. Palandt, BGB, § 138 Rndnr. 52). Entsprechendes gilt für Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit Telefonsexverträgen. Auch die Inkassotätigkeit steht lediglich im Zusammenhang mit dem als sittenwidrig zu beurteilenden Angebot von Telefonsex und ist mithin, sofern nicht weitere besondere Umstände vorliegen, nicht als sittenwidrig anzusehen.
Eine Sittenwidrigkeit ist auch nicht in der Höhe des in Rechnung gestellten Entgelts anzunehmen. Zunächst ist ein, auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht ohne weiteres zu bejahen. Die Telefongebühr für eine Stunde mit dem Service 0190 in Höhe von 187,97 DM kann für sich allein nicht als Wucher oder wucherähnliches Rechtsgeschäft angesehen werden. Sonstige Umstände, etwa ein ausbeutender Charakter oder eine verwerfliche Gesinnung sind nicht zu erkennen. Zu berücksichtigen ist, daß jedes Ferngespräch mit der Dauer von einer Stunde sehr teuer ist, und der Kunde dies auch weiß.
Mangels Sittenwidrigkeit der Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten sind die in Auftrag gegebenen Vermittlungen wirksam und die Beklagte kann das in Rechung gestellte Entgelt hierfür beanspruchen.
Selbst wenn man eine Sittenwidrigkeit für die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten bejaht, ist ein Anspruch gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Diese Norm ist nach überwiegender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung für alle Ansprüche aus Leistungskondiktion anwendbar (vgl. Palandt, § 817, Rndnr. 1). Die Voraussetzungen sind gegeben. Dem Kläger als Leistenden fällt ebenfalls ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last. Die Sittenwidrigkeit ist nicht bereits in der Zahlung der Gebühren an die Beklagte zu sehen. Die Bezahlung einer Leistung, auch wenn diese sittenwidrig ist, stellt lediglich ein wertneutrales Geschäft dar. Die Sittenwidrigkeit liegt jedoch in der Eingehung des Vertrages mit einem Dienstanbieter für Telefonsexgespräche und der Entgegennahme der sittenwidrigen Leistung. Durch die aktive Teilnahme des Klägers an dem sittenwidrigen Geschäft, ist sein Handeln mit dem Makel der Sittenwidrigkeit behaftet. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erscheint es nicht gerechtfertigt, wenn der Kläger sich jetzt auf die Sittenwidrigkeit beruft und nach Entgegennahme des Angebots nunmehr das seinerseits Geleistete klageweise zurückfordern will.
Sonstige Anspruchsgrundlagen sind für das Begehren des Klägers nicht ersichtlich. Mithin ist seine Klage als unbegründet abzuweisen.
II.
Die Nebenentscheidungen folgen bzgl. der Kosten aus § 91 ZP0 und bzgl. der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711 ZPO.